Amos 6

Aus Die Offene Bibel

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Status: Studienfassung in Arbeit – Einige Verse des Kapitels sind bereits übersetzt. Wer die biblischen Ursprachen beherrscht, ist zum Einstellen weiterer Verse eingeladen. Auf der Diskussionsseite kann die Arbeit am Urtext dokumentiert werden. Dort ist auch Platz für Verbesserungsvorschläge und konstruktive Anmerkungen.
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Status: Lesefassung folgt später – Bevor eine Lesefassung erstellt werden kann, muss noch an der Studienfassung gearbeitet werden. Siehe Übersetzungskriterien und Qualitätssicherung Wir bitten um Geduld.

Lesefassung (Amos 6)

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Anmerkungen

Studienfassung (Amos 6)

1 Weh! [Ach,] ihr ([ach,] die; Wehe den) Sorglosen in Ziona
Und ihr (die, den) Selbstsicheren (Sicheren) auf dem Berg von Samaria, [die ihr sprecht:]b
[Ihr (die, den)] Auserlesenen des Erstlingsc der Völker,
Kommt doch zu ihnen, (Es kommt zu ihnen das) Haus Israel!d
2 Geht hinüber nach Kalne und seht,
Und geht von dort in die große [Stadt] Hamath (nach Groß-Hamath?)e
Und steigt hinab nach Gat, [die Stadt] der Philister!f
[Sind sie (Seid ihr)] besser als (diese=) eure Reiche,g
Oder [ist] ihr Gebiet größer als euer Gebiet (ist euer Gebiet größer als ihr Gebiet)?“h

3 Ihr den-bösen-Tag-Forttreibenden(-für-fern-Haltenden)i
Führt herbei bleibende Gewalt (den Thron der Gewalt? Ein gewaltsames Ende? Eine Woche der Gewalt? Ein Jahr der Gewalt?)!j
4 (Die=)Ihr-auf-Elfenbein-Divanen-Liegendenk
Und auf-(ihren=)euren-Liegen-Hängenden
Und Lämmer-aus-der-Herde-Esser
Und Kälber-aus-dem-Maststall[-Fresser],l
5 (Die=)Ihr über-der-Öffnung(zum Klang?)-der-Leierm-Singer (Plärrer? Improvisierer?),n
[Die ihr] wie David (sich=) euch Instrumente (Gefäße) des Gesangs (Worte des Gesangs?, jeglich Lied?)o erfindet!m
6 (Die=) Ihr aus-Weinpokalen(aus einer Schale/Sprengaschale Wein, aus Schalen/Sprengschalen Wein)p-Trinker
Und [ihr, die ihr]q mit (dem Erstling vom) erstklassigen Öl salbt!
Aber ihr habt keine Schmerzen wegen der Wunde Josephs!
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10 Da hebt einen sein Onkel und sein Ohm
Um hinauszuschaffen die Gebeine aus dem Haus,
Und der sagt zu dem im Winkel des Hauses: „Noch wer?“,
Und der sagt: „Nö“,
Und der sagt: „Pst!“,
Um nicht zu erwähnen den Namen (zu gedenken des Namens) JHWHs.
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12 Rennen Pferde denn auf Felsen, oder pflügt man mit Rindern? Ihr aber verwandelt das Recht in Gift und die Furcht der Gerechtigkeit in Wermut.
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Anmerkungen

aZion - Wechselbegriff für Jerusalem oder speziell den Tempelberg in Jerusalem. Das kommt hier überraschend, da Jerusalem die Hauptstadt von Juda ist, Amos im Am 3-5 aber ausschließlich zu den Israeliten gesprochen hat. Es gibt daher diverse Versuche, die Zion-Zeile zu „eliminieren“. In dt. Üss. Eingang gefunden hat davon nur LUT 45-84: „Weh den Stolzen zu Zion und denen, die sich auf den Berg Samarias verlassen(ähnlich Moldenhawer, R-S, Schröder, Struensee, so schon Tg), wonach die Anrede an die Bewohner Jerusalems hier nur eine weitere Weise wäre, tatsächlich zu und über Israel zu sprechen: „Verlasst euch nicht auf Samaria, ihr Jerusalemiten, denn für die gilt...“ 1a und 1b sind hier aber klar parallel; mindestens Vv. 1-7 sind also wirklich an die Oberschicht sowohl von Israel als auch von Juda gerichtet. (Zurück zu v.1)
bEs folgt der Ausdruck der Sorglosigkeit und Selbstsicherheit, wie so oft ohne eigene Redeeinleitung. V. 2 halten mehrere Exegeten für ein Zitat der judäischen und israelitischen Oberschicht (z.B. Sellin 1929, S. 145; Maag, Mays, CTAT III 669). Ändert man wie OfBi in 1d „es kommt“ zu „kommt!“, muss dieses Zitat natürlich mindestens dort beginnen; noch besser dann aber schon in 1c, was dann auch die Großsprecherei in dieser Zeile erklärt. (Zurück zu v.1)
cAm 6,1c.5a.7b verdichten eines der komplexesten Wortspiele im ganzen AT.
1c: Die neqube re`schit in 1c sind zunächst natürlich die „Besten der Besten“. naqab („aus(er)wählen“) klingt aber sehr ähnlich wie naqap „abschlagen, ernten“ (s. Jes 17,6; 24,13) und re`schit ist häufiger „die Erstlingsfrucht“ (z.B. Num 18,12). Extrem nah ist das Bild in Jer 2,3: „Israel war Gott heilig, war die Erstlingsfrucht seiner Ernte(ähnlich Hos 9,10; Jak 1,18.). Dieses Bild soll hier sicher auch im Leser geweckt werden: Die Angesprochenen sind „von der Erstlingsfrucht der Völker, also Israel, die Gelesenen“. LXX z.B. hat die beiden Wörter auch tatsächlich so verstanden und dabei an die Traubenernte gedacht („sie lasen die Erstlinge der Völker“). Vielleicht liegt außerdem schon in diesem Wort eine latente Drohung, den primär bedeutet das Wort außerdem „durchbohren“.
Ähnlich in V. 5a: Die poratim ´al pi hannabel sind vielleicht „die Singenden über der Öffnung der Leier“; der ganz merkwürdige Ausdruck „über der Öffnung“ und das in der Bibel nur hier verwendete Wort parat zeigt aber schon, dass die Formulierung besondere Gründe haben muss. Zur Bed. „singen“ s. zum Wort. Im Hebräischen der Mischna und der Talmudim bedeutet parat aber außerdem zweitens oft „auswählen, eigens erwähnen“ und steht drittens für „durch (absichtliches oder versehentliches) Abpflücken abgetrennte Trauben“ (m.Peah vi 5; vii 3 für bei der Ernte versehentlich gepflückte und dann fallengelassene Trauben, m.Maas ii 6 vom bewussten Pflücken: „Wenn einer zu sagt zu seinem Freund: Hier ist eine Münze für eine Rebe, die ich mir selbst auswähle – dann darf er prt und essen.). parat entspricht hier also gleich doppelt naqab.
Zur „Öffnung der Leier“ s. noch mal zur Stelle; hier sei nur gesagt, dass das Wort für „Leier“ auch und sogar primär die Bezeichnung eines Tongefäßes ist und dass das Wort für „Öffnung“ sonst nie für Musikinstrumente verwendet wird, aber für Öffnungen von Gefäßen. Mindestens ist es also so, dass die „Singenden über der Öffnung der Leier“ gleichzeitig „gepflückte Trauben über der Öffnung des Gefäßes“ sind. S. aber wie gesagt näher noch einmal zur Stelle.
V. 6 spricht dann vom Weintrinken, und V. 7 spricht das Urteil: „fortgebracht werden wird der Trink-Verein / der Kult-Umtrunk der Hängenden“ mit einem weiteren Wortspiel: sarach „hängen“ in V. 7 ist das selbe Wort wie in V. 4 und wird eigentlich für „hängenden“ Textilien gebraucht (s. Ex 26,12f.; Ez 23,15. Tg übersetzt daher witzigerweise: „Gelage auf Decken haben ein Ende“). Auch dieser Gebrauch ist ungewöhnlich, und wieder ist der Grund für diesen Gebrauch das Wortspiel: sarach heißt auch häufiger „verderben, stinken“, s. vom verdorbenen Wein HldR ii 13: „der Weinstock wird Wein geben, doch der Wein wird srḥ“. In V. 4 haben einige jüd. Ausleger das Wort daher im selben Sinn genommen, z.B b.Schab 62b und b.Kid 71b: „Sie ließen ihre Betten stinken [..., d.h.] sie urinierten nackt direkt vor ihren Betten“; in b.Kid 71 wird alternativ noch vorgeschlagen, dass die Reichen hier ihre Betten mit Samenflüssigkeit beschmutzten. Tg übersetzt einfach: „und Flecken sind auf ihren Betten“.
Am 6,1-7 verdichtet also im Schnelldurchlauf den Lebenszyklus einer Traube: Als Erstlingsfrucht gepflückt werden (V. 1) – als gepflückte Traube in ein Gefäß gegeben werden (V. 5) – als Wein getrunken werden (V. 6) – verderben und dann fortgebracht werden (V. 7). Jene, die sich eben noch als „Erstlingsfrucht“ dünken, werden schon bald nicht mehr sein als stinkender Weinessig, den man nur noch wegschütten kann. (Zurück zu v.1)
dLies statt bɔ`u („es kommt“) besser bo`u („kommt“!). Damit sind auch alle Schwierigkeiten von V. 2 beseitigt: Umstritten ist dort nämlich, wer spricht und wer angesprochen ist (spricht Amos zu den Reichen aus 1ab oder zitiert er hier ohne Redeeinleitung deren Prahlerei?), und in 2e-f, ob „diese Reiche“ Juda und Israel oder Kalne, Hamath und Gat sind.
Die Zeile ist seit jeher schwer erklärlich. Alternativ versteht Koch sie am besten als weitere Drohung: „Zu ihnen – zu den Völkern also – wird das Haus Israel kommen (nämlich als vertriebene Exulantenschaft)“. Ähnlich BB: „... doch das Haus Israel wurde unter sie zerstreut.“ Ähnlich auch Blum 1994: „ihnen“ sind die Bewohner Zions, zu denen die Samarier als Flüchtlinge kommen werden. Die meisten vermuten stattdessen, dass gemeint sei, dass „das Haus Israel“, also das gemeine Volk, regelmäßig als Bittsteller zu den „Sicheren auf dem Berg Samaria“ komme, damit diese ihnen mit Rat und Führung zur Seite stünden oder damit sie ihnen ihre Rechtssachen regeln (s. MEN, NeÜ, PAT: „an die sich das Haus Israel wendet“; ZÜR 31: „den Herren des Hauses Israel“; NL: „zu dem die Leute kommen, wenn sie Hilfe brauchen.“).
Sellin 1929, S. 55 und Rudolph wollen stattdessen statt wb`w lesen w`bw („jmdm folgen“), also: „die Auserlesenen des Erstlings der Völker, denen das gemeine Volk folgt“. Daher H-R: „auf die das Haus Israel hört“. Daneben gibt es viele Vorschläge zur Textänderung mit jeweils nur einem Vertreter; mehrere Anhänger gefunden hat sonst nur noch: Statt wb`w lhm bjt jßr`l sei zu lesen wk`lh(j)m bbjt jßr`l „und sie waren wie Götter im Haus Israels“; so z.B. Robinson, Weiser, Maag, Wolff. (Zurück zu v.1)
edie große [Stadt] Hamath (Groß-Hamath) - Viele Kommentatoren (z.B. Paul, Garrett, Jeremias) verstehen chammat rabbah wie in der Alternativübersetzung als Bezeichnung eines Großstaates, der mehrere Kleinstaaten umfasst; hauptsächlich wohl, um die Zeile ein wenig früher datieren zu können: Die Stadt Hamath fiel erst 720 v. Chr. (s. nächste FN); der Staat Hamath dagegen musste schon 18 Jahre zuvor eine schwere Niederlage von den Assyrern hinnehmen. Aber das ist sehr unwahrscheinlich; die selbe Konstruktion begegnet mit der phönizischen Hauptstadt Sidon (tsidon rabbah, Jos 11,8; 19,28); die Hauptstadt der Ammoniter wird oft gleich nur rabbah oder „rabbat der Kinder Ammons“ genannt; verwandt ist Jon 3,2 über die Hauptstadt der Assyrer: „Ninive, ha´ir haggedolah (die große Stadt)(vgl. richtig Joüon 1912, S. 420). Der Ausdruck chammat rabbah soll also recht sicher gerade nicht den Staat, sondern seine Hauptstadt bezeichnen. Auch Zion, Samaria, Kalne und Gat sind sämtlich ja sicher Städte, nicht Staaten. (Zurück zu v.2)
f
Palistin und andere in Am 6 genannte Orte.
Die Grenzverläufe von Palistin und seiner späteren vier Teil-Staaten Unqi mit der Hauptstadt Kalne, Arpad mit der Hauptstadt Arpad, Hamath mit der Hauptstadt Hamath und Luhuti mit der Hauptstadt Hazrak – die letzten beiden wurden Anfang des 8. Jhd.s von König Zakkur zu einem Doppelkönigreich vereint –, ist ganz unsicher und dienen hier wieder nur der groben Veranschaulichung.
Erst seit Kurzem ist klar, dass ganz unklar ist, worauf V. 2 anspielt. Kalne, Hamath und Gat werden hier sicher nicht zufällig zusammengestellt, denn neue Forschungen haben ergeben, dass die Staaten Unqi und Hamath-Luhuti und außerdem Arpad des 10.-8. Jhd.s v. Chr. im 11-10. Jhd. noch ein gemeinsames Königreich bildeten, das sowohl als Walistin als auch als Palistin bezeichnet werden konnte (vgl. v.a. Hawkins 2009). Es ist sehr wahrscheinlich, dass dieses Königreich Palistin irgendwie zusammenhängt mit den Philistern (im Heb. ursprünglich wohl pališt-im), die u.a. in Gat siedelten (für zwei Vorschläge vgl. z.B. Singer 2012; Emanuel 2015), und entsprechend werden diese Philister hier in V. 2c ja mit der ungewöhnlichen Formulierung „Gat der Philister“ eigens genannt. Wie genau diese „Nord-Philister“ mit den Philistern im Südwesten Judas zusammenhängen, ist heute leider nicht mehr bekannt, und auch sonst liegt der größte Teil der Geschichte Palistins vom 11. bis zum frühen 9. Jahrhundert weitgehend im Dunklen. Wahrscheinlich ist zumindest, dass mit der Nennung der nördlichen Städte Kalne und Hamath einerseits und der südlichen Stadt Gat andererseits in dieser an Samaria und Jerusalem gerichteten Doppelwarnung unterstrichen werden soll, dass ihnen ein umfassendes Unheil „vom Eingang Hamats bis zum Fluss der Wüste Araba“ (V. 14) bevorsteht.
Was sicher ist, ist dies: Unqi mit der Hauptstadt Kalne wurde 738 v. Chr. von den Assyrern erobert, ebenso Luhuti mit der Hauptstadt Hazrak als das Nordreich Hamaths. Die Stadt Hamath im Süden dieses Doppel-Königreichs fiel jedoch erst zeitgleich mit Samaria um 720 v. Chr.; von einer früheren Eroberung ist bisher nirgends etwas überliefert (der bisher wichtigste anderslautende Vorschlag ist der von Na'aman 2002, S. 211f., alle drei Städte seien im späten 9. Jhd. von den Aramäern eingenommen worden. Für Gat stimmt das vielleicht, bei Kalne wäre es dann gut möglich – aber spätestens bei Hamath muss man dafür erstens die Zakkur-Stele mehrfach sehr spekulativ auslegen und zweitens 2 Sam 8,9f. ignorieren). Gat wurde von den Assyrern gar erst um 711 v. Chr. und damit 9 Jahre nach Samaria eingenommen. Schwerlich kann Amos also auch die Bürger Samarias aus V. 1 mit Hinweis auf diese Schicksale von Hamath und Gat gewarnt haben. Viele Amos-Kommentatoren behelfen sich mit redaktionskritischen Annahmen: Entweder V. 2 oder Vv. 1-2 oder das ganze Kapitel Am 6,1-14 sei später als der Rest des Amosbuches entstanden und eigentlich an die Judäer gerichtet. Aber auch das hilft ja nicht weiter; auch dann würden hier anachronistisch zumindest auch Bürger Samarias durch Hinweis auf das Geschick von Hamath und Gat gewarnt. Es scheint also, als sei hier etwas im Blick, was sich mindestens vor 738 v. Chr. zugetragen hat; wahrscheinlich sogar spätestens 750 v. Chr., da irgendwann zwischen 760 und 750 v. Chr. Gat unter judäische Herrschaft kam. Was genau, lässt sich heute nicht mehr erkennen. Vielleicht werden künftige Ausgrabungen weitere Erkenntnisse zutage fördern.
Weitere Orte aus Am 6:
(1) Lebo Hamath ist sicher das heutige Laboue, wo eine der Quellen des Orontes entspringt. Dieser Ort liegt in einem Gebiet, das ursprünglich zum fast gänzlich unbekannten Königreich Zoba zwischen der nördlichen Grenze Israels bei Dan und der südlichen Grenze Hamaths gehörte und wohl von mit Aram verbündeten Aramäern besiedelt wurde (s. 2 Sam 10,6.8). Irgendwann scheint es von Hamath eingenommen worden zu sein; das legt jedenfalls zum Einen 2 Chr 8,3f. nahe, wonach Salomo „Hamath-Zoba“ erobern und sodann „in Hamath“, also in Zoba, Städte bauen konnte, und zum Anderen 2 Kön 14,25.28, wonach Jerobeam II. Israel bis „Lebo Hamath“ (=Laboue) wiederhergestellt und damit „Hamath“ an Israel zurückgebracht hat. 2 Sam 8,3 berichtet dann wahrscheinlich von einem Intermezzo zwischen diesen beiden Phasen: Hier wird erzählt, dass David den einstigen König Zobas geschlagen hatte, als dieser versuchte, „seine Macht am Fluss wiederherzustellen“, es also wieder von Hamath zurückzuerobern. Auch noch Anfang des 6. Jhd.s scheint Zoba zum Gebiet von Hamath gehört zu haben, s. 2 Kön 23,33; 25,21. Der Name wird nicht erst entstanden sein, als Lebo Hamath bereits zu Hamath gehörte (so z.B. Na'aman 1999, S. 429; Hasegawa 2012, S. 130): Ist der hebräische Name in der Bibel korrekt, ist Lebo Hamath w. der „Zugang zu Hamath“ und damit doch gerade passender als Name für einen Grenz-Ort, der zu einem anderen und aus israelitischer Perspektive Hamath vor-gelagerten Reich gehörte.
(2) Karnajim (dazu s. näher Karnajim (WiBiLex)) und Lo-Dabar (zu beiden Städten s. auch noch mal u.) liegen im Norden Gileads östlich des Jordan. Irgendwann scheint Israel diese Region an die Aramäer verloren zu haben (s. Am 1,3; 1 Kön 22,3. S. v.a. 2 Kön 10,32f., dazu gleich mehr).
(3) Welcher Fluss der Fluss Araba sein soll, ist nicht ganz klar. Heute wird damit das Wadi zwischen Rotem und Totem Meer bezeichnet, doch dieser Name kam erst im 19./20. Jhd. auf. Es gibt zwei ähnliche Ausdrücke, die d.Ö. zur Bezeichnung von Grenzen Israels verwendet werden: Vergleichbar ist zum Einen die Grenzbestimmung „bis zum Meer der Araba“, die sonst eine Grenze östlich des Jordan am nördlichen Ende des Toten Meeres bezeichnet (Dtn 3,17; 4,49; Jos 12,3; wahrscheinlich auch 2 Kön 14,25, vgl. V. 28: „Jerobeam hat [das aramäische] Damaskus, das Juda gehört hatte, an Israel zurückgebracht“ meint wahrscheinlich die von Aram besetzten Gebiete Gileads östlich des Jordan). (a) Rudolph, Paul u.a. denken daher, „Fluss der Araba“ sei nur eine Ausdrucksvariante und meine den Fluss im Wadi Kefren, den nördlichsten der rechts abgebildeten vier „Araba-Flüsse“. (b) Für den Fluss darunter im Wadi Zerka spricht eigentlich nur, dass auch dies ein größeres mit dem „Meer der Araba“ verbundenes Wadi ist; (c) deutlich mehr spricht wieder für den Arnon im Wadi Mujib darunter (so z.B. Halpern 2001, S. 187), da das Gebiet zwischen dem Wadi Kefren und dem Wadi Mujib laut Bibel einmal das Gebiet des Stammes Ruben gewesen sein soll, der von den Stämmen des Nordreiches am weitesten nach Süden siedelte. Dass die Israeliten auch dieses Gebiet von den Aramäern zurückerobert hätten (s. 2 Kön 10,32f. mit 2 Kön 14,25), wird in der Bibel aber nicht berichtet. (d) Mays, Soggin und Stuart schließlich optieren für den Sered im Wadi el Hesa südlich des Toten Meeres (so auch schon LXX); diese Idee hat immerhin für sich, dass der Sered in etwa auf der selben Höhe liegt wie Beerscheba, das auch sonst häufig als südlichste Stadt des vereinten Israels angegeben wird („von Dan [im Norden] bis Beerscheba [im Süden]“: Ri 20,1; 1 Sam 3,20; 2 Sam 3,10; 17,11; 24,2.15; 1 Kön 4,25). Da der Sered aber traditionell Grenzmarker zwischen Moab und Edom war und außerdem dann ein Wadi östlich des Toten Meeres als Grenzmarker für eine Grenze westlich davon dienen müsste, wäre seine Nennung hier ungewöhnlich.
(e) Vergleichbar ist zum Anderen die Grenzbestimmung „von Lebo Hamath bis zum Fluss Ägyptens“ (1 Kön 8,65; 2 Chr 7,8; Ez 47,19), womit das Wadi el-Arisch südwestlich von Gaza als die natürliche Grenze zwischen Philistäa und Ägypten gemeint ist; die genannten drei Stellen imaginieren also, Israel habe ganz Philistäa unterworfen. An dieses Wadi denken hier z.B. Wellhausen und Snaith; „Fluss der Araba“ wäre dafür als Name aber sehr fernliegend. Insgesamt spricht am meisten für (a); möglich wäre auch (c), da 2 Kön 14,25 jünger ist als Am 6 und daher Am 6 nicht ohne weiteres mit diesem Vers zusammengelesen werden kann. Nach beiden Optionen wäre gemeint, dass Israel (nicht Juda!) von Nord bis Süd bedrückt werden wird. Falls man annehmen kann, dass Amos den Ausdruck „von Lebo Hamath bis zum Fluss Ägyptens“ kannte, würde mit diesem abgewandelten Ausdruck sogar eigens hervorgehoben, dass nur Israel und nicht Juda bedrückt werden soll: „von Lebo Hamath (nicht bis zum Fluss Ägyptens, nein, nur bei euch:) bis zum Fluss der Araba.“ (Zurück zu v.2)
g(Diese=) eure Reiche müssen Juda und Israel sein, sonst müsste im Heb. ein anderen Pronomen verwendet werden (richtig Gordis 1979/80, S. 240). So legt die Stelle auch NumR 10,3 aus, wo Amos als Sprecher dieses Verses angenommen wird: „Der Erbteil, den ich euch gegeben habe, ist groß und gut; keine Nation kann es übertreffen. Warum also folgt ihr nicht meinem Willen!?“ Diese Deutung war früher weit verbreitet; so z.B. auch Hieronymus, Theodor, Theodoret und Kyrill. (Zurück zu v.2)
hSchön Sellin 1929, S. 145: „Mit feinster Ironie läßt Amos sie gerade solche Reiche auswählen, an denen gemessen Israels und Judas Territorium vereint noch als eine Großmacht erschien, und mit denen sich zu vergleichen den Dünkel, ‚Erstling der Völker‘ zu sein, nähren konnte.“
Textkritik: ihr Gebiet als euer Gebiet (euer Gebiet als ihr Gebiet) - MT und alle alten Textzeugen wie in der Primärübersetzung. Sehr viele Kommentatoren (z.B. Hammershaimb, Wolff, Rudolph, Jeremias) halten dies für ein sog. Tiqqun Sopherim, also für einen Text, bei dem alte Schreiber aus theologischen oder ideologischen Gründen bewusst den Text geändert hätten: Ursprünglich habe „ist euer Gebiet größer als ihr Gebiet?“ gestanden und alte Schreiber hätten sich darüber ennuyiert, dass Israel und Juda hier kleingeredet würden. Dem folgt z.B. MEN: „Ist euer Gebiet größer als das ihrige?“, auch 80 (nicht mehr 16), H-R, NL, PAT, TEX, ZÜR 31 (nicht mehr ZÜR 07), leider neuerdings auch wieder BB: „Habt ihr ein größeres Gebiet als sie?“. In der neueren Textkritik ist man heute aber i.d.R. der Ansicht, dass es solche Tiqqune Sopherim gar nicht gibt (s. z.B. Tov 1992, S. 65-7.). Ohnehin werden Israel und Juda hier sicher nicht kleingeredet; zu keiner Zeit waren Israel und/oder Juda kleiner als Gat. Vorausgesetzt wird hier also eine Situation, in der Israel + Juda größer waren als diese drei Staaten, und in der Tat setzen ja Vv. 13-14 voraus, dass Zoba und Gilead zur in Rede stehenden Zeit zu Israel gehörte, wonach schon Israel allein größer war als selbst Hamath. (Zurück zu v.2)
iForttreibenden - Wegen der parallelen Zeile wahrscheinlich wirklich zu verstehen wie bei ibn Ezra und Kimchi: „Seine Prophezeiungen beziehen sich doch auf ferne Zukunft!“, d.h.: „In naher Zukunft droht uns gar nichts, wir haben noch massig an rosigen Zeiten vor uns – machen wir erst noch ein wenig Party!“ Alternativ: „Ihr, die ihr (schlechthin) die Augen davor verschließt, dass euch ein böses Geschick dräut!“.
Erwähnt sei noch die unwahrscheinliche, aber doch erwägenswerte und ganz zu Unrecht vergessene Idee von Michaelis 1790, S. 1600 und Dahl 1795, S. 192, das seltene Wort (nur noch Jes 66,5) sei hier zu verbinden mit arab. nada` „herbeirufen, beschwören“, also „die den Unglückstag herbeizurufen wagen“ (Dahl) / „Ihr, die ihr den Unglückstag herbeirufet“ (Michaelis); vgl. Am 5,18. (Zurück zu v.3)
jbleibende Gewalt (den Thron der Gewalt? Ein gewaltsames Ende? Eine Woche der Gewalt? Ein Jahr der Gewalt?) - schwieriger Ausdruck. W. „(das) Sitzen von Gewalt“. I.d.R. mit VUL übersetzt als „Thron der Gewalt“, aber zu jaschab („sitzen“) als „thronen“ s. zu Am 1,4. Hier wurde das Wort vermutlich gewählt, um dem dynamischen „Forttreiben“ und „Herbeiführen“ das statische „Sitzen“ gegenüberzustellen. Gut daher PAT: „Den Unglückstag wollt ihr ablehnen, aber dauerndes Verweilen des Unrechts führt ihr herbei.“
Die Alternativen sind jedenfalls kaum zufriedenstellend. Am besten noch Rudolph, Soggin und Fleischer 1989, S. 231, die nicht von jaschab, sondern von schabat („aufhören“) ableiten und „das Aufhören“ dann als „Ende“ nehmen. Das aber wäre ein sehr seltsamer Ausdruck; „gewaltsames Aufhören“ wäre ja geradezu ein Oxymoron. Stuart, Blum 1994, S. 25 und Maier/Dörrfuß 1999, S. 46 schließlich vokalisieren wie LXX und Syr ebenfalls als schabat; Ersterer nimmt es in der Bed. „Woche“, die anderen beiden wie auch R-S als „Gewalt-Sabbat“ (was auch immer das sein soll). Daneben sind auch hier wieder diverse Vorschläge zur Änderung des Konsonantentextes verbreitet; am sinnvollsten noch schenat („Jahr“) von Greßmann und Maag. (Zurück zu v.3)
kw. die auf Divanen aus Elfenbein liegend sind (=die ihr seid...); ähnlich im Folgenden. Wie oft im Amosbuch folgt hier eine lange Reihe an Partizipien, die zur Charakterisierung der Angesprochenen und so beinahe als Schimpfwörter verwendet werden. „Elfenbein-Divane“ sind Möbel, in die Elfenbein-Intarsien eingearbeitet wurden; solche wurden auch tatsächlich in Samaria ausgegraben (für einige Bspp. s. Elfenbein (WiBiLex)). (Zurück zu v.4)
lKälber aus dem Maststall sind das israelitische Pendant zum Wagyu-Rind: Der „Maststall“ ist w. der „Anbindeort“. Um besonders saftiges Kalbfleisch zu produzieren, wurden Kälber in Häusern angebunden, um so zu verhindern, dass sie sich mager liefen (vgl. Dalman, AuS VI 178f.). Dass die Kritisierten Lämmer aus der Herde essen, hat wohl den Hintergrund, dass Schlachtvieh aus der Herde in eigene Schlacht-Herden ausgesondert wurde (s. Ps 44,23; Sach 11,4). Die „Lämmer aus der Herde“ dagegen sind noch gar nicht zum Schlachten bestimmt und also besonders jung und zart. Ohnehin war im Alten Israel Fleisch eine Ausnahme-Speise. Doch nicht einmal mit gewöhnlichem Fleisch geben die Angesprochenen sich zufrieden.
NumR 10,3 erfindet hier die gar nicht unpassende Szene, dass man eine ganze Schafherde an sich vorbeiführen lasse, um sich das beste und saftigste Tier auszuwählen. (Zurück zu v.4)
mOb mit der „Öffnung der Leier“ und den „Instrumenten des Gesangs“ wirklich von Musikinstrumenten die Rede ist, wie stets angenommen wird, ist gar nicht ausgemacht. Wahrscheinlicher ist, dass hier durch weitere Wortspiele Trinkgefäße, über denen die betrunkenen Zecher grölen, nur metaphorisch als Instrumente bezeichnet werden:
Links: nebel-Gefäß. (c) Kelso 1948, S. 47. Rechts: nebel-Leier. (c) BODO 34770.
Was der peh („Mund“, hier „Öffnung) einer Leier in V. 5 sein soll, ist nicht klar. Die meisten übersetzen mit „zum Klang“, weil es vom Menschen gesagt oft auch als Synekdoche für „die Rede“ steht; dass aber auch der Klang von anderen klingenden Dingen ohne Mund metaphorisch als „Mund“ dieses Dings bezeichnet werden könnte, wäre singulär und ist nicht sehr wahrscheinlich. Garrett hält es daher etwas besser für den Saitenteil der Leier innerhalb des Korpus, aber auch hierfür wäre „Mund“ kein naheliegender Begriff. Am ehesten wird man es sich so erklären müssen: Die nebel („Leier“) heißt sicher so, weil sie in der Form dem gleichnamigen Tongefäß nebel (z.B. in Jes 22,24; Klg 4,2 und oft) sehr gleicht. Als peh bezeichnet man auch Öffnungen z.B. von Brunnen (Gen 29,2f.) oder eben von Gefäßen (Sach 5,8); der „peh der nebel-Leier“ wäre also dort, wo beim ähnlich geformten nebel-Gefäß die Öffnung wäre.
Wenn das aber die beste Erklärung sein soll, ist es umso auffälliger, dass auch der nächste Instrumentenbegriff primär ein Gefäß-Begriff ist: keli (hier: „Instrument“) ist ein sehr häufiges Wort und kommt wohl von kalah „erzeugen“, daher primär: „Zeug“ i.S.v. „Haushaltsware“, genauer i.S.v. „Trinkschale“ z.B. in 1 Kön 10,21 = 2 Chr 9,20. Instrumente bezeichnet das Wort nur in den Fügungen „Leier-Zeug“ (1 Chr 16,5; Ps 71,22; Sir 39,15), „Davids-Zeug“ oder wie hier in „Gesangs-Zeug“, wobei man zu diesen Fügungen aber hinzusagen muss, dass sie sehr wahrscheinlich keine „Sammelbegriffe“ für verschiedene Instrumente sind, sondern dass alle drei entweder nur Leier und Laute bezeichnen oder der erste die Leier und die anderen beiden die Sprechtrompete (s. dazu näher unter dem Abschnitt „Genauer“). Sicher nicht möglich ist daher eine Interpretation à la „Zum Mahl erklingt Musik; dazu reicht das traditionelle Saiteninstrument der Harfe [...] nicht mehr aus, sondern es werden [...] immer aufwendigere Instrumente (Zithern? Zimbeln? Pauken?) genutzt, um den lauten Gesang zu begleiten.“ (Jeremias 2013, S. 88).
In 5a wird also mindestens mit der nebel-Leier das nebel-Gefäß eingespielt, in 5b mindestens mit keli („Instrumente“) die primäre Bed. dieses Wortes (ebenfalls „Steingut, Gefäß“); das folgende schir („Gesang“) klingt dann auch noch ähnlich wie sir („Topf, Kessel“), und im folgenden Vers ist dann ja klar von Trinkschalen die Rede. Sehr sicher ist, dass der Verfasser dieser Verse hier mit der Mehrdeutigkeit von nebel und keli spielt. Vielleicht spielt er mit dieser Mehrdeutigkeit aber nicht so, dass man sich wirklich musizierende Säufer vorstellen muss, deren Trinkfreudigkeit noch zusätzlich durch mehrere Wortspiele unterstrichen wird, sondern so, dass man an grölende Zecher über ihren Weinfässern und -bechern denken muss, die ob diesen Grölens metaphorisch als „Instrumente“ dargestellt werden: „Sie singen über ihren Flaschen/Leiern; als seien sie König David, erfinden sie sich ‚Instrumente‘ (Krüge, Kessel): Sie trinken aus Wein-Schalen...“ etc.
Diese Deutung erklärt dann auch erst das merkwürdige „Musikinstrumente erfinden“ in V. 5; s. dort.
Wandmalerei aus Gizeh: Auf dem hinteren Boot ist ein junger Mann am Rufen, auf dem vorderen ist einer am Trompeten oder Sprechtrompeten. (c) LD III, Blatt 28.
Genauer: Gegen die Deutung von keli als Sammelbegriff für verschiedenste Instrumente sprechen klar 1 Chr 16,42 (Fanfaren und Zimbeln und keli schir“); 2 Chr 5,13 (Sänger, Fanfaren, Zimbeln und keli schir“); Neh 12,35f. (Sekarja, ein Priester mit Fanfare... und davor seine Brüder mit den keli Davids“; so richtig Buttenwieser 1926, S. 156f.). keli i.S.v. „Instrumente“ bezeichnet viel wahrscheinlicher (eine) bestimmte Art(en) von Instrument(en). Wegen 2 Chr 29,25f. (Er stellte die Leviten auf mit Zimbeln, Leiern und Lauten. ... Und die Leviten standen da mit den keli Davids und die Priester mit Fanfaren) könnte man zunächst meinen, es seien „Zimbel, Leier und Laute“, aber auch die Zimbeln stehen in 1 Chr 16,42 und 2 Chr 5,13 ja neben dem „Gesangs-Zeug“. Entweder hält man daher die keli nur für Leier und Laute, oder man kann sogar noch weiter gehen: Wegen ihres Namens wie auch wegen 2 Chr 7,6 könnte man vermuten, dass sie ursprünglich gar nicht Instrumente für Instrumentalmusik, sondern für Vokalmusik waren: „Die Leviten standen auf ihren Posten mit den keli schir, die König David gemacht hatte, um JHWH zu preisen mit (den Worten) ‚Seine Huld währt ewig!‘, wenn David mit ihnen pries.“ Vgl. dann auch 2 Chr 25,13: „Die Sänger (!) (waren da) mit keli schir und priesen.“ Deswegen und weil sie so häufig zusammen mit den Fanfaren stehen, ist es vielleicht nicht zu gewagt, sie für eine Trompetenart zu halten, die sich aus der Sprechtrompete entwickelt hat (grundsätzlich dürfte sich überall die Trompete aus der Sprechtrompete entwickelt haben, vgl. Sachs 1940, S. 51.). Dass es diese gab, macht zum einen der heb. Name für „Fanfare“ sehr wahrscheinlich (chazozrah, wohl abzuleiten von chazar „schreien, heulen“, vgl. Braun 1999, S. 38), zum anderen das Ägyptische, wo eine Trompete anders als andere Instrumente nicht „gespielt“, sondern „gesprochen“ wird (ḏd m šnb, vgl. Bowyer 2016, S. 36). Eine solche könnte gut auf der Wandmalerei rechts abgebildet sein; so jedenfalls z.B. Erman 1894, S. 483. Vgl. übrigens auch Aristoteles' / Strato von Lampsacus' De Audilibus 801a re, woraus man zumindest ersieht, dass auch zu dieser Zeit durch Trompeten noch gesprochen werden konnte: „Wenn ein Mann einen Krug (?) oder eine Pfeife oder eine Trompete nimmt und sie nahe an das Ohr eines anderen Mannes bringt, um hindurchzusprechen, klingen alle Laute so, als kämen sie von sehr nahe.“ Solche Sprechtrompeten könnten dann auch noch Bildspender sein von Jes 58,1; Jer 4,5; 1 Thess 4,16; Offb 1,10; 4,1. Aber sei dem, wie dem sei; jedenfalls ist wegen 1 Chr 16,42; 2 Chr 5,13; 29,25f. und Neh 12,35f. sehr wahrscheinlich, chabasch keli schir nicht buchstäblich „neue Arten von Musikinstrumenten erfinden“ bedeuten kann, was ohnehin eine extrem merkwürdige Beschäftigung bei Trinkgelagen wäre. (zu v.5)
nSinger (Plärrer? Improvisierer?) - Dass dieses nur hier verwendete und daher in der Bed. unsichere Wort „singen“ bedeuten kann, macht ein samaritanischer Text sehr wahrscheinlich („lasst uns Gott prt mit allen Liedern!“, dazu Montgomery 1906, S. 52). So auch schon Sym und VUL; so auch TAF. Zum Grund, warum gerade dieses seltene Wort verwendet wird, s. FN c. Einige Kommentatoren orientieren sich alternativ an der Verwendung des selben Wortes im Mittelhebräischen („abreißen“, von Trauben), das hier aber „abgerissen singen“ und daher „grölen, plärren“ bedeuten soll (z.B. Mays, Wolff, Rudolph, auch B-R, , H-R, HER05, NeÜ, NL R-S; schon Rabbi, Kimchi, ibn Ezra). Man sieht gleich, wie weit hergeholt das ist. Vom selben Wort erklärt sich TURs „Die zupfen auf der Harfe“; „abreißen“ soll hier „an den Saiten reißen“ bedeuten. LUTs „spielen“ und BBs „klimpern“ erklärt sich entweder ebenso oder ist nur geraten; so jedenfalls bereits Tg. Wieder andere leiten ab vom arabischen farit („improvisieren“, so z.B. Hammershaimb, Carroll, schon Abulwalid), daher z.B. SLT: „sie fantasieren auf der Harfe“; ähnlich MEN. Aber richtig Blau 2010, S. 34: „Auf das Arabische lässt sich dies nicht stützen, da die Grundbedeutung des arabischen frț ‚vorangehen‘ ist, was sich dann zu ‚etwas eilig tun‘ und erst dann zu ‚improvisieren‘ weiterentwickelt hat. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die selbe Bedeutungsentwicklung auch im Hebräischen stattgefunden hat, wo das Wort in seiner Grundbedeutung gar nicht vorkommt.“ (Zurück zu v.5)
oTextkritik: Instrumente des Gesangs (Worte des Gesangs? jeglich Lied?) - Das Verb chabasch wird fast stets als „erfinden“ genommen (wie z.B. 2 Chr 26,15). Weil die Vorstellung, die Kritisierten konstruierten bei ihren Gelagen Musikinstrumente, aber so fernliegend ist, wird i.d.R. der Text geändert. Die meisten ändern von keli schir („Instrumente des Gesangs“) entweder zu kol schir („jeglichen Gesang“; so z.B. BHS, Stuart; auch BB, 80, NeÜ, SLT 51, ZÜR 31) oder zu mille(j) schir („Worte des Gesangs“; so Lohmann 1912, S. 275; Sellin; auch HER05, LUT, NL, SLT); als „Musikinstrumente erfinden“ belassen es aber z.B. H-R, 17, MEN, PAT, SLT 00. ZÜR 07 („die sich für David halten an den Instrumenten“) konstruiert das Verb anders: chaschab heißt tatsächlich nicht nur „erfinden“, sondern auch „jmdn für jmdn / etw für etw halten“ (ohne Präp. auch in 4Q417 i 1,7, anders als hier mit Präp. l- z.B. in Gen 38,15; 1 Sam 1,13; Ijob 19,15 u.ö.). Mindestens müsste dann aber das k- („wie“) in kdwjd („wie David“) gestrichen werden, außerdem müsste das Verb im Hithpael stehen wie in Num 23,9, nicht wie hier im Qal. Wie TEX zu „sie bilden sich ein, wie David zu spielen“ kommt, verstehe ich nicht.
S. aber zur Zeile FN c und die folgende FN; wahrscheinlich ist der Text in Ordnung. (Zurück zu v.5)
p
Bronze-Trinkschale aus Kfar Vradim, 9. Jhd. Inschrift: „Trinkschale (?) von Pesah ben Schema“. (c) IMJ 375137.
Bronzener Tempel-Mizraq aus Tell Dan, 8. Jhd. (c) https://www.teldanexcavations.com/the-site-of-tel-dan
Zur Tell Dan-Schale als Mizraq vgl. v.a. Greer 2010.
Trinkschalen / Sprengschalen - Heb. mizraq; hier schwieriges Wort, obwohl es ziemlich häufig vorkommt. mizraq kommt sicher von zaraq („spritzen, sprengen, sprenkeln“) und bezeichnet sonst stets kultische Gefäße, mit denen Blut an den Altar gesprengt wird. Viele haben deshalb angenommen, dass dies hier kritisiert wird: Wie Nebukadnezzar in Dan 5,2-4 missbrauchen die Reichen kultische Gefäße, um damit Wein zu trinken. Hier steht das Wort aber in einer Genitiv-Verbindung mit „Wein“ (mizraqim des Weins“), es sind also wahrscheinlich genuine Weinschalen und damit keine missbrauchten Kultgefäße, denn Wein wird nicht gesprengt, sondern, wenn er geopfert wird, ausgegossen. Warum werden sie dann aber als mizraq bezeichnet? – Vielleicht ist dies so zu erklären: Ein kos („Trinkschale“) konnte zwar auch aus Metall sein, war aber für gewöhnlich aus Ton. Sprengschalen im Tempelkult dagegen waren immer aus Edelmetallen. Es könnte sein, dass Schalen als Edelmetall-Schalen zunächst als Kult-Gefäße Eingang in die israelitische Kultur fanden, und dass dann, als Edelmetall-Schalen auch im Privatgebrauch verwendet wurden, der Begriff mizraq „Sprengschale“ dennoch an diesem Gefäßtyp „hängen blieb“. Alternativ müsste man davon ausgehen, dass in mzrqj jjn (mizraqim des Weins“) das -j in mzrqj aus jjn dittographiert wurde oder dass -e(j) hier eine archaische St. abs.-Endung ist (dazu vgl. Rin 1961; so hier schon Kimchi, auch die Akzente wollen den Text so gelesen wissen) und ursprünglich gesagt wurde: „Sie trinken Wein aus (einer) Sprengschale(n)!“ Für Ersteres gibt es in der Textgeschichte keine Indizien, Letzteres ist in der Hebraistik nicht mehrheitsfähig.
Mit dem Übergang von der Bronze- zur Eisenzeit etwa um 1000 v. Chr. wurde Bronze immer seltener nachgefragt und entwickelte sich in der Folge zum Luxusgut (vgl. Tubb 1988, S. 252-254; Weigl 1995, S. 385f.). Dies ging einher damit, dass sich im 9.-8. Jhd. in Israel nach und nach eine Oberschicht in den Städten neben einer immer weiter verarmenden Unterschicht auf dem Land herausbildete, die zum Erwerb solcher Luxusgüter überhaupt erst fähig war (zu diesem Prozess vgl. z.B. Fleischer 1989, S. 346-390). Ab dieser Zeit, bes. im 9.-7. Jhd., tauchen daher immer häufiger auch aufwendig hergestellte und verzierte Trinkschalen aus Bronze auch in reichen Privathaushalten auf (vgl. z.B. Howes Smith 1986, S. 13), die z.B. auch als besonders kostbare Grabbeigaben verwendet wurden (für ein Bsp. s. rechts). Im Zuge dessen entwickelte sich die Edelmetall-Schale zu einem der Luxusgüter schlechthin, weshalb sie z.B. wie die Schale rechts eigens beschriftet wurden („Seht her, ich besitze eine Edelmetall-Schale!“; zur Edelmetall-Trinkschale als Luxusgegenstand vgl. bes. gut Feldman 2014, S. 111-137). Tg hat das richtig erfasst und daher ergänzt: „Sie trinken Wein aus Silber-Schalen!“ (für „Schalen“ hat Tg außerdem pjjlj, die aram. Entsprechung des gr. phiale [der gr. Name des oben abgebildeten Gefäßtyps]. Klar ist also, dass zumindest Tg explizit nicht an Kultgefäße gedacht hat). Die relativ breite Verwendung von kostbaren Trinkschalen bei Gelagen von israelitischen Angehörigen der Oberschicht war zur Abfassungszeit des Amosbuches also ein neueres Phänomen. Wenn es wahr ist, dass die Instrumente in V. 4 Metaphern für deren Weingefäße sind, könnte dies die Rede vom „Erfinden“ von Instrumenten erklären: Gemeint wäre damit eben dies, dass der Usus um sich griff, dass Angehörige der Oberschicht ihren Reichtum durch Prestigekonsum von metallenen Trinkschalen zur Schau stellten. (Zurück zu v.6)
qtFN: Waw-X-Qatal wie selten, aber wie häufig im Amosbuch als Fortsetzung einer Partizipienreihe. S. den Kommentar zu Am 2,7. (Zurück zu v.6)