Ich muss das gerade mal lostreten, ohne viel Zeit zu haben: Wir müssen uns überlegen, was wir für Helfer in die Aufgabenliste schreiben, wenn es an die QS der Lesefassung geht!
Die Kriteriendiskussion haben wir inzwischen so weit gebracht, dass wir uns ein konkretes Ziel gesteckt haben. Jetzt müssen wir daran arbeiten, es zu erreichen.
Das bzw. die vollständigen Ziele sind in den Kriterien zu finden. Unsere Einführung konzentriert das Wesen der Lesefassung folgendermaßen:
"Ganz grob gesagt ist die Qualität einer Lesefassung dann ausreichend, wenn
- sie den Übersetzungsentscheidungen der Studienfassungen folgt
- sie die aus der Studienfassung ablesbaren Kommunikationsabsichten des Urtextes auch im Deutschen zum Ausdruck bringt, ohne sich dabei zu weit von der tatsächlichen Textstruktur des Urtextes zu entfernen
- sie dabei auch noch gut lesbar und problemlos verständlich ist."
Lasst uns doch ganz einfach anfangen:
1. Wie können wir das Bild, das wir von der fertigen Studienfassung haben, in falsifizierbare (oder wenigstens diskutierbare) Fragen oder Bedingungen umwandeln? Wie können wir gemeinsam auf diese Vision hinarbeiten?
2. Gibt es Punkte, die wir in jedem Fall als Teil der Qualitätssicherung abarbeiten sollten? (Vergleich mit... Diskussion von...)
Ich hoffe auf rege Beteiligung.
Re: Abläufe der Lesefassung
Da ich mich ja mal an einer Lesefassung für die ersten beiden Kapitel des Markusevangeliums versucht habe (als Vorschläge), möchte ich auch hier meinen Senf hinzugeben.
Vor der Übertragung habe ich die Kriterien für die Lesefassung gelesen und mich bemüht, sie einzuhalten.
- Mir war nicht immer klar, was die "Übersetzungsentscheidungen der Studienfassung" betrifft. Oft habe ich mich für die Übersetzungsalternativen entschieden, die in der Studienfassung in Klammern stehen. Dabei wusste ich nicht, ob ich mich damit gegen die Studienfassung entscheide oder in deren Rahmen bleibe.
- Auch für die Lesefassung habe ich ins Griechische geguckt, was mich mitunter zu Entscheidungen zugunsten der Alternativfomulierungen der Studienfassung geführt hat.
- Gelegentlich bin ich doch recht weit von der Studienfassung und damit dem Urtext abgewichen, um die Formulierung im Deutschen eindeutiger und einfacher zu machen.
- Auffallend viele biblische Sätze beginnen mit "und". Das habe ich oft weggelassen, weil es aktuellem deutschen Stilempfinden nicht entspricht.
- An mehreren Stellen habe ich Namen der handelnden Personen ergänzt, weil die Nutzung von Personalpronomen uneindeutig wurde. Damit weiche ich natürlich vom Urtext ab, versuche aber eine bessere Verständlichkeit herzustellen.
- Unsicher war ich mir, was das Setze von Anführungszeichen betrifft.
- Rein technisch wusste ich nicht, wie ich Absätze und Zwischenüberschriften einfügen konnte, die meines Erachtens zur Lesefassung gehören sollten (steht ja auch in den Kriterien)
Allgemein fiel mir aber auf, dass es vermutlich schwierig werden wird, allgemeine Kriterien für die Lesefassung aufzustellen. Einige gibt es bereits, die möglicherweise etwas konkretisiert werden können (z.B. im Hinblick auf die Verwertbarkeit von in der Studienfassung angegeben Alternativen). Aber darüber hinaus wird es schwer, weil die jeweiligen Texte, ja die jeweiligen Verse, sehr unterschiedlich sind. Manchmal sind Sätze der Studienfassung sehr gut verständlich, manchmal hatte ich das Gefühl, die Satzkonstruktion ganz neu bauen zu müssen. Aber m.E. geht das fast nur aus dem Sprachgefühl heraus, nicht anhand harter Kriterien.
Vor allem lassen sich m.E. Kriterien für die Lesefassung nicht direkt aus der Studienfassung ablesen.
Letztlich bleibt die Lesefassung eine Stil- und Geschmacksfrage; da wird man nie eine 100% "richtige" Version finden.
Re: Abläufe der Lesefassung
Da bin ich ja ganz verblüfft, dass die Probleme beim Erstellen der Lesefassung in etwa den Problemen der Erstellung der Leichten Sprache Fassung entsprechen:
Ein grundsätzliches Problem scheint mir darin zu liegen, dass den meisten Texten der Bibel ursprüngliche Erzähltexte zugrunde liegen. Meine Idee: man müsste den Inhalt vermitteln und die Menschen ermutigen, einander davon zu erzählen. Die Schriftkultur, in der wir leben, hindert mitunter die Lebendigkeit, die den Texten zugrunde liegt.
Re: Abläufe der Lesefassung
Hallo ihr beiden,
danke für euer wertvolles Feedback! So haben wir auf jeden Fall schon Material, das wir in der Einführung ergänzen können.
Xobin, deine Vorgehensweise hinterlässt einen sehr guten Eindruck. Dass die Formulierung auch Geschmacksfrage ist, ist ein Problem, das wir irgendwie lösen müssen - beispielsweise, indem wir den Text gemeinsam diskutieren, oder indem wir Germanisten oder erfahrene Bibelübersetzer mit einer Art Endredaktion beauftragen. In der Qualitätssicherung halte ich es für sinnvoll, bei Bedarf jeweils mehrere Möglichkeiten abzuwägen und gemeinsam zu besprechen.
Der Satzbau von Mk ist im Griechischen sonderlich, deshalb habe ich ihn in der Studienfassung auch so gelassen (die Info steht auch auf der Diskussionsseite; lass mich wissen, ob das klar genug ist). Für die Lesefassung wollen wir natürlich mit gutem, natürlichem Stil formulieren. Abweichungen oder sinngemäße Umformulierungen sind da nicht zu vermeiden. Insofern ist es lobenswert, durch die Nennung von Eigennamen und durch natürliche Satzverknüpfungen die Ausdrucksweise noch zu verbessern. Dem Sinn kann man mit solchen geringfügigen Anpassungen ja ohne weiteres treu bleiben. Ich denke, einen entsprechenden Hinweis können wir vielleicht in der Einführung festhalten. Die Frage ist: Können wir den Stil auch in der Qualitätssicherung unterbringen? Wie können wir abfragen oder bewerten, wie schön eine Formulierung ist und wie sinngetreu sie ist?
Zu den Übersetzungsentscheidungen der Studienfassung: Wir haben das noch nicht genauer definiert, was damit genau gemeint ist. Es gibt ja genau genommen auch mehrere Arten von Alternativen, die die Klammern signalisieren können: bloße Synonyme oder alternative Formulierungen, die sich in anderen Übersetzungen finden - hier ist es nicht so wichtig, welche Formulierung genau gewählt wird. In der Lesefassung muss man da sicherlich teils anders entscheiden als in der Studienfassung.
Dann gibt es Alternativen, wo es ein echtes alternatives Verständnis gibt. Das Problem ist natürlich, dass der Übersetzer der Studienfassung auch sagen muss, welche wahrscheinlicher ist und warum er die eine vorgezogen hat. Wenn er solche Angaben macht und und beide Möglichkeiten für plausibel hält, spricht nicht allzu viel dagegen, in der Lesefassung die Alternative vorzuziehen. Allerdings könnte man in diesem wie im vorigen Fall überlegen, ob man nicht auch noch die Studienfassung anpassen kann.
In manchen Fällen ist die Alternative aber auch wesentlich unwahrscheinlicher als die "Hauptübersetzung". Das ist dann hoffentlich auch angegeben, und in so einem Fall ist es natürlich besser, dem Fließtext der Studienfassung zu folgen.
Aber das sind Details, die man im Laufe der Qualitätssicherung nochmal besprechen kann. M.E. muss der Erstübersetzer sich hier nicht zu viele Sorgen machen, sofern er sich an der Studienfassung orientiert hat.
Wir sehen hier aber schon, dass der Punkt "Übersetzungsentscheidungen der Studienfassung" in der QS wohl nochmal durchgegangen werden muss und dazugehören sollte.
Anführungszeichen setzen wir wie in der Studienfassung ganz normal. Wie wir die Überschriften formatieren wollen, haben wir noch nicht besprochen, aber ich gehe stark davon aus, dass wir die normalen Wiki-Überschriften benutzen. Dabei setzt man =-Zeichen vor und hinter den Text. Die Ebenen sind dann ===Hauptüberschrift===, ====Unterüberschrift 1==== usw. Auch das muss wohl alles in die Einführung, daher bin ich froh, dass es jetzt aufkommt!
Xobin, könntest du folgenden Satz nochmal genauer erklären? "Vor allem lassen sich m.E. Kriterien für die Lesefassung nicht direkt aus der Studienfassung ablesen."
Dorothee, das Thema Stilmittel interessiert mich. Ich habe aber bei der Studienfassung gemerkt, dass es fließende Übergänge gibt zwischen Stilmitteln, die so leicht verständlich sind, dass man sie gar nicht wahrnimmt ("Stuhlbein" ist eine Metapher, die niemand mehr bemerkt. Aber andererseits auch rhetorische Fragen u.a.), und anderen, die man durchaus bestimmen kann. Es hängt also auch von euch "Weiterübersetzern" in die leichte Sprache ab, solche "versteckten", von uns unbemerkten Stilmittel aufzuspüren und zu entscheiden, wie ihr damit umgeht. Ich glaube aber, dass dieses Thema eher mit der Studienfassung (was geben wir an?) und der Fassung in leichter Sprache (wie geben wir es wieder?) zu tun hat, als mit der Lesefassung. Ich finde es weiter auch ganz wichtig, (wohl schon in den Kriterien der leichten Sprache) festzuhalten, dass der Zweck der Texte in leichter Sprache Vorlesbarkeit ist, und dass die Text also dergestalt optimiert werden müssen.
Danke nochmal für eure Beiträge! Eine spannende Diskussion bisher!
Re: Abläufe der Lesefassung
Eine Sache noch, Xobin: Wenn du in der Lesefassung von der Studienfassung abweichst und Zweifel an der Studienfassung hast, wäre es gar nicht schlecht, wenn du das auf der Diskussionsseite festhalten könntest.
Re: Abläufe der Lesefassung
Zu den Kommentaren:
1. Primär- und Sekundärentscheidungen: Das ist wahr, das müssen wir unbedingt regeln: Was genau sollen primäre und sekundäre Übersetzungsalternativen sein? Momentan entscheide ich das noch für jeden Fall spontan, ob ich die Standard-Deutung oder die mir am wahrscheinlichsten scheinende Übersetzungsalternative als die primäre Übersetzungsweise liste, und das haben wir offenbar wirklich noch gar nicht festgelegt (Siehe Einführung/Fußnote e - wäre schön, wenn wir da zu einer Regelung kommen könnten, die diese Fußnote überflüssig macht.).
2. Xobins Anfragen 3-5: Ich habe mir Xobins Übersetzungen natürlich schon durchgelesen. Ich würde sagen, die meisten (auch in Anfrage 3-5 genannten) Abweichungen fallen eindeutig unter "wenn sie dabei noch gut lesbar bleibt" und ist durchaus im Sinne der Projektgründer :) (Nach meinem Geschmack könnten sie sogar noch wesentlich freier sein).
Apropos: Wo stehen wir eigentlich mit der Ausformulierung der genauen Kriterien der LF? Die Diskussion ist irgendwie wieder ins Stocken geraten, oder?
Aber allgemein: Ich merke, dass wir aus dem Kriterium der Lesefassung "den Übersetzungsentscheidungen der Studienfassung folgen" vielleicht machen sollten "den Deutungen der Studienfassung folgen". Sonst klingt das so, als wollten wir den Lesefassungsübersetzer unter der Hand dann doch wieder auch in (lexikalischen, syntaktischen, ...) Formulierungsfragen auf die Studienfassung verpflichten, und das wollen wir ja gerade nicht - in der LF geht es ja um die Über-setzung der Kommunikationsabsichten des Verfassers (im Ggs. zur SF und der dort intendierten Über-setzung des Textes).
3. Anführungszeichen: Das hat Ben ein bisschen ungenau beantwortet. Wir haben uns geeinigt auf zwei verschiedene Anführungszeichen: Zitate auf der ersten "Ebene" werden mit doppelten Anführungszeichen markiert, Zitate auf der zweiten bis n-ten Ebene mit einfachen Anführungszeichen. Also z.B.: Jesus erzählte: "Ein Mann sagte zu seinem Sohn: 'Sage deinem Bruder: 'Geh nach Hause!' und dann erzähle mir, wie er reagiert hat!' - Und der Sohn handelte, wie es sein Vater ihm befohlen hatte."
4. Zwischenüberschriften: Für die LF gibt es eine eigene Überschriftsvorlage, die mit (()) statt ==== markiert wird (s. Seitengestaltung/Überschriften). Also z.B. ((Jesus wird geboren)).
Außerdem, fällt mir gerade so ein:
AT-Zitate: Wir müssen mal sehen, ob wir irgendeine Regelung finden können (/ müssen?), wie wir mit AT-Zitaten umgehen sollen. Karrer (ich glaube, der ist es) z.B. hat Psalmenzitate im NT prinzipiell nicht aus dem Griechischen übersetzt, sondern nach der Psalmen-Übersetzung von Guardini zitiert. Daher: Ist das eigentlich selbstverständlich, dass wir AT-Zitate nach dem griechischen NT-Text übersetzen? Oder ist es vielleicht sinnvoller, auch "intertestamentlich" Einheit zu stiften, indem wir bei AT-Zitaten die OfBi-AT-Übersetzungen ins NT übernehmen?
Re: Abläufe der Lesefassung
1. Primär- und Sekundärentscheidungen: Es muss natürlich dein eigenes (im Peer Review bestätigtes) Ergebnis in der Studienfassung stehen. Findet das in der Review-Phase keine Mehrheit, folgt man der von den Diskutierenden favorisierten Deutung. Selbstverständlich muss eine eigene Deutung auf wissenschaftlicher Grundlage stehen.
2. Übersetzungsentscheidungen: Es könnte durchaus sinnvoll sein, eine bessere Formulierung für dieses Kriterium zu finden! Wobei ich bei der Abwägung zwischen verschiedenen möglichen deutschen Formulierungen im Zweifelsfall (neben den Hauptkriterien Stil und Sinntreue) auch mit (!) berücksichtigen würde, wie nah eine Formulierung an der "Textgestalt" von Urtext und SF ist.
AT-Zitate: Das ist m.M.n. zwar eine wichtige Frage, aber eine, die weder in den Übersetzungskriterien noch in der Checkliste für die QS direkt berücksichtigt werden muss (sondern in der Übersetzungs-FAQ und vllt. auch der Einführung). Ich würde sagen: Ja, es ist selbstverständlich, dass wir dabei dem griechischen Text folgen. Denn der liegt meist recht nah an der LXX, aber nicht immer am MT. Eine ganz andere Frage ist die der Übereinstimmung mit der Formulierung des hebräischen Urtexts. Die LXX ist ja eine sehr formale Übersetzung, die zwar der Ausdrucksweise des MT zu folgen versucht, aber dabei ihre eigene Geschmacksrichtung der griechischen Sprache kreiert. Wenn nun ein NT-Autor dieses "Bibel-Griechisch" zitiert, darf es für mich ruhig auch fremd klingen, auch wenn der hebräische Grundtext in gewöhnlichem Hebräisch gehalten war (zumindest in der Studienfassung). Meine Frage ist dann: Was ist wichtiger - Wortlaut-Übereinstimmungen zwischen Zitat und Quelle, oder eine versuchsweise Abbildung des LXX-Griechisch? Aber nochmal, das ist (zumindest m.M.n.) eine Diskussion für einen anderen Thread.
Übersetzungskriterien: Die vorhandenen Kriterien (eingeleitet durch zwei Zweckvorgaben) sind in der Hauptsache Stilvorgaben und solche zur Balance zwischen Sinn und Wortlaut (eben methodologische Vorgaben). Es ist für mich schwer zu entscheiden, ob das schon ausreicht. Ich glaube aber, dass wir damit erstmal arbeiten sollten. Anhand der Formulierung von geeigneten Maßnahmen zur QS können wir ein klareres Bild unserer gemeinsamen Vorgehensweise entwerfen. Ich hoffe, dass allein dadurch schon klar wird, ob noch weitere oder genauere Kriterien erforderlich sind.
Was haltet ihr denn von anderen Kontroll-Elementen, wie wir sie in der Studienfassung haben? Gerade der Vergleich mit dem Urtext, mit anderen Übersetzungen oder im Zweifelsfall auch mit Kommentaren wäre so ein Punkt, der vermutlich ganz weise wäre. Solche Maßnahmen wären quasi die Leine, die unseren Drachen erdet und am Fortfliegen hindert. :-)
Gerade sehe ich Sebastians zweiten Post.
(a) Übersetzungsentscheidungen: Zustimmung. Die Details scheinen wir ja gerade in diesem Thread zu besprechen.
(b) Kommunikationsabsichten: Diesen Punkt hatte ich ja schon im Kommentar zu Olafs letztem Blog anvisiert. Inzwischen glaube ich, dass es nicht unmöglich sein wird.
1. Bei vielen Texten ist die Absicht schon beim Lesen relativ klar erkennbar. Bei anderen natürlich gar nicht, und da müssen wir pragmatisch vorgehen.
2. Einiges (bes. zur Mikrostruktur/-argumentation, soweit es unmittelbar zum Verständnis notwendig ist) können und müssen wir in Fußnoten unterbringen. Beispielsweise waren in Mk 4,27 plötzlich Bemerkungen zur Gesamtargumentation des Gleichnisdiskurses notwendig, um eine Nebenbemerkung angemessen übersetzen zu können. Auch in Mk 4,33 hing die Formulierung stark vom Gesamtverständnis ab.
3. Bei größeren zusammenhängenden Abschnitten (gerade Psalmen, vielleicht auch kürzeren Prophetenbüchern oder NT-Briefen) empfiehlt es sich, dass wir in der Einleitung (oder dem Kommentar?) Angaben zur Makro-Argumentation und/oder Theologie der fraglichen Schrift machen. Psalm 67 habe ich beispielsweise so eingeleitet. Bei Ps 2 und 23 haben wir uns einige Gedanken auf der Diskussionsseite gemacht. Bei einer Gleichnisreihe wie in Mk 4 sind entsprechende Angaben zur theologischen Aussageabsicht und zum Diskurs vielleicht auf der Diskussionsseite notwendig.
4. WIrd es auch Fälle geben, wo wir ein gesamttheologisches Konzept oder die Aussageabsicht eines größeren Buchs (z.B. ein großer Prophet, Evangelium oder eine der langen Episteln) erfassen müssen?
In jedem Fall wäre mein Vorschlag, hier so gut wie möglich proaktiv zu arbeiten (z.B. bei der Studienfassung zu überlegen, welche Angaben nötig sein werden, und diese zu machen) und ansonsten fleißig die Lesefassung zu übersetzen, bis wir auf Hindernisse stoßen. Dieser Aspekt muss auf jeden Fall ein Teil der QS werden. Stimmt ihr mit meiner Aufteilung und vorgeschlagenen Vorgehensweise überein?
(c) Stilempfinden und Formulierungen: Richtig, aber hier können wir von Fall zu Fall Detailregeln entwickeln, die uns helfen, a) Kohärenz zu schaffen und b) zwischen verschiedenen Möglichkeiten zu gewichten. Der Rest wird wohl auf eine Diskussion der verschiedenen im jeweiligen Kontext gerade relevanten Aspekte hinauslaufen.
Falsifizierbarkeit: Ich glaube auch, dass sie für (b) und (c) nicht zu erreichen ist. Wohl aber können wir Diskutierbarkeit in einer Form gewährleisten, dass wir uns auf eine gemeinsame Linie einigen können.
Re: Abläufe der Lesefassung
Hallo Xobin, hallo Dorothee,
danke für Euer Feedback zu den Kriterien!
Wir sind gerade dabei, ein Update der Kriterien auszuarbeiten: http://www.offene-bibel.de/blog/olaf/lesefassung_translationswissenschaft_und_übersetzungsmethodik
Falls Ihr dort mal vorbeischauen und mitüberlegen wollt, dann wäre das super. (Falls Euch Einlesen zu komplex ist: Am Ende hat Sebastian unsere Vorarbeiten sehr übersichtlich kondensiert.)
Re: Abläufe der Lesefassung
Basierend auf euren Rückmeldungen habe ich jetzt begonnen, auf den Diskussionsseiten weitere Hintergrundinformationen zum Text festzuhalten - gerade welche Geschichten oder Erwartungen aus dem AT dahinterstehen, wie der Text mit dem bisherigen Handlungsverlauf zusammenhängt und wie einige unverständliche Stellen zu deuten sind. Infos zur Ausdrucksweise habe ich schon seit Mk 1 zur Verfügung gestellt. Seit Mk 6 ist es aber fast so etwas wie ein zusammenfassender Kommentar, der sich auf Aspekte konzentriert, die die Studienfassung in den Fußnoten nicht berücksichtigen kann.
Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr mir sagt, was ihr davon haltet! Den "Kommentar" findet ihr auf der Diskussionsseite.
Sebastian und ich hatten schon diskutiert, dass ein deartiges Vorgehen für die Erarbeitung der anderen Fassungen sinnvoll sein könnte. Ich frage mich allerdings, ob man so etwas zu einer bindenden Auflage für die Studienfassung machen sollte - meines Erachtens wohl kaum, oder nur für einen geringen Teil der Übersetzung, der ohne Kontext wirklich nicht restlos verständlich ist (wie manche Psalmen oder Prophetentexte). Man könnte die Erstübersetzer oder Endredakteure dazu ermutigen, aber ich glaube, es ist als allgemeine Vorgehensweise besser, zur Klärung solcher Probleme grundsätzlich auf die Diskussionsseite zu verweisen, wo die Übersetzer ja jederzeit diskutieren können.
Re: Abläufe der Lesefassung
Zu Bens Anfrage:
Ich habe darüber auch schon nachgedacht. Momentan ist es noch so, dass ich mir recht unsicher bin, ob das überhaupt möglich ist, falsifizierbare Kriterien zu schaffen.
Wir haben drei Hauptintentionen für die LF:
(a) ist jetzt schon diskutier- und falsifizierbar.
(b) ist noch nicht falsifizierbar, und zwar deshalb, weil die SF dazu noch gar keien Angaben macht. Was es dazu eigentlich noch bräuchte, wären Angaben zur Funktion der einzelnen Bestandteile eines Textes, wie das in größeren NT-Kommentaren gelegentlich unter "Formkritik" gemacht wird. (z.B.: V. 1a=Weisheitslogion; 1b=Drohruf, 2a=...). Im NT wäre das vielleicht sogar realisierbar, aber im AT wäre dafür unwahrscheinlich viel Eigenarbeit nötig, weil außer den FOTL-Bänden fast noch keine Vorarbeit zu so etwas existiert; deswegen ist das vielleicht utopisch.*
Und (c) kann niemals falsifizierbar sein, weil hier das meiste vom individuellen Empfinden des Einzelnen abhängt. Ich habe schon nachgedacht, ob wir für diesen Punkt vielleicht am sinnvollsten mit einem Abstimmungssystem arbeiten sollten, das bei unterschiedlichen Formulierungsvorschlägen zum Einsatz käme. Aber dazu sind wir wohl noch zu wenige aktive Mitarbeiter und es würde die Arbeit gigantisch verlangsamen. Eine bessere Idee ist mir bisher aber noch nicht eingefallen.
Was wir da allenfalls finden könnten (aber das reicht nicht aus), sind Orientierungshilfen. Z.B.: (1) Finden sich "nicht-theologische" Äquivalente zu theologischen Begriffen (z.B.: "Missetat" statt "Sünde"); (2) finden sich modernere Begriffe als äquivalente älterer Begriffe (z.B.: "Übeltat" statt "Missetat") usw.
Aber jedenfalls: Das sind wohl die Grundpfeiler von solchen Lesefassungskriterien, denn das wäre wohl die ideale OfBi-Lesefassung: Wenn sie (a) erfüllt, stilistisch an (b) orientiert ist und (c) dabei angenehm zu lesen ist. Denke ich. Und wenn aber weder (b) noch (c) falsifizierbar sind, müssten wir uns ws. wohl oder übel vom Ideal der Falsifizierbarkeit verabschieden. Oder? Was sagt ihr?
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* Ben meinte im Chat, ich solle das noch mal an einem Beispiel verdeutlichen. Mach ich doch glatt.
Folgendes: In der SF haben wir momentan fast nur Anmerkungen, die Hauptintention (a) erleichtern. Für (b) haben wir nur ganz vereinzelt Hilfestellungen, und deshalb dachte ich über solche "Funktionsstrukturen" nach: Man könnte z.B. in der ersten Fußnote zu einem Kapitel das gesamte Kapitel aufdröseln nach den Funktionen, die die einzelnen Textabschnitte in diesem Kapitel haben. Das wäre dann eine echte Orientierungshilfe für den Verfasser von Lesefassungen; Hauptintentionen (1) und (2) könnten dann nämlich einfach umformuliert werden zur Vorgabe "Übersetze das, was in der Studienfassung steht und formuliere dabei so, wie du heute einen Textabschnitt formulieren würdest, der die gelisteten Funktionen haben soll."; oder, wenn man auch Intention (3) mit hineinnimmt: "Übersetze das, was in der Studienfassung steht und formuliere dabei (1) so, wie du heute einen Textabschnitt formulieren würdest, der die gelisteten Funktionen haben soll und (2) so, dass die Übersetzung möglichst angenehm und einfach lesbar ist."
Ich nehme mal die ersten 4 Verse des Mk-Ev als Bsp.:
V. 1 fungiert da als Überschrift; V. 2-4 sollen (a) die Figur des Johannes einführen und (b) aussagen, dass mit dem Auftreten des Johannes eine atl. Prophezeiung in Erfüllung geht. Also wäre die Funktionsstruktur der ersten vier Verse in etwa:
Die aktuelle Übersetzung von Xobin ist:
1 Anfang des Evangeliums Jesu Christi, des Sohnes Gottes 2 Es steht geschrieben im Buch des Propheten Jesaja: „Siehe, ich sende meinen Boten vor dir her, der dir den Weg vorbereiten wird.“ 3 „Es ruft eine Stimme in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn vor; macht seine Pfade gerade.“ 4Johannes der Täufer trat in der Wüste auf und predigte von einer Taufe der Umkehr zur Vergebung der Sünden.
Wenn ich jetzt die Studienfassung vor mir hätte; außerdem die obige Funktionsbeschreibung und die obige (fettgedruckte) Vorgabe, dann würde ich anders übersetzen als Xobin:
Also:
1 Anfang des Evangeliums Jesu Christi, des Sohnes Gottes.
2 Bei Jesaja steht geschrieben: "Ich werde einen Boten vor dir hersenden, der dir den Weg bereiten wird. 3 In der Wüste wird eine Stimme rufen: 'Bereitet den Weg des Herrn vor! Ebnet seinen Pfad!'" 4 Entsprechend [oder sogar wie HfA oder NL "Dieser Bote war Johannes der Täufer..." (s. (B2)) oder wie NGÜ und GN: "Das ging in Erfüllung, als..." (s. (B))] trat Johannes der Täufer in der Wüste auf und hielt die Menschen zur Taufe und zur Umkehr an, damit ihnen die Sünden vergeben würden.