Amos 4: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 3. Februar 2021, 23:58 Uhr

Syntax OK

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Status: Studienfassung in Arbeit – Einige Verse des Kapitels sind bereits übersetzt. Wer die biblischen Ursprachen beherrscht, ist zum Einstellen weiterer Verse eingeladen. Auf der Diskussionsseite kann die Arbeit am Urtext dokumentiert werden. Dort ist auch Platz für Verbesserungsvorschläge und konstruktive Anmerkungen.
Folgt-später.png
Status: Lesefassung folgt später – Bevor eine Lesefassung erstellt werden kann, muss noch an der Studienfassung gearbeitet werden. Siehe Übersetzungskriterien und Qualitätssicherung Wir bitten um Geduld.

Lesefassung (Amos 4)

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

Anmerkungen

Studienfassung (Amos 4)

1 Hört dieses Wort,
[Ihr] Kühe vom Baschana
Die ([sind] =) ihr auf dem Berg Samarias seid,
Die (bedrücken =) ihr bedrückt Schwache,
Die (misshandeln =) ihr misshandelt Arme,
Die (sprechen =) ihr sprecht zu deren Herren:b
„Bring! Durst!“c
2
3


4 Kommt nach Betheld und sündigt,
Nach Gilgal, und sündigt noch mehr. (:)
{Und} Bringt eure Schlachtopfer am Morgen (jeden Morgen),
Am dritten Tag (alle drei Tage) eure Zehnten.
5e

6 7 8 9 10 11 12 13

Anmerkungen

aKühe vom Baschan - Unklares und viel diskutiertes Bild. Gemeint sind vielleicht die Ehefrauen reicher Israeliten, denen es wie Kühen am fruchtbaren Baschangebirge an nichts mangelt, weil sie über ihre Männer indirekt arme Israeliten mit-ausbeuten können. So deutet auch schon Theodoret, ähnlich auch Raschi, Ibn Ezra, Kimchi, Abravanel; auch unter neueren Auslegern hat diese Deutung die meisten Anhänger. In der LF muss man dies wohl vereindeutigen, z.B. zu „ihr Kühe auf den fetten Baschan-Weiden!“ Ähnlich schon Michaelis („ihr Kühe auf fetter Weide“), LUT („ihr fetten Kühe!“), BB („ihr fetten Baschan-Kühe!“).
Mit „Baschan“ ist dann vielleicht auch noch ein Wortspiel in dieses Bild eingebaut: Das verwandte arab. baṯane heißt w. „fruchtbare Ebene“, ist damit aber gleichzeitig ein Bild für „weiche Mädchen“ (vgl. Wetzstein 1864, S. 509, FN 4; Speier 1964, S. 306f.; das Bild von Frauen als Landschaften findet sich insgesamt ziemlich häufig in der Antike, in der Bibel z.B. deutlich noch in Hld 4,12; Sir 26,20). Darf man dies auch fürs Heb. voraussetzen – was aber sehr unsicher ist –, steht erstens das ganze Bild für üppige Frauen und spielt zweitens darin auch „Baschan“ allein schon auf üppige Frauen an.
Genauer sind zum Verständnis des Bildes zwei Dinge zu berücksichtigen: Erstens das Bild selbst, zweitens die Genera der folgenden Verben. Das Baschangebirge im Norden Gileads war bekannt für seine fruchtbaren Weiden, weshalb Baschan-Vieh als besonders gut genährtes Vieh sprichwörtlich war, s. noch Num 32,1-5.33; Dtn 32,14; Ps 22,13; Ez 39,18. Von Baschan-Kühen statt Baschan-Stieren ist sonst aber nirgends die Rede. Deshalb denken die meisten, dass das Bild für die Ehefrauen reicher Israeliten stehe. „Kühe“ ist dabei wahrscheinlich an sich noch gar nicht abwertend: Eine Reihe von kanaanäischen und ägyptischen Göttinnen – gerade auch Liebesgöttinnen, bes. Hathor – wurden mit Kühen assoziiert; der ägyptische Gott Sin und der kanaanäische Gott Baal hatten Geschlechtsverkehr mit einer Kuh, und auch der griechische Gott Zeus hatte etwas Ähnliches mit Io, als sie noch die Gestalt einer Kuh hatte (er zeugt mit ihr den Epaphos durch „Anhauchung“), während seine Frau Hera den Beinamen „die Kuh-Äugige“ hat, was ihre Schönheit hervorheben soll. Zu einigen dieser Mythen vgl. gut Barstad 1984, S. 45-47.
Die Verbformen sind schwierig. Die Partizipien in 1d-f sind feminin, was aber leicht auch daran liegen könnte, dass sie mit den fem. „Kühen“ kongruent sind – das einleitende „hört!“ nämlich ist mask. Die Personalpronomen in V. 2 sind dann zunächst wieder mask., ab „eure“ in „eure Nachkommen“ und bis zum Ende von V. 3 wird dann aber wieder zum Fem. gewechselt. Diese Formen ab dem Ende von V. 2 machen dann wirklich wahrscheinlich, dass hier Frauen angesprochen werden; gut erklären lässt der mehrfache Genuswechsel aber nicht: Es ist im Heb. zwar möglich, dass auf fem. Adressatinnen mit mask. Formen Bezug genommen wird, warum es hier aber manchmal geschieht und manchmal nicht (bes. auffällig V. 2: `etḵem (mask.) beṣinnot we`aḥaritḵen (fem.) besirot „euch (mask.) an Haken und eure (fem.) Nachkommen an Dornen“; gerade diese Stelle ließe sich aber sogar sehr gut als G-Shift erklären), ist bisher unerklärt.
Daneben war v.a. früher die Deutung verbreitet, dass es sich hier auch um männliche reiche Israeliten oder Fürsten handle (so schon Tg, Hieronymus, Kyrill; auch Rosenmüller, Schmoller; auch Syr macht die Kühe zu „Männern“) und ist seit einiger Zeit die Deutung aufgekommen, das Bild sei auf die Verehrer der Stiergottheiten zu beziehen, die u.a. in Bethel verehrt wurden (s. zu V. 4; so bes. Barstad 1984; auch Koch 1983, S. 46; Jacobs 1985; ähnlich Miller 2014, erwogen auch von McLaughlin 2001, S. 115f.). Das ist gar nicht so fernliegend; vor dem „Kirchensteuer-Abschnitt“ Am 4,4f. sollte man das Bild dann aber vielleicht noch besser auf die Priester an diesen Kultstätten deuten. Beide alternative Deutungen haben aber die femininen Verben und Pronomen ab V. 2 gegen sich; die Deutung auf die Ehefrauen ist die am wenigsten problematische. (Zurück zu v.1)
bzu deren Herren - nicht: „zu euren (Ehe-)Männern“, wie z.B. , H-R, HER05, MEN, NeÜ, NL und ZÜR 31 übersetzen (ähnlich PAT: „Eheherrn“). (Zurück zu v.1)
cDurst! - W. „Wir wollen trinken!“, „Lass uns trinken!“ oder „sodass wir trinken können!“. Im Heb. ist die Zeile aber äußerst knapp formuliert mit nur zwei Wörtern; stilgerechter wie oben. Ob hier noch die Kuh-Metapher waltet und also diese Baschan-Kühe so faul sind, dass man ihnen sogar das Wasser zum Trinken bringen muss, oder ob hier von genusssüchtigen Frauen die Rede ist, die Wein trinken wollen, ist nicht direkt erkennbar; an sich wird aber ja schon mit 1c („Berg von Samaria) und dann auch hier mit dem „sprechen“ mit der Kuh-Metapher gebrochen; wahrscheinlicher ist daher Letzteres. (Zurück zu v.1)
dZu Bethel vgl. 1 Kön 12,25-33: Danach hat der israelitische König Jerobeam das Heiligtum in Bethel (und das in Dan) gerade deshalb gegründet, damit Israeliten ihren Zehnt (s. nächste FN) nicht wie üblich nach Jerusalem, sondern nach Bethel brächten (Vv. 32f.). Gilgal, wo sich sicher ebenfalls ein solches Heiligtum befand, hatte dann wohl eine ähnliche Stellung, obwohl davon in der Bibel sonst nichts mehr überliefert ist. (Zurück zu v.4)
eZum Verständnis von Vv. 4f. gibt es verschiedenste Vorschläge darüber, was hier eigentlich kritisiert wird. Die meisten sind aber völlig hypothetisch. Am ehesten wie Koch 1976b, S. 24: „So wird wahrscheinlich das Darbringen von Opfer und Zehntem gerügt, weil es aus Gütern besteht, die von den Armen erpreßt sind [...]. So jedenfalls ist der Sinn im jetztigen Zusammenhang“ – dem nämlich, dass Vv. 4f. direkt nach Vv. 1-3 stehen, wo wieder die „Armen bedrückt und die Bedürftigen misshandelt werden“, worauf sich dann diese beiden Verse anschließen, in denen eine ganze Reihe von Opfertypen aneinandergereiht werden, bei denen Israeliten eigene Gaben an ein Heiligtum bringen mussten, wo sie dann auf verschiedene Weise „geopfert“ wurden. Für die Bedrücker und Misshandelnden sind diese teils sehr hohen Abgaben leicht zu verschmerzen, da sie sie ja mit Gütern bezahlen, die an sich nicht die ihren sind. In späteren rabbinischen Schriften findet sich gerade zu solchen Menschen dann die Sonderregel, dass sie gar nicht berechtigt sind, Feldfrüchte zum Opfern an den Tempel zu bringen, weil sie eben nicht ihre eigenen Güter opfern: m.Bikk i 2: „arisin und hechakorot (zwei Arten von Pächtern), Banditen und Räuber (die fremde Felder durch Unrecht an sich gebracht haben) bringen keine Erstlingsfrüchte dar, weil es heißt: ‚Die Erstlingsfrüchte deines Landes‘ (Ex 23,19)“; t.Ter i 6: „Diebe, Räuber und Enteigner: Ihr Zehnt-Zehnt, ihr Zehnt und ihre freiwilligen Opfer sind gültig. Wenn der (eigentliche) Feld-Eigner aber (noch) hinter ihnen her ist, (sind sie's nicht).“
Genauer: An sich sind die Verse aber nicht sehr gut verständlich. Die im Heb. auffällige voranstellung von „am Morgen“, „am dritten Tag“ und „vom Gesäuerten“ legen eigentlich nahe, dass dies hier jeweils der Knackpunkt sein muss und also die Opfer aufgrund von einer Art Formfehler als Sünde eingestuft werden müssen. Bei keiner dieser Opferhandlungen lässt sich aber mehr erkennen, was diese Formfehler sein sollen. Am ehesten vielleicht dies: Bei den Dankopfern gesäuerter Brote soll der Leser evt. an Lev 2,11; 6,7-10 denken, wo geregelt ist, dass als Speiseopfer ausschließlich ungesäuerte Brote dargebracht werden dürfen (dagegen spricht auch nicht Lev 7,13; anders, als in vielen Amos-Kommentaren zu lesen ist, ist dort nicht dann doch von gesäuertem Brot gerade zum Dankopfer, sondern zum Friedensopfer neben dem Dankopfer die Rede). Bei den freiwilligen Opfern – also Opfern, die man zu den großen Festtagen zu seinen sonstigen obligatorischen Abgaben noch obendrein opfert – lässt der Text gar keine andere Möglichkeit als die, dass das Kritikwürdige die öffentliche Verkündigung derselben ist. Das ließe sich vone einigen späteren jüd. Texten her erklären; dort nämlich findet sich sehr häufig das Ideal, dass freiwillige Gaben nicht aus Ehrsucht und daher öffentlich, sondern im Verborgenen gegeben werden sollen; s. Spr 6,13f.; Mt 6,3f. und später auch m.Ab v 13; b.BB 10a; b.MQ 16a; b.Ket 66b; p.Scheq 5,49b. Für Menschen, die aus Ehrsucht öffentlich gaben, war zu dieser Zeit Spr 18,16 sprichwörtlich, s. p.Hor 3,48a; LevR 5; DtnR 4. Bei den Schlachtopfern soll der Leser dann vielleicht an 2 Kön 16,15 denken: Dort ist geregelt, dass vom Tempel gestellte Opfer der Allgemeinheit morgens, Opfer der Bevölkerung (und des Königs) aber abends dargebracht werden sollen. Vielleicht soll man 4c verstehen als „Bringt eure Schlachtopfer [schon] am Morgen (und begeht also auch darin einen Formfehler)“? Grammatisch wäre das gut möglich; Fokuspartikeln wie „schon“ oder „erst“ werden im Heb. fast nie gesetzt und müssen im Dt. sehr häufig dazugedacht werden. Was der „dritte Tag“ im Zusammenhang mit dem Zehnt soll, ist aber endgültig unverständlich: Der Zehnt war zur Abfassungszeit des Amosbuches die „Kirchensteuer“ des Alten Israel, nämlich die obligatorische Abgabe eines Zehnt-teils der Erträge eines Jahres aller Feld- und Vieheigner an Kultstätten und ihre Bedienstete, die offiziell als „Opfer“ galt (zur gesch. Entwicklung des Zehnts vgl. am besten Ajah 2012, bes. S. 29) und die gemeinsam mit den Erstlingsfrüchten einmal jährlich zum Wochenfest am jeweiligen Heiligtum entrichtet wurde. Nach allem, was wir wissen, dauerte dieses Wochenfest aber nur einen Tag. Möglich wäre höchstens: Gesetzlich und liturgisch begann ein Tag im alten Judentum bereits mit dem Vorabend des vorangegangenen Tags; obwohl er nur einen „liturgischen“ Tag dauert, gliedert sich daher auch heute das Wochenfest noch in erev shavuot („Vorabend des Wochenfests“) und shavuot selbst. Vielleicht kann man also auch hier deuten: „Bringt eure Zehnt [erst] am dritten Tag“, was dann wohl formal ähnlich falsch wäre wie die Darbringung von Schlachtopfern des Volkes am Morgen und wonach der zu verbrennende Teil des Zehnts jedenfalls sicher nicht mehr rechtens geopfert werden konnte. Wirklich naheliegend ist aber keiner dieser Formfehler, daher besser doch mit Koch, obwohl die dreimalige Voranstellung in 4cd.5a sicher erklärungsbedürftig ist. (Zurück zu v.5)