1 Könige 19: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Die Offene Bibel

Wechseln zu: Navigation, Suche
K
K
(2 dazwischenliegende Versionen desselben Benutzers werden nicht angezeigt)
Zeile 30: Zeile 30:
 
_Und sie verfolgen mein Leben, um's [mir] zu nehmen!“<ref name="10.14 4">Dass noch niemand Vv. 10.14 als Gedicht erkannt hat, ist erstaunlich. Es ist so kunstvoll gebaut, dass es eine längere FN lohnt:<br />(1) Zeilen a-d betonen die unterschiedlichen Kontraste: Zeilen b.d zunächst die „Israeliten“ vs. „JHWH Zebaot“.  Bedeutungsmäßig stimmt der militärische Gottestitel „JHWH der Heere“ gut zusammen mit den „Söhnen von ''jißra `el'' (‚Gott streitet‘)“. Aber wie wenig passt diese Bezeichnung zu den Israeliten! – Für JHWH „gestritten“ (nämlich: „''geeifert''“) hat nur Elija (Zeile a), wohingegen die Israeliten ihn „''verlassen''“ haben (Zeile c). Um den Text so weben zu können, hat der Dichter zum seltenen Vierzeiler gegriffen, in dem nicht a mit b und c mit d parallel gehen, sondern die ''Doppelzeile'' ab mit ihrer antithetischen Doppelzeile cd.<br />(2) Dass Zeilen e.f parallel sind, ist offensichtlich. Auch lautlich: Ursprünglich lautete „zerstörten“ ''harasu'', „töteten“ sehr ähnlich ''haragu''. Zum „töten“ passt lautlich auch das „Schwert“: ''haragu baḥarb''. – Die „Gottes-Streiter“ haben danach nicht etwa nur Gott verlassen, sondern sich zerstörend und mordend gegen ihn gewandt, der vertreten wird durch die unbelebten „Altäre“ und die belebten (nun aber nicht mehr lebenden) „Propheten“.<br />(3) Zeilen g.h kontrastieren noch mal Elija, der nach dem Mord an den Propheten ganz allein „übrig“ ist, und die Israeliten, die auch ihm sein Leben noch „nehmen“ wollen. Dass sich Zeile h überdies rückbezieht auf Zeile f, ist ebenfalls offensichtlich.<br />(4) Zeilen ab und gh, in denen Elija Thema ist, umrahmen Zeilen c-f, in denen die Israeliten Thema sind; diese Verse in der Mitte motivieren den Wandel vom eifernden Elija in ab zum bedrohten Elija in gh.<br />(5) Und schließlich werden die Zeilen ab.c-f insgesamt noch einmal konzentriert in Zeilen g.h aufgegriffen: ''Ich'' habe für dich gestritten (ab), ''sie'' haben sich vergangen (c-f) – jetzt bin nur noch ''ich'' übrig (g), und ''sie'' wollen sich an mir vergehen (h)!</ref></poem>
 
_Und sie verfolgen mein Leben, um's [mir] zu nehmen!“<ref name="10.14 4">Dass noch niemand Vv. 10.14 als Gedicht erkannt hat, ist erstaunlich. Es ist so kunstvoll gebaut, dass es eine längere FN lohnt:<br />(1) Zeilen a-d betonen die unterschiedlichen Kontraste: Zeilen b.d zunächst die „Israeliten“ vs. „JHWH Zebaot“.  Bedeutungsmäßig stimmt der militärische Gottestitel „JHWH der Heere“ gut zusammen mit den „Söhnen von ''jißra `el'' (‚Gott streitet‘)“. Aber wie wenig passt diese Bezeichnung zu den Israeliten! – Für JHWH „gestritten“ (nämlich: „''geeifert''“) hat nur Elija (Zeile a), wohingegen die Israeliten ihn „''verlassen''“ haben (Zeile c). Um den Text so weben zu können, hat der Dichter zum seltenen Vierzeiler gegriffen, in dem nicht a mit b und c mit d parallel gehen, sondern die ''Doppelzeile'' ab mit ihrer antithetischen Doppelzeile cd.<br />(2) Dass Zeilen e.f parallel sind, ist offensichtlich. Auch lautlich: Ursprünglich lautete „zerstörten“ ''harasu'', „töteten“ sehr ähnlich ''haragu''. Zum „töten“ passt lautlich auch das „Schwert“: ''haragu baḥarb''. – Die „Gottes-Streiter“ haben danach nicht etwa nur Gott verlassen, sondern sich zerstörend und mordend gegen ihn gewandt, der vertreten wird durch die unbelebten „Altäre“ und die belebten (nun aber nicht mehr lebenden) „Propheten“.<br />(3) Zeilen g.h kontrastieren noch mal Elija, der nach dem Mord an den Propheten ganz allein „übrig“ ist, und die Israeliten, die auch ihm sein Leben noch „nehmen“ wollen. Dass sich Zeile h überdies rückbezieht auf Zeile f, ist ebenfalls offensichtlich.<br />(4) Zeilen ab und gh, in denen Elija Thema ist, umrahmen Zeilen c-f, in denen die Israeliten Thema sind; diese Verse in der Mitte motivieren den Wandel vom eifernden Elija in ab zum bedrohten Elija in gh.<br />(5) Und schließlich werden die Zeilen ab.c-f insgesamt noch einmal konzentriert in Zeilen g.h aufgegriffen: ''Ich'' habe für dich gestritten (ab), ''sie'' haben sich vergangen (c-f) – jetzt bin nur noch ''ich'' übrig (g), und ''sie'' wollen sich an mir vergehen (h)!</ref></poem>
 
{{S|11}} Und es sprach: „Geh ([morgen]<ref>'''Textkritik''': „morgen“ nur nach LXX (ohne LXX<sup>H</sup>), VL, JosAnt §351 („am Morgen“). Wahrscheinlich richtig DeVries 2004: Verschreibung von ''bhr'' („auf den Berg“) als ''mhr'' („morgen“). Die Korrektur „auf den Berg“ ist dann zusätzlich in LXX<sup>B, L</sup>, εβρ und VL an der falschen Stelle nach „vor JHWH“ und in LXX<sup>A</sup> an der richtigen Stelle ergänzt worden.</ref>) hinaus und stell dich auf den Berg vor JHWH!“<br />
 
{{S|11}} Und es sprach: „Geh ([morgen]<ref>'''Textkritik''': „morgen“ nur nach LXX (ohne LXX<sup>H</sup>), VL, JosAnt §351 („am Morgen“). Wahrscheinlich richtig DeVries 2004: Verschreibung von ''bhr'' („auf den Berg“) als ''mhr'' („morgen“). Die Korrektur „auf den Berg“ ist dann zusätzlich in LXX<sup>B, L</sup>, εβρ und VL an der falschen Stelle nach „vor JHWH“ und in LXX<sup>A</sup> an der richtigen Stelle ergänzt worden.</ref>) hinaus und stell dich auf den Berg vor JHWH!“<br />
Und da (siehe)!, JHWH zieht vorüber:<ref>(1) So deutet die Mehrheit. (2) Oder: „Geh hinaus und stell dich auf den Berg vor JHWH, denn siehe, JHWH ist im Begriff, vorüberzuziehen“ – und erst dann folgt der Bericht. So schon LXX, die „vorüberziehen“ noch mit Futur übersetzt hat, was aber sicher auf die Verlesung von ''bhr'' („auf dem Berg“) als ''mhr'' („morgen“) zurückzuführen ist. Die Deutung legt sich aber tatsächlich deshalb schnell nahe, weil nach der Erwähnung des „Vorüberziehens“ JHWHs noch einmal ein Schritt zurück gemacht wird, um zu schildern, was diesem Vorüberziehen ''vorausgeht''. Aber dies ist eine starke Minderheitenposition; bekannt sind mir (S.W.) als neuere Vertreter nur Pruin 2006, S. 252; NIV; NRSV.<br />(3) Oder: Vv. 11f. sind insgesamt Ankündigung; das Geschehen selbst würde dann gar nicht berichtet, weil es in der Ankündigung schon so ausführlich geschildert wurde. So z.B. Walsh 1996; Cogan 2001; Robinson 1991, S. 521; Simon 1997, S. 214; Dharamraj 2006, S. 80; Rogland 2012, S. 92; ALTER – diese Position hat also eine ganze Reihe recht bedeutender Vertreter. Es gibt in der Tat vergleichbare Stellen in der Bibel, die so konstruiert sind. S. etwa [[Exodus 9#s13 |Ex 9,13-20]], wo zwischen Vv. 19.20 gar nicht noch mal geschildert wird, wie Mose die Botschaft Gottes auch wirklich überbringt, oder ganz entsprechend [[1 Könige 21#s17 |1 Kön 21,17-20]]. An unserer Stelle stört dann aber V. 13a stark, wo das „Hinausgehen“ Elijas anders als das „Vorüberziehen“ JHWHs eben doch berichtet wird.<br />Auflösung (2) ist daher jedenfalls weit wahrscheinlicher als Auflösung (3); fraglich ist, ob Auflösung (2) auch der Standard-Auflösung vorzuziehen ist. Rein grammatisch ist sie möglich; ''hinneh'' („Da!, siehe!“) + Partizip kann in der Tat auch für Futurum instans („etw./jmd. ist ''im Begriff'', zu geschehen / etwas zu tun“) verwendet werden (vgl. z.B. [https://en.wikisource.org/wiki/Gesenius%27_Hebrew_Grammar/116._The_Participles#GHGpar-116-p GKC §116p]). Im Kontext von 1 Kön 19 aber ist das sehr unwahrscheinlich; „und da!“ leitet hier stets übernatürliche Geschehnisse ein (s. neben diesem V. noch Vv. 5.6.9.13). Die beste Deutung ist daher die: 11b ist ein sog. „proleptisches Summarium“, das das gleich zu schildernde entscheidende Geschehnis bereits vorausnimmt (daher oben der Anschluss mit Doppelpunkt). Das wird dann entfaltet: Genauer geschieht es so, dass dem „Vorüberziehen“ Gottes zunächst Sturm, Erdbeben und Feuer vorausgehen. Den ''qol demamah daqqah'' danach (s. zu V. 12) deutet Elija richtig als Zeichen dafür, dass ''nun'' Gott vorüberziehen wird, und daher verlässt er erst dann die Höhle. Oder auch dieser Halbvers ist proleptisches Summarium, s. zum Vers. Dass aber jedenfalls Elija die Geschehnisse richtig verstanden hat, zeigt dann V. 13 an, wo ihn in der Tat Gott noch einmal anspricht.</ref> <br />
+
Und da (siehe)!, JHWH zieht vorüber:<ref>(1) So deutet die Mehrheit. (2) Oder: „Geh hinaus und stell dich auf den Berg vor JHWH, denn siehe, JHWH ist im Begriff, vorüberzuziehen“ – und erst dann folgt der Bericht. So schon LXX, die „vorüberziehen“ noch mit Futur übersetzt hat, was aber sicher auf die Verlesung von ''bhr'' („auf dem Berg“) als ''mhr'' („morgen“) zurückzuführen ist. Die Deutung legt sich aber tatsächlich deshalb schnell nahe, weil nach der Erwähnung des „Vorüberziehens“ JHWHs noch einmal ein Schritt zurück gemacht wird, um zu schildern, was diesem Vorüberziehen ''vorausgeht''. Aber dies ist eine starke Minderheitenposition; bekannt sind mir (S.W.) als neuere Vertreter nur Pruin 2006, S. 252; NIV; NRSV.<br />(3) Oder: Vv. 11f. sind insgesamt Ankündigung; das Geschehen selbst würde dann gar nicht berichtet, weil es in der Ankündigung schon so ausführlich geschildert wurde. So z.B. Walsh 1996; Cogan 2001; Robinson 1991, S. 521; Simon 1997, S. 214; Dharamraj 2006, S. 80; Rogland 2012, S. 92; ALTER – diese Position hat also eine ganze Reihe recht bedeutender Vertreter. Es gibt in der Tat vergleichbare Stellen in der Bibel, die so konstruiert sind. S. etwa [[Exodus 9#s13 |Ex 9,13-20]], wo zwischen Vv. 19.20 gar nicht noch mal geschildert wird, wie Mose die Botschaft Gottes auch wirklich überbringt, oder ganz entsprechend [[1 Könige 21#s17 |1 Kön 21,17-20]]. An unserer Stelle stört dann aber V. 13a stark, wo das „Hinausgehen“ Elijas anders als das „Vorüberziehen“ JHWHs eben doch berichtet wird.<br />Auflösung (2) ist daher jedenfalls weit wahrscheinlicher als Auflösung (3); fraglich ist, ob Auflösung (2) auch der Standard-Auflösung vorzuziehen ist. Rein grammatisch ist sie möglich; ''hinneh'' („Da!, siehe!“) + Partizip kann in der Tat auch für Futurum instans („etw./jmd. ist ''im Begriff'', zu geschehen / etwas zu tun“) verwendet werden (vgl. z.B. [https://en.wikisource.org/wiki/Gesenius%27_Hebrew_Grammar/116._The_Participles#GHGpar-116-p GKC §116p]). Im Kontext von 1 Kön 19 aber ist das sehr unwahrscheinlich; „und da!“ leitet hier stets übernatürliche Geschehnisse ein (s. neben diesem V. noch Vv. 5.6.9.13). Die beste Deutung ist daher die: 11b ist ein sog. „proleptisches Summarium“, das das gleich zu schildernde entscheidende Geschehnis bereits vorausnimmt (daher oben der Anschluss mit Doppelpunkt). Das wird dann entfaltet: Genauer geschieht es so, dass dem „Vorüberziehen“ Gottes zunächst Sturm, Erdbeben und Feuer vorausgehen. Den ''qol demamah daqqah'' danach (s. zu V. 12) deutet Elija richtig als Zeichen dafür, dass ''nun'' Gott vorüberziehen wird, und daher verlässt er erst dann die Höhle. Dass Elija damit die Geschehnisse richtig verstanden hat, zeigt dann V. 13b an, wo ihn in der Tat Gott noch einmal anspricht.</ref> <br />
 
Ein Sturm (Wind, Hauch, Geist), stark und mächtig, zerschmettert Berge und zertrümmert Felsen vor JHWH,<br />
 
Ein Sturm (Wind, Hauch, Geist), stark und mächtig, zerschmettert Berge und zertrümmert Felsen vor JHWH,<br />
 
im Sturm [ist] JHWH nicht (Und im Sturm [ist] JHWH).<ref>'''Textkritik''': Die Primärüs. nach allen Vrs.; die Alternative, die einen Text ohne „nicht“ voraussetzt, in LXX<sup>B, H</sup>: „vor JHWH, in JHWHs Sturm“. Sehr wahrscheinlich ein bloßer Flüchtigkeitsfehler. Zur Not ließe sich das aber sogar sinnvoll auflösen. S. [[2 Samuel 22#s16 |2 Sam 22,16]] = [[Psalm 18#s16 |Ps 18,16]]; [[Psalm 33#s6 |Ps 33,6.9]]; [[Psalm 104#s7 |Ps 104,7]] und vielleicht [[Genesis 1#s2 |Gen 1,2]], wo Gottes Rede als Donner und Sturm dargestellt wird, die in [[2 Samuel 22#s14 |2 Sam 22,14]] = [[Psalm 18#s14 |Ps 18,14]] auch „Hagel und Feuerglut“ mit sich bringt und die in [[Exodus 15#s8 |Ex 15,8.10]] und Ps 104,7 z.B. auch Fluten sich auftürmen lassen kann. Vielleicht hat ein Schreiber hieran gedacht und daher das „nicht“ übersehen.</ref><br />
 
im Sturm [ist] JHWH nicht (Und im Sturm [ist] JHWH).<ref>'''Textkritik''': Die Primärüs. nach allen Vrs.; die Alternative, die einen Text ohne „nicht“ voraussetzt, in LXX<sup>B, H</sup>: „vor JHWH, in JHWHs Sturm“. Sehr wahrscheinlich ein bloßer Flüchtigkeitsfehler. Zur Not ließe sich das aber sogar sinnvoll auflösen. S. [[2 Samuel 22#s16 |2 Sam 22,16]] = [[Psalm 18#s16 |Ps 18,16]]; [[Psalm 33#s6 |Ps 33,6.9]]; [[Psalm 104#s7 |Ps 104,7]] und vielleicht [[Genesis 1#s2 |Gen 1,2]], wo Gottes Rede als Donner und Sturm dargestellt wird, die in [[2 Samuel 22#s14 |2 Sam 22,14]] = [[Psalm 18#s14 |Ps 18,14]] auch „Hagel und Feuerglut“ mit sich bringt und die in [[Exodus 15#s8 |Ex 15,8.10]] und Ps 104,7 z.B. auch Fluten sich auftürmen lassen kann. Vielleicht hat ein Schreiber hieran gedacht und daher das „nicht“ übersehen.</ref><br />
Zeile 37: Zeile 37:
 
{{S|12}} Und nach dem Erdbeben Feuer,<ref>''Feuer'' - Gemeint ist, wie die Parallelstelle [[Exodus 19#s16 |Ex 19,16-18]] fast sicher macht, kein Feuerregen, sondern ein Vulkanausbruch.</ref> {{par|Exodus|19|16|18}}<br />
 
{{S|12}} Und nach dem Erdbeben Feuer,<ref>''Feuer'' - Gemeint ist, wie die Parallelstelle [[Exodus 19#s16 |Ex 19,16-18]] fast sicher macht, kein Feuerregen, sondern ein Vulkanausbruch.</ref> {{par|Exodus|19|16|18}}<br />
 
im Feuer [ist] JHWH nicht.<br />
 
im Feuer [ist] JHWH nicht.<br />
Und nach dem Feuer ein feiner, stiller Klang (eine feine, leise Stimme).(:)
+
Und nach dem Feuer ein feiner, stiller Klang (eine feine, leise Stimme; ein dünnes, klagendes/betäubendes = ein gespenstisches Geräusch; ein Geräusch zermalmender Vernichtung).<ref>''ein feiner, stiller Klang (eine feine, leise Stimme; ein dünnes, klagendes/betäubendes = ein gespenstisches Geräusch; ein Geräusch zermalmender Vernichtung)'' - eine der meist-diskutierten Stellen der Bibel. Die Bed. des ganzen Ausdrucks ist und bleibt unsicher; am besten wählt man aber etwas wie den obigen Primärvorschlag. Die Kombination von Taktilem („fein, pulverartig“) mit Akkustischem („geräuschlos“) soll dann die übernatürliche Unbeschreiblichkeit des ''qol'' betonen, der „geräuschlose Klang“ soll als Oxymoron das Selbe leisten (gut z.B. Walsh 1996; Dharamraj 2006, S. 93).<br />'''Genauer''': Gehen wir die Wörter einzeln durch. Heb. ''qol demamah daqqah''.<br />''qol'' kann sowohl „Klang“ als auch „Stimme“ bedeuten. In V. 13 wird das selbe Wort von fast allen als „Stimme“ gedeutet. Dazu jedoch richtig Eidevall 2011, S. 105: Dass das Wort dort keinen Artikel hat, kann nahelegen, dass der ''qol'' dort nicht identisch mit dem ''qol'' in V. 12 ist; es könnte also ganz unproblematisch hier „Klang“ und dort „Stimme“ bedeuten. Aber wahrscheinlich ist das hier verfehlt: Vv. 11-13 sind offensichtlich bewusst in Anlehnung an und mit vielen Anspielungen auf [[Exodus 19#s16 |Ex 19,16-19]] formuliert worden, und dort entscheidend V. 19: „Der Hörner-''qol'' wurde immer stärker. Mose redete, und Gott antwortete mit ''qol''“. Das ist sicher nicht einmal als „Klang“ und einmal als „Stimme“ zu deuten, sondern gesagt wird dort: Dieser laute und übernatürliche Klang ''ist'' Gottes Stimme. Hiervon müssen wir dann auch hier ausgehen; unser Text ist sicher missverstanden, wenn er so gedeutet wird, dass in V. 12 zunächst ein übernatürlicher Klang ertönt, Gott dann aber in V. 13 „auf Menschenweise“ spricht. Im Deutschen wird das sicher klarer mit der Üs. „Klang“.<br />Zunächst weiter zu ''daqqah'', das einfacher ist als das zweite Wort: ''daqqah'' kommt von ''daqaq'' („zermalmen, pulverisieren“); abgleitet ist z.B. auch ''daq'' („fein, pulverisiert“) und ''doq'' (nur [[Jesaja 40#s22 |Jes 40,22]]: „etwas ganz Feines/Dünnes“ = „ein Schleier“). Das Wort ist Adjektiv-Attribut zu ''demamah'', diese ist also entweder eine „zermalmende ''demamah''“ oder eine „feine ''demamah''“.<br />
 +
Diese ''daqqah-demamah'' spezifiziert insgesamt ''qol'', dieser ist also ist ein „''daqqah-demamah-qol''“. ''demamah'' nun ist notorisch schwierig: Auf den ersten Blick scheint man es ableiten zu müssen vom Wort / von der heb. „Wurzel“ ''damam'' (s. gleich). ''damam'' ist aber eine sog. „reduplikative Wurzel“ (d.h., der zweite und der dritte Konsonant des Wortes ist der Selbe), und solche reduplikativen Wurzeln lassen sich häufig nicht gut abgrenzen von ihren sog. „metaplastischen Nebenformen“, also von den entsprechenden „hohlen Wurzeln“ (d.h. Wörtern mit langem ''u'' oder ''i'' zwischen den beiden Konsonanten am Rand; hier also: ''dūm'') und „schwachen Wurzeln“ (d.h. Wörtern mit zwei Konsonanten und ''h'' oder ''`'' als drittem Konsonant, hier also ''damah''): Bei vielen Wörtern ist unklar, ob ein Wort IaIIaII (wie ''damam''), ein Wort IūII (wie ''dūm'') und ein Wort IaIIaH / IaIIa` (wie ''damah'') das selbe Wort sind, unterschiedliche Wörter sind, oder beides, so dass es z.B. ein ''damam'' mit Bedeutung A und ein zweites ''damam'' mit der selben Bedeutung B wie ein Wort ''dūm'' gäbe.<br />'''Insgesamt''' dann: Bei unserem Wort ''demamah'' könnte man daher denken an folgende Bedeutungen: (1a) „still sein“ (nicht: „leise sein“; gemeint ist die ''Abwesenheit'' von Geräusch oder Bewegung. S. in Ges18 s.v. ''damam'' I, das aber wahrscheinlich besser als ''dūm'' zu führen ist). Das ist die häufigste Deutung; gemeint wäre dann „feine Stille“.<br />(1b) Abgeleitet vom selben Wort: „still stehen lassend“ = „erstarren lassend“, also „ein dünnes, betäubendes d.i. ein gespenstisches Geräusch“ (so de Boer 1951, S. 179; Seybold 1973, S. 13). Sehr nahe liegt das aber nicht; der Brückenschlag vom „feinen betäubenden“ zum „gespenstischen“ Geräusch ist ziemlich gewagt.<br />(2) „verwüstend, vernichtend“ (in Ges18 s.v. ''damam'' II), wahrscheinlich eine Nebenform von (3) „vernichten“ (in Ges18 s.v. ''damah'' II). Nach beiden Ableitungen also: „ein Klang von zermalmender Vernichtung“. So niemand, aber s. gleich.<br />(4) „klagen“ (''damam'' III, dazu s. z.B. Schick 1913; Dahood 1965, S. 25; McDaniel 1968, s. 39). Lust 1975 will von hier aus noch weiter die Bed. von ''damam'' zu „brüllen“ umbiegen und kommt so zum „crushing and roaring sound“ (S. 112). Zur Not ist das wohl möglich; mit einer Ableitung nach (2) und (3) kommt man aber ja zur selben Bed. und diese Ableitung ist sprachlich sicher glatter. Der Vorschlag ist sehr erwägenswert; er hat den entscheidenden Vorteil, dass man dafür nicht gleichzeitig von einer Synästhesie und einem Oxymoron ausgehen muss, um die Fügung sinnvoll zu deuten.<br />(5) „gleichen, ähneln“ (in Ges18 s.v. ''damah'' I). S. z.B. [[Hohelied 2#s9 |Hld 2,9]]: „Mein Geliebter ist so ähnlich wie = gleicht einer Gazelle“. ''demamah'' wäre dann eine Variante des ''demut'' Ezechiels, mit dem er ausdrückt, dass seine Worte nicht ''genau'' das treffen, was er in seinen Visionen geschaut hat und berichtet. S. z.B. [[Ezechiel 1#s10 |Ez 1,10]]: „Die ''demut'' ihrer Gesichter waren Menschengesichter“ = „ihre Gesichter waren so ähnlich wie Menschengesichter“. Das funktioniert hier nicht, aber s.u.<br />Weil mindestens die Abwägung zwischen dem „feinen, leisen Klang“ und dem „Klang zermalmender Vernichtung“ so schwierig ist, muss man '''Vergleichsstellen''' heranziehen. Herangezogen wurden:<br />(1) [[Ijob 4#s16 |Ijob 4,16]], aber das ist verfehlt: Wäre dort ''demamah waqol'' ein Hendyadioin („ich hörte Geräuschlosigkeit-und-Geräusch“), stünde der trennende Akzent nach ''qol'', nicht nach ''demamah''. Elifaz berichtet also, ''zunächst'' habe Stille geherrscht, ''danach'' habe er eine Stimme vernommen. Auch in Ijob-Kommentaren wird aber öfters derart falsch aufgelöst, z.B. Ball 1922, S. 39: „I hear a murmuring sound“; Buttenwieser 1922, S. 95: „A faint whisper did I perceive“; Dhorme 1984, S. 51: „And I hear a whispered voice“ u.a.<br />(2) [[Psalm 107#s29 |Ps 107,29]]: „Gott verwandelt den Sturm in ''demamah'' und die Wellen legen sich.“ Das deutet man gewöhnlich so, dass beide Sätze das Selbe sagen, ''demamah'' also „Windstille“ bedeutet und Ps 107,29 damit Deutung (1) stützt. Richtig zwar Lust: Theoretisch könnte man, wenn man nur auf diesen Vers schaut, beide Zeilen auch als antithetischen Parallelismus deuten: „Gott steigert [zunächst noch] den Sturm zur Vernichtung, dann legen sich die Wellen“ – aber liest man den V. zusammen mit V. 28, liegt das sehr fern.<br />(3) [[Psalm 93#s3 |Ps 93,3]], auf den gut Lust hinweist: „Fluten erhoben ihren ''qol'', Fluten erhoben ihre ''daki''.“ An diesen V. denkt man nicht gleich, aber Lust hat Recht: ''daki'' kommt von ''dakka`'', einer Nebenform von ''daqaq'' (s.o.); auch hier also stehen ''qol'' und ''daqaq'' beieinander – und hier in der Bed. „Geräusch“ und „Vernichtung“: „Fluten erschallten = Fluten vernichteten“. Das stützt Deutung (2), aber nicht sehr stark.<br />(4) Die Wichtigste: 4Q405 frgs. 20-22 7f.12f.: „''Die Cherubim fallen vor ihm nieder und preisen. Wenn sie sich erheben, ist da göttlicher ''qol demamah'' zu hören, und ein jauchzender Lärm, wenn sie ihre Flügel öffnen, ein göttlicher ''qol demamah''. [...] Und der ''qol demamah'' des Segens [ist] im Lärm ihres sich-Bewegens. [...] Dann kommt der Klang ihres freudigen Jauchzens zur Ruhe, und ''qol demamah'' des Segens Gottes [ist] in allen göttlichen Abteilungen, und der Klang des Preises''“. Vgl. auch frg. 19: „''Unter dem wunderbaren inneren Schrein [klingt] der ruhige ''qol demamah'' des Segens Gottes''“. Man hat sich hier bei der Deutung offenbar stark beeinflussen lassen von der Rede von der „Ruhe“ in frg. 20-22 13 und der vom „ruhig“ in frg. 19 und daher ''demamah'' stets als „geräuschlos“ gedeutet. Aber in frg. 20-22 13 wird ja nur gesagt, dass die Engel aufhören, zu jauchzen, ''wonach'' laut hörbar der Segen erklingt. Und das „ruhig“ in frg. 19 ist im Heb. ''šaqaṭ'', ein Wort, das keine akkustische Qualität beschreibt, sondern einen Zustand oder eine Stimmung: „friedvoll, gelöst“. Dagegen das zweifache „(jauchzender) Lärm“ in frg. 20-22 macht sehr wahrscheinlich, dass gerade ''nicht'' an „geräuschlose“ Äußerungen zu denken ist. Woran dann? Ich (S.W.) sehe zwei Optionen: Entweder, man geht mit Newsom 1985, S. 313 und Eidevall 2011, S. 106 davon aus, dass diese Stellen quasi-mechanisch aus 1 Kön 19,12 in 4Q405 übernommen wurden, nach der Logik: „Offenbar klingt Gott wie ''qol demamah'', also sagen wir das hier auch [aber um klar zu machen, dass wir nicht ‚geräuschlos‘ ''meinen'', obwohl es so klingt, setzen wir jeweils noch einen anderen Ausdruck daneben].“ Dann ließe sich aus 4Q405 gar nichts für unsere Stelle ableiten. Oder: Blickt man noch etwas genauer auf den Text, fällt erstens auf, dass ''demamah'' stets zwischen ''qol'' und „Gott“, „göttlich“ oder „Segen“ steht und stets (anders als hier) Constructus ist, und dass zweitens die beiden ''demamah''-Abschnitte einen ''demut''-und''mare`'' („Gleichheit-und-Aussehen“)-Abschnitt umrahmen (Z. 10: „[Der Thron] hatte ''das Aussehen'' von Feuer. ... Um sie herum war ''etwas Ähnliches'' wie Ströme von Feuer.“). Vielleicht ist hier ''demamah'' also wirklich eine Variante von ''demut'': „''Die Cherubim fallen vor ihm nieder und preisen. Wenn sie sich erheben, ist da ''quasi''-göttlicher Klang zu vernehmen, und ein jauchzender Lärm, wenn sie ihre Flügel öffnen, ein ''quasi''-göttlicher Klang. ... Und ein Klang ''wie von'' Segen ist im Lärm ihres sich-Bewegens. Dann kommt der Klang ihres freudigen Jauchzens zu Ruhe, und ''etwas wie'' Segen Gottes [erklingt] in allen göttlichen Abteilungen und der Klang des Preises.''“ und „''Unter dem wunderbaren inneren Schrein [klingt] ein Klang ''wie von'' friedvollem Segen Gottes.''“ Was dann jeweils nur bedeutete: Wenn die Cherubim ihre Flügel bewegen, klingt das wie Segen Gottes – ähnlich, wie es nach Glöckchen-Klang klingt, wenn irische Elfen fliegen. Beide Optionen sind aber nicht sehr zufriedenstellend. Will man 1 Kön 19,12 und 4Q405 miteinander harmonieren lassen, hat man fast keine Wahl, als ''qol demamah'' an beiden Stellen „geräuschloser Klang“ bedeuten zu lassen.</ref>
  
 
{{S|13}}  
 
{{S|13}}  
  
... Und da (siehe)!, eine Stimme (ein Klang) [spricht (sprach)] zu ihm! Sie fragte: „(Was [ist] mit dir, [dass du] hier [bist]=) Was willst du hier, Elija?“<ref name="9.13" />  
+
... Und da (siehe)!, ein Klang (eine Stimme) [spricht (sprach)] zu ihm! Sie fragte: „(Was [ist] mit dir, [dass du] hier [bist]=) Was willst du hier, Elija?“<ref name="9.13" />  
 
{{S|14}} Da sprach er:  
 
{{S|14}} Da sprach er:  
 
<poem>„(Eifernd habe ich geeifert=) Ich habe ja (so) geeifert<ref name="10.14 1" /> {{par|2 Könige|10|16}}
 
<poem>„(Eifernd habe ich geeifert=) Ich habe ja (so) geeifert<ref name="10.14 1" /> {{par|2 Könige|10|16}}

Version vom 25. Mai 2022, 00:39 Uhr

Syntax ungeprüft

SF ungeprüft.png
Status: Studienfassung zu prüfen – Eine erste Übersetzung aus dem Urtext ist komplett, aber noch nicht mit den Übersetzungskriterien abgeglichen und nach den Standards der Qualitätssicherung abgesichert worden und sollte weiter verbessert und geprüft werden. Auf der Diskussionsseite ist Platz für Verbesserungsvorschläge, konstruktive Anmerkungen und zum Dokumentieren der Arbeit am Urtext.
Folgt-später.png
Status: Lesefassung folgt später – Bevor eine Lesefassung erstellt werden kann, muss noch an der Studienfassung gearbeitet werden. Siehe Übersetzungskriterien und Qualitätssicherung Wir bitten um Geduld.

Lesefassung (1 Könige 19)

(kommt später)

Studienfassung (1 Könige 19)

1 Dann erzählte Ahab der Isebel([, seiner Frau],)a alles, was Elija getan hatte, und wie (alles darüber, wie)b er getötet hatte alle ({alle})c die Propheten mit dem Schwert. 2 Da sandte Isebel einen Boten ([eine Botschaft])d zu Elija wie folgt: „Bist du Elija, bin ich Isebel! Woraus folgt:e Dies möge Gott (mögen die Götter?)f mir ([mir])g antun und darüber hinaus jenes,h wenn nicht morgen um diese Zeit dein Leben gleich dem Leben eines der ihren ist!“ 3 Da fürchtete sich (Da sah)i Elija und erhob sich und lief um sein Leben und kamj nach Beerscheba, das zu[m Königreich]k Juda [gehörte]. Dort ließ er seinen [Dienst-]Knaben zurück.

4 Nachdem er einen [ganzen] Tag langl in die Wüste gelaufen war, {kam er und}j setzte er sich unter einen einsamenm Ginsterbusch. Er wünschte seinem Leben, zu sterben, [indem] er sprach: „Genug jetzt, JHWH! (Ich habe genug, JHWH)!n Nimm mein Leben ([von mir]),o denn ich bin nicht besser (dran) als meine Vorfahren (Vorgänger?)!“p 5 Dann legte er sich hin und schlief unter dem einsamen Ginsterbusch (dort?).q Doch da (siehe)!, einer (ein Bote)r stößt (fasst) ihn an und spricht zu ihm: „Steh auf, iss!“ 6 Und er schaute [sich um], und da (siehe)!, zu seinem Haupt (auf seinem Kissen-Stein?)s [standen] ein auf einem Glühstein [gebackenes]t Brot und ein Krug mit Wasser. Da ([stand er auf und])u aß er und trank er und (kehrte um und legte sich=) legte sich wieder hin.v 7 Und es kam zurück der Bote (Engel)w JHWHs ein zweites Mal (da kehrte ein zweiter Bote JHWHs zurück) und stieß (fasste) ihn an und sagte: „Steh auf, iss! Denn [sonst ist] (genug=) zu weitx für dich der Weg!“ 8 Da stand er auf ({stand er auf}y) und aß und trank und ging mit der Kraft dieses Essens 40 Tage und 40 Nächte [durch] bis zum ([Gottes-])Berg Horeb.z


9 Und er kam dort zur Höhle (zu einer Höhle)aa und übernachtete dort. Und da (siehe)!, das Wort JHWHs [ergeht (erging)] an ihn! Es fragte ihn ({ihn}ab): „(Was [ist] mit dir, [dass du] hier [bist]=) Was willst du hier, Elija?“ac 10 Da sprach er:

(Eifernd habe ich geeifert=) Ich habe ja (so) geeifertad
Für JHWH Zebaot (für JHWH, den Gott Zebaot),ae
Aber (denn) verlassen haben dich ((verlassen=) gebrochen haben deinen Bund)ae
Die (Söhne Israels=) Israeliten,
Indem sie deine Altäre zerstörten
Und deine Propheten töteten mit dem Schwert!af
Ich bin übrig, ich, ich allein –
Und sie verfolgen mein Leben, um's [mir] zu nehmen!“ag

11 Und es sprach: „Geh ([morgen]ah) hinaus und stell dich auf den Berg vor JHWH!“
Und da (siehe)!, JHWH zieht vorüber:ai
Ein Sturm (Wind, Hauch, Geist), stark und mächtig, zerschmettert Berge und zertrümmert Felsen vor JHWH,
im Sturm [ist] JHWH nicht (Und im Sturm [ist] JHWH).aj
Und nach dem Sturm ein Erdbeben,
im Erdbeben [ist] JHWH nicht.
12 Und nach dem Erdbeben Feuer,ak
im Feuer [ist] JHWH nicht.
Und nach dem Feuer ein feiner, stiller Klang (eine feine, leise Stimme; ein dünnes, klagendes/betäubendes = ein gespenstisches Geräusch; ein Geräusch zermalmender Vernichtung).al

13

... Und da (siehe)!, ein Klang (eine Stimme) [spricht (sprach)] zu ihm! Sie fragte: „(Was [ist] mit dir, [dass du] hier [bist]=) Was willst du hier, Elija?“ac 14 Da sprach er:

(Eifernd habe ich geeifert=) Ich habe ja (so) geeifertad
Für JHWH, den Gott Zebaot (für JHWH Zebaot),ae
Aber (denn) verlassen haben dich ((verlassen=) gebrochen haben deinen Bund)ae
Die (Söhne Israels=) Israeliten,
Indem sie deine Altäre zerstörten
Und deine Propheten töteten mit dem Schwert!af
Ich bin übrig, ich, ich allein –
Und sie verfolgen mein Leben, um's [mir] zu nehmen!“ag

15

16

17

18

19

20

21

Anmerkungen


Die Todesdrohung in V. 2 ist wohl nicht sonderlich ernst zu nehmen; hätte Isebel ihn wirklich töten wollen, hätte sie ihm keine Botschaft geschickt, sondern Soldaten (richtig DeVries 2004; Thiel 2007; Merecz 2009). Sicher ist ihr Ziel (wie das von Amazja in Am 7), Elija aus dem Land zu treiben. Ganz überraschend gelingt ihr das nicht nur, sondern die Boschaft schlägt ein wie eine Bombe: ...

aTextkritik: Alle Vrs. wie in der Primärüs.; nur LXXB präzisiert: „Isebel, seiner Frau“. LXXB und LXXL präzisieren in diesem Kapitel ausgesprochen häufig die handelnden Subjekte (meist durch Benennung, wo der ursprüngliche Text nur „[Er] VERB“ hat). Das ist jeweils so sicher sekundär, dass es i.F. gar nicht erwähnt werden wird. (Zurück zu v.1)
bTextkritik: MT wie im vorangehenden Teilsatz: we`et-kol-`ašer; dort: „alles, was“, hier zur Not: „alles darüber, wie“. LXX, VUL, Syr und 1 MS dagegen setzen wa`ašer („und was“) oder weka`ašer („und wie“) voraus. MT ist sicher Angleichung an den vorangehenden Teilsatz; so auch Stade/Schwally, BHK; auch Cogan 2001; DeVries 2004; Sweeney 2007; Thiel 2007. (Zurück zu v.1)
cTextkritik: „alle“ nach MT, VUL, Tg, Syr, wenigen LXX-Mss und VL. Gestützt wird das zusätzlich dadurch, dass Syr und Tg dies dann auch noch präzisieren: „alle Propheten des Baal(Syr; auch LXX-Mss) / „alle falschen Propheten“ (Tg). In LXX und 7 MSS dagegen fehlt dieses „alle“. Stade/Schwally, BHK, BHS und z.B. DeVries 2004 halten die kürzere Variante für ursprünglich, aber richtig wohl Pruin 2006, S. 253, Thiel 2007, S. 218: Über die starke Bezeugung hinaus ist MT auch noch die lectio difficilior, weil Elija in 1 Kön 18 ja gar nicht alle Propheten getötet hat. (Zurück zu v.1)
dTextkritik: MT, Aq, Sym, VUL, Tg, Syr, einigen LXX-Mss und wenigen VL-Mss: „einen Boten“. Laut LXXH stand dieses Nomen aber nicht in Origines' Vorlage; auch LXXB, L bezeugen es nicht. Im Heb. wäre es auch in der Tat verzichtbar. Stade/Schwally, DeVries 2004 und Hugo 2010, S. 19 halten daher den kürzeren Text für ursprünglich. Aber angesichts der so starken Bezeugung sollte man die kürzere Variante besser so erklären, dass ein Schreiber der LXX-Vorlagen nicht damit einverstanden war, dass Isebel hier derart mit JHWH parallelisiert wird – auch dieser nämlich wird in V. 7 einen Boten schicken. (Zurück zu v.2)
eBist du Elija, bin ich Isebel! Woraus folgt: ... - D.h. „Du magst zwar ein nicht unbedeutender Prophet sein, aber ich bin, verdammt noch mal, die Königin!“ (so z.B. Cogan 2001; Hugo 2010, S 25). Wahrscheinlich falsch die alternative Deutung von Gray 1970, DeVries 2004: „Du bist zwar ‚JHWH ist Gott!‘, aber ich bin ‚Wo ist Baal!‘“ – Isebel würde dann also mit der Bedeutung ihrer beider Namen spielen, um zu signalisieren, dass der Wettstreit zwischen JHWH und Baal aus 1 Kön 18 noch lange nicht zu Ende gekämpft ist und nun persönlich wird: Sie als die Baals-Repräsentantin würde veranlassen, dass es Elija als JHWH-Repräsentanten an den Kragen ginge. Aber Isebel ist kaum zu erklären als „Wo ist Baal“ – das ´Ajin von ba´al fehlt ja in -bel –, sondern als `i + zebl, „Wo ist der Fürst?“ Mit diesem „Fürst“ wird auch ein Gott gemeint sein, aber das angebliche Wortspiel an dieser Stelle funktioniert dann nicht mehr. Denkbar wäre dann aber ein anderes Wortspiel: Vgl. Ps 42,4.11 („Meine Feinde verhöhnen mich: ‚Wo ist dein Gott!?‘“), dann: „Du bist vielleicht ‚JHWH ist Gott‘, aber ich bin (und sage dir): ‚Wo ist er denn, dein Fürst!?‘“
Textkritik: Bist du Elija, bin ich Isebel! Woraus folgt: - Nur bezeugt durch LXXB, L und VL. Eine spätere Ergänzung wäre aber kaum erklärlich, einen Ausfall könnte man sich dagegen als Parablepsis erklären: Offenbar irrten die Augen eines Schreibers vom ersten le`mor („wie folgt“) direkt zum zweiten („woraus folgt“) ab (Eissfeldt 1967, S. 66; z.B. auch DeVries 2004; Thiel 2007; Schenker 2004, S. 134; Hugo 2010, S. 18). (Zurück zu v.2)
fTextkritik: Gott (Götter?) - Der Gott Israels und wohl auch andere Götter wird und werden im Heb. mit dem Plural-Wort „Götter“ bezeichnet. Manche LXX-Varianten übersetzen das „Götter“ an unserer Stelle mit Pl., andere mit Sg., und manche haben daraus ableiten wollen, dass ursprünglich hier nicht `elohim („Götter“), sondern `el („Gott“ = Baal) gestanden habe. Aber es ist ja nicht mal gewiss, wie die Vorlage dieser Sg.-LXX zu rekonstruieren ist, und die anderen Vrs. setzen sicher Pl. voraus. Am Sinn ändert es ohnehin nichts: In den meisten Verwendungen dieser Formel (s. übernächste FN) ist explizit von JHWH die Rede; entsprechend darf man erwarten, dass die Baals-Anhängerin Isebel hier nur von ihrem einen Gott Baal spricht. (Zurück zu v.2)
gTextkritik: mir steht in einigen MT-Mss nicht und lag auch Origines nicht vor. Alle anderen Vrs. bezeugen es und es gehört auch fest zur Formel; die Minus-Variante ist sicher ein reiner Schreibfehler. (Zurück zu v.2)
hDies möge Gott mir antun und darüber hinaus jenes, wenn nicht - sehr gebräuchliche Schwurformel (s. Rut 1,17; 1 Sam 3,17; 14,44; 20,13; 25,22; 2 Sam 3,9.35; 19,14; 1 Kön 2,23; 6,31; 20,10; 6,31). Gemeint ist etwa: „Ich schwöre: Ich werde Folgendes tun! Tue ich es nicht, soll mir ein schlimmes Unheil widerfahren!“ Das Unheil, das man mit dieser Schwurformel auf sich selbst herabruft, ist so entsetzlich, dass es stets nur mit „dies und darüber hinaus jenes“ umschrieben wird. Stark PAT: „Ich schwöre, und die Götter mögen mich strafen, wenn ich dich morgen ...“ (Zurück zu v.2)
iTextkritik: er fürchtete sich (er sah) - Beide Wörter haben im Heb. die selben Konsonanten. Als „er sah“ vokalisieren MT und Tg, sicher besser als „er sah“ aber LXX, JosAnt §348; VUL, Syr und auch wenige Mss und ein Tg-Ms. Fast alle halten denn auch richtig dies für die ursprünglich angezielte Bed. CTAT III, S. 372 u.v.a. erklären MT und Tg damit, dass ein Schreiber nicht vom eisernen Elija hätte sagen wollen, er habe sich gefürchtet – aber was hiernach folgt, stellt ihn ja in noch wesentlich schlechteres Licht als dieses Verb. (Zurück zu v.3)
jer lief um sein Leben und kam (V. 3) + Nachdem er gelaufen war, kam er (V. 4) - Häufige Doppelverbformel, mit der unterstrichen wird, dass eine längere Reise unternommen wird (s. zu Rut 2,3). V. 4a sollte daher im Dt. besser umformuliert werden. Besser als der Vorschlag der SF oben wäre einer, der in der LF deutlicher machte, wie parallel Vv. 4.5 formuliert sind: „[VERB] und [VERB] unter einem einsamen Ginsterbusch“. (Zurück zu v.3 / zu v.4)
kzum Königreich hat zwar auch eine leichte textkritische Stütze; so und so sollte man es aber im Dt. ergänzen, denn dies ist gemeint: Elija entzieht sich mit seiner Flucht nach Beerscheba am südlichsten Rand Judas dem Einflussbereich der zürnenden Königin.
Textkritik: LXXB, L nämlich präzisieren ähnlich: „im Lande Juda“. Vielleicht ist dies aber sogar nur inner-griechische Korruption des Artikels tän zum Nomen gän („Land“); auch davon unabhängig würde man es sicher als sekundär beurteilen. (Zurück zu v.3)
leinen [ganzen] Tag lang - W. „den Weg eines Tages“. (Zurück zu v.4)
meinen einsamen - w. „unter einen“ mit Numerale statt unbest. Artikel; zur Bed. „einsam“ vgl. richtig Gray 1970. (Zurück zu v.4)
nGenug jetzt, JHWH! (Ich habe genug, JHWH) - Ein unerhörter Ausruf. Man sieht das schon daran, dass die Vrs. zu unterschiedlichen Strategien griffen, um ihn abzuschwächen.
Textkritik: Nämlich: (1) LXXL streicht das „JHWH“, was die mit MT übereinstimmenden VL und das LXX-Ms c2 als sekundär erweisen; (2) die anderen LXX-Mss verschieben das Wort nach „nimm mein Leben von mir“, (3) die Vorlagen von VUL und Syr ergänzen ein li (w. „[Genug] für mich“, also „Ich kann nicht mehr!“), (4) Tg kombiniert mehrere Strategien, indem er erstens ebenfalls das li ergänzt und zweitens die ganze Wortfolge „jetzt, JWHW“ nach hinten schiebt.
tFN: Der trennende Akzent zwischen „genug“ und „jetzt“ spricht nicht gegen diese Auflösung; er rührt daher, dass „JHWH“ als Vokativ mit dem vorangehenden Wort verbunden werden und daher ein trennender Akzent andernsorts und daher eben hier stehen muss. (Zurück zu v.4)
oTextkritik: von mir nach LXX und 1 Ms; assim-Jon 4,3. (Zurück zu v.4)
pich bin nicht besser (dran) als meine Vorfahren (Vorgänger?) - entweder also: (1) „offensichtlich bin ich nichts Besonderes“, die Verzweiflung hat ihm den Glauben genommen, Instrument für Gottes wunderbares Handeln zu sein (z.B. Cogan 2001). (2) „Ich bin nicht besser dran als meine Vorfahren“: wie sie gestorben sind, bin nun auch ich dem Tode nahe! (so z.B. Hauser 1990, S. 63). So schon JosAnt §348: „Er verlangte nach dem Tod, da er nicht besser als seine Väter sei und nach deren Heimgang keine Freude mehr am Leben habe.“ (3) „Ich bin nicht besser als meine Vorgänger“, ich habe nicht mehr erreicht als die Propheten vor mir! (so Jeremias 1996, S. 487; Dharamraj 2006, S. 53; Thiel 2007), was allerdings nur funktioniert, wenn man wirklich aus 2 Kön 2,12 ableiten kann, dass ein Prophet seine Vorgänger als seine „Väter“ bezeichnen konnte, und das ist sehr unsicher. Mindestens zwischen (1) und (2) wird man sich gar nicht entscheiden müssen, sondern wird hier beides hören dürfen. (Zurück zu v.4)
qTextkritik: unter dem einsamen Ginsterbusch (dort?) - MT, LXXH, εβρ, VUL, Tg, Syr: „er schlief unter dem einsamen Ginsterbusch.“ LXXB dagegen: „er schlief dort unter dem Busch“, LXXL „er schlief unter dem Busch dort“. Ganz merkwürdig leitet die Mehrzahl der Exegeten hieraus ab, dass entweder sowohl „unter einem einsamen Ginsterbusch“ als auch „dort“ sekundär seien oder sogar, dass „dort“ ursprünglich und „unter einem (einsamen) Ginsterbusch“ sekundäre Angleichung an V. 4 sei. So z.B. Stade/Schwally, BHK, BHS, Trebolle Barrera 1989; auch Würthwein 1984, Cogan 2001, Thiel 2007. Weit wahrscheinlicher stand in einer Handschrift šam am Rand, sollte die ungewöhnliche Wiederholung des „einsamen Ginsterbuschs“ ersetzen und ist daher an unterschiedlichen Orten in die Vorlagen von LXXB und LXXL geraten. Dass LXX den „Ginsterbusch“ hier mit einem anderen Nomen als in V. 4 übersetzt und „ein“ streicht, wird aus den selben stilistischen Gründen geschehen sein. (Zurück zu v.5)
rTextkritik: „Ein Bote“ nach MT, Aq, Sym, Tg, Syr; ähnlich VUL wie in V. 7: „ein Bote JHWHs“. LXX dagegen einheitlich: tis, „jemand“; ebenso JosAnt §349 („etwas Unsichtbares“). Trotz dieser starken Bezeugung ist wahrscheinlich die LXX-Variante ursprünglich und die MT-Variante unvollständige Assimilation an V. 7; so richtig Trebolle Barrera 1989, S. 144; Hugo 2010, S. 19; z.B. auch DeVries 2004. (Zurück zu v.5)
szu seinem Haupt (auf seinem Kissen-Stein?) - Zur Alternative: Im Heb. steht die Nahrung auf Elijas mero`š, einer Wortbildung aus ro`š („Kopf“) und dem Lokal-Präfix m-. Vgl. z.B. zabal „wohnen“ > mizbal „Wohnort“, satar „verstecken“ > mistar „Versteck“ und v.a. šakab „liegen“ > miškab „Liegeort“ = „Bett“; entsprechend dann hier ro`š „Kopf“ > mero`š „Kopf-Ort“ = Kissen? So jedenfalls Syr: `essad „Kopfstütze, Kissen“. Gemeint sein könnte etwas wie der Stein des Jakob, vgl. Gen 28,11 mit dem selben Wort, was nicht heißen muss: „er nahm einen Stein und legte ihn nieder an seinem Kopf-Ort“, sondern auch bedeuten könnte: „... und legte ihn nieder als sein Kissen“. In vielen Kulturen nimmt man beim Nächtigen im Freien auch heute noch einen Stein oder ein Stück Holz als Kopfstütze; einerseits, weil selbst dies bequemer ist, als den Kopf direkt auf den Boden zu legen (wie jeder Camper bestätigen können wird), andererseits aber wohl auch, damit bspw. Skorpione nicht so leicht an den Kopf des:der Schlafenden gelangen können. Vgl. noch 1 Sam 19,13: „Michal nahm den Teraphim, legte ihn ins Bett und das Geflecht aus Ziegenhaar auf sein [=des Bettes] mero`š und deckte ihn/es mit einer Decke zu.“ (auch V. 16) – deutet man als „Kissen“, muss man nicht annehmen, dass ein Teraphim einen „Kopf“ hat. In 1 Sam 26,7.11f.26 dagegen wäre schon wie üblich „zu seinem Haupte“ zu übersetzen. Ich (S.W.) halte diese Deutung an allen drei Stellen für besser; so übersetzt hier aber niemand, daher besser auch nicht OfBi. (Zurück zu v.6)
tauf einem Glühstein gebacken - VUL legt nahe, wie dies zu verstehen ist: subcinericius panis, ein „Unter-Aschen-Brot“. Der „Glühstein“ war also offenbar nicht das Pendant einer Pfanne, sondern das Pendant eines Grills, in dem / auf dem Kohle und Asche lagen. Brot buk man dann (wie ebenfalls noch heute in vielen Kulturen), indem man den Teig auf den Stein gab und glühende Kohle darüber häufte, damit er von beiden Seiten erhitzt wird. Erwähnt wird er dann nicht, weil „Glühstein-Brot“ besseres Brot war, sondern weil durch die Formulierung der „Glühstein“ (heiß) und das „Wasser“ (kalt) eine Art Merismus bildeten: „ein Brot des Glühsteins und eine Krug des Wassers“. Gleichzeitig ist die Formulierung chiastisch: (A) Nahrung – (B) Instrument – (B') Instrument – (A') Nahrung. S. noch übernächste FN: V. 6 ist offensichtlich gehobene, kunstvoll formulierte Prosa. (Zurück zu v.6)
uTextkritik: er stand auf nur nach LXX (außer LXXH), VL; assim-V. 5. (Zurück zu v.6)
ver trank und kehrte um und legte sich - „kehrte um und legte sich“ i.S.v. „er legte sich wieder“ ist eine ganz gewöhnliche Konstr. im Heb.; hier aber auffällig, da das Ende des Verses so stark assonant ist: wajješt wajjašab wajjiškab. (Zurück zu v.6)
wBote (Engel) - W. „Bote“. „Boten Gottes“ übersetzt man in dt. Üss. meist (und auch hier stets) mit „Engel“, denn solche sind dann fast stets gemeint. Folgt man mit der SF hier in V. 2 den Vrs., die auch Isebel einen „Boten“ schicken lassen, sollte man durchaus auch hier so übersetzen, dass diese Parallelität erkennbar wird; hält man dagegen das „Bote“ dort für sekundär, ist es hier gleich und man sollte besser mit „Engel“ übersetzen. (Zurück zu v.7)
xzu weit - w. „genug“, das selbe Wort, das Elija Gott in V. 4 entgegengeschleudert hat. Wenn möglich, sollte das in der LF erkennbar sein. Vielleicht: „Sonst ist's nicht genug für deinen weiten Weg“? Oder wie B-R: „Erheb dich, iß, genug noch hast du des Wegs.“ (Zurück zu v.7)
yTextkritik: ohne „stand er auf“ nur LXXH, assim-V. 6. (Zurück zu v.8)
zTextkritik: LXXB, L, H: „Berg Horeb“. Dagegen MT, LXXA, VL, εβρ, Tg, VUL, Syr: „Gottesberg Horeb“, assim-Ex 3,1. So auch Stade/Schwally; Hugo 2010. Umgekehrt ist ein spätererer Ausfall kaum erklärlich (eine Kombination aus App. + Constr. ist mitnichten „schwierig“ – so Thiel 2007 –, sondern ganz gewöhnlich und sehr häufig im Heb.). JosAnt §349 übrigens „Sinai“. Man könnte versucht sein, damit die Position sehr weniger Ausleger zu stützen, die glauben, nicht „Gottes-“, sondern „Horeb“ sei hier sekundär, aber wahrscheinlich wird man diese Üs. von Josephus eher als freie Übersetzung werten müssen, da der Horeb häufiger „Sinai“ genannt und daher besser unter diesem Namen bekannt war. (Zurück zu v.8)
aazur Höhle (zu einer Höhle) - Die „Höhle“ hat auch in Gen 19,30; 1 Kön 13,11; 18,4.13 unerwartet Artikel; dies muss also nichts bedeuten (richtig Simon 1997, S. 322; Cogan 2001). Dennoch wird der:die Leser:in hier, in dieser Szene, die so oft und so deutlich auf Mose anspielt (s. die Anmerkungen), und auf dem Horeb, wo Mose in einer Felsspalte seine Gottesbegegnung hatte (s. Ex 33,22), sicher auch an exakt diese Felsspalte/Höhle denken dürfen (so gut z.B. Cohn 1982, S. 342; Dharamraj 2006, S. 55f.; Thiel 2007). (Zurück zu v.9)
abTextkritik: Die kürzere Variante in LXX (ohne LXXH) und wenigen Mss. Assim-V. 13. (Zurück zu v.9)
acWortspiel: „Was ist mit dir“ ist im masoretischen Text zwar mah-leka, lautete ursprünglich aber mah-lak und klingt daher sehr ähnlich wie der malak, der „Bote“ (s.o.). Die Frage ist die standardmäßige Eröffnung z.B. einer Königsaudienz, mit der Empfangene eingeladen wurde, sein Begehr zu nennen (gut Seybold 1973, S. 8; z.B. auch Cogan 2001; Dharamraj 2006, S. 58; vgl. 2 Sam 12,5; 1 Kön 1,16; 2 Kön 6,28; Est 5,3). Dennoch sollte man nicht zu frei als etwas wie „Was ist dein Begehr?“ o.Ä. übersetzen; sicher sollte der:die Leser:in mindestens mit-hören: „Was willst du hier? [Du sollst doch in Israel sein!](richtig z.B. Hauser 1990, S. 71; von Nordheim 1992, S. 138; Fetherolf 2017, S. 203). So schon JosAnt §349: „Plötzlich fragte ihn eine Stimme, von der er nicht wusste, woher sie kam, warum er die Stadt verlassen und sich hierher begeben habe.“ (Zurück zu v.9 / zu v.13)
adgeeifert - Mehrdeutiges Wort. Entweder: „Ich war so eifrig / tüchtig“ (z.B. 2 Kön 10,16. Man denke auch an die „Zeloten“ = „die Eiferer“ = „die fanatischen JHWH-Anhänger“, zu denen z.B. auch Judas Iskariot gehört haben soll) oder: „Ich war so eifersüchtig“ (wie Gott ein eifersüchtiger Gott ist; ich war also ausgesprochen unduldsam mit der Baalsverehrung der Israeliten. S. Ex 20,5). An sich spricht sehr wenig dafür, dass man hier an die zweite Bed. zu denken hat und die Parallele in 2 Kön 10,16 zu unserer Stelle ist ja offensichtlich; dennoch wird diese zweite Bed. nicht selten gewählt von jenen, die Elija in diesem Kapitel als größenwahnsinnig interpretieren wollen (s. die Anmerkungen).
Auch die Funktion dieser ersten Zeile ist nicht ganz klar: Entweder will Elija seine Abwesenheit aus Israel mit dem Hinweis darauf abmildern, welch treuer Gottesdiener er war (Dann: „Ich habe ja außerordentlich geeifert!“), oder er will den Kontrast unterstreichen: „Ich habe so geeifert, aber alles umsonst, und jetzt wollen sie mir ans Leben!“ Der heb. Text lässt beides zu. (Zurück zu v.10 / zu v.14)
aeTextkritik: JHWH, den Gott Zebaot vs. JHWH Zebaot - Die kürzere Variante anscheinend in V. 10 in LXXB, A, L, VL, in V. 14 nur in LXXB, A. Die anderen Vrs. jeweils alle wie MT. Aber das ist etwas ungewiss; Gottesnamen werden häufig sehr divers geschrieben und übersetzt, und dies nicht nur in den antiken Versionen, sondern selbst noch in den mittelalterlichen Handschriften.
deinen Bund verlassen vs. dich verlassen: Ähnlich: Die kürzere Variante in V. 10 in LXXB, A, L, VL, in V. 14 nur in LXXB, L. Die anderen Vrs. alle wie MT. Was davon ursprünglicher ist, lässt sich kaum erkennen; die Ausleger verteilen sich auch recht ausgewogen auf beide Varianten.
Das stärkste Indiz ist dann bei beiden Varianten die Differenz in VL, bei der ersten die in LXXL, bei der zweiten die in LXXA: Bezeugen diese in V. 10 die kürzere Variante und in V. 14 die längere, könnte das heißen, dass in V. 10 die kürzere und in V. 14 die längere Variante ursprünglich war und dann von den meisten Vrs. V. 10 an V. 14 angeglichen wurde, in LXXB, (L), (A) dagegen V. 14 an V. 10. Insgesamt den ursprünglichen Wortlaut hätte dann nur VL bewahrt. Das ist wie gesagt recht unsicher, aber die beste Erklärung für diese komplexe Textdifferenz. (zu v.10 / zu v.14)
aftFN: Nicht: „Sie haben erstens deinen Bund gebrochen, zweitens deine Altäre zerstört und drittens deine Propheten getötet“: Die Wortstellung (1: V O S – 2: O V – 3: O V) gemeinsam mit den Akzenten ([ [1]Zaqef [2Zaqef 3]Athnach ]) machen klar, dass Zeilen 2 und 3 Nebensätze zu Zeile 1 sein müssen. (Zurück zu v.10 / zu v.14)
agDass noch niemand Vv. 10.14 als Gedicht erkannt hat, ist erstaunlich. Es ist so kunstvoll gebaut, dass es eine längere FN lohnt:
(1) Zeilen a-d betonen die unterschiedlichen Kontraste: Zeilen b.d zunächst die „Israeliten“ vs. „JHWH Zebaot“. Bedeutungsmäßig stimmt der militärische Gottestitel „JHWH der Heere“ gut zusammen mit den „Söhnen von jißra `el (‚Gott streitet‘)“. Aber wie wenig passt diese Bezeichnung zu den Israeliten! – Für JHWH „gestritten“ (nämlich: „geeifert) hat nur Elija (Zeile a), wohingegen die Israeliten ihn „verlassen“ haben (Zeile c). Um den Text so weben zu können, hat der Dichter zum seltenen Vierzeiler gegriffen, in dem nicht a mit b und c mit d parallel gehen, sondern die Doppelzeile ab mit ihrer antithetischen Doppelzeile cd.
(2) Dass Zeilen e.f parallel sind, ist offensichtlich. Auch lautlich: Ursprünglich lautete „zerstörten“ harasu, „töteten“ sehr ähnlich haragu. Zum „töten“ passt lautlich auch das „Schwert“: haragu baḥarb. – Die „Gottes-Streiter“ haben danach nicht etwa nur Gott verlassen, sondern sich zerstörend und mordend gegen ihn gewandt, der vertreten wird durch die unbelebten „Altäre“ und die belebten (nun aber nicht mehr lebenden) „Propheten“.
(3) Zeilen g.h kontrastieren noch mal Elija, der nach dem Mord an den Propheten ganz allein „übrig“ ist, und die Israeliten, die auch ihm sein Leben noch „nehmen“ wollen. Dass sich Zeile h überdies rückbezieht auf Zeile f, ist ebenfalls offensichtlich.
(4) Zeilen ab und gh, in denen Elija Thema ist, umrahmen Zeilen c-f, in denen die Israeliten Thema sind; diese Verse in der Mitte motivieren den Wandel vom eifernden Elija in ab zum bedrohten Elija in gh.
(5) Und schließlich werden die Zeilen ab.c-f insgesamt noch einmal konzentriert in Zeilen g.h aufgegriffen: Ich habe für dich gestritten (ab), sie haben sich vergangen (c-f) – jetzt bin nur noch ich übrig (g), und sie wollen sich an mir vergehen (h)! (Zurück zu v.10 / zu v.14)
ahTextkritik: „morgen“ nur nach LXX (ohne LXXH), VL, JosAnt §351 („am Morgen“). Wahrscheinlich richtig DeVries 2004: Verschreibung von bhr („auf den Berg“) als mhr („morgen“). Die Korrektur „auf den Berg“ ist dann zusätzlich in LXXB, L, εβρ und VL an der falschen Stelle nach „vor JHWH“ und in LXXA an der richtigen Stelle ergänzt worden. (Zurück zu v.11)
ai(1) So deutet die Mehrheit. (2) Oder: „Geh hinaus und stell dich auf den Berg vor JHWH, denn siehe, JHWH ist im Begriff, vorüberzuziehen“ – und erst dann folgt der Bericht. So schon LXX, die „vorüberziehen“ noch mit Futur übersetzt hat, was aber sicher auf die Verlesung von bhr („auf dem Berg“) als mhr („morgen“) zurückzuführen ist. Die Deutung legt sich aber tatsächlich deshalb schnell nahe, weil nach der Erwähnung des „Vorüberziehens“ JHWHs noch einmal ein Schritt zurück gemacht wird, um zu schildern, was diesem Vorüberziehen vorausgeht. Aber dies ist eine starke Minderheitenposition; bekannt sind mir (S.W.) als neuere Vertreter nur Pruin 2006, S. 252; NIV; NRSV.
(3) Oder: Vv. 11f. sind insgesamt Ankündigung; das Geschehen selbst würde dann gar nicht berichtet, weil es in der Ankündigung schon so ausführlich geschildert wurde. So z.B. Walsh 1996; Cogan 2001; Robinson 1991, S. 521; Simon 1997, S. 214; Dharamraj 2006, S. 80; Rogland 2012, S. 92; ALTER – diese Position hat also eine ganze Reihe recht bedeutender Vertreter. Es gibt in der Tat vergleichbare Stellen in der Bibel, die so konstruiert sind. S. etwa Ex 9,13-20, wo zwischen Vv. 19.20 gar nicht noch mal geschildert wird, wie Mose die Botschaft Gottes auch wirklich überbringt, oder ganz entsprechend 1 Kön 21,17-20. An unserer Stelle stört dann aber V. 13a stark, wo das „Hinausgehen“ Elijas anders als das „Vorüberziehen“ JHWHs eben doch berichtet wird.
Auflösung (2) ist daher jedenfalls weit wahrscheinlicher als Auflösung (3); fraglich ist, ob Auflösung (2) auch der Standard-Auflösung vorzuziehen ist. Rein grammatisch ist sie möglich; hinneh („Da!, siehe!“) + Partizip kann in der Tat auch für Futurum instans („etw./jmd. ist im Begriff, zu geschehen / etwas zu tun“) verwendet werden (vgl. z.B. GKC §116p). Im Kontext von 1 Kön 19 aber ist das sehr unwahrscheinlich; „und da!“ leitet hier stets übernatürliche Geschehnisse ein (s. neben diesem V. noch Vv. 5.6.9.13). Die beste Deutung ist daher die: 11b ist ein sog. „proleptisches Summarium“, das das gleich zu schildernde entscheidende Geschehnis bereits vorausnimmt (daher oben der Anschluss mit Doppelpunkt). Das wird dann entfaltet: Genauer geschieht es so, dass dem „Vorüberziehen“ Gottes zunächst Sturm, Erdbeben und Feuer vorausgehen. Den qol demamah daqqah danach (s. zu V. 12) deutet Elija richtig als Zeichen dafür, dass nun Gott vorüberziehen wird, und daher verlässt er erst dann die Höhle. Dass Elija damit die Geschehnisse richtig verstanden hat, zeigt dann V. 13b an, wo ihn in der Tat Gott noch einmal anspricht. (Zurück zu v.11)
ajTextkritik: Die Primärüs. nach allen Vrs.; die Alternative, die einen Text ohne „nicht“ voraussetzt, in LXXB, H: „vor JHWH, in JHWHs Sturm“. Sehr wahrscheinlich ein bloßer Flüchtigkeitsfehler. Zur Not ließe sich das aber sogar sinnvoll auflösen. S. 2 Sam 22,16 = Ps 18,16; Ps 33,6.9; Ps 104,7 und vielleicht Gen 1,2, wo Gottes Rede als Donner und Sturm dargestellt wird, die in 2 Sam 22,14 = Ps 18,14 auch „Hagel und Feuerglut“ mit sich bringt und die in Ex 15,8.10 und Ps 104,7 z.B. auch Fluten sich auftürmen lassen kann. Vielleicht hat ein Schreiber hieran gedacht und daher das „nicht“ übersehen. (Zurück zu v.11)
akFeuer - Gemeint ist, wie die Parallelstelle Ex 19,16-18 fast sicher macht, kein Feuerregen, sondern ein Vulkanausbruch. (Zurück zu v.12)
alein feiner, stiller Klang (eine feine, leise Stimme; ein dünnes, klagendes/betäubendes = ein gespenstisches Geräusch; ein Geräusch zermalmender Vernichtung) - eine der meist-diskutierten Stellen der Bibel. Die Bed. des ganzen Ausdrucks ist und bleibt unsicher; am besten wählt man aber etwas wie den obigen Primärvorschlag. Die Kombination von Taktilem („fein, pulverartig“) mit Akkustischem („geräuschlos“) soll dann die übernatürliche Unbeschreiblichkeit des qol betonen, der „geräuschlose Klang“ soll als Oxymoron das Selbe leisten (gut z.B. Walsh 1996; Dharamraj 2006, S. 93).
Genauer: Gehen wir die Wörter einzeln durch. Heb. qol demamah daqqah.
qol kann sowohl „Klang“ als auch „Stimme“ bedeuten. In V. 13 wird das selbe Wort von fast allen als „Stimme“ gedeutet. Dazu jedoch richtig Eidevall 2011, S. 105: Dass das Wort dort keinen Artikel hat, kann nahelegen, dass der qol dort nicht identisch mit dem qol in V. 12 ist; es könnte also ganz unproblematisch hier „Klang“ und dort „Stimme“ bedeuten. Aber wahrscheinlich ist das hier verfehlt: Vv. 11-13 sind offensichtlich bewusst in Anlehnung an und mit vielen Anspielungen auf Ex 19,16-19 formuliert worden, und dort entscheidend V. 19: „Der Hörner-qol wurde immer stärker. Mose redete, und Gott antwortete mit qol“. Das ist sicher nicht einmal als „Klang“ und einmal als „Stimme“ zu deuten, sondern gesagt wird dort: Dieser laute und übernatürliche Klang ist Gottes Stimme. Hiervon müssen wir dann auch hier ausgehen; unser Text ist sicher missverstanden, wenn er so gedeutet wird, dass in V. 12 zunächst ein übernatürlicher Klang ertönt, Gott dann aber in V. 13 „auf Menschenweise“ spricht. Im Deutschen wird das sicher klarer mit der Üs. „Klang“.
Zunächst weiter zu daqqah, das einfacher ist als das zweite Wort: daqqah kommt von daqaq („zermalmen, pulverisieren“); abgleitet ist z.B. auch daq („fein, pulverisiert“) und doq (nur Jes 40,22: „etwas ganz Feines/Dünnes“ = „ein Schleier“). Das Wort ist Adjektiv-Attribut zu demamah, diese ist also entweder eine „zermalmende demamah“ oder eine „feine demamah“.
Diese daqqah-demamah spezifiziert insgesamt qol, dieser ist also ist ein „daqqah-demamah-qol“. demamah nun ist notorisch schwierig: Auf den ersten Blick scheint man es ableiten zu müssen vom Wort / von der heb. „Wurzel“ damam (s. gleich). damam ist aber eine sog. „reduplikative Wurzel“ (d.h., der zweite und der dritte Konsonant des Wortes ist der Selbe), und solche reduplikativen Wurzeln lassen sich häufig nicht gut abgrenzen von ihren sog. „metaplastischen Nebenformen“, also von den entsprechenden „hohlen Wurzeln“ (d.h. Wörtern mit langem u oder i zwischen den beiden Konsonanten am Rand; hier also: dūm) und „schwachen Wurzeln“ (d.h. Wörtern mit zwei Konsonanten und h oder ` als drittem Konsonant, hier also damah): Bei vielen Wörtern ist unklar, ob ein Wort IaIIaII (wie damam), ein Wort IūII (wie dūm) und ein Wort IaIIaH / IaIIa` (wie damah) das selbe Wort sind, unterschiedliche Wörter sind, oder beides, so dass es z.B. ein damam mit Bedeutung A und ein zweites damam mit der selben Bedeutung B wie ein Wort dūm gäbe.
Insgesamt dann: Bei unserem Wort demamah könnte man daher denken an folgende Bedeutungen: (1a) „still sein“ (nicht: „leise sein“; gemeint ist die Abwesenheit von Geräusch oder Bewegung. S. in Ges18 s.v. damam I, das aber wahrscheinlich besser als dūm zu führen ist). Das ist die häufigste Deutung; gemeint wäre dann „feine Stille“.
(1b) Abgeleitet vom selben Wort: „still stehen lassend“ = „erstarren lassend“, also „ein dünnes, betäubendes d.i. ein gespenstisches Geräusch“ (so de Boer 1951, S. 179; Seybold 1973, S. 13). Sehr nahe liegt das aber nicht; der Brückenschlag vom „feinen betäubenden“ zum „gespenstischen“ Geräusch ist ziemlich gewagt.
(2) „verwüstend, vernichtend“ (in Ges18 s.v. damam II), wahrscheinlich eine Nebenform von (3) „vernichten“ (in Ges18 s.v. damah II). Nach beiden Ableitungen also: „ein Klang von zermalmender Vernichtung“. So niemand, aber s. gleich.
(4) „klagen“ (damam III, dazu s. z.B. Schick 1913; Dahood 1965, S. 25; McDaniel 1968, s. 39). Lust 1975 will von hier aus noch weiter die Bed. von damam zu „brüllen“ umbiegen und kommt so zum „crushing and roaring sound“ (S. 112). Zur Not ist das wohl möglich; mit einer Ableitung nach (2) und (3) kommt man aber ja zur selben Bed. und diese Ableitung ist sprachlich sicher glatter. Der Vorschlag ist sehr erwägenswert; er hat den entscheidenden Vorteil, dass man dafür nicht gleichzeitig von einer Synästhesie und einem Oxymoron ausgehen muss, um die Fügung sinnvoll zu deuten.
(5) „gleichen, ähneln“ (in Ges18 s.v. damah I). S. z.B. Hld 2,9: „Mein Geliebter ist so ähnlich wie = gleicht einer Gazelle“. demamah wäre dann eine Variante des demut Ezechiels, mit dem er ausdrückt, dass seine Worte nicht genau das treffen, was er in seinen Visionen geschaut hat und berichtet. S. z.B. Ez 1,10: „Die demut ihrer Gesichter waren Menschengesichter“ = „ihre Gesichter waren so ähnlich wie Menschengesichter“. Das funktioniert hier nicht, aber s.u.
Weil mindestens die Abwägung zwischen dem „feinen, leisen Klang“ und dem „Klang zermalmender Vernichtung“ so schwierig ist, muss man Vergleichsstellen heranziehen. Herangezogen wurden:
(1) Ijob 4,16, aber das ist verfehlt: Wäre dort demamah waqol ein Hendyadioin („ich hörte Geräuschlosigkeit-und-Geräusch“), stünde der trennende Akzent nach qol, nicht nach demamah. Elifaz berichtet also, zunächst habe Stille geherrscht, danach habe er eine Stimme vernommen. Auch in Ijob-Kommentaren wird aber öfters derart falsch aufgelöst, z.B. Ball 1922, S. 39: „I hear a murmuring sound“; Buttenwieser 1922, S. 95: „A faint whisper did I perceive“; Dhorme 1984, S. 51: „And I hear a whispered voice“ u.a.
(2) Ps 107,29: „Gott verwandelt den Sturm in demamah und die Wellen legen sich.“ Das deutet man gewöhnlich so, dass beide Sätze das Selbe sagen, demamah also „Windstille“ bedeutet und Ps 107,29 damit Deutung (1) stützt. Richtig zwar Lust: Theoretisch könnte man, wenn man nur auf diesen Vers schaut, beide Zeilen auch als antithetischen Parallelismus deuten: „Gott steigert [zunächst noch] den Sturm zur Vernichtung, dann legen sich die Wellen“ – aber liest man den V. zusammen mit V. 28, liegt das sehr fern.
(3) Ps 93,3, auf den gut Lust hinweist: „Fluten erhoben ihren qol, Fluten erhoben ihre daki.“ An diesen V. denkt man nicht gleich, aber Lust hat Recht: daki kommt von dakka`, einer Nebenform von daqaq (s.o.); auch hier also stehen qol und daqaq beieinander – und hier in der Bed. „Geräusch“ und „Vernichtung“: „Fluten erschallten = Fluten vernichteten“. Das stützt Deutung (2), aber nicht sehr stark.
(4) Die Wichtigste: 4Q405 frgs. 20-22 7f.12f.: „Die Cherubim fallen vor ihm nieder und preisen. Wenn sie sich erheben, ist da göttlicher qol demamah zu hören, und ein jauchzender Lärm, wenn sie ihre Flügel öffnen, ein göttlicher qol demamah. [...] Und der qol demamah des Segens [ist] im Lärm ihres sich-Bewegens. [...] Dann kommt der Klang ihres freudigen Jauchzens zur Ruhe, und qol demamah des Segens Gottes [ist] in allen göttlichen Abteilungen, und der Klang des Preises“. Vgl. auch frg. 19: „Unter dem wunderbaren inneren Schrein [klingt] der ruhige qol demamah des Segens Gottes“. Man hat sich hier bei der Deutung offenbar stark beeinflussen lassen von der Rede von der „Ruhe“ in frg. 20-22 13 und der vom „ruhig“ in frg. 19 und daher demamah stets als „geräuschlos“ gedeutet. Aber in frg. 20-22 13 wird ja nur gesagt, dass die Engel aufhören, zu jauchzen, wonach laut hörbar der Segen erklingt. Und das „ruhig“ in frg. 19 ist im Heb. šaqaṭ, ein Wort, das keine akkustische Qualität beschreibt, sondern einen Zustand oder eine Stimmung: „friedvoll, gelöst“. Dagegen das zweifache „(jauchzender) Lärm“ in frg. 20-22 macht sehr wahrscheinlich, dass gerade nicht an „geräuschlose“ Äußerungen zu denken ist. Woran dann? Ich (S.W.) sehe zwei Optionen: Entweder, man geht mit Newsom 1985, S. 313 und Eidevall 2011, S. 106 davon aus, dass diese Stellen quasi-mechanisch aus 1 Kön 19,12 in 4Q405 übernommen wurden, nach der Logik: „Offenbar klingt Gott wie qol demamah, also sagen wir das hier auch [aber um klar zu machen, dass wir nicht ‚geräuschlos‘ meinen, obwohl es so klingt, setzen wir jeweils noch einen anderen Ausdruck daneben].“ Dann ließe sich aus 4Q405 gar nichts für unsere Stelle ableiten. Oder: Blickt man noch etwas genauer auf den Text, fällt erstens auf, dass demamah stets zwischen qol und „Gott“, „göttlich“ oder „Segen“ steht und stets (anders als hier) Constructus ist, und dass zweitens die beiden demamah-Abschnitte einen demut-undmare` („Gleichheit-und-Aussehen“)-Abschnitt umrahmen (Z. 10: „[Der Thron] hatte das Aussehen von Feuer. ... Um sie herum war etwas Ähnliches wie Ströme von Feuer.“). Vielleicht ist hier demamah also wirklich eine Variante von demut: „Die Cherubim fallen vor ihm nieder und preisen. Wenn sie sich erheben, ist da quasi-göttlicher Klang zu vernehmen, und ein jauchzender Lärm, wenn sie ihre Flügel öffnen, ein quasi-göttlicher Klang. ... Und ein Klang wie von Segen ist im Lärm ihres sich-Bewegens. Dann kommt der Klang ihres freudigen Jauchzens zu Ruhe, und etwas wie Segen Gottes [erklingt] in allen göttlichen Abteilungen und der Klang des Preises.“ und „Unter dem wunderbaren inneren Schrein [klingt] ein Klang wie von friedvollem Segen Gottes.“ Was dann jeweils nur bedeutete: Wenn die Cherubim ihre Flügel bewegen, klingt das wie Segen Gottes – ähnlich, wie es nach Glöckchen-Klang klingt, wenn irische Elfen fliegen. Beide Optionen sind aber nicht sehr zufriedenstellend. Will man 1 Kön 19,12 und 4Q405 miteinander harmonieren lassen, hat man fast keine Wahl, als qol demamah an beiden Stellen „geräuschloser Klang“ bedeuten zu lassen. (Zurück zu v.12)