Genesis 3

Aus Die Offene Bibel

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Status: Studienfassung zu prüfen – Eine erste Übersetzung aus dem Urtext ist komplett, aber noch nicht mit den Übersetzungskriterien abgeglichen und nach den Standards der Qualitätssicherung abgesichert worden und sollte weiter verbessert und geprüft werden. Auf der Diskussionsseite ist Platz für Verbesserungsvorschläge, konstruktive Anmerkungen und zum Dokumentieren der Arbeit am Urtext.
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Status: Lesefassung folgt später – Bevor eine Lesefassung erstellt werden kann, muss noch an der Studienfassung gearbeitet werden. Siehe Übersetzungskriterien und Qualitätssicherung Wir bitten um Geduld.

Anmerkungen

Studienfassung (Genesis 3)

1 Die Schlange nun war [ohne Gewand und] (klug, verschlagen=) gewandt,a mehr als alle (Lebewesen des Feldes=) wilden Tiere, die JHWH-Gott gemacht hatte. Sie sagte zur Frau: „(Auch, wenn =) Obwohl Gott gesagt hat (Um wieviel mehr, da Gott gesagt hat...; Selbst, wenn Gott gesagt hat...; Hat Gott wirklich gesagt!?),b ‚Ihr dürft von keinem Baum (nicht von jedem Baum) des Gartens essen‘,...“

2 Da sagte die Frau zur Schlange: „Von (der Frucht=) den Früchten (des Baums=) der Bäume des Gartens dürfen wir [sehr wohl] essen.

3 Aber von (der Frucht=) den Früchten des Baumes (Gebäums), welcher in der Mitte des Gartens [steht], hat Gott gesagt: ‚Ihr sollt nicht davon essen und ihr sollt sie nicht anrühren, damitc ihr nicht ersterbt.‘“d

4 Da sagte die Schlange zur Frau: „Ihr werdet nicht ‚durchaus ersterben.‘e 5 Vielmehr weiß Gott:f Am Tag, an dem ihr davon esst,g werden euch die Augen geöffnet werden, und ihr werdet werden (sein) wie Gott (Götter): erkennend Gut und Böse (Schlecht).“h

6 Da sah die Frau,
dass der Baum gut als Essen [war]
und dass er eine Lust für die Augen [war]:
Der Baum [war] begehrenswert anzuschauen (begehrenswert [darin], [dass er] weise machte). (und [dass] der Baum begehrenswert anzuschauen [war])i
Da nahm sie von seiner Frucht und aß.
Dann gab sie auch ihrem Mann bei ihr und er aß.

7 Da wurden ihnen beiden die Augen geöffnet, und sie wurden gewahr, dass sie nackt waren. Daher nähten sie Feigenblätter zusammen und machten sich Gürtel (Lendenschurze?)j

8 Später hörten sie die Stimme (den Klang) des Gottes JHWH, der zur Brise des Tages (zum wehenden Sturm)k im Garten umherwandelte, und der Mensch und seine Frau versteckten sich vor dem Angesicht JHWH Gottes inmitten der Bäume des Gartens. 9 Da rief JHWH zum (nach dem) Menschen{ und er sprach}: „Wo bist du?“ 10 Und er sprach: „Deine Stimme (deinen Klang) hörte ich im Garten, aber (und) ich fürchtete mich, weil ich nackt war (bin), und so versteckte ich mich.“ 11 Und er sprach: „Wer hat dir mitgeteilt, dass du nackt bist? Hast du von dem Baum gegessen, von dem nicht zu essen ich dir geboten hatte?“ 12 Und der Mensch sagte: „Die Frau, die du mir beigegeben hast, sie gab mir [Frucht] von dem Baum, und so aß ich.“ 13 JHWH Gott sprach zur Frau: „Was hast du da [nur] getan!?“ Und die Frau sprach: „Die Schlange — sie betrog mich, und so aß ich.“

14 JHWH sprach zur Schlange:

„Weil du das getan hast,
verflucht bist du unter allen Tieren (Haustieren)
und unter allen wilden Tieren des Feldes.
Auf deinem Bauch wirst du kriechen,l
und Staub wirst du fressen
alle Tage deines Lebens.
15 Und ich werde Feindschaft setzen zwischen dir und der Frau
und zwischen (deinem Samen und ihrem Samen=) deinen Nachkommen und ihren Nachkommen.
(Er wird=) sie werden nach deinem Kopf lechzen (dir den Kopf zermalmen),
und du wirst nach (seiner=) ihrer Ferse lechzen (schnappen, ihre Ferse zermalmen).“m

16 Zur Frau sagte er:

“Ich werde deine Mühsal und deine Empfängnis (die Mühsal deiner Empfängnis) sehr mehren;
mit Geburtsschmerzen wirst du Kinder gebären,
und dein Verlangen (deine Rückkehr)n wird nach deinem (zu) Mann sein,
und (aber) er wird dich beherrschen.“

17 Und zu Adam (zum Menschen?) sprach er:

„Weil du auf die Stimme deiner Frau gehört hast
und von dem Baum gegessem jast,
von dem ich dir geboten habe{ wie folgt}:
Du sollst nicht davon essen,
so ist der Erdboden deinetwegen verflucht;
in Mühsal wirst du seinen Ertrag essen alle Tage deines Lebens.
18 Dornen und Disteln wird er dir wachsen lassen,
und du sollst die Pflanzen des Feldes essen.
19 Im Schweiße deines Angesichts wirst du Brot essen,
bis du zum Erdboden zurückkehrst,
denn von ihm wurdest du genommen (von dem du genommen wurdest).

Denn Staub bist du,
und zum Staub wirst du zurückkehren.“

20 Danach gab der Mensch (Adam) seiner Frau den Namen Eva, weil sie die Mutter alles Lebenden war. 21 Und JHWH machte (Haut-Kleider=) Kleider für die Haut (Kleider aus Fell) für Adam und Eva.


22 Und JHWH sprach: „Sieh, der Mensch ist jetzt wie einer von uns geworden: er erkennt jetzt Gut und Böse! Und nun, dass er seine Hand nicht ausstreckt und [tatsächlich] auch [Frucht] vom Baum des Lebens nimmt und ißt und ewig lebt. 23 Daraufhin verwies JHWH den Menschen aus dem Garten Eden, damit er [auf] dem Erdboden diene, von wo er genommen worden war. 24 Und so trieb er den Menschen hinaus und stellte im Osten des Gartens Eden die Keruben auf und die Flamme des sich hin und her wendenden Schwerts, damit sie den Weg zum Baum des Lebens bewachten.

Anmerkungen

Mit 2,25-3,7 sind wir an den kritischen Punkt von Gen 2-3 gelangt, der direkt zum Höhe- und Zielpunkt der beiden Kapitel in Vv. 8-19 führt: Nachdem die Frau als Krone der Schöpfung ins Dasein getreten ist, folgt in V. 25 noch eine Aussage über den Zustand der beiden; darauf folgt als erste Handlung des Menschenpaars direkt, wie sie gegen das einzige Gebot verstoßen, das Gott erlassen hat. Was genau hier passiert, ist jedoch völlig unklar; umstritten sind vor allem folgende fünf Aspekte:
(1) Welche Bewandtnis hat es mit dem Wortspiel „ohne Gewand“ (2,25) – „gewandt“ (V. 1) – „kein Gewand“ (V. 7)? Genauer: Ist der wichtigere Unterschied der zwischen „ohne Gewand“ (´arum, 2,25) und „gewandt“ (V. 1), der zwischen „ohne Gewand“ (2,25) und „kein Gewand“ (V. 7) oder der zwischen „gewandt“ (V. 1) und „kein Gewand“ (V. 7)? Anders gefragt: Ist die kluge Schlange hier noch mehr „Mensch“, als es die Menschen sind, sind die Menschen zuerst „nackt“, später aber „entblößt“, oder wollen die Menschen „gewandt“ werden, werden aber nur „nackt“?
(2) Welche Fähigkeit ist es, die der „Baum der Erkenntnis von Gut und Böse“ verleiht, und wie genau hängt sie mit der Erkenntnis, „kein Gewand zu haben“, zusammen?
(3) Ist Nacktheit im Alten Orient eigentlich etwas Erotisches? Und ist es bedeutsam, dass „erkennen“ im biblischen Sprachgebrauch ein Ausdruck für Geschlechtsverkehr ist, dass der Baum als „Lust“ und „begehrenswert“ beschrieben wird, und hängt dies irgendwie zusammen damit, dass die „Braut“ in Hld 4,13 ein „Lustgarten aus Granatapfelbäumen mit köstlichen Früchten“ ist?
(4) Wer ist überhaupt die Schlange – warum kann sie als einziges Tier der Bibel von sich aus sprechen, und warum sind die ersten und letzten Worte des Schlangengeschlechts die Opposition gegen Gottes Gebote?
(5) Und schließlich: Begehen Eva und Adam hier tatsächlich die erste Sünde, oder hat es Gott vielleicht genau so geplant, wie es vonstatten ging? Sind sie überhaupt schuldfähig, bevor sie „Gut und Böse erkennen“ können?
Weil das alles so unklar ist, seien hier drei verbreitete Deutungen vorgestellt. Vorzuziehen ist sicher die zweite.

  1. Die klassisch-christliche (stellvertretend für viele und viele Konfessionen sei hier als Vertreter der KKK, der „Katechismus der katholischen Kirche“, zitiert): In der Schlange wirkt der Satan, des Gegenspielers Gottes. Angedeutet wird dies zum einen mit dem Wort „gewandt“, das hier i.S.v. „verschlagen“ genommen werden muss, zum anderen damit, dass die Schlange qua Schlange der „kleine Bruder“ der Chaosschlange in Jes 27,1; Am 9,3 ist, die in Offb 12,9 mit dem Satan identifiziert wird. Als solcher will sie Adam und Eva zur ersten Sünde verführen: Natürlich sind die beiden bereits schuldfähig; Adam hat sich ja sogar bereits als weise genug erwiesen, alle Tiere der Erde zu benennen. Der „Baum der Erkenntnis von Gut und Böse“ verleiht trotz V. 22 nicht wirklich die Fähigkeit der Erkenntnis von Gut und Böse; dies kann nur Gott. Vielmehr „erinnert er sinnbildich an die unüberschreitbare Grenze, die der Mensch als Geschöpf freiwillig anerkennen und vertrauensvoll achten soll. Der Mensch hängt vom Schöpfer ab, er untersteht den Gesetzen der Schöpfung und den sittlichen Normen, die den Gebrauch der Freiheit regeln(KKK 396).
    Üblicherweise bleibt diese Deutung hier aber nicht stehen; aus der „Sündendeutung“ wird häufig eine „Ursünden-Deutung“: Auf irgendeine Weise ist diese erste Sünde dann noch weiter sogar die „Ursünde“, die von Adam und Eva an alle Menschen weitervererbt wird auf „geheimnisvolle Weise, die wir nicht völlig verstehen können(KKK 404). Für diese Ursünden-Deutung ist es dann sogar nötig, zu glauben: „Der Bericht vom Sündenfall (Gen 3) verwendet eine bildhafte Sprache, beschreibt jedoch ein Urereignis, das zu Beginn der Geschichte des Menschen [tatsächlich] stattgefunden hat.(KKK 390). Die Strafen Gottes in Vv. 8-19 sind dann schlicht die gerechte Strafe für diese Erst- und Ursünde. – Das häufigste Gegenargument gegen diese Deutung greift nicht: Eine bereits entwickelte Satansvorstellung muss man nicht voraussetzen; es reicht, wenn man annimmt, dass die Schlange den Leser an die Chaos-Schlange denken lassen soll, die ja wirklich spätestens zur Zeit von Amos und Jesaja als „Feind der Schöpfung“ dargestellt werden konnte. Die größte Schwäche der Sünden-Deutung ist V. 22. Dass es gerade der „Baum der Erkenntnis von Gut und Böse“ ist, von dem die beiden essen, und dass sie am Ende wirklich über gottgleiche „Erkenntnis von Gut und Böse“ verfügen, lässt sich hiernach nicht gut erklären. Einige alte Christen haben V. 22 daher als „ironische Äußerung“ verstanden wissen wollen, aber das liegt völlig fern. Die Weiterführung der Sündendeutung zur „Ursünden-Deutung“ dagegen lässt sich überhaupt nicht aus dem Text herauslesen, aber das gestehen Vertreter dieser Deutung auch freimütig zu: „Obwohl das Gottesvolk des Alten Bundes im Licht der im Buche Genesis erzählten Geschichte vom Sündenfall die menschliche Daseinsverfassung irgendwie erkannte, konnte es den letzten Sinn dieser Geschichte nicht erfassen; dieser tritt erst im Licht des Todes und der Auferstehung Jesu Christi zutage (vgl. Röm 5,12-21). Man muss Christus als den Quell der Gnade kennen, um Adam als den Quell der Sünde zu erkennen.(KKK 388). Heißt: Auslegung von Gen 3 soll die Ursünden-Deutung ohnehin nicht sein; als sinnvolle Deutung von Gen 3 selbst scheidet diese Variante daher von vornherein aus. Die reine Sünden-Deutung dagegen ist die aktuell verbreitetste Deutung; sie ist aber weit näherliegend zu einer von der Ursünden-Deutung unabhängigen ätiologischen Deutung weiterentwickelt worden:
  2. Die ätiologische: Ob Adam und Eva hier tatsächlich schon „sündigen“ können, ist irrelevant; klar ist jedenfalls, dass sie Gottes Gebot übertreten: Statt dem „Baum des Lebens“ wählen sie gegen Gottes Willen die „Erkenntnis von Gut und Böse“. Sie vollziehen damit das, was Karl Barth wunderbar als „die Schlangenmöglichkeit“ des Menschen bezeichnet hat: Das Recht für sich zu beanspruchen, selbst zu entscheiden, was Gut und was Böse sei, da Gott mit seinen Geboten jemandem möglicherweise ja etwas Gutes, gar das Beste, vorenthalten könnte (KD IV/1, S. 481-3).
    Insgesamt soll diese Geschichte erklären, warum der Mensch erstens sterblich ist, warum er zweitens klug ist, warum er drittens mit dieser eigentlich so positiven Eigenschaft der Klugheit gegen Gottes Willen verstoßen kann, und warum aber ebendiese Klugheit ihm viertens durch Beschämung für solche schlechte Taten die Augen öffnet (darum folgt ´erom, „entblößt“, statt ´arum, „nackt“, aus ´arum, „klug“). Daran schließen sich in Vv. 8-19 noch weitere Ätiologien an: Woher kommt es, dass die Schlange keine Beine hat? Woher kommt die Feindschaft zwischen dem Menschen und der Schlange? Woher kommt es, dass die erste `adamah – die Erde – mit den Pflanzen so mühelos Nachkommen gebiert, die zweite `adamah – die `iššah des `išs Adam – dagegen unter solchen Schmerzen? Warum sind Frau und Mann nicht ein Geist und eine Seele, obwohl sie doch ein Fleisch und Blut sind? Und woher kommt es schließlich, dass die Bäume so mühelos Frucht bringen, der Mensch dagegen die Früchte der Erde derselben im Schweiße seines Angesichtes abringen muss? Zu all diesen Fragen siehe dann Gen 3; hier ist die Erklärung nachzulesen. Gen 2-3 ist dann also insgesamt eine Ätiologie in Reinform. (Zu dieser Deutung s. näher z.B. Ebach 2009; Levin 2009).
    Ein Letztes: Vertreter dieser Deutung denken, dazu würden sie deshalb von der Schlange verführt, weil diese als sprichwörtlich kluges Tier (vgl. Mt 10,16) einfach die logische Wahl als „Agent der Klugheit“ war. Besser hält man die „kluge“ Schlange hier aber für den Genius dieses Baums der „Erkenntnis“: Ist der Baum das, was „dem Menschen seine Schlangenmöglichkeit verleiht“ – die Klugheit also, die auch die Opposition gegen Gott ermöglicht – dann ist die Schlange Verkörperung dieser Schlangenmöglichkeit. Man kann sich gut vorstellen und soll das vielleicht auch, dass die Schlange anders als der Mensch bereits von der verbotenen Frucht gekostet hat (schön Chizkuni). Von dieser so bedingten Klugheit rührte dann erstens ihre Sprachfähigkeit her, zweitens ihr Opponieren gegen Gott.o
  3. Die erkenntnis-optimistische: Eine Variante von Deutung (2). Der Erdling war nie für den Garten Eden bestimmt: Er war dafür geschaffen worden, um auf dem Erdboden zu dienen (2,5), nicht „im Garten“ (2,15). Mit der „Strafe“, „auf dem Erdboden dienen“ zu müssen (V. 23), ist der Mensch also nur dort angelangt, wo er von jeher hin sollte. Für diese Aufgabe braucht er aber außerdem noch Klugheit. Weil diese wirklich so ambivalent ist wie in Deutung (2) beschrieben, geht der Erzähler den erzählerischen Umweg, den Menschen Klugheit erlangen zu lassen, indem er gegen Gottes Gebot verstößt – eine „Sünde“ ist dies aber nicht; der Mensch war ja schließlich noch gar nicht schuldfähig, und entsprechend fällt in Gen 3 kein einziges Mal ein Wort wie „Schuld“ oder „Sünde“. (Zu dieser Deutung s. näher z.B. Krüger 2007; Schmitz 2016). – Diese Deutung ist anregend, kann aber wohl nicht richtig sein: „Was ist dies, was du getan hast!?“ (V. 13) ist unbezweifelbar entweder eine starke Verurteilung oder ein Ausruf des Entsetzens über die Handlung Evas (s. zum Vers); dass hier „nur geschah, was Gott geplant hatte“, lässt sich damit kaum vereinbaren.

agewandt - Wortspiel mit „ohne Gewand“ in 2,25; s. dort. Tatsächlich lässt sich hier sowohl übersetzen: „Sie war nackter als alle anderen Tiere“, als auch: „sie war klüger als alle anderen Tiere“. Die obige Üs. orientiert sich am klugen Vorschlag von Crüsemann (auch in der Kirchentags-Übersetzung): „Sie hatte weniger an, aber mehr drauf als alle anderen Tiere“.
Heute fast ausschließlich übersetzt mit „klug“, und merkwürdigeweise von der großen Mehrheit auch so kommentiert, dass ´arum in der Bibel ausschließlich positiv zu verstehen sei, also eben als „klug“ statt als „verschlagen“ o.Ä. Dabei stimmt das gerade nicht: Positiv gemeint ist das Wort in der Tat sehr häufig im Buch der Sprichwörter. Aber auch nur dort. Für das Adjektiv s. Ijob 5,12; 15,5, für das verwandte Substantiv Ex 21,14; Jos 9,4; Ijob 5,13; für das Verb 1 Sam 23,22; Ps 83,4, wo es jeweils „(hinter)listig“, „(Hinter)list“ und „hinterlistig sein“ bedeutet. Eine Schlange, die ´arum ist, kann also sehr wohl die negative Seite der „Erkenntnis von Gut und Böse“ repräsentieren.
„Klug“ heißt auch im Buch der Sprichwörter nicht „gelehrt“, sondern „lebensklug“ – „gewandt“, was hier primär zur Übersetzung des Wortspiels gewählt wurde, passt also sogar ziemlich gut. (Zurück zu v.1)
btFN: (auch, wenn=) obwohl (Um wievielmehr, da; Selbst, wenn; wirklich...!?) - schwer erklärlich im Heb.
(1) `ap ki findet sich häufig in der Bibel und hat sehr stabil die Bed. „um wieviel mehr/weniger“ (z.B. 1 Kön 8,27: „Wenn schon der Himmel dich nicht fassen kann – um wieviel weniger könnte dich da dieses Häuslein fassen, das ich gebaut habe!?“). Ibn Ezra und Radak wollen die Fügung auch hier so auffassen und nehmen daher an, dass mit ihr angedeutet werden solle, dass eine längere Diskussion zwischen Frau und Schlange vorausgegangen ist (vgl. ähnlich Est 5,11f.).
(2) Ausnahmen von diesem häufigsten Gebrauch sind nur Ijob 35,14; Ez 14,21 und Neh 9,18, wo `ap und ki jeweils separat genommen werden müssen: „Sogar, wenn...“ / „Selbst, wenn...“ (in Ez 23,40 und Hab 2,5 ist der MT unverständlich, trägt aber auch nichts zum Verständnis von Gen 3,1 bei). So Hirsch: „Selbst, wenn es Gott gesagt hat...“ Ähnlich wie ibn Ezra und Radak kommentiert er dann: „Dieser Beginn der Rede zeigt uns bereits den Menschen in Unterhaltung mit dem Tiere. Es hatte bereits der Mensch das Gottesverbot als Grund des Nichtgenusses hervorgehoben.“ Aber dazu passt die Antwort Evas kaum.
(3) Die meisten Neueren verstehen ebenfalls wie bei diesen drei Stellen als zwei separate Partikeln, fassen sie aber anders auf: „(Es gilt) wirklich, dass...“ Das wird dann wie in 4QGenk (ha`ap ki), LXX und VUL („warum?“) als unmarkierte Frage genommen („Ist es auch der Fall, dass...?“) und dies dann wiederum geglättet zu „Hat wirklich...!?“ (Z.B. BrSynt §159a: „Ist es nicht auch, daß Gott gesprochen hat?“; JM §157a: „Is it also that he said? = is it then true that he said?). Das Problem ist nicht (wie z.B. Speiser einwendet) die Deutung als Fragesatz; unmarkierte Fragesätze finden sich in der Tat sehr häufig. Das Problem ist vielmehr: Vergleicht man die idiomatische Frageeinleitung haki statt `ap ki (z.B. Gen 29,15; 2 Sam 23,19; Ijob 6,22), sieht man, dass bei einer Üs. von `ap ki mit „Gilt wirklich, dass...?“ gerade das fragliche `ap unerklärt bleibt und in der Üs. „weg-geglättet“ wird. Obwohl das also in diesen beiden großen Grammatiken (und z.B. auch in Williams §487) steht, lässt sich diese Deutung wohl nicht rechtfertigen.
(4) Raschi, Chizkuni, Sforno und auch Ehrlich 1908, Speiser 1964 und ALTER deuten daher `ap ki wie gam ki: „Obwohl Gott gesagt hat...“ In Ermangelung einer besseren Alternative wird man sich dem anschließen müssen. Die Frau würde der Schlange dann also korrigierend ins Wort fallen, was dann gleich auch die Alternative „von keinem Baum“ wahrscheinlicher macht als „nicht von jedem Baum“. (Zurück zu v.1)
cdamit - vielleicht schon der erste Casus Knacksus. Evas Wiedergabe von Gottes Verbot entspricht mehrfach nicht seiner Formulierung. Offensichtlich ist die gleich folgende Hinzufügung des „nicht-Anfassens“. Aber bereits hier formuliert die Frau anders als Gott mit einem damit-Satz. Gott dagegen sagte: „Du wirst durchaus sterben“, mot tamut. Anders als mot jamut-Sätze ([Wer X tut], muss durchaus sterben“) kommen mot tamut-Sätze nicht aus dem israelitischen Rechtswesen, sondern als mot-tamut-Sätze werden göttliche und königliche Urteile formuliert („Du bist des Todes“). Vgl. 1 Sam 14,44; 22,16; 1 Kön 2,37.42f. von königlichen Urteilen, Gen 20,7; 2 Kön 1,4.6.16; Ez 3,18 = Ez 33,8.14 von göttlichen (ähnlich noch Jer 26,8). Über einen damit-Satz kann man sich hinwegsetzen: Trifft die Folge einer Handlung nicht zu, vor der gewarnt wurde, ist die Handlung unproblematisch. Über ein Urteil Gottes dagegen kann man sich nicht hinwegsetzen; es gilt schlechthin. Doch für die Frau scheint der Ausspruch Gottes eine Warnung gewesen zu sein; mit ihrer Formulierung macht sie der Schlange ihre Gegenrede also leicht. (Zurück zu v.3)
dersterbt - Auffällige Wortform mit sog. „paragogischem Nun“ (insgesamt nur 4x im AT). Man beachte, dass die Schlange diese Wortform wiederholt, wie ähnlich zuvor die Frau die in diesem Kontext auffällige Gottesbezeichnung „Gott“ statt „JHWH-Gott“ der Schlange wiederholt hat. (Zurück zu v.3)
edurchaus ersterben - ein Mischzitat: Die Schlange zitiert exakter als die Frau die Formulierung Gottes aus Gen 2,17, greift aber auch die auffällige Wortform der Frau aus dem vorangehenden Vers auf. (Zurück zu v.4)
fVielmehr weiß Gott - Sc. „Gott hat euch etwas vorgeschwindelt, damit ihr nicht so klug werdet wie er.“ Gottes Ausspruch in V. 22 klingt dann auch wirklich so, als sei dies sein Beweggrund. S. dazu dann die Anmerkungen. (Zurück zu v.5)
gAm Tag, an dem ihr davon esst - Fast exaktes Zitat des zweiten Teils von Gottes Verbot. Die Schlange präsentiert sich als Fachtier in Sachen Baum und Gott, das über beide besser Bescheid weiß als die Frau. (Zurück zu v.5)
hGut und Böse (Schlecht) - Hier sehr umstrittene Fügung.
(1) Ausleger des 20. Jhd.s hielten „Gut und Böse“ oft für einen bloßen Merismus, der dann nicht weniger bedeute als: „Alles“ (so z.B. auch noch Sarna 2001; Habel 2011; Mettinger 2007, S. 63; Good 2009, S. 25.38). Gemeint wäre dann: „Ihr werdet allwissend werden“, und die Frau würde aus Hybris zugreifen. Aber der Mensch ist ja nicht allwissend; das ist schwerlich möglich.
(2) „Moralisch gut und moralisch böse“, also Urteilskraft. So bes. Budde 1883, S. 65-70; z.B. auch Dohmen 1988, S. 265f.; Otto 1996, S. 176f. Das wird richtig sein; s. gleich. Gemeint ist dann in diesem Kontext am ehesten: Der Mensch ermannt sich, selbst zu entscheiden, was Gut und Böse ist, erkennt dabei aber ironischerweise, was in Gottes Augen Gut und Böse ist – und er selbst hat sich nun als böse erwiesen. Die Frucht des Baums erlangen sie so übrigens bereits im Vollzug der Tat, nicht magisch durch Verspeisen der Frucht.
(3) Aktuell am beliebtesten: „Heilsam und Schädlich“. Das geht zurück auf Wellhausen 1905, S. 299-301, der sich dies noch psychologisch hergeleitet hat. Neuere wollen dies statt (2) aus der sonstigen Verwendung der Fügung „Gut/Heilsam und Schlecht/Schädlich/Böse“ ableiten (bes. Albertz 1993, S. 92-94; z.B. auch Gertz 2018; Goldingay 2020; Kiefer 2018, S. 144f.). Was das dann in diesem Kontext heißen soll, ist aber nicht klar, und ohnehin lehrt „ein Blick in die Konkordanz“ (Ego 2015, S. 4) das gerade nicht: In 1 Kön 3,9.12 ist diese „Kenntnis“ die Eigenschaft, die ein guter Richter braucht. Vgl. sehr ähnlich 1 Sam 14,17: Eine Frau gibt vor, ihre Sache dem Urteil von König David zu überlassen, weil dieser „Gut und Böse heraushören kann“. Vgl. ähnlich noch Jer 4,22: „Mein Volk ist nur darin weise, Böses zu tun; Gutes zu tun dagegen verstehen sie nicht.“ In frühjüdischen Texten wird die Fügung stets im Zhg. mit Gottes Geboten verwendet. Vgl. zunächst Sir 17,7, eine Auslegung unserer Stelle: dort wird die „Erkenntnis Gut und Böse“ in Vv. 8-14 weiter so entfaltet, dass Gott den Israeliten verschiedene Gebote gab und außerdem das Verbot, Unrecht zu tun, wie nach Vv. 15f. die anderen Völker ungerecht sind. In 4QInstruktion ist ebenfalls die „Erkenntnis von Gut und Böse“ Kennzeichen des Gerechten; man erlangt sie, indem man Gottes Gebote meditiert (vgl. Rey 2017, S. 486-489). Nach 1QSa 1,10f. verfügt man dann über „Erkenntnis von Gut und Böse“, wenn man mit 20 Jahren zehn Jahre lang ausgebildet wurde in göttlichen Geboten und Gesetzen. Aus Dtn 1,39f. und Jes 7,15f. dagegen lässt sich inhaltlich gar nichts ableiten; erkennbar ist nur, dass Kinder und Jugendliche über diese Fähigkeit noch nicht verfügen. 2 Sam 19,36 schließlich passt zu beidem nicht gut; hier geht es um den Unterschied von „Hochwertig vs. Minderwertig“: Jerusalemer Haute Cuisine vs. Rogelimer Straßenküche, Jerusalemer Hochkultur vs. Rogelimer Amateurgesang. „Heilsamer“ oder „schädlicher“ ist jedenfalls keins davon als das andere. Wenn ein Blick in die Konkordanz für eine von beiden Alternativen spricht, dann sicher für (2) und nicht für (3), und ein stärkeres Indiz als die Konkordanz haben wir hier nicht. (Zurück zu v.5)
iAlle lösen syntaktisch auf wie in der Alternative: und dass der Baum begehrenswert war, weise zu machen. Aber es ist doch sehr auffällig, dass die vorigen beiden Sätze im Heb. ein „dass“ haben, dieser Satz aber nicht, und dass in diesem Satz der „Baum“ als Subjekt noch einmal ausdrücklich erwähnt wird, nachdem er im Satz zuvor ausgespart war (was grammatisch so unerwartet kommt, dass LXX und VUL es streichen). Besser hebt man den Satz in der Üs. heraus, wie er im Heb. syntaktisch herausgehoben ist.

Grosso modo erkennt die Frau hier nur, was nach Gen 2,9 für alle Bäume gilt:

Gott ließ aus dem Erdboden jeglichen Baum sprießen,
begehrenswert anzusehen und gut als Essen. (2,9)
Die Frau sah,
dass der Baum gut als Essen war
und dass er eine Lust für die Augen war:
Der Baum war begehrenswert, anzuschauen. (3,6)
lehaßkil ist doppeldeutig; das Wort bed. sowohl „anschauen“, wie hier alle alten Vrs. und z.B. auch ALTER deuten, als auch „weise machen“. Soll es hier primär die Bed. „weise machen“ haben, ist der Zweck des Wortspiels nicht klar; heißt es hier primär „anschauen“ und ist damit parallel mit Gen 2,9 und mit der direkt vorangehenden Zeile, schon: Bereits hier deutet sich die dämmernde Erkenntnis an. Ist das nicht zu veraltet, übersetzt man vielleicht am besten ins Dt.: „Er war begehrenswert, zu gewahren“ (wählt man dagegen als Primärbed. „weise machen“, vielleicht: „begehrenswert, Einsicht zu verleihen“). (Zurück zu v.6)
jGürtel (Lendenschurze?) - Schwierig zu deuten. Am ehesten versuchen Adam und Eva entweder vergeblich (s. V. 10), ihre Nacktheit zu bedecken, was JHWH in V. 21 dann „ordentlich“ tut, oder die „Gürtel“ sind Symbol für das um die Hüften getragene „Sacktuch“, also die israelitische Buß- und Trauerkleidung, die Gott in V. 21 nach der erfolgten Bestrafung durch ordentliche Gewänder als Zeichen für das Ende der Buß- und/oder Trauerzeit ersetzt wie ähnlich in Ps 30,12; Jes 52,1; 61,3.10; Sach 3,4f.; Lk 15,21f..
Ugaritisches Schmuckstück mit umgürteter Göttin. (c) Platt 1976, S. 105
Ägyptische Ernteszene; die Personen rechts tragen Lendenschurz (der auch nicht notwendig die Scham bedeckte, s. oben rechts), die Personen links nur Gürtel. (c) Davies 1900, Plate VII.
Zwei sumerische Rollsiegel mit Gürtel tragenden Kriegern. (c) Ward 1910, S. 43.55.
Genauer: Fast stets übersetzt mit „Schurze“. Diese Bed. hat heb. ḥagorah aber nie; sonst bezeichnet es stets den Gürtel. Das muss nicht untypischerweise pars pro toto für „Kleidung“ stehen (Haag 1970, S. 59; ähnlich Brichto 1998, S. 83: pars pro toto für den Lendenschurz): Die beiden ersten Abbildungen rechts zeigen, dass das Minimum an Kleidung im Alten Orient nicht der Lendenschurz, sondern in der Tat der Gürtel war (richtig Lutz 1922). Will man dennoch davon ausgehen, dass ein solcher Gürtel den Schambereich verdeckte, stellt man ihn sich am besten vor wie auf dem ganz rechts abgebildeten ugaritischen Schmuckstück – einen solchen hätte man sich zur Not aus Zweigen (s.u. die linke Zweiggöttin) und einem Feigenblatt in der Tat basteln können. Wichtiger ist aber die Frage nach der Bedeutung des Gürtels:
(1) Entweder hält man den Gürtel wirklich schlicht für dieses Minimum an Kleidung, was Gott dann in V. 21 aus Fürsorge noch überbieten würde (so die meisten, die den Gürtel überhaupt kommentieren. Vgl. zum Motiv dann ähnlich Gen 37,3). Noch genauer müsste man dies dann als misslungenen Versuch verstehen, etwas gegen die beschämende (2,25) Nacktheit zu unternehmen (so Lambden 1992, S. 76; Bender 2008, S. 102.104; ähnlich Tsukimoto 2014, S. 336): Auch in V. 10 sagt Adam ja trotz diesem Gürtel von sich, er sei „nackt“. Das stimmt gut zusammen mit Ez 23,15, wo Abbildungen wie die rechts als antike Pornographie charakterisiert werden. Vgl. außerdem 2 Sam 6: David trägt in V. 14-16 „einen leinenen Ephod“. Offenbar trägt er nur diesen, denn in der Folge fährt ihn seine Frau Michal an, „er habe sich entblößt, wie nur einer der losen Leute sich entblößen würde“ (V. 20) – obwohl der Ephod, wie immer er ausgesehen haben mag, sicher mehr bedeckte als ein Gürtel. Aber auch 1 Chr 15,27 scheint das zu weit gegangen zu sein, weshalb David dort zusätzlich ein Gewand aus Muschelseide trägt. Gürtel waren also gerade nicht dazu angetan, Nacktheit zu bedecken.
Schmuck-Gürtel. (c) Platt 1976, S. 106
Zweiggöttin mit unterschiedlichen Gürteln. (c) Schroer 1989, S 204.
(2) Alternativ kann man davon ausgehen, dass ein israelitischer Leser an besondere Gürtel oder eine besondere Bedeutung eines Gürtels denken sollte. Zunächst naheliegend: Wie die Fähigkeit, „gut und böse erkennen zu können“ (s. die Anmerkungen), war auch das Tragen eines Gürtels Zeichen von Erwachsenen, die daher in 2 Kön 3,21 als „jene, die den Gürtel gürten“ bezeichnet werden, wie ähnlich auch in Ägypten „den Gürtel umbinden“ ein Wechsel-Ausdruck für „mannbar und wehrhaft werden“ war (vgl. z.B. Hüften / Lenden (AT) (WiBiLex)). Vgl. auch Ijob 38,3; 40,7: „Umgürte doch wie ein Mann deine Hüften!“, sc.: „Hör doch auf, hier so kindisch rumzuheulen!“. Denn mit all diesen Ausdrücken muss nicht der Waffengurt gemeint sein, obwohl 2 Kön 3,21 von Kriegsvorbereitungen handelt: Auch Frauen trugen ähnliche Gürtel. Rechts etwa ein Exemplar, das in Tell el-'Ajjul gefunden wurde; an der rechten Abbildung der Zweiggöttin daneben sieht man, wie er getragen wurde. Dass dieser Gürtel gerade dort gefunden wurde, macht fast sicher, dass solche Gürtel keine „Prostituierten-Gürtel“ o.Ä. waren, sondern selbst (und gerade auch) von Frauen aus reichen Haushalten getragen wurden. Vgl. auch Jud 9,2 und JosAs 14,12.14, wo der „Gürtel der Jungfrau“ und der „reine, doppelte Gürtel der Jungfräulichkeit“ offenbar ein besonderer Gürtel ist, der Frauen als unverheiratete Frau kenntlich macht. Wahrscheinlich ist es der gleiche, den Bräute auch zur Hochzeit trugen (s. JosAs 18,6; angedeutet auch in JosAs 3,6; 10,10f.). Auch die Gürtel der beiden ägyptischen Arbeiter oben rechts sind ja keine Waffengurte – offenbar ist der Gürtel an sich Zeichen für das Erwachsen-Sein. Das Gewand in V. 21 müsste man dann aber ebenso deuten wie bei Deutung (1); sehr gut zusammen passt das nicht.
(3) Ausleger:innen, die Adam und Eva für die Urbilder von Priester:innen halten, können an deren kultische Gewänder denken: Auch Priester trugen u.a. ketonet-Gewänder wie in V. 21 und Gürtel, die meist `abneṭ heißen, in Ex 29,9; Lev 8,7.13; 16,4 aber ebenfalls ḥagorah genannt werden. Aber diese Priester-Deutung ist recht unwahrscheinlich.
(4) Möglich schließlich noch: In Jes 3,24 wird das Sacktuch, also die israelitische Trauer- und Bußkleidung, mit einem mit ḥagorah verwandten Wort als maḥgoret-Sacktuch“ bezeichnet; Raschi übersetzt: „Gürtel aus Sacktuch“. S. auch Ps 30,12: „Du hast mein Sacktuch gelöst und mich [stattdessen] mit Freude gegürtet“. Dies ist sicher so formuliert, weil es auch von Sacktüchern meist heißt, dass man sich in sie kleidet, indem man sie „umgürtet“ (Ez 7,18 (!); auch 2 Sam 3,31; 1 Kön 20,32; Klg 2,10; Jes 15,3; 22,12; Jer 4,8; 6,26; 49,3; Ez 27,31; Joel 1,8) oder wie den Gürtel „um die Hüften legt“ (Gen 37,34; Jer 48,37; Am 8,10; auch Jes 20,2). Das dürfte so zu deuten sein, dass auch dieses Sacktuch mitnichten ein „Sack-Gewand“ ist, wie man meist glaubt, sondern ebenfalls gürtelförmig: den ersten Ausdruck könnte man noch so deuten, dass ein Gewand mit einem damit nicht identischen Gürtel befestigt wird, den zweiten aber wird man so deuten müssen, dass das Sacktuch selbst es war, was man um die Hüften trug. Entsprechend galt man wahrscheinlich auch als „nackt“, wenn man Sacktuch trug; vgl. nämlich Jes 32,11, was doch wohl nicht bedeutet: „Zieht euch aus, entblößt euch – und dann bedeckt euren Schambereich wieder mit einem Sackgewand“, sondern: „Zieht euch aus, entblößt euch: gürtet das Sacktuch um die Hüften!“ Entsprechend hat man v.a. im 18. und 19. Jhd. auch Mi 1,8 häufig so gedeutet, dass mit „nackt“ gemeint sei: „nur mit einem Sacktuch bekleidet“ (heute allerdings weit verbreiteter: Micha sei wirklich „nackt und barfuß“ gegangen wie Jesaja in Jes 20,2; so z.B. Beyer 2019, S. 495). Der „Gürtel“ in V. 7 wäre dann ein Zeichen der Reue und Trauer von Adam und Eva, das „Gewand“ in V. 21 dagegen ein Zeichen für Vergebung und das Ende der Trauer wie ähnlich in Ps 30,12 (s.o.); Jes 52,1; 61,3.10; Sach 3,4f.; Lk 15,21f.. S. dann weiter die Anmerkungen. (Zurück zu v.7)
kBrise des Tages (wehender Sturm) - w. auf den ersten Blick: „zum Wind/Hauch des Tages (jom)“. Urteilt man nach Hld 2,17; 4,6 („Bis der jom weht und die Schatten fliehen“), ist damit eine Brise gemeint, die in Israel typischerweise kurz nach Mittag (wenn die Schatten „fliehen“ = wieder länger werden) oder kurz vor Einbruch der Nacht (wenn die Schatten „fliehen“ = schwinden) wehen würde. KBL3 und HALOT allerdings nehmen neben diesem jom = „Tag“ auch ein zweites, mit dem akadischen umu („Wind“) verwandtes jom II mit der Bed. „Wind, Sturm“ an, wonach die Hld-Stellen glatter übersetzbar wären: „Bis der Wind weht und die Schatten fliehen“. Ist das richtig, muss man auch hier davon ausgehen, dass jom in dieser Bedeutung verwendet wird; Gott spaziert im „Hauch/Wind des Windes/Sturmes“, was dann wie in der Wendungn ruḥ hasa´rah („Sturm-Wind“; Ps 107,25; 148,8; Ez 1,4; 13,11.13) den stark wehenden Wind bezeichnen würde. ruḥ hajjom statt ruḥ hasa´rah würde dann verwendet, um mit jom auf diesen selben „Tag“, an dem sie gegessen haben (V. 5!), anzuspielen (ThWAT VII S. 405), was so und so sicher der Fall ist. Dieser Vorschlag von Niehaus 1994 hat sich bisher allerdings nicht durchsetzen können; auch OfBi sollte daher besser bei der klassischen Übersetzung bleiben. (Zurück zu v.8)
ldu wirst kriechen - d.h., die „Ur-Schlange“ hatte noch Beine. Für den Midrasch sah sie aus wie ein Kamel; viele jüd. Ausleger dagegen fabulieren, sie sei neben dem Menschen das einzige Wesen mit aufrechtem Gang gewesen. (Zurück zu v.14)
mlechzen (schnappen, zermalmen) - Hier scheint zwei Mal ein hebräisches Wort šūp verwendet worden zu sein. Dieses ist relativ sicher nur noch in Ijob 9,17 belegt und scheint dort „zerschmettern“ zu bedeuten. Das passt zur ersten Zeile („sie werden deinen Kopf zerschmettern“), aber wenig zur zweiten (*„du wirst ihre Ferse zerschmettern“). Verben wie šūp sind aber häufig Nebenformen von Verben wie ša`ap, und dieses Verb ist häufig mit der Bedeutung „schnappen, lechzen“ belegt. Das passt zur zweiten Zeile („du wirst ihm nach der Ferse schnappen“) und einigermaßen zur ersten („sie werden nach deinem Kopf lechzen“ = „sie wollen deinen Kopf“); besser passte dort aber wie gesagt šūp = „zerschmettern“. Insgesamt wird hier also entweder zwei Mal das Verb ša`ap in seiner Nebenform šūp verwendet oder nur einmal und das erste Wort ist stattdessen šūp = „zerschmettern“, so dass man insgesamt auflösen könnte: (1) „sie werden deinen Kopf zerschmettern und du wirst ihnen nach der Ferse schnappen“; (2) „sie werden nach deinem Kopf lechzen und du wirst ihnen nach der Ferse schnappen“ oder (3) „sie werden nach deinem Kopf lechzen und du wirst nach ihrer Ferse lechzen“. (Zurück zu v.15)
nVerlangen (Rückkehr) - Äußerst wichtiges Wort; in der Auslegungsgeschichte hat man weitreichende Folgerungen über das Verhältnis von Mann und Frau aus dem ganzen Vers gezogen. Die Bed. des Satzes ist aber leider unsicher; am besten deutet man entweder (1) als „du wirst deinem Mann willens sein und er wird dich beherrschen“ oder (2) als „du wirst gegen deinen Mann aufbegehren, aber er wird dich beherrschen“. Vorzuziehen ist hiervon eher (1): Dies hat mit Hld 7,11 eine gute Parallele und man muss die letzten beiden Zeilen nicht als einen zweiten Fluch neben dem Gebären nehmen, sondern kann beides zusammenlesen: „Unter Mühsal wirst du gebären, [aber an deinem Gebären wird dennoch kein Weg vorbei führen, denn:] Du wirst deinem Mann willens sein und er wird dich beherrschen“, sc. „Dein Gebären wird dir Mühsal bereiten, aber wenn dein Mann es für gut befindet, dass Nachwuchs gezeugt werde, wirst du ihm gefügig sein müssen“ – beschrieben würde hier also eine Familiendynamik, die es im Alten Orient so ja leider wirklich gab.
Genauer: Auszugehen ist von der Bed. „Verlangen“, s.u. Was kann das hier bedeuten?
(1) Die klassische Deutung ist die, dass zu allem Überfluss die Frau neben ihrer mühseligen Schwangerschaft auch noch ständig sexuelles Begehren nach ihrem Mann haben wird und so selbst die Zahl ihrer Schwangerschaften nach oben treibt, während unabhängig davon Männer dazu bestimmt sind, „Frauen zu beherrschen“. In Gen 4,7 wird der selbe Satz aber noch mal fast identisch wiederholt, und hier passt diese Deutung offensichtlich gar nicht, das liegt also sehr fern. So deuten dennoch heute z.B. Carr 2021 und nur unwesentlich besser Bührer 2014, S. 251; Gertz 2018. Was kann der Satz hier sonst meinen? –
Die drei Flüche bilden zum Abschluss deutlich jeweils Pärchen: (a) (Nachkommenschaft der) Frau vs. (Nachkommenschaft der) Schlange: Sie wird nach ihr ješup, jene wird nach dieser tešup („nacheinander lechzen“ o.Ä., s.o.). (c) Adam und Adamah: Adam wurde einerseits „von ihr genommen“, andererseits wird er zu ihr tašub („zurückkehren“). Ähnlich eben hier: (b) Frau und Mann: Er soll sie beherrschen, nach ihm soll ihre tešuqah sein. Dann ist zu erwarten, dass tešuqah vs. „beherrschen“ einen ähnlich deutlichen Gegensatz bilden wie „lechzen nach“ vs. „lechzen nach“ und „von X genommen sein“ vs. „zu X zurückkehren“. Möglich sind dann v.a. zwei Interpretationen:

(2) tešuqah steht gegen „beherrschen“ wie „lechzen“ gegen „lechzen“. Das passt auch gut zu Gen 4,7, wo der selbe Satz fast identisch wiederholt wird. Stark Vogels 1996, S. 204f.: „Gott sagt [dort] Kain, dass die Sünde [...] versucht, ihn zu überwältigen, zu versklaven, in Besitz zu nehmen. Übertragen wir das auf das Verhältnis von Mann und Frau in 3,16b, wäre das Verlangen der Frau entsprechend, ihren Mann zu kontrollieren, zu besitzen oder zu manipulieren. [Unser Wort spräche] von ihrem Verlangen nach der Macht in der Beziehung.“ (ebenso z.B. Foh 1974/75, S. 379-382; Arnold 2009; Bediako / Andor 2018).

(3) tešuqah „passt“ zu „beherrschen“; „nach ihm wird dein Verlangen sein“ hieße also etwa „du wirst ihm willens sein“. Das passt auch gut zu Hld 7,11, der dritten und letzten Stelle, an der das Wort tešuqah („Verlangen“) verwendet wird („Ich gehöre meinem Geliebten und nach mir ist seine tešuqah“, vgl. Hld 2,16; 6,3: „Er ist mein und ich bin sein“). Ähnlich haben unseren Ausdruck „Verlangen“ viele alte Ausleger gedeutet, z.B. Ephräm der Syrer („du wirst von ihm beraten werden wollen, nicht ihn beraten“), ibn Ezra („dein Gehorsam“), Calvin („du sollt nichts begehren als das, was dein Ehemann wünscht“); z.B. auch Schelkle 1979, S. 16; Deurloo 1987.
Beide Deutungen sind grundsätzlich möglich. Die erste spräche vom Geschlechterkampf, die zweite von der Unterordnung der Frau unter den Mann, die im Alten Orient Realität war, die hier aber recht modern als dem idealen Zustand zu Uranfang widersprechender Fluch dargestellt würde. Beide passen aber zu einer der beiden Parallelstellen Gen 4,7 und Hld 7,11 nicht besonders gut. Nur, weil Hld 7,11 klarer ist als Gen 4,7 (richtig Busenitz 1986; Condren 2017, S. 230-234), sollte man sich besser an dieser Parallele orientieren und Deutung (3) vorziehen; anders ist eine gute Entscheidung zwischen beiden Deutungsoptionen kaum möglich.
Textkritik: dein Verlangen (deine Rückkehr) - textkritisch komplexe Stelle. Für gründlichere Überblicke vgl. am besten Reuling 2006, S. 23-47 und Lohr 2011. Die Textzeugen lassen sich grob in zwei Gruppen gliedern: (1a) MT + SamP: tešuqah („Verlangen“), (1b) TgO2 (ti`ubta`, eine echte Variante [falsch in vielen Aufsätzen], s. Sperber) + TgJ: „Begehren“, (1c) Sym: „Eifern“ vs. (2a) Aq: „Einheit/Vereinigung“, (2b) LXX (+ VL) + Syr (s. Smith, Thesaurus Sp. 3167) + TgO1 (tejubta`) + TgN1 + ApkMos 25,4 + Hieronymus, Hebraicae Quaestiones 3,6: „Umkehr/Rückkehr/Hinwendung“, (2c) TgN2: „Zuversicht“, Jub 3,24: „Zuflucht“.
(1b-c) stützen deutlich (1a). (2c) setzt stattdessen sicher tešubah voraus. Das selbe gilt für (2a) = Aq, wenn man sich seine „Vereinigung“ erklärt als „Rückkehr zum Mann, von dem du soeben erst getrennt wurdest“ (gut Condren 2017, S. 235 FN 49). (2b) lässt sich prima vista sogar am besten mit tešubah erklären; das Zeugnis dieser Untergruppe wird aber entscheidend dadurch geschwächt, dass LXX an allen Stellen, an denen im MT tešuqah steht (hier, Gen 4,7 und Hld 7,11) mit apostrofä oder epistrofä („Umkehr, Rückkehr“) übersetzt – es ist fast ausgeschlossen, dass LXX an allen Stellen tešubah statt tešuqah vorliegen hatte (richtig Bergmeier 1967, S. 77). Dieses Phänomen ist bisher noch unerklärt (Bergmeiers Erklärung liegt sehr fern). Solange das so ist, muss man das Zeugnis der Versionen aber so werten, dass gegeneinander stehen: MT, SamP, Sym, TgJ, TgO2: tešuqah vs. LXX (+ VL), Aq, TgO1, TgN1, TgN2, Syr, Jub 3,24, ApkMos 25,4, Hieronymus: tešubah.
Lohr 2011, S. 238 hat außerdem gut auf Midrasch BerR 20,7 hingewiesen: Die Auslegung „Du wirst zurückkehren (tšwbj) zu deinem Verlangen (tšwqtk), du wirst zurückkehren (tšwbj) zu deinem Verlangen (tšwqtk) nach deinem Mann“ zu unserer Stelle setzt wahrscheinlich einen hebräischen Text voraus, in dem beide Varianten als Konflation nebeneinander standen. Das wäre wichtig, weil es in mehreren Aufsätzen heißt, dass LXX wegen der gerade geschilderten Merkwürdigkeit nicht notwendig ein tešubah voraussetzt (z.B. BHQ; Qimron 1989; Lohr 2011; Condren 2017). Nimmt man LXX und die von ihr abhängigen Versionen für sich, könnte das so sein, aber Untergruppe (2c) tut es doch, (2a) auch, sofern Aq oben richtig verstanden wurde (Aq kann jedenfalls nicht sekundär aus LXX entstanden sein), und der Midrasch könnte sich nun als (2d) ebenfalls zu diesen Textzeugen hinzugesellen – und selbst nur mit Aq, TgN, Jub und dem Midrasch wäre das dann ein starkes Zeugnis für tešubah.
Aber eine Verschreibung von (1) nach (2) ist leicht erklärlich: Die Qumranschriften zeigen, dass für die „Rückkehr“ zur Erde, von der gleich V. 19 sprechen wird, regelmäßig das Wort tešubah verwendet wurde, s. 1QH 18,4; 20,26; 4QInstrd 69.2,6. Ist das so, hätten Schreiber dieses Wort im Hinterkopf gehabt, wenn sie zu unserer vielzitierten Stelle gekommen wären, wonach sie schnell jenes nur leicht andere Wort für dieses Wort verlesen können hätten. Dass die Schlange zuvor tešup („lechzen“ o.Ä.) und der Mann danach tašub („zurückkehren“) soll, kann sein Übriges dazu getan haben, dass auch hier nach tešu- ein Bilabial verlesen wurde. Eine Verschreibung in die umgekehrte Richtung wäre weniger leicht erklärlich; mehr spricht daher für die Ursprünglichkeit von MT. (Zurück zu v.16)
oDiese Erklärung ist auch deshalb vorzuziehen, weil die angebliche Sprichwörtlichkeit der „Klugheit der Schlange“ sich auch durch Mt 10,16 kaum stützen lässt: Die „Arglosigkeit der Taube“ wird dort in Vv. 19-20 als Aufrichtigkeit vor Gericht näher beschrieben, die „Klugheit der Schlange“ dagegen in V. 23: Gemeint ist kein hoher IQ, sondern die Eigenschaft der „flüchtigen Schlange“ (Ijob 26,13; Jes 27,1), Gott und Mensch zu fliehen – ein ganz anderes Motiv als hier. Die einzige andere Parallele steht im Midrasch zu Hld 2,14 („Vor Gott ist Israel rein wie die Taube, unter den Völkern dagegen klug wie die Schlange“); erstens stammt der Spruch nach dem Midrasch aus dem 4. Jhd. n. Chr. und ist zweitens wahrscheinlich ein Zitat von Mt 10,16: Ähnlich wie dort wird auch im Midrasch die Arglosigkeit der Taube dann als Unterwerfung unter die staatliche Macht näher bestimmt; anders als dort ist aber die „Klugheit der Schlange“ unmotiviert, weil auf sie gar nicht weiter eingegangen wird. (Zurück zum Text: o)