Genesis 31: Unterschied zwischen den Versionen

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{{S|14}} Da (antwortete[n]=) erwiderten<ref>''(antworten=) erwidern'' - W. „antworten“, hier aber wie häufig in der Bibel (s. z.B. Kleist 1936, S. 163) nicht als Antwort auf eine Frage, die Jakob ja gar nicht gestellt hat, sondern zur Bezeichnung z.B. der ''Reaktion'' auf eine vorangegangene Rede wie eben hier die des Jakob. Besser übersetzt man daher wie HfA: „Rahel und Lea erwiderten“.<br />Das Wort mit zwei Subjekten („Rahel ''und'' Lea“) steht hier wie noch häufiger im Sg., um hervorzuheben, dass beide gemeinsam das Gleiche tun.</ref> ihm Rahel und Lea {und sagten}: „Haben wir etwa noch Anteil und Erbe in unserem Vaterhaus?<ref>''Haben wir etwa noch Anteil und Erbe in unserem Vaterhaus'' ist nicht wörtlich zu verstehen; allein schon, weil verheiratete Töchter zur Abfassungszeit ohnehin nicht erbberechtigt waren, wenn es gleichzeitig Söhne in diesem Vaterhaus gab. Wie [[2 Samuel 20#s1 |2 Sam 20,1]] und [[1 Könige 12#s16 |1 Kön 12,16]] = [[2 Chroniken 10#s16 |2 Chr 10,16]] deutlich zeigen, ist die Frage stattdessen eine geprägte Wendung mit der Bed. „Hier gibt es ja ohnehin nichts mehr für uns!“ (gut Shectman 2011, S. 216). Warum das so ist, zeigen die folgenden Sätze.</ref>
 
{{S|14}} Da (antwortete[n]=) erwiderten<ref>''(antworten=) erwidern'' - W. „antworten“, hier aber wie häufig in der Bibel (s. z.B. Kleist 1936, S. 163) nicht als Antwort auf eine Frage, die Jakob ja gar nicht gestellt hat, sondern zur Bezeichnung z.B. der ''Reaktion'' auf eine vorangegangene Rede wie eben hier die des Jakob. Besser übersetzt man daher wie HfA: „Rahel und Lea erwiderten“.<br />Das Wort mit zwei Subjekten („Rahel ''und'' Lea“) steht hier wie noch häufiger im Sg., um hervorzuheben, dass beide gemeinsam das Gleiche tun.</ref> ihm Rahel und Lea {und sagten}: „Haben wir etwa noch Anteil und Erbe in unserem Vaterhaus?<ref>''Haben wir etwa noch Anteil und Erbe in unserem Vaterhaus'' ist nicht wörtlich zu verstehen; allein schon, weil verheiratete Töchter zur Abfassungszeit ohnehin nicht erbberechtigt waren, wenn es gleichzeitig Söhne in diesem Vaterhaus gab. Wie [[2 Samuel 20#s1 |2 Sam 20,1]] und [[1 Könige 12#s16 |1 Kön 12,16]] = [[2 Chroniken 10#s16 |2 Chr 10,16]] deutlich zeigen, ist die Frage stattdessen eine geprägte Wendung mit der Bed. „Hier gibt es ja ohnehin nichts mehr für uns!“ (gut Shectman 2011, S. 216). Warum das so ist, zeigen die folgenden Sätze.</ref>
{{S|15}} Gelten wir ihm nicht [nur so viel wie] Ausländerinnen, da er uns [ja] verkauft hat!? (Er hat fressend gefressen=) Wirklich, er unser Geld gefressen (da er uns ja verkauft hat und wirklich unser Geld gefressen hat?)!<ref>V. 15 wird fast stets entweder so aufgelöst, dass die Rede vom „Verkaufen“ und vom „Fressen“ zwei beigeordnete Nebensätze zur Frage in 15a sind (z.B. Seebass 1999: „Hat er uns bei sich nicht als Fremde geachtet, dass er uns verkauft und also noch unser Geld verbraucht hat?“) oder so, dass die Frage separat genommen wird und 15b und 15c dann als zwei beigeordnete Begründungssätze (z.B. Westermann 1981: „Gelten wir ihm nicht als Fremde? Denn er hat uns verkauft und längst unser Geld dafür aufgebraucht!“). Nach dem masoretischen Akzenten ist aber klar so aufzulösen, dass die Frage in 15a mit dem Kausalsatz 15b V. 14 begründet und 15c als separater Satz bereits zu V. 16 gehört. So merkwürdigerweise nur van Ess. Wahrscheinlich ist zu betonen: „Wirklich, er hat ''unser'' Geld gefressen“, und die Logik von Vv. 14-16 ist dann: „Hier gibt es nichts für uns: Unser Vater hat [für uns keinen Brautpreis genommen, hat also] uns wie (Ausländerinnen=) Sklavinnen [in einem Kaufehevertrag] an dich ''verkauft''. [Das war nicht rechtens.] Wirklich, das Geld, das er (gefressen=) mit seiner Gier verbrannt hat, hätte ''unser'' Geld sein müssen. Ergo ist auch alles, was Gott ihm entzogen und dir übereignet hat, eigentlich ''unser'' Geld. Gut so, dass er's dir übereignet hat!“<br />'''Genauer''': Der Vers ist deshalb so kompliziert, weil ''Geld fressen'' in Texten aus Nuzi und Emar eine geprägte Wendung dafür ist, dass ein Vater oder ein der Familie vorstehender Bruder den von einem Bräutigam gezahlten Brautpreis aufgezehrt hatte (vgl. z.B. Burrows 1937, S. 265f.; Selman 1976, S. 132; Vita 2008, S. 235f.). Granqvist 1931, S. 128 zitiert auch eine Braut aus dem zeitgenössischen Palästina, die den Ausdruck im selben Sinn gebraucht. Nur: Einen Brautpreis, der aufgebraucht hätte werden können, hat Jakob ja eben nicht gezahlt, sondern stattdessen 14 Jahre umsonst für Laban gearbeitet. Gerade dies werfen Labans Töchter ihm wohl auch mit dem ersten Satz vor: Im Alten Orient gab es wahrscheinlich die „gemeine“ Ehe, bei der ein Brautpreis gezahlt wurde, der (oft im Alten Orient und daher wahrscheinlich auch im Alten Israel) auch dazu diente, Frauen im Falle des kinderlosen Todes ihres Ehemannes wieder im Vaterhaus zu versorgen (s. [https://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/16896#h6 Ehe (AT)/1.3.3. Brautgelt (Mohar) (WiBiLex)]), und die „Kaufehe“, bei der die Frau gänzlich ihrem Ehemann übereignet wurde, so dass das Geld vom Brautvater „aufgezehrt“ werden konnte (vgl. z.B. van Seters 1969, S. 393f.; von Bresinsky 2018). Dass Rahel und Lea ihrem Vater vorwerfen, dass sie „ihm als Ausländerinnen gelten, weil er sie verkauft hat“ legt sehr nahe, dass sie ihm ebendies vorwerfen: Dass er insofern über sie einen ''Kaufehevertrag'' mit Jakob geschlossen hat, bei dem er keinen Brautpreis für seine Töchter vorhalten muss, als Jakob ihm ja nur Gewinn in Naturalien erarbeitet, statt einen Brautpreis zu entrichten. In dieser Hinsicht gleichen sie „Ausländerinnen“, also „verkauften Sklavinnen“. Aber wie gesagt: Das passt dann eben schlecht zum zweiten Vorwurf, dass er „ihr Geld gefressen“ habe: Gerade deswegen ist solches Geld ja eben gar nicht vorhanden.<br />Zu „fressen“ i.S.v. „verbrennen, vernichten“ s. V. 40 und z.B. [[Numeri 16#s35 |Num 16,35]]; [[Ezechiel 7#s15 |Ez 7,15]]; [[Ezechiel 36#s13 |36,13]].</ref>
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{{S|15}} Gelten wir ihm nicht [nur so viel wie] Ausländerinnen, da er uns [ja] verkauft hat!? (Er hat fressend gefressen=) Wirklich, er unser Geld gefressen (da er uns ja verkauft hat und wirklich unser Geld gefressen hat?)!<ref>V. 15 wird fast stets entweder so aufgelöst, dass die Rede vom „Verkaufen“ und vom „Fressen“ zwei beigeordnete Nebensätze zur Frage in 15a sind (z.B. Seebass 1999: „Hat er uns bei sich nicht als Fremde geachtet, dass er uns verkauft und also noch unser Geld verbraucht hat?“) oder so, dass die Frage separat genommen wird und 15b und 15c dann als zwei beigeordnete Begründungssätze (z.B. Westermann 1981: „Gelten wir ihm nicht als Fremde? Denn er hat uns verkauft und längst unser Geld dafür aufgebraucht!“). Nach dem masoretischen Akzenten ist aber klar so aufzulösen, dass die Frage in 15a mit dem Kausalsatz 15b V. 14 begründet und 15c als separater Satz bereits zu V. 16 gehört. So merkwürdigerweise nur van Ess. Wahrscheinlich ist zu betonen: „Wirklich, er hat ''unser'' Geld gefressen“, und die Logik von Vv. 14-16 ist dann: „Hier gibt es ja ohnehin nichts mehr für uns: Unser Vater hat [für uns keinen Brautpreis genommen, hat also] uns wie (Ausländerinnen=) Sklavinnen [in einem Kaufehevertrag] an dich ''verkauft''. [Das war nicht rechtens.] Wirklich, das Geld, das er (gefressen=) mit seiner Gier verbrannt hat, hätte ''unser'' Geld sein müssen. Ergo ist auch alles, was Gott ihm entzogen und dir übereignet hat, eigentlich ''unser'' Geld. Gut so, dass er's dir übereignet hat!“<br />'''Genauer''': Der Vers ist deshalb so kompliziert, weil ''Geld fressen'' in Texten aus Nuzi und Emar eine geprägte Wendung dafür ist, dass ein Vater oder ein der Familie vorstehender Bruder den von einem Bräutigam gezahlten Brautpreis aufgezehrt hatte (vgl. z.B. Burrows 1937, S. 265f.; Selman 1976, S. 132; Vita 2008, S. 235f.). Granqvist 1931, S. 128 zitiert auch eine Braut aus dem zeitgenössischen Palästina, die den Ausdruck im selben Sinn gebraucht. Nur: Einen Brautpreis, der aufgebraucht hätte werden können, hat Jakob ja eben nicht gezahlt, sondern stattdessen 14 Jahre umsonst für Laban gearbeitet. Gerade dies werfen Labans Töchter ihm wohl auch mit dem ersten Satz vor: Im Alten Orient gab es wahrscheinlich die „gemeine“ Ehe, bei der ein Brautpreis gezahlt wurde, der (oft im Alten Orient und daher wahrscheinlich auch im Alten Israel) auch dazu diente, Frauen im Falle des kinderlosen Todes ihres Ehemannes wieder im Vaterhaus zu versorgen (s. [https://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/16896#h6 Ehe (AT)/1.3.3. Brautgelt (Mohar) (WiBiLex)]), und die „Kaufehe“, bei der die Frau gänzlich ihrem Ehemann übereignet wurde, so dass das Geld vom Brautvater „aufgezehrt“ werden konnte (vgl. z.B. van Seters 1969, S. 393f.; von Bresinsky 2018). Dass Rahel und Lea ihrem Vater vorwerfen, dass sie „ihm als Ausländerinnen gelten, weil er sie verkauft hat“ legt sehr nahe, dass sie ihm ebendies vorwerfen: Dass er insofern über sie einen ''Kaufehevertrag'' mit Jakob geschlossen hat, bei dem er keinen Brautpreis für seine Töchter vorhalten muss, als Jakob ihm ja nur Gewinn in Naturalien erarbeitet, statt einen Brautpreis zu entrichten. In dieser Hinsicht gleichen sie „Ausländerinnen“, also „verkauften Sklavinnen“. Aber wie gesagt: Das passt dann eben schlecht zum zweiten Vorwurf, dass er „ihr Geld gefressen“ habe: Gerade deswegen ist solches Geld ja eben gar nicht vorhanden.<br />Zu „fressen“ i.S.v. „verbrennen, vernichten“ s. V. 40 und z.B. [[Numeri 16#s35 |Num 16,35]]; [[Ezechiel 7#s15 |Ez 7,15]]; [[Ezechiel 36#s13 |36,13]].</ref>
  
 
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Version vom 1. Juni 2023, 01:05 Uhr

Syntax ungeprüft

SF in Arbeit.png
Status: Studienfassung in Arbeit – Einige Verse des Kapitels sind bereits übersetzt. Wer die biblischen Ursprachen beherrscht, ist zum Einstellen weiterer Verse eingeladen. Auf der Diskussionsseite kann die Arbeit am Urtext dokumentiert werden. Dort ist auch Platz für Verbesserungsvorschläge und konstruktive Anmerkungen.
Folgt-später.png
Status: Lesefassung folgt später – Bevor eine Lesefassung erstellt werden kann, muss noch an der Studienfassung gearbeitet werden. Siehe Übersetzungskriterien und Qualitätssicherung Wir bitten um Geduld.

Lesefassung (Genesis 31)

(kommt später)

Studienfassung (Genesis 31)

1 Und er (Jakob)a hörte die Reden (Worte) der Söhne Labans{, die besagten}: „Jakob hat alles genommen, was unserem Vaterb [gehörte (gehört)]; aus [dem], was unserem Vater [gehörte (gehört)], machte er all diesen Besitz (all diese Pracht)!“c 2 Und Jakob sah das Gesicht Labans{und siehe}: Es (Er?)d war nicht [mehr] mit ihm wie (gestern vorgestern=) früher.e


3 {Und} JHWH sprach zu Jakob: „Kehr zurück ins Land deiner Väter (deines Vaters)f und zu deiner Verwandtschaft (und an deinen Geburtsort) – ich werde mit dir sein (dann werde ich mit dir sein)!“ 4 Da sandte Jakobg und rief Rahel und Lea aufs Feld zu seiner Herde 5 und sagte zu ihnen: „Ich sehe das Gesicht eures Vaters(, dass=): Es (Er?)d ist nicht [mehr] zu mir wie (gestern vorgestern=) früher. Aber der Gott meines Vaters[, der] ist mit mir (aber der Gott meines Vaters war mit mir).h 6 Ihr, ihr wisst [darum], dass ich eurem Vater gedient habe – mit all meiner Kraft. 7 Aber euer Vater hat mich betrogen und (immer wieder) meinen Lohn zehn Male (von zehn Anteilen? von zehn Schafen?)i geändert.j Aber Gott hat nicht (ihm gegeben, böse/übel mit mir zu handeln=) zugelassen, dass er böse (übel) mit mir verfuhr. 8 Wenn er jeweils so sprach: ‚Gesprenkelte sollen dein Lohn sein!‘ – dann gebar alles Kleinvieh jeweils Gesprenkelte. Und wenn er jeweils so sprach: ‚Gestreifte sollen dein Lohn sein!‘ – dann gebar alles Kleinvieh jeweils Gestreifte.k 9 {Und} Gott hat das Vieh eures Vaters [diesem] entzogen (das Vieh eures Vaters gerettet)l und mir gegeben: 10 {Es geschah} Zur Zeit, als das Kleinvieh brünstig war, hob ich (meine Augen=) meinen Blick und sah im Traum{, siehe}: Die das Kleinvieh besteigendenm (sich dem Kleinvieh gegenüber aufbäumenden) Böcke [waren] gestreift, gesprenkelt und gescheckt. 11 Ein Bote Gottes sagte nämlich (Und ein Bote Gottes sagte) zu mir im Traum: ‚Jakob!‘, und ich (sagte=) antwortete: ‚Hier bin ich!‘,n 12 und er sagte: ‚Hebe {doch} (deine Augen=) deinen Blick und sieh: All die das Kleinvieh besteigenden Böcke [sind] gestreift, gesprenkelt und gescheckt, weil icho alles gesehen habe, was Laban dir getan hat. 13 Icho [bin] der Gott [von] Bet-El,p wo du eine Mazzebe (gesalbt=) geweiht hast und wo (hast, wo)q du mir einen Schwur geschworen hast. Jetzt (erhebe dich=) los! Zieh fort aus diesem Land und kehr zurück in das Land deiner Verwandtschaft (deines Geburtsortes)!‘“

14 Da (antwortete[n]=) erwidertenr ihm Rahel und Lea {und sagten}: „Haben wir etwa noch Anteil und Erbe in unserem Vaterhaus?s 15 Gelten wir ihm nicht [nur so viel wie] Ausländerinnen, da er uns [ja] verkauft hat!? (Er hat fressend gefressen=) Wirklich, er unser Geld gefressen (da er uns ja verkauft hat und wirklich unser Geld gefressen hat?)!t

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19 ... Terafimu ...

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Anmerkungen

In Gen 31-32,1 stammen wahrscheinlich nur Vv. 1-3.17f.45-32,1 vom selben Autor wie Gen 30. Aus den restlichen, offenkundig zutiefst ideologischen Versen spricht vor allem ein gänzlich anderes Verhältnis von Israeliten und Aramäern als aus dem vorigen, älteren Kapitel. Am wahrscheinlichsten müssen einige Inkohärenzen zwischen Kapitel 31 und Kapitel 30 so erklärt werden.
In Vv. 3-17.20f.36-43 wird dazu neu interpretiert, wie Jakob seinen Besitz erworben hat: Jakob hat nicht etwa Laban durch genetische Trickserei übervorteilt, vielmehr ist es so, dass Laban Jakob gleich mehrfach getäuscht hat, und nur Gott ist es zu verdanken, dass Jakob dennoch als reicher Mann aus ihrem unfairen Arbeitsverhältnis herausgehen konnte, obgleich ihm Laban bis zum Ende (V. 43) weder Frauen noch Nachkommen noch Besitz gönnt und zugestehen will (vgl. dazu bes. Rom-Shiloni 2012). In Vv. 19.22-35 werden nebenbei die aramäischen Götter lächerlich gemacht: Sie sind nur verabscheuungswürdige Terafim („Kotzbrocken“, s. zu V. 19), die man einfach rauben kann, die in die Satteltasche des unreinen Kamels gepackt werden können und auf die die gerade unreine Rahel sich einfach setzen kann. In Gen 35 werden sie zu allem Überfluss auch noch schlicht entsorgt werden. In Vv. 45-54 dagegen spricht Laban in V. 53 wieder vom „Gott Abrahams und Gott Nahors, dem Gott ihres Vaters“. Dafür spricht auch Hos 12: Hosea kennt nach V. 12 die Erzählung vom Steinhaufen in Gilead in unseren Vv. 46-53, aber nach Vv. 8f. weiß er nur davon, dass Jakob unrechtmäßig an seinen Reichtum gekommen ist, kennt also offenbar nicht die Variante der Geschichte in Vv. 1-21.36-43. Man beachte auch, wie in V. 1 Labans „Söhne“ seine leiblichen Söhne bezeichnet, in 32,1 dagegen seine Enkel.
Hier soll das Kapitel dennoch so erklärt werden, wie es uns heute überliefert wurde.
Vv. 1-2 schließen noch Kapitel 30 ab und schildern die Reaktion von Labans Familie auf Jakobs Erfolge (und Labans Misserfolg): Labans Söhne und auch Laban selbst missgönnen sie ihm. Als in V. 3 dann auch noch Gott ihn auffordert, es sei jetzt Zeit aufzubrechen und er werde dabei anders als Laban auch „mit ihm sein“, schreitet Jakob sofort zur Tat und bestellt in V. 4 seine Frauen zu sich.
V. 3 spielt dabei offensichtlich auf Gen 12,1 an – doch während Abram „aus seinem Land und Geburtsort“ nach Kanaan aufbrechen soll, ist zwei Generationen später für Jakob bereits Kanaan das „Land seiner Väter und Geburtsort“. Hier wird ausgelotet, was „Heimat“ ist: Abrahams Geburtsort Ur ist es für Jakob, den Migranten der zweiten Generation, schon nicht mehr, und das Land Labans, wo er nun schon 20 Jahre gelebt hat, ist es noch nicht – „Heimat“, das ist in der Vorstellung des Autors erstens das Land, in dem bereits jemandes Eltern gelebt haben, und zweitens das Land, in dem man selbst geboren wurde.
An beide Frauen richtet Jakob in Vv. 5-13 eine lange Rede. In dieser wird in Vv. 5-9 drei Mal Laban mit Gott kontrastiert:

  • „Laban ist nicht mehr ‚zu‘ Jakob“. Aber „Gott ist mit Jakob“ (Vv. 5a.5b). Dies wird nun konkretisiert:
  • Laban hat Jakob betrogen und mehrfach seinen Lohn geändert, obwohl Jakob ihm mit all seiner Kraft gedient hat. Aber Gott ließ nicht zu, dass er dabei Schaden nahm (Vv. 6-7a.7b). Dies wird nun noch einmal konkretisiert:
  • Laban hat unfairerweise mehrfach an ihren Vertragskonditionen geschraubt. Aber Gott hat Jakob zum Ausgleich Labans Tiere geschenkt (Vv. 8.9)

Kurz: Jakob hat seinen Besitz verdient. Laban dagegen ist ein Betrüger und hat daher seine Verluste verdient. Und wenn euch das noch nicht genügt, liebe Ehefrauen: Das hat sich zwar auch so entwickelt, weil ich mit aller Kraft gearbeitet habe (V. 6). Aber letztlich war es außerdem und ohnehin Gottes Wille, dass es sich so fügte (V. 9).
Dies kann Jakob dann in Vv. 10-13 auch noch mit einem Traum belegen. Für diesen Beleg zäumt Jakob das Pferd auffällig von hinten auf: Die Aussage in 9 wird zunächst allgemein mit einer Traumvision in V. 10 begründet. Diese Traumvision wiederum wird in Vv. 11f. gleichzeitig erst mit dem Auftrag eines Engels ermöglicht und im selben Zug begründet: Dass das Kleinvieh je mit Jungen der benötigten Färbung trächtig wurde, geschah deshalb, weil Gott alles wahrgenommen hat, was Laban Jakob angetan hatte.
Gottes Hinweis in V. 13 auf Jakobs Schwur in Bet-El (Gen 28,20f.) ist einesteils dann wiederum hierfür Begründung – dort nämlich hatte Jakob versprochen, JHWH werde „sein Gott sein“, wenn dieser ihn behütet und mit Brot und Kleidung versorgt; darum ist es überhaupt erst so, dass Gott es so wichtig nimmt, wie Laban mit Jakob verfährt –, andernteils begründet der Verweis auf diesen Schwur gleichzeitig den Auftrag zum Aufbruch in V. 3, der nun noch einmal ausführlicher wiedergegeben wird. „Dieses Behüten und Versorgen“, sagt Gott mit seinem Hinweis, „ist nun geschehen. Kommen wir zum zweiten Teil deines Schwurs: Ich soll dein Gott sein, ‚wenn ich mit dir bin und du in Frieden zurückkehrst ins Haus eines Vaters‘? Dann mach das mal!“ Die Septuaginta hat diesen Bezug zu V. 3 und zu Gen 28,20f. sogar noch stärker gemacht, indem sie auch ans Ende von V. 13 einfügt: „Und ich will mit dir sein“.v

Mit seiner langen Rede hat Jakob vollen Erfolg: Labans Töchter sagen sich in V. 14 mit einer Redensart ganz von Vater und Vaterhaus los und begründen dies in V. 15 damit, dass Laban sich auch an ihnen vergangen hat.




Ziel von Vv. 45-54 ist es, die geographische Grenze zwischen Israel und Aram zu definieren: Zu Israel gehört nach diesen Versen angeblich auch Gilead, das de facto nur im 9. und kurzzeitig im 8. Jhd. v. Chr. unter israelitischer Herrschaft gestanden hatte, während tatsächlich vor allem Nord-Gilead stets mindestens unter aramäischem Einfluss gestanden war (vgl. Sergi 2016, S. 333-336). ...

aNach MT, SamP, VUL und den Targumim steht hier kein Subjekt. Schon das legt nahe, dass mindestens V. 1 noch zu Kapitel 30 gehören soll (die moderne Einteilung der Bibel in Kapitel stammt erst aus dem 13. Jhd.). Hebräische und syrische Handschriften haben ein Abschnittszeichen sogar erst nach V. 2. Ziehen wir Vv. 1-2 zu Kapitel 30 (so auch Goldingay 2020; häufiger wird nur V. 1 noch zu Kapitel 30 gezogen, z.B. von Wenham 1994; Seebass 1999; Taschner 2000, S. 108), schildern diese Verse die direkte Reaktion der Familie Labans auf Jakobs Gewinne und fügen sich so glatt in dieses Kapitel ein. Kapitel 31 beginnt mit V. 3 dann genau so wie Gen 12, was ebenfalls für diese Aufteilung spricht.
Textkritik: LXX und Syr allerdings ergänzen das Subjekt Jakob. Wahrscheinlich haben beide wegen dem Wechsel der handelnden Figuren schon hier den Beginn einer neuen Szene gesehen und daher unnötigerweise das Subjekt ergänzt. (Zurück zu v.1)
bunser Vater - Wortspiel: In la`abinu klingt Laban an, was noch stärker macht, dass Labans Söhne Jakobs Besitz als Eigentum ihres Vaters Laban betrachten. Man beachte auch, wie das „all“ von Satz 1 zu Satz 2 von Laban zu Jakob transferiert wird: „Er hat genommen alles, was unserem Vater gehörte“ – „Aus dem, was unserem Vater gehörte, machte er all diesen Besitz.“ (Zurück zu v.1)
cOffensichtlich eine Übertreibung, s. V. 19. (Zurück zu v.1)
dEs - also das Gesicht, nicht Laban selbst. „Das Gesicht war nicht mit ihm“ ist dann vermutlich ein etwas merkwürdiger Ausdruck für „es bezeigte sich nicht mehr gegen ihn wie früher“ (TEX), blickte also unfreundlicher. Gut BigS in V. 5: „Er sah am Gesicht Labans, dass er [nicht mehr mit ihm war wie früher]“. Aber s. noch zu V. 5; die Verse sind eine Herausforderung für Übersetzende.
Der Ausdruck wurde wahrscheinlich für zwei weitere Wortspiele gewählt: Erstens kann Jakob so sowohl die Reden von Labans Söhnen (bane Laban) hören als auch Labans Gesicht (pane Laban) sehen und nimmt so gleich auf zwei Weisen wahr, dass nun nun wirklich die Zeit zum Aufbruch gekommen ist, weil sonst die Stimmung endgültig kippt (gut Sarna 2001; Vrolijk 2011, S. 185f.). Und zweitens kann so in Vv. 3.5 Gott, der „mit Jakob war“, mit Laban kontrastiert werden, dessen Gesicht in Vv. 2.5 „nicht mehr mit Jakob ist“ (gut z.B. Fokkelman 1975, S. 152; Frisch 2003, S. 286).
Textkritik: Nach MT sieht Jakob in Vv. 2.5 allerdings Laban, nicht sein Gesicht: `enennu (er war“) statt `enam (es war“). SamP, Syr und die Targumim dagegen bezeugen alle `enam. MT ist idiomatischer, lässt sich leicht als Assimilation von Vv. 2.5 an V. 3 erklären und ein Lesefehler von -am zu -ennu konnte leicht geschehen (vgl. Weiss 1963, S. 190); fast sicher ist daher MT sekundär und der etwas sperrige Text von SamP & Co. der ursprüngliche (so schon erwogen von Ball 1896; gegen BHQ). (Zurück zu v.2 / zu v.5)
eEntweder sagen Vv. 1-2, dass Jakob sowohl Labans Söhne hört als auch Labans Gesicht sieht, oder V. 2 besagt, dass Laban sich von seinen Söhnen aufstacheln lässt und ist so Folgesatz auf V. 1 (so Radak; Sforno; Frisch 2003, S. 286). Dass Jakob sich in V. 5 nur auf V. 2 zurückbezieht, spricht leicht für Letzteres (richtig Frisch). Ähnlich VUL, wo Hieronymus mit Nebensatz – Hauptsatz übersetzt: „Nachdem er die Worte der Söhne Labans gehört hatte ..., bemerkte er auch das Gesicht Labans.“ (Zurück zu v.2)
fTextkritik: Die Variante nur nach LXX (+ VL). BHQ denkt, dies sei spätere Angleichung an das „Haus deines Vaters“ in Gen 12,1, Wevers 1993, S. 498 besser, es sei Angleichung den „Gott meines Vaters“ in Gen 31,5. Dass LXX die spätere Variante ist, ist angesichts der schwachen Bezeugung jedenfalls sehr wahrscheinlich. (Zurück zu v.3)
gsandte - seine Söhne, dass sie seine Frauen holen sollten. (Zurück zu v.4)
hder ist mit mir (er war mit mir) - Wichtig zunächst: Die Rede ist nun nicht mehr davon, dass Labans Gesicht „mit“ Jakob ist: Labans Gesicht ist nun „zu“ ihm, stattdessen ist Gott „mit“ ihm. Vv. 2.3.5.6 schildern also eine Entwicklung: „Labans Gesicht ist nicht mehr ‚mit‘ Jakob“ – „Gott wird ‚mit‘ Jakob sein“ – „Labans Gesicht ist nicht mehr ‚zu‘ Jakob, aber Gott ist / war ‚mit‘ Jakob.“ – „Darum lässt er nicht zu, dass Laban ‚mit‘ Jakob böse verfuhr“ (gut wieder Fokkelman 1975, S. 152). Das wird zusätzlich dadurch hervorgehoben, dass bei den letzten beiden Vorkommen nicht die Kurzform ´immi („mit mir“) verwendet wird, sondern die längere und wahrscheinlich etwas emphatischere ´immadi.
Zweitens zu einer etwas schwierigen Übersetzungsfrage: Das Wort „sein“ muss im Heb. nicht ausgedrückt werden; soll nur „X ist Y“ (z.B.: „Gott ist mit mir“) gesagt werden, wird üblicherweise ein verbloser Satz „X Y“ verwendet. Heb. hajah kann sowohl „er ist“ als auch „er war“ bedeuten. Dass es hier eigens steht, kann daher (1) entweder signalisieren, dass von der Vergangenheit die Rede ist („Gott war mit mir“), (2) oder die Tatsache, dass Gott mit ihm ist, soll hervorgehoben werden („Labans Gesicht ist nicht mehr mit mir, aber Gott, der ist mit mir“). Der weitere Verlauf der Rede wird zeigen, dass Jakob hier vor allem (1) anzielt; zu Beginn seiner Rede werden seine Frauen aber zunächst (2) verstanden haben. BigS, HfA, R-S und SLT 51 übersetzen präsentisch, alle anderen dt. Üss. aber mit Vergangenheit. Am besten übersetzt man mit einem Kompromiss: „Aber der Gott meines Vaters, der war mit mir:...“ (Zurück zu v.5)
iTextkritik: Zu „meinen Lohn von zehn Lämmern“ s. Walters 1973, S. 193f. TgJ allerdings effektiv ebenso: „Meinen Lohn [von] zehn Anteilen“. TgJ deutet das Wort monim also offenbar als mask. Plural von manah („Anteil“; richtig Maher 1992, S. 108; BHQ 155*). LXX könnte ebenso gedeutet haben und hätte dann nur das „zehn Anteile“ zu „zehn Lämmer“ konkretisiert. So und so ist MT sicher ursprünglich; der Text wird gestützt durch SamP, Aq, Sym, VUL, Syr und den anderen Targumim. (Zurück zu v.7)
jzehnmal geändert könnte nur Übertreibung sein (dies glauben alle neueren Ausleger:innen. Im Midrasch würde dann noch stärker übertrieben: „Hundertmal“). Radak und schon Hieronymus in seinen Hebraicae Quaestiones rekonstruieren aber ein Szenario, wie dies in sechs Jahren wirklich zehnmal geschehen sein könnte: Schafe können pro Jahr zweimal werfen (s. zum vorigen Kapitel; Hieronymus zitiert als Beleg Vergils Georgica II 150: „Zweimal ist Vieh trächtig, zweimal trägt der Baum Früchte). Laban hätte also nach jedem Wurf gesehen: „Oh, nur gestreifte Tiere! Dann sollen beim nächsten Wurf nur noch die gepunkteten Tiere dein Lohn sein“, beim Wurf darauf: „Oh, nur gepunktete Tiere! Dann seien beim nächsten Wurf nur noch die gesprenkelten Tiere dein Lohn“ usw., so dass spätestens Mitte des sechsten Jahres zehn Mal der Lohn verändert worden wäre.
tFN + Textkritik: und (immer wieder) geändert - Das Wort könnte (1) entweder Waw-Qatal sein und dann einfach von der Vergangenheit sprechen (so Driver 1892, S. 159; Joosten 2012, S. 49) oder (2) Weqatal und dann betonen, dass dies immer wieder geschah (so Hamilton 1995). SamP ändert zu Wayyiqtol und vereindeutigt so zu (1). Wieder (s. zu Gen 30,41) ist das nicht mit BHQ als „Harmonisierung mit V. 41“ zu erklären, sondern nur als eindeutigere Formulierung. (Zurück zu v.7)
kGestreifte - Klangspiel: Jakob greift deshalb aus Gen 30 die „Gesprenkelten und Gestreiften“ heraus, weil beide Wörter im Hebräischen sich nur durch im ersten Buchstaben unterscheiden: naqudim und ´aqudim. Laban ist also nicht nur Winkeladvokat (s. zu Gen 30,32, sondern dabei auch noch Korinthenkacker. (Zurück zu v.8)
ltFN: entzogen (geplündert, gerettet) - W. „weggeschnappt, weggerissen“. Wohl nicht: gerettet (so Wenham 1994; Goldingay 2020), obwohl dies im Heb. häufig die Bed. des Wortes wäre und zu V. 9 auch gut passt („Vieh wird vor Laban ‚gerettet‘“). Zu V. 16 aber weniger („Reichtum wird vor Laban ‚gerettet‘“?). Im Aramäischen heißt das Wort oft auch nur „wegnehmen, entziehen“ (vgl. Labuschagne 1974, S. 180; Greenfield 2001, S. 215; Rendsburg 2006, S. 166; Bompiani 2014, S. 46); wegen V. 16 müssen wir diese Bed. wohl auch hier voraussetzen (so z.B. auch Hamilton 1995; Sarna 2001; Waltke/Fredricks 2001). (Zurück zu v.9)
mbesteigenden - W. „hinaufsteigend“. Nicht das übliche Wort für sich paarende Tiere. Wortspiel: Jakob sieht in diesem Traum „hinaufsteigende“ Böcke, wie er in seinem ersten Traum in Gen 28,12 „hinaufsteigende“ Gottesboten gesehen hat (gut Tröndle 2023, S. 199). Wahrscheinlich deshalb sind die Böcke in diesem Traum auch „gescheckt“, was in Gen 30 gar nicht erwähnt wurde: In barudim klingt joridim („hinabsteigend“, wie von den „hinabsteigenden Gottesboten“ in Gen 28,12) an. (Zurück zu v.10)
nJakob! + Hier bin ich! - Übliche Gesprächseröffnungen; s. z.B. ebenso Gen 27,1. Besonders bei Gesprächen zwischen Menschen und Gott/einem Gottesboten wird ein Mensch dabei nicht wie dort mit einer Verwandtschafts- oder Berufsbezeichnung angesprochen (zu dieser häufigsten Gesprächseröffnung s. Lande 1949, S. 21-36), sondern mit dem Eigennamen: Gen 22,11; 46,2; Ex 3,4; 1 Sam 3,4.6.8.10. Die Antwort „Hier bin ich“ ist aber wohl nicht mit ebd., S. 37f. so zu erklären, dass sie nur für das „Ja“ eines Menschen steht, der sich selbst unsichtbar glaubt (s. dagegen 2 Sam 1,7), sondern grundsätzlich als unterwürfige Antwort, wie Landes es auch bei 1 Sam 22,12 und Gen 37,13 annimmt: „Stehe zu Diensten!“ (vgl. Jes 6,8). Am besten übersetzt man vielleicht wie NL: „Ja, ich höre!“ (Zurück zu v.11)
oich - Der „Bote“ spricht wie häufig im Namen Gottes (zu diesem häufigen Zug der Botschaften von Gottesboten vgl. z.B. Lipton 1999, S. 118); „ich“ bezieht sich daher nicht auf ihn, sd. auf Gott. (Zurück zu v.12 / zu v.13)
ptFN + Textkritik: Constructusverbindung, bei der das Nomen im Status Constructus („der Gott“) untypischerweise Artikel trägt (vgl. z.B. GKC §127f). S. ebenso z.B. 2 Kön 23,17: „der Altar [von] Bet-El“. Das „Ich bin der Gott, der dir in Bet-El erschienen ist“ in LXX, TgO und TgJ setzt wahrscheinlich keine andere Textvorlage voraus, sondern ist theologische Korrektur: JHWH ist „Gott der ganzen Erde“ und daher „Gott von Bet-El“ eben nur insofern, als er dort erschienen ist. (Zurück zu v.13)
qTextkritik: MT, TgJ und TgN wie in der Alternative. Einige MSS, SamP, TgO und TgG bezeugen aber „und wo“; LXX, VUL und Syr sparen das zweite „wo“ (`ašer) aus, bezeugen aber ebenfalls ein „und“. Man könnte beides mit BHQ als syntaktische Erleichterung werten und danach MT für ursprünglich halten, aber angesichts dieser Masse an Textzeugen ist der Wortlaut von MT wahrscheinlicher nur versehentliche Angleichung des zweiten Nebensatzes an den ersten (so noch Ball 1896, BHK, BHS). (Zurück zu v.13)
r(antworten=) erwidern - W. „antworten“, hier aber wie häufig in der Bibel (s. z.B. Kleist 1936, S. 163) nicht als Antwort auf eine Frage, die Jakob ja gar nicht gestellt hat, sondern zur Bezeichnung z.B. der Reaktion auf eine vorangegangene Rede wie eben hier die des Jakob. Besser übersetzt man daher wie HfA: „Rahel und Lea erwiderten“.
Das Wort mit zwei Subjekten („Rahel und Lea“) steht hier wie noch häufiger im Sg., um hervorzuheben, dass beide gemeinsam das Gleiche tun. (Zurück zu v.14)
sHaben wir etwa noch Anteil und Erbe in unserem Vaterhaus ist nicht wörtlich zu verstehen; allein schon, weil verheiratete Töchter zur Abfassungszeit ohnehin nicht erbberechtigt waren, wenn es gleichzeitig Söhne in diesem Vaterhaus gab. Wie 2 Sam 20,1 und 1 Kön 12,16 = 2 Chr 10,16 deutlich zeigen, ist die Frage stattdessen eine geprägte Wendung mit der Bed. „Hier gibt es ja ohnehin nichts mehr für uns!“ (gut Shectman 2011, S. 216). Warum das so ist, zeigen die folgenden Sätze. (Zurück zu v.14)
tV. 15 wird fast stets entweder so aufgelöst, dass die Rede vom „Verkaufen“ und vom „Fressen“ zwei beigeordnete Nebensätze zur Frage in 15a sind (z.B. Seebass 1999: „Hat er uns bei sich nicht als Fremde geachtet, dass er uns verkauft und also noch unser Geld verbraucht hat?“) oder so, dass die Frage separat genommen wird und 15b und 15c dann als zwei beigeordnete Begründungssätze (z.B. Westermann 1981: „Gelten wir ihm nicht als Fremde? Denn er hat uns verkauft und längst unser Geld dafür aufgebraucht!“). Nach dem masoretischen Akzenten ist aber klar so aufzulösen, dass die Frage in 15a mit dem Kausalsatz 15b V. 14 begründet und 15c als separater Satz bereits zu V. 16 gehört. So merkwürdigerweise nur van Ess. Wahrscheinlich ist zu betonen: „Wirklich, er hat unser Geld gefressen“, und die Logik von Vv. 14-16 ist dann: „Hier gibt es ja ohnehin nichts mehr für uns: Unser Vater hat [für uns keinen Brautpreis genommen, hat also] uns wie (Ausländerinnen=) Sklavinnen [in einem Kaufehevertrag] an dich verkauft. [Das war nicht rechtens.] Wirklich, das Geld, das er (gefressen=) mit seiner Gier verbrannt hat, hätte unser Geld sein müssen. Ergo ist auch alles, was Gott ihm entzogen und dir übereignet hat, eigentlich unser Geld. Gut so, dass er's dir übereignet hat!“
Genauer: Der Vers ist deshalb so kompliziert, weil Geld fressen in Texten aus Nuzi und Emar eine geprägte Wendung dafür ist, dass ein Vater oder ein der Familie vorstehender Bruder den von einem Bräutigam gezahlten Brautpreis aufgezehrt hatte (vgl. z.B. Burrows 1937, S. 265f.; Selman 1976, S. 132; Vita 2008, S. 235f.). Granqvist 1931, S. 128 zitiert auch eine Braut aus dem zeitgenössischen Palästina, die den Ausdruck im selben Sinn gebraucht. Nur: Einen Brautpreis, der aufgebraucht hätte werden können, hat Jakob ja eben nicht gezahlt, sondern stattdessen 14 Jahre umsonst für Laban gearbeitet. Gerade dies werfen Labans Töchter ihm wohl auch mit dem ersten Satz vor: Im Alten Orient gab es wahrscheinlich die „gemeine“ Ehe, bei der ein Brautpreis gezahlt wurde, der (oft im Alten Orient und daher wahrscheinlich auch im Alten Israel) auch dazu diente, Frauen im Falle des kinderlosen Todes ihres Ehemannes wieder im Vaterhaus zu versorgen (s. Ehe (AT)/1.3.3. Brautgelt (Mohar) (WiBiLex)), und die „Kaufehe“, bei der die Frau gänzlich ihrem Ehemann übereignet wurde, so dass das Geld vom Brautvater „aufgezehrt“ werden konnte (vgl. z.B. van Seters 1969, S. 393f.; von Bresinsky 2018). Dass Rahel und Lea ihrem Vater vorwerfen, dass sie „ihm als Ausländerinnen gelten, weil er sie verkauft hat“ legt sehr nahe, dass sie ihm ebendies vorwerfen: Dass er insofern über sie einen Kaufehevertrag mit Jakob geschlossen hat, bei dem er keinen Brautpreis für seine Töchter vorhalten muss, als Jakob ihm ja nur Gewinn in Naturalien erarbeitet, statt einen Brautpreis zu entrichten. In dieser Hinsicht gleichen sie „Ausländerinnen“, also „verkauften Sklavinnen“. Aber wie gesagt: Das passt dann eben schlecht zum zweiten Vorwurf, dass er „ihr Geld gefressen“ habe: Gerade deswegen ist solches Geld ja eben gar nicht vorhanden.
Zu „fressen“ i.S.v. „verbrennen, vernichten“ s. V. 40 und z.B. Num 16,35; Ez 7,15; 36,13. (Zurück zu v.15)
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Bild 3: Terrakotta-Figurine: Trommlerin. Akhzib, 8./7. Jhd. v. Chr. (c) IM, IAA 1944-264
Bild 1: Syrisches Siegel, 18./17. Jhd. v. Chr.: In der Mitte kommuniziert eine Frau mit Masken. (c) Schroer 2011, S. 43
Bild 2: Steinzeitliche Maske aus Nahal Hemar. (c) IM, IAA 1984-407
Was genau die Terafim sind, ist ungewiss. Laban bezeichnet sie in diesem Kapitel als „seine `elohim“ und Rahel stiehlt sie und versteckt sie in ihrer Satteltasche. Aus Ez 21,26; Sach 10,2 und wahrscheinlich 1 Sam 15,23 und 2 Kön 23,24 lässt sich außerdem herauslesen, dass sie besonders häufig zur Wahrsagerei verwendet wurden. Danach handelt es sich um kleine Kultobjekte, durch die sich entweder mit den Göttern oder mit den Geistern von Toten u.a. zur Wahrsagerei kommunizieren lässt (`elohim meint meistens Götter, in 1 Sam 28,13 und vielleicht Jes 8,19 aber auch Totengeister, die man sich danach wohl als eine Art Zwischenwesen zwischen Mensch und Gottheit vorstellte). In der Regel hält man sie daher entweder für Masken (Bild 1+2) oder für kleine Figurinen (Bild 3), die übernatürliche Wesen repräsentierten. Die Figurinen-Deutung wird weit häufiger vertreten, weil man 1 Sam 19,13-16 meist so versteht, dass Michal Terafim so in ein Bett legt, dass man sie für einen kranken Menschen halten kann, und daraus ableitet, dass diese Figurinen also auch lebensgroß sein konnten – aber die Erzählung ist damit fast sicher missverstanden, s. dort.
Das biblische Wort ist sehr wahrscheinlich ein Dysphemismus mit der Bed. „Verrottetes, Verdautes“; tarapim sind also „Kotz-Brocken“ (richtig z.B. Rouillard / Tropper 1987, S. 359; Loretz 1992, S. 141; Sarna 2001; vgl. den ähnlichen Dysphemismus gillulim [„Kot-Batzen“] für Götzen). Von solchen Dysphemismen gibt es grob zwei Varianten: Bei Variante 1 hat der Dysphemismus nichts mehr mit dem entstellten Wort zu tun (wie bei bošet [„Schande“] für Ba´al), bei Variante 2 werden nur die Vokale des entstellten Wortes mit denen eines Schimpfwortes ausgetauscht (wie bei molek mit den selben Vokalen wie bošet für malk „König“). Da neben t-r-p („weich/verdaut sein“) keine weitere hebräische Wurzel t-r-p bekannt ist, gehört Terafim wohl zu Variante 1, so dass sich aus ihrer Bezeichnung nichts herleiten lässt (von rapa` [„heilen“ > „Heil-Götter“] abzuleiten, wie Rouillard / Tropper vorschlagen, geht nicht an, da man hier tarpa`im mit Alef erwarten würde. Die Belege für Ausfall von Alef, die die beiden bringen, sind sämtlich nur Beispiele für die Schreibung von Endungs-` als Endungs-h und damit ohne Erklärwert). Das stärkste Indiz ist, dass Jub 29,9 die Terafim gar nicht erwähnt, aber unerwartet einen Exkurs nach Dtn 3,13 darüber einschaltet, dass Gilead das „Land der Refaim“ war. Könnte Terafim Verballhornung von Refaim sein (so schon Albright 1968, S. 168; Loretz 1992, S. 141f.) und unsere Erzählung auch Ätiologie, wonach Gilead deshalb das „Land der Refaim“ war, weil Rahel die Terafim (lies: Refaim) hierher gebracht hat? Aber das ist nicht mehr als educated speculation.
Auch ihre Funktion in unserem Kapitel ist umstritten. Überwiegend sind drei Deutungen im Umlauf:
(1) Josephus berichtet in JosAnt 18.9.5 von einer Partherin: „Da sie nach dem Tod ihres ersten Mannes in Gefangenschaft geriet, verbarg sie die Bildnisse der Götter, die sie mit jenem Manne verehrt hatte, und nahm sie nach dem Brauch ihres Landes mit sich. In jenen Gegenden ist es nämlich allgemein Sitte, Götterbilder zu Hause zu haben und dieselben auf Reisen mitzunehmen.(Üs. nach Clementz). Greenberg 1962 und z.B. van Seters 1975, S. 93f. und Thompson 2002, S. 278 haben danach angenommen, Rahel habe die Götzen schlicht aus religiösen Gründen mitgenommen, da sie sich ja nun auch auf eine Reise begibt. Hinzudenken muss man sich bei dieser Deutung wohl, dass sie sie dabei untypischerweise ihrem Vater raubt, weil sie ja soeben ihren Bruch mit ihm verkündet hat. Aber zu dieser Deutung passt sehr schlecht, dass sie sich im Folgenden auf die Terafim setzen wird, woraus gewiss keine religiöse Achtung spricht.
(2) In altorientalischen Testamenten ist häufig die Rede von „Göttern und Toten einer Familie“, die Erben „erhalten“ oder „verehren“ sollen. In der Regel sind diese Erben die ältesten Söhne eines Vaters, die also nach seinem Tod zum pater familias werden werden. (2a) Gordon 1958, S. 129 und z.B. Taschner 2000, S. 121f. und Galambush 2018 denken daher klug, Rahel habe mit dem Diebstahl Jakob symbolisch ähnlich das Erstgeburtsrecht in der Familie Labans ergaunern wollen wie Jakob dies zuvor in der Familie Isaaks getan hat, (2b) ähnlich glauben Draffkorn 1957, S. 219f.; Pardes 1992, S. 70f.; Spanier 1992 und Fischer 1995, S. 116, Rahel habe sich nach dem Geburtswettstreit in Gen 30 mit diesen Terafim das Erstgeburtsrecht für ihre statt für Leas Söhne ergaunern wollen. Aber es ist gar nicht wahr, dass diese „Götter und Toten“ nur an die Erstgeborenen vererbt wurden: Heltzer 1998, S. 359 verweist auf das Nuzi-Testament HSS 19,5 (zum Text vgl. Deller 1981, bes. S. 48-57), in dem der Erstgeborene nur die „großköpfigen Götter“ und der Zweitgeborene die „kleinköpfigen“ erhalten soll, Sigrist 1982, S. 242-46 übersetzt einen wahrscheinlich in Emar entstandenen Text, in dem ähnlich die Götter von beiden erbenden Söhnen verehrt werden sollen. Es ist daher nicht wahrscheinlich, dass die Terafim wirklich das Erstgeburtsrecht signalisieren; noch weniger, dass sie es „sichern“.
(3) Am wahrscheinlichsten ist daher die schon bei den alten Auslegern (z.B. PRE 36.4; Midrasch BerR, Midrasch Tanchuma; auch bei Raschbam, ibn Ezra, Radak, Ramban) verbreitete Deutung, Rahel habe ihrem Vater mit dem Raub der Terafim hauptsächlich seine Wahrsage-Instrumente stehlen wollen, damit er sie nicht verfolgen konnte (so z.B. Sarna 2001; Krauss / Küchler 2004; Plangger 2018, S. 70f.). (Zurück zu v.19)
vSo ausgelegt ist dieser Traum also (1) wirklich geschehen, (2) war ein Traum (3) und war identisch mit dem Auftrag, der in V. 3 knapp zusammenfasst wurde und der nun noch einmal ausführlicher erzählt wird. Das ist nicht die üblichste Auslegung:
Zu (2) glauben viele, dass Kapitel 31 mindestens zwei, vielleicht sogar drei Visionen voraussetzt: Vision 1 wäre der Auftrag zum Aufbruch in V. 3, Vision 2 der geträumte Auftrag zum Aufbruch in V. 13, Vision 3 die Traum-Schau der farbigen Tiere in Vv. 10-12. Und bei (3) gehen die meisten davon aus, dass mindestens ein Teil von Vv. 10-13 schon vor sechs Jahren geträumt worden sein muss. Cotter 2003 und Fokkelman 1975, S. 155 etwa denken, der gesamte in Vv. 10-13 geschilderte Traum sei schon sechs Jahre alt und nach V. 3 sei dann später noch einmal der Auftrag zum Aufbruch erfolgt. Die meisten denken stattdessen, nur Vv. 10-12 seien vor sechs Jahren geträumt worden, während V. 13 identisch ist mit V. 3, und Jakob habe beide Träume hier nur aus Pragmatik „zusammen-erzählt“ (z.B. Sarna 2001; Waltke/Fredricks 2001; Krauss / Küchler 2004). Zu (1) schließlich denken wiederum nicht wenige, dass Jakob tatsächlich überhaupt keinen Traum gehabt habe, sondern ihn nur erfindet, um seine Frauen besser zum Aufbruch überreden zu können (z.B. Pardes 1992, S. 70; Brett 2000; Galambush 2018). Ich (S.W.) halte die Auslegung oben für einfacher und runder. (Zurück zum Text: v)