Amos 8: Unterschied zwischen den Versionen

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{{S|1}}<ref>Zum Stil von Am 8,1-3 s. zu [[Amos 7#s1 |Am 7,1]].</ref> Dies zeigte mir (ließ mich sehen) der Herr JHWH:<ref>''Dies zeigte mir der Herr JHWH'' - Eine Abwandlung der Botenformel „dies sprach der Herr JHWH“ aus Am 1-3; s. dort. Anders als dort teilt sich JHWH dem Amos ab Am 7 also nicht mehr nur durch Worte, sondern durch Visionen mit, obwohl sich in Am 8-9 anders als in Am 7  an die Vision doch wieder eine Gottesrede anschließen wird.</ref>
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{{S|1}}<ref>Zum Stil von Am 8,1-3 s. zu [[Amos 7#s1 |Am 7,1]].</ref> Dies zeigte mir (ließ mich sehen) JHWH (der Herr JHWH)<ref>'''Textkritik''': ''JHWH (der Herr JHWH)'' - VUL, Tg und Syr wie MT: „der Herr JHWH“. LXX dagegen nur „JHWH“. Die Gottesbezeichnungen im Amosbuch sind ohnehin eine komplexe Problematik; bisher haben wir Varianten zu Gottesbezeichnungen überhaupt nicht verzeichnet, weil es in MT-Handschriften und LXX ungemein viele Varianten zu den Lesarten des Codex Leningradensis gibt (die auch jeweils sehr wenig Bedeutungsunterschied machen). In Am 7,1.4 z.B. setzt LXX nur „JHWH“ statt „der Herr JHWH“ voraus, in Am 7,7 „JHWH“ statt Ø. Auch hier nun hat LXX wie in Am 7,1.4 nur „JHWH“ statt „der Herr JHWH“ und ist damit kein sehr starker Textzeuge (LXX hätte alle vier Verse mit der selben Gottesbezeichnung aneinander angeglichen; welche Gottesbezeichnung ursprünglich wo stand, ließe sich aus LXX also nicht ableiten). Speziell zu diesem Vers ist nun aber kürzlich mit DSS F.Amos1 der mit Abstand älteste heb. Textzeuge dieses Verses identifiziert worden, und dieser hat wie LXX die kürzere Lesart (vgl. Tov 2014, S. 6f. [S. 4f. in Vorläuferdokument]). Das könnte hier sehr gut der ursprüngliche Text sein, da die längere Lesart sich auch leicht als Angleichung an [[Amos 7#s1 |Am 7,1.4]] erklären lässt und da irgenwo die kürzere Lesart ja auch ursprünglich gestanden haben wird, die LXX dazu bewegte, die anderen Stellen daran anzugleichen.</ref>:<ref>''Dies zeigte mir der JHWH (der Herr JHWH)'' - Eine Abwandlung der Botenformel „dies sprach der Herr JHWH“ aus Am 1-3; s. dort. Anders als dort teilt sich JHWH dem Amos ab Am 7 also nicht mehr nur durch Worte, sondern durch Visionen mit, obwohl sich in Am 8-9 anders als in Am 7  an die Vision doch wieder eine Gottesrede anschließen wird.</ref>
_Siehe: Ein Korb mit Sommerfrüchten.<ref name="Ende">''Sommerfrüchte'' (Vv. 1f.) + ''Ende'' (V. 2) - Anders als [[Amos 7#s7 |Am 7,7f.]] verdichten Am 8,1-2 ''offensichtlich'' eine „Wortspiel-Vision“: ''qajiș'' („Sommerfrucht“) klingt vielleicht identisch, mindestens aber sehr ähnlich wie ''qeș'' („Ende“), daher können Sommerfrüchte in der Vision ein „Ende“ in der Realität bedeuten.<br />
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_Siehe: Ein Korb<ref>'''tFN''': ''Korb'' - Heb. ''kelub'', seltenes Wort in der Bibel. Sonst nur noch in [[Jeremia 5#s27 |Jer 5,27]] und [[Jesus Sirach 11#s28 |Sir 11,28]], beide Male in der Bed. „(Vogel-)Käfig“. Vgl. ähnlich ''kilubi'' („Vogelnetz“) in den Amarna-Briefen. An dieses Wort denkt hier offensichtlich auch LXX, die mit „Gerät des Vogelfängers“ übersetzt; auch VUL und Syr kannten das Wort offenbar nicht in der Bed. „Korb“ (VUL: „Obst-Haken“, Syr: „Zeichen für das Ende“). Die anderen alten Vrs. aber schon und die Bed. „Korb“ lässt sich auch etymologisch gut herleiten (vgl. v.a. Baumgartner 1951);  an der Bed. hier gibt es also wenig Zweifel.</ref> mit Sommerfrüchten.<ref name="Ende">''Sommerfrüchte'' (Vv. 1f.) + ''Ende'' (V. 2) - Anders als [[Amos 7#s7 |Am 7,7f.]] verdichten Am 8,1-2 ''offensichtlich'' eine „Wortspiel-Vision“: ''qajiș'' („Sommerfrucht“) klingt vielleicht identisch, mindestens aber sehr ähnlich wie ''qeș'' („Ende“), daher können Sommerfrüchte in der Vision ein „Ende“ in der Realität bedeuten. S. näher bei „Genauer“.<br />''Sommerfrüchte'' sind v.a Feigen und Weintrauben (s. [[Genesis 6#s13 |Gen 6,13]]; [[Ezechiel 7#s2 |Ez 7,2.6]]; t.Ned iv 1f.), die im August/September geerntet wurden. Dieser Monat, der im Gezerkalender der „Monat der Sommerfrucht“ geannt wird (s. zu [[Amos 7#s1 |Am 7,1]]), war im Alten Israel der letzte Monat des Jahres; das Ende Israels fällt also mit dem Jahresende zusammen. Und eben mit der Ernte, was gut mit dem komplexen Wortspiel in [[Amos 6#s1 |Am 6,1.5.7]] zusammenstimmt, s. dort.<br />Heute erklärt man die Verse überwiegend als ''reine'' Wortspiel-Vision; die Symbolik des Erntekorbes selbst wäre also relativ unwichtig. Früher war es umgekehrt und man hat v.a. versucht, den Korb ''symbolisch'' zu deuten. Bes. sinnvolle Ansätze: (1) Sommerobst und Ernte stehen für das Jahresende und damit symbolisch für das Ende Israels (z.B. Pussey, Driver, Harper). Das ist die beste Interpretation, da das Wort für „Sommerobst“ häufiger die Jahreszeit selbst bezeichnet: den „Sommer“. Vgl. außerdem [[Matthäus 13#s39 |Mt 13,39]]! (2) Sehr ähnlich, aber etwas simpler: Reifes Obst und Ernte stehen für das Ende, für das Israel nun reif ist (so z.B. Moldenhawer, Keil, Nowack); (3) das Abschneiden / Abrupfen steht für die Bestrafung Israels (z.B. Baur).<br />'''Genauer''': Häufig ist man der Meinung, im Dialekt des Nordreichs sei ''qeș'' sogar identisch wie ''qajiș'' ausgesprochen worden, da es im Gezer-Kalender nicht ''qjș'', sd. ''qș'' geschrieben wird, wie ähnlich in den Samaria-Ostraka ''jajin'' („Wein“) nicht ''jjn'', sondern ''jn'' geschrieben wird und also wohl ''jen'' gesprochen wurde (vgl. z.B. Wolters 1988 oder wieder [https://www.thetorah.com/article/amos-puns-in-the-northern-israelite-dialect Notarius 2016]). Es ist also möglich, dass „Wein“ und „Sommerfrüchte“ im Nordreich zur Abfassungszeit des Amosbuches beide ''qeș'' ausgesprochen wurden. Bei dem Wort für „Sommerfrucht“ ist das ziemlich sicher, bei dem für „''Ende''“ allerdings nicht: Es ist gut möglich, dass auch dieses Wort damals und dort noch anders ausgesprochen wurde, nämlich nicht ''qeș'', sondern ''qiș'' oder ''qișș''. Sicherheit lässt sich darüber heute leider nicht mehr erlangen.<br />Exakte Homophonie ist für eine Wortspielvision aber gar nicht notwendig. Die einzige andere eindeutige biblische Wortspielvision ist die Doppelvision in [[Jeremia 1#s11 |Jer 1,11-14]], wo der geschaute ''maqqel šaqed'' („Mandelstab“) bedeutet, dass Gott über sein Wort ''šoqed'' („wachen“) wird und der ''napuḥ'' („siedende“) Kessel bedeutet, dass Unglück ''tippataḥ'' („losbrechen“) wird. Wie man beim zweiten Beispiel sieht, können die aufeinander bezogenen Wörter in einer Wortspielvision lautlich auch recht weit entfernt voneinander sein.<br />Vergleichbare Beispiele kennt man aus der Traumdeutung der Antike. Für diese gilt das Selbe. Viele ägyptische Beispiele haben [http://faculty.washington.edu/snoegel/PDFs/articles/Noegel%2052%20SAK%202007.pdf Noegel / Szpakowska 2007] zusammengetragen. Zu mesopotamischen Parallelen vgl. z.B. Oppenheim 1956, etwa das Bsp. auf S. 241: „Wenn ein Mann in seinem Traum einen Raben (''arbu'') isst, wird er Einkommen (''irbu'') haben.“ Für Griechenland finden sich viele entsprechende Bspp. in der Schrift ''Oneirokritika'' von Artemidor von Daldis aus dem 2. Jhd. n. Chr., besagte „Sprachphilosophie des Traums“ war in Griechenland aber schon lange zuvor so verbreitet, dass z.B. Aristophanes sie schon im 5. Jhd. v. Chr. in „Die Wespen“ veralbern konnte: „'''''Sosias''': ‚[In meinem Traum] nahm sich dieser schmutzige Wal eine Waage und wog Rindfleisch (''demos'') ab.‘ '''Xanthias''': ‚Oh weh! Er will das Volk (''demos'') zerteilen!‘ '''Sosias''': ‚Außerdem schien mir, dass Theorus neben ihm säße, aber er hatte den Kopf eines Raben (''korax''). Dann flüsterte Akibiades mir ins Ohr: ‚Schau, da ist Theolus mit dem Kopf eines Parasiten (''kolax'')!‘.‘ '''Sosias''': ‚Da hat Alkibiades sich korrekt verlispelt[, das ist die Bedeutung des Traums].‘''“ (40-46; das erste Wortpaar wird zumindest identisch geschrieben, das zweite nicht).<br />Wird also aus dieser Wortspielvision abgeleitet, dass auch Am 7,7f. eine Wortspielvision sein wird, muss weder für diese noch für jene Stelle daraus folgen, dass die betreffenden Worte Homophone waren.</ref>
'''Genauer''': Häufig ist man der Meinung, im Dialekt des Nordreichs sei ''qeș'' sogar identisch wie ''qajiș'' ausgesprochen worden, da es im Gezer-Kalender nicht ''qjș'', sd. ''qș'' geschrieben wird, wie ähnlich in den Samaria-Ostraka ''jajin'' („Wein“) nicht ''jjn'', sondern ''jn'' geschrieben wird und also wohl ''jen'' gesprochen wurde (vgl. z.B. Wolters 1988 oder wieder [https://www.thetorah.com/article/amos-puns-in-the-northern-israelite-dialect Notarius 2016]). Es ist also möglich, dass „Wein“ und „Sommerfrüchte“ im Nordreich zur Abfassungszeit des Amosbuches beide ''qeș'' ausgesprochen wurden. Bei dem Wort für „Wein“ ist das ziemlich sicher, bei dem für „''Ende''“ allerdings nicht: Es ist gut möglich, dass auch dieses Wort damals und dort noch anders ausgesprochen wurde, nämlich nicht ''qeș'', sondern ''qiș'' oder ''qișș''. Sicherheit lässt sich darüber heute leider nicht mehr erlangen.<br />Exakte Homophonie ist für eine Wortspielvision aber gar nicht notwendig. Die einzige andere eindeutige biblische Wortspielvision ist die Doppelvision in [[Jeremia 1#s11 |Jer 1,11-14]], wo der geschaute ''maqqel šaqed'' („Mandelstab“) bedeutet, dass Gott über sein Wort ''šoqed'' („wachen“) wird und der ''napuḥ'' („siedende“) Kessel bedeutet, dass Unglück ''tippataḥ'' („losbrechen“) wird. Wie man beim zweiten Beispiel sieht, können die aufeinander bezogenen Wörter in einer Wortspielvision lautlich auch recht weit entfernt voneinander sein.<br />Vergleichbare Beispiele kennt man aus der Traumdeutung der Antike. Für diese gilt das Selbe. Viele ägyptische Beispiele haben [http://faculty.washington.edu/snoegel/PDFs/articles/Noegel%2052%20SAK%202007.pdf Noegel / Szpakowska 2007] zusammengetragen. Zu mesopotamischen Parallelen vgl. z.B. Oppenheim 1956, etwa das Bsp. auf S. 241: „Wenn ein Mann in seinem Traum einen Raben (''arbu'') isst, wird er Einkommen (''irbu'') haben.“ Für Griechenland finden sich viele entsprechende Bspp. in der Schrift ''Oneirokritika'' von Artemidor von Daldis aus dem 2. Jhd. n. Chr., besagte „Sprachphilosophie des Traums“ war in Griechenland aber schon lange zuvor so verbreitet, dass z.B. Aristophanes sie schon im 5. Jhd. v. Chr. in „Die Wespen“ veralbern konnte: „'''''Sosias''': ‚[In meinem Traum] nahm sich dieser schmutzige Wal eine Waage und wog Rindfleisch (''demos'') ab.‘ '''Xanthias''': ‚Oh weh! Er will das Volk (''demos'') zerteilen!‘ '''Sosias''': ‚Außerdem schien mir, dass Theorus neben ihm säße, aber er hatte den Kopf eines Raben (''korax''). Dann flüsterte Akibiades mir ins Ohr: ‚Schau, da ist Theolus mit dem Kopf eines Parasiten (''kolax'')!‘.‘ '''Sosias''': ‚Da hat Alkibiades sich korrekt verlispelt[, das ist die Bedeutung des Traums].‘''“ (40-46; das erste Wortpaar wird zumindest identisch geschrieben, das zweite nicht).<br />Wird also aus dieser Wortspielvision abgeleitet, dass auch Am 7,7f. eine Wortspielvision sein wird, muss weder für diese noch für jene Stelle daraus folgen, dass die betreffenden Worte Homophone waren.</ref>
 
 
{{S|2}} Da sprach er: „Was siehst du, Amos?“  
 
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{{S|6}} um mit Silber die Schwachen zu kaufen und den Armen mit dem Ertrag eines Paar Schuhe und die Spreu des Korns verkaufen.“
 
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{{S|7}} JHWH schwört beim Stolz Jakobs: „Wenn ich je alle ihre Taten vergesse..!
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{{S|7}} JHWH schwört beim Stolz Jakobs: „Wenn ich je alle ihre Taten vergesse...!
 
{{S|8}} Erbebt über diesen nicht die Erde und jammern alle, die auf ihr wohnen und völlig hinaufgehen wie der Fluss und aufwallen und sinken wie der Strom Ägyptens?
 
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{{S|9}} Und es geschieht an jenem Tag, Ausspruch des Herrn JHWH, und ich werde die Sonne am Mittag untergehen lassen und verfinstern die Erde am hellen Tag.
 
{{S|9}} Und es geschieht an jenem Tag, Ausspruch des Herrn JHWH, und ich werde die Sonne am Mittag untergehen lassen und verfinstern die Erde am hellen Tag.

Version vom 22. September 2021, 12:26 Uhr

Syntax ungeprüft

SF ungeprüft.png
Status: Studienfassung zu prüfen – Eine erste Übersetzung aus dem Urtext ist komplett, aber noch nicht mit den Übersetzungskriterien abgeglichen und nach den Standards der Qualitätssicherung abgesichert worden und sollte weiter verbessert und geprüft werden. Auf der Diskussionsseite ist Platz für Verbesserungsvorschläge, konstruktive Anmerkungen und zum Dokumentieren der Arbeit am Urtext.
Folgt-später.png
Status: Lesefassung folgt später – Bevor eine Lesefassung erstellt werden kann, muss noch an der Studienfassung gearbeitet werden. Siehe Übersetzungskriterien und Qualitätssicherung Wir bitten um Geduld.

Lesefassung (Amos 8)

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

Anmerkungen

Studienfassung (Amos 8)

1a Dies zeigte mir (ließ mich sehen) JHWH (der Herr JHWH)b:c
Siehe: Ein Korbd mit Sommerfrüchten.e
2 Da sprach er: „Was siehst du, Amos?“
Und ich sprach: „Einen Korb mit Sommerfrüchten.“e
Und JHWH sprach zu mir:
„Das Endee ist gekommen für mein Volk Israel;
Ich kann nicht (werde nicht, möchte nicht) weiterhin fortfahren, an ihm vorüberzuziehen:f
3 Und die Lieder des Tempels werden zu Wehklagen an jenem Tag,“ Ausspruch des Herrn JHWH. „An allen Orten werfen sie schweigend viele Leichen.“g
4 Hört dieses, die ihr den Armen zermalmt, und des Armen Land ein Ende machth;
5 um zu sagen: „Wann ist der Neumond vorübergegangen, dass wir das Getreide verkaufen, und der Sabbati, dass wir das Korn öffnen um das Efaj zu verkleinern und um den Schekel zu vergrößern und eine falsche Waagek zu beugen;
6 um mit Silber die Schwachen zu kaufen und den Armen mit dem Ertrag eines Paar Schuhe und die Spreu des Korns verkaufen.“
7 JHWH schwört beim Stolz Jakobs: „Wenn ich je alle ihre Taten vergesse...!
8 Erbebt über diesen nicht die Erde und jammern alle, die auf ihr wohnen und völlig hinaufgehen wie der Fluss und aufwallen und sinken wie der Strom Ägyptens?
9 Und es geschieht an jenem Tag, Ausspruch des Herrn JHWH, und ich werde die Sonne am Mittag untergehen lassen und verfinstern die Erde am hellen Tag.
10 Und ich werde umkehren eure Feste in Trauer und alle eure Lieder in Wehklagen; und ich werde auf alle Hüften einen Sack bringen und auf alle Köpfe eine Glatze; und ich werde es machen wie die Trauer um den einzigen Sohn und ihr Ende wie einen bitteren Tag.
11 Siehe, Tage kommen“, Ausspruch des Herrn JHWH, „dass ich Hunger über das Land schicken werde, nicht Hunger nach Brot und nicht Durst nach Wasser, sondern um zu hören das Wort JHWHs.
12 Und sie wanken von Meer zu Meer und vom Norden und bis zum Osten; sie werden umherschweifen um das Wort JHWHs zu suchen und werden es nicht finden.
13 An jenem Tag werde die schönen Jungfrauen und die jungen Männer vor Durst ohnmächtig dahinsinken.
14 Die bei der Schuld Samarias schwören und sprechen: 'So wahr dein Gott lebt, Dan! Und so wahr der Weg nach Beerscheba lebt!' Und sie werden fallen und nicht wieder aufstehen.“

Anmerkungen

aZum Stil von Am 8,1-3 s. zu Am 7,1. (Zurück zu v.1)
bTextkritik: JHWH (der Herr JHWH) - VUL, Tg und Syr wie MT: „der Herr JHWH“. LXX dagegen nur „JHWH“. Die Gottesbezeichnungen im Amosbuch sind ohnehin eine komplexe Problematik; bisher haben wir Varianten zu Gottesbezeichnungen überhaupt nicht verzeichnet, weil es in MT-Handschriften und LXX ungemein viele Varianten zu den Lesarten des Codex Leningradensis gibt (die auch jeweils sehr wenig Bedeutungsunterschied machen). In Am 7,1.4 z.B. setzt LXX nur „JHWH“ statt „der Herr JHWH“ voraus, in Am 7,7 „JHWH“ statt Ø. Auch hier nun hat LXX wie in Am 7,1.4 nur „JHWH“ statt „der Herr JHWH“ und ist damit kein sehr starker Textzeuge (LXX hätte alle vier Verse mit der selben Gottesbezeichnung aneinander angeglichen; welche Gottesbezeichnung ursprünglich wo stand, ließe sich aus LXX also nicht ableiten). Speziell zu diesem Vers ist nun aber kürzlich mit DSS F.Amos1 der mit Abstand älteste heb. Textzeuge dieses Verses identifiziert worden, und dieser hat wie LXX die kürzere Lesart (vgl. Tov 2014, S. 6f. [S. 4f. in Vorläuferdokument]). Das könnte hier sehr gut der ursprüngliche Text sein, da die längere Lesart sich auch leicht als Angleichung an Am 7,1.4 erklären lässt und da irgenwo die kürzere Lesart ja auch ursprünglich gestanden haben wird, die LXX dazu bewegte, die anderen Stellen daran anzugleichen. (Zurück zu v.1)
cDies zeigte mir der JHWH (der Herr JHWH) - Eine Abwandlung der Botenformel „dies sprach der Herr JHWH“ aus Am 1-3; s. dort. Anders als dort teilt sich JHWH dem Amos ab Am 7 also nicht mehr nur durch Worte, sondern durch Visionen mit, obwohl sich in Am 8-9 anders als in Am 7 an die Vision doch wieder eine Gottesrede anschließen wird. (Zurück zu v.1)
dtFN: Korb - Heb. kelub, seltenes Wort in der Bibel. Sonst nur noch in Jer 5,27 und Sir 11,28, beide Male in der Bed. „(Vogel-)Käfig“. Vgl. ähnlich kilubi („Vogelnetz“) in den Amarna-Briefen. An dieses Wort denkt hier offensichtlich auch LXX, die mit „Gerät des Vogelfängers“ übersetzt; auch VUL und Syr kannten das Wort offenbar nicht in der Bed. „Korb“ (VUL: „Obst-Haken“, Syr: „Zeichen für das Ende“). Die anderen alten Vrs. aber schon und die Bed. „Korb“ lässt sich auch etymologisch gut herleiten (vgl. v.a. Baumgartner 1951); an der Bed. hier gibt es also wenig Zweifel. (Zurück zu v.1)
eSommerfrüchte (Vv. 1f.) + Ende (V. 2) - Anders als Am 7,7f. verdichten Am 8,1-2 offensichtlich eine „Wortspiel-Vision“: qajiș („Sommerfrucht“) klingt vielleicht identisch, mindestens aber sehr ähnlich wie qeș („Ende“), daher können Sommerfrüchte in der Vision ein „Ende“ in der Realität bedeuten. S. näher bei „Genauer“.
Sommerfrüchte sind v.a Feigen und Weintrauben (s. Gen 6,13; Ez 7,2.6; t.Ned iv 1f.), die im August/September geerntet wurden. Dieser Monat, der im Gezerkalender der „Monat der Sommerfrucht“ geannt wird (s. zu Am 7,1), war im Alten Israel der letzte Monat des Jahres; das Ende Israels fällt also mit dem Jahresende zusammen. Und eben mit der Ernte, was gut mit dem komplexen Wortspiel in Am 6,1.5.7 zusammenstimmt, s. dort.
Heute erklärt man die Verse überwiegend als reine Wortspiel-Vision; die Symbolik des Erntekorbes selbst wäre also relativ unwichtig. Früher war es umgekehrt und man hat v.a. versucht, den Korb symbolisch zu deuten. Bes. sinnvolle Ansätze: (1) Sommerobst und Ernte stehen für das Jahresende und damit symbolisch für das Ende Israels (z.B. Pussey, Driver, Harper). Das ist die beste Interpretation, da das Wort für „Sommerobst“ häufiger die Jahreszeit selbst bezeichnet: den „Sommer“. Vgl. außerdem Mt 13,39! (2) Sehr ähnlich, aber etwas simpler: Reifes Obst und Ernte stehen für das Ende, für das Israel nun reif ist (so z.B. Moldenhawer, Keil, Nowack); (3) das Abschneiden / Abrupfen steht für die Bestrafung Israels (z.B. Baur).
Genauer: Häufig ist man der Meinung, im Dialekt des Nordreichs sei qeș sogar identisch wie qajiș ausgesprochen worden, da es im Gezer-Kalender nicht qjș, sd. geschrieben wird, wie ähnlich in den Samaria-Ostraka jajin („Wein“) nicht jjn, sondern jn geschrieben wird und also wohl jen gesprochen wurde (vgl. z.B. Wolters 1988 oder wieder Notarius 2016). Es ist also möglich, dass „Wein“ und „Sommerfrüchte“ im Nordreich zur Abfassungszeit des Amosbuches beide qeș ausgesprochen wurden. Bei dem Wort für „Sommerfrucht“ ist das ziemlich sicher, bei dem für „Ende“ allerdings nicht: Es ist gut möglich, dass auch dieses Wort damals und dort noch anders ausgesprochen wurde, nämlich nicht qeș, sondern qiș oder qișș. Sicherheit lässt sich darüber heute leider nicht mehr erlangen.
Exakte Homophonie ist für eine Wortspielvision aber gar nicht notwendig. Die einzige andere eindeutige biblische Wortspielvision ist die Doppelvision in Jer 1,11-14, wo der geschaute maqqel šaqed („Mandelstab“) bedeutet, dass Gott über sein Wort šoqed („wachen“) wird und der napuḥ („siedende“) Kessel bedeutet, dass Unglück tippataḥ („losbrechen“) wird. Wie man beim zweiten Beispiel sieht, können die aufeinander bezogenen Wörter in einer Wortspielvision lautlich auch recht weit entfernt voneinander sein.
Vergleichbare Beispiele kennt man aus der Traumdeutung der Antike. Für diese gilt das Selbe. Viele ägyptische Beispiele haben Noegel / Szpakowska 2007 zusammengetragen. Zu mesopotamischen Parallelen vgl. z.B. Oppenheim 1956, etwa das Bsp. auf S. 241: „Wenn ein Mann in seinem Traum einen Raben (arbu) isst, wird er Einkommen (irbu) haben.“ Für Griechenland finden sich viele entsprechende Bspp. in der Schrift Oneirokritika von Artemidor von Daldis aus dem 2. Jhd. n. Chr., besagte „Sprachphilosophie des Traums“ war in Griechenland aber schon lange zuvor so verbreitet, dass z.B. Aristophanes sie schon im 5. Jhd. v. Chr. in „Die Wespen“ veralbern konnte: „Sosias: ‚[In meinem Traum] nahm sich dieser schmutzige Wal eine Waage und wog Rindfleisch (demos) ab.‘ Xanthias: ‚Oh weh! Er will das Volk (demos) zerteilen!‘ Sosias: ‚Außerdem schien mir, dass Theorus neben ihm säße, aber er hatte den Kopf eines Raben (korax). Dann flüsterte Akibiades mir ins Ohr: ‚Schau, da ist Theolus mit dem Kopf eines Parasiten (kolax)!‘.‘ Sosias: ‚Da hat Alkibiades sich korrekt verlispelt[, das ist die Bedeutung des Traums].‘(40-46; das erste Wortpaar wird zumindest identisch geschrieben, das zweite nicht).
Wird also aus dieser Wortspielvision abgeleitet, dass auch Am 7,7f. eine Wortspielvision sein wird, muss weder für diese noch für jene Stelle daraus folgen, dass die betreffenden Worte Homophone waren. (Zurück zu v.1 / zu v.2)
fKlangspiel: lo `osip ´od ´ober lo; mit der starken o-Assonanz erinnert die Zeile sehr an die in Am 5,20, in der mit o-Assonanz der Klageruf ho ho nachgebildet wurde. S. näher die Anmerkungen zu Amos 7. (Zurück zu v.2)
gVers 3b ist schwer textnah zu übersetzen. Wörtlich steht dort: „Viele Leichen - an allen Orten - sie werfen schweigend.“ (Zurück zu v.3)
hEs kann auch heißen: „…den Unterdrückten im Land ein Ende macht.“ (Zurück zu v.4)
iSo von einer vorexilischen Entstehung ausgegangen wird, meint Sabbat in diesem Zusammenhang nicht den wöchentlichen Ruhetag, sondern ist eine andere Bezeichnung für Vollmond. (Zurück zu v.5)
jD.h.: Getreidemaß. (Zurück zu v.5)
kwörtlich: „der Waage Trug“. (Zurück zu v.5)