Genesis 6: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Die Offene Bibel

Wechseln zu: Navigation, Suche
K
 
(120 dazwischenliegende Versionen von 5 Benutzern werden nicht angezeigt)
Zeile 1: Zeile 1:
 +
{{Ungeprüfte Studienfassung}}
 
{{Lesefassung}}
 
{{Lesefassung}}
  
Zeile 28: Zeile 29:
 
{{Studienfassung}}
 
{{Studienfassung}}
  
{{S|1}} Da vermehrten sich die Menschen über das Angesicht der Erde und  ihnen wurden Töchter geboren.
+
{{S|1}} {Und es geschah:} Als (der Erdling=) die Erdlinge (Menschen) begannen, sich auf dem {Angesicht des} Erdboden{s} zu vermehren, wurden ihnen Töchter geboren.
{{S|2}} Da sahen die Gottessöhne die Menschentöchter dass sie schön anzusehen waren und sie nahmen sich Frauen von welchen sie sich auswählten.
+
{{S|2}} Da sahen die (Söhne Gottes/der Götter=) Götterwesen<ref name="Gottessöhne">''(Söhne Gottes/der Götter=) Götterwesen'' - umstrittener Ausdruck. Gemeint sein könnten theoretisch zunächst (1) leibliche Nachfahren Gottes oder (2) leibliche Nachfahren mehrerer Götter, die Gen 6 dann stillschweigend anders als z.B. Gen 1 voraussetzen würde. „Söhne/Töchter von X“ ist aber auch ein häufiger Ausdruck für „Angehörige der Gattung / des Stamms X“ (wie ja auch gleich im Folgenden die „Töchter des Erdlings“ fast sicher nicht die leiblichen Töchter Adams, sondern allgemein ''Menschen-Frauen'' meint); möglich wäre also auch (3) „Götter-Wesen“ oder (4) „göttliche Wesen“, nämlich (4a) allgemein Keruben oder (4b) konkreter die Keruben, die Gott zum Bewachen des Gartens abkommandiert hat.<br />Weil damit – egal, welche dieser Varianten nun zutrifft – auf jeden Fall Faszinierendes berichtet wird, wurden Vv. 2.4 breit rezipiert (vgl. schön knapp Newman 1984; ausführlich Miller 2005; Doedens 2013), was dazu führte, dass sich weitere Deutungen ausbildeten:<br />(5) Die älteste derartige Ausdeutung war eine Variante von (4a): Im äthiopischen Henoch-Buch, in den Jubiläen, in Qumranschiften u.ö. wird von in der Bibel sonst nicht belegten „Wächtern“ berichtet, also Engeln, die sich von Gott ab- und den Menschen zugewandt, mit ihnen Riesen gezeugt und ihnen geheimes Wissen gelehrt hätten. Diese seien hier gemeint.<br />(6) Diese Auslegung war vor allem in einer Richtung des alten Judentums verbreitet, die man heute gelegentlich als „henochisches Judentum“ bezeichnet, weil in dieser Richtung auch der in Gen 5 nur sehr kurz erwähnte Henoch eine außerordentliche Rolle spielte. Offenbar war es so, dass sich kurz nach der Zeitenwende unter anderem das rabbinische und das henochische Judentum als theologische Kontrahenten gegenüberstanden; im rabbinischen Judentum wurde daher zum einen die Figur des Henoch gezielt kleingeredet, zum anderen wurden die „Söhne Gottes“ in unserem Vers gezielt innerweltlich als ''Menschen'' gedeutet: Gemeint seien nur ''mächtige'' Menschen (z.B. TgO, TgN, Midrasch BerR: „Söhne der Großen“; TgN, Raschi, Ramban: „Söhne der Richter“).<br />(7) Unter christlichen Auslegern kam eine verwandte Deutung auf, die sich ab dem 4. Jhd. nach und nach durchsetzte und bis zum 19. Jhd. die maßgebliche Deutung bleiben sollte: „Söhne Gottes“ sei nur eine Metapher für die Nachkommen Seths, entsprechend sei „Töchter des Menschen“ ein Ausdruck für die weiblichen Nachfahren Kains (so z.B. Julius Africanus: Chronographie, frg. ii (2. Jhd.); Aphrahat (Dem 13.5), Ephräm der Syrer, Augustinus, Bede Venerabilis, Glossa ordinaria; später auch unter jüdischen: ibn Ezra, Radak, Rav Hirsch; heute noch z.B. Meshach/Paul 2019).<br />Wie sich diese theologiegeschichtlich bedeutsamen Deutungen (5)-(7) entwickelten, lässt sich leicht nachvollziehen: Deutung (5) ist ein Midrasch zu mehreren biblischen Stellen, Deutung (6) ist eine ''interessierte'' gegen diesen Midrasch gerichtete Deutung, Deutung (7) entstand hieraus und im Zuge einer Abwertung der Sexualität, nach der lüsterne Engel nicht mehr denkbar waren. Es ist daher etwas verwunderlich, dass v.a. Deutung (5) und (7) auch heute noch bisweilen vertreten werden.<br />Die neuesten Kommentare folgen dem nicht mehr; Gertz 2018, Goldingay 2020 und Carr 2021 etwa optieren mit der großen Mehrheit für Deutung (3) und denken genauer an Angehörige von Gottes himmlischem Hofstaat, wie er bes. klar in [[Ijob 1#s6 |Ijob 1,6]]; [[Ijob 2#s1 |2,1]] geschildert wird (der alternative Vorschlag von Fischer 2018 nach de Launay 2009, S. 56 (?) – ähnlich schon Closen 1937, S. 173-175 –, mit „Söhne Gottes“ vs. „Töchter der Menschen“ solle ironisch betont werden, dass Söhne=Männer den Töchtern=Frauen überlegen seien, ist absurd). Entweder folgt man dieser Deutung oder lässt sich vom Erzählzusammenhang leiten und deutet als (4b): Die einzigen göttlichen Wesen neben Gott selbst, die bereits erwähnt wurden, sind die Wächter des Gartens – Gen 6,1-4 schilderte also abschließend die letzten Folgen der Gartentragödie: Gott vertreibt die Menschen aus dem Gottesgarten, damit sie nicht unsterblich würden, und sichert ihn daher mit Keruben; diese lassen sich daraufhin fataler Weise mit den Menschen ein, woraufhin Gott auch noch die Lebensspanne des Menschen verknappen muss, um auch so die Sterblichkeit des Menschen zu sichern.</ref> (die Töchter des Erdlings, dass sie gut waren=), dass die Erdlingsfrauen gut (schön) waren,<ref>''sie sahen, dass die Erdlingsfrauen gut waren'' - ein offensichtliches Zitat von [[Genesis 1#s4 |Gen 1,4]]; ohne Zweifel auch bewusst als Gegensatz zu Gen 6,5 formuliert.</ref> und sie nahmen sich Frauen:<ref>''sich Frauen nehmen'': missverständlicher Ausdruck; gemeint ist mit dem Hebräischen: „Sie heirateten sie“ (vgl. THAT I:787; Fischer 2018; Gertz 2018; Carr 2021). Fischer 2018 will einen Unterschied zwischen dem hier gebrauchten ''laqaḥ `iššah'' („eine Frau nehmen“) und ''laqaḥ la`iššah'' („''zur'' Frau nehmen“) entdecken; aus ersterem soll „männliche Dominanz“ sprechen. Das ist nicht der Fall; s. z.B. [[Genesis 21#s21 |Gen 21,21]], wo jemandes ''Mutter'' ihm „eine Frau nimmt“, oder [[Leviticus 21#s13 |Lev 21,13]], wo ''Gott'' gebietet, Priester mögen sich nur „Jungfrauen nehmen“, oder [[Deuteronomium 24#s1 |Dtn 24,1.3]], wo beide Ausdrücke wechseln. Entscheidend aber v.a.: Die Fügung findet sich mehrere dutzend Male im Ersten Testament; es ist gewaltsam, dies jedes Mal als Formulierung zu lesen, aus der ungewöhnliche männliche Dominanz sprechen soll.</ref> {von} alle, die sie erwählten.<ref>'''tFN''': Der Satz könnte bedeuten: „Sie sahen, dass die Menschenfrauen schön waren, und von jenen, die sie als schön ansahen, sonderten sie wiederum einen Teil aus, den sie sich dann zur Frau nahmen“. Aber warum dieser zweite Wahlgang eigens erwähnt würde, wäre nicht gut erklärlich. Besser deutet man das ''min'' nicht als ''min'' partitivum („von“), sondern als ''min'' expicativum („nämlich“, richtig Bea 1933, S. 168): „Jedwede Frau, die sie erwählten, nahmen sie sich zur Frau“. Gut ALTER: „And they took themselves wives howsoever they chose“. Warum das eigens gesagt wird, ist klar; die Bed. ist: Bald wimmelte es auf der Erde von Halbgöttern – wonach erklärlich ist, dass Gott eine Gegenmaßnahme ergreifen muss.</ref>{{S|3}} Da sprach JHWH:
{{S|3}} Da sprach JHWH: Mein Geist (Leben, Lebensgeist) wird (soll) nicht für immer (alle Zeit) im Menschen bleiben<ref>Das hebräische Verb {{hebr}}דון{{hebr ende}} ist in seiner Bedeutung nicht gesichert: Die Bedeutung „bleiben“ stützt sich auf die LXX, die es mit καταμένειν übersetzt hat. Andere vermuten die Bedeutung „herrschen, walten“ oder sehen in {{hebr}}דון{{hebr ende}} ein Synonym zu {{hebr}}דין{{hebr ende}} und übersetzen: Mein Geist soll nicht immer den Menschen strafen (richten). </ref>, weil auch er Fleisch (vergänglich, sterblich) ist; {und} seine Tage werden (sollen) 120 Jahre sein.
+
 
{{S|4}} Die Riesen (Heroen) waren (entstanden) in jenen Tagen auf der Erde (im Land) - und auch danach - als die Gottessöhne zu den Menschentöchtern hineingingen und sie ihnen [Nachkommen] gebaren. Das (sie) sind die Starken (Mächtigen, die Kämpfer) aus alter Zeit, die Männer mit Namen<ref>wörtlich: die Männer des Namens, was soviel wie berühmte Männer bedeutet.</ref>.
+
<poem>„Mein Geist wird (soll) nicht richten (bleiben, aushalten, schwächeln)<ref name="V. 3">''richten'' + ''wegen ihrer Verfehlung'' - Beide Ausdrücke sind extrem umstritten. Die Deutungen, die hier als Primärübersetzung gewählt wurden, waren im 19. und Anfang des 20. Jhds. sehr verbreitet. Heute dagegen haben sich zwei andere Deutungen durchgesetzt: „Mein Geist wird nicht auf ewig im Menschen ''bleiben'', ''dieweil auch'' er Fleisch ist.“ Das ist fast sicher falsch; s. unter „Genauer“. Nach der Deutung oben wäre das erste umstrittene Wort ungewöhnlich mit Präposition ''b-'' konstruiert worden, um der poetischen Strategie des Verses zu dienen: Diese nämlich ist offensichtlich erstens die Aufeinanderhäufung von auf ''-am'' auslautenden Worten und zweitens die Aufeinanderhäufung von auf ''ba-'' anlautenden Worten mit ''a''-Assonanz: ''lo`-jadon ruḥi '''ba'''`'''a'''d'''am''' lo´ol'''am''' '''ba'''š'''a'''g'''am''' hu` '''ba'''ß'''a'''r''. Dieses Wort deuten heute so auch z.B. Waltke 2001; auch SLT: „Mein Geist soll nicht für immer mit dem Menschen rechten“; ebenso ELB, TAF, van Ess.<br />Das zweite umstrittene Wort, ''šagag'' / ''šagah'' , passt sehr gut in den Kontext: Es bedeutet hauptsächlich „fehlgehen, einen Fehler machen“, kann aber spezieller auch vom Liebestaumel gesagt werden (s. [[Sprichwörter 5#s19 |Spr 5,19f.]]; in V. 23 in der üblichen Bed.) und wäre hier gewiss gewählt, um doppelt auf den Umgang der Menschen mit den Götterwesen hinzuweisen: „wegen ihrem Fehltritt/Liebestaumel“. Dieses Wort deutet heute so auch Doedens 2013, S. 56; z.B. auch [https://en.wikisource.org/wiki/Gesenius%27_Hebrew_Grammar/67._Verbs_%D7%A2%D7%B4%D7%A2#GHGpar-67-p GKC §67p]; Holzinger 1898, S. 65.<br />Weil schon Hieronymus in seinen Quaestiones berichtet hat, das erste umstrittene Wort bedeute „richten“, deuteten so auch die meisten christlichen Ausleger des MAs und der frühen Neuzeit und verstanden dann den Satz mit Hieronymus als Ausdruck der ''Milde'' Gottes (z.B. Rabanus Maurus, Glossa ordinaria, Drusius): „''Weil der Mensch vulnerabel ist, werde ich ihn nicht auf ewig quälen, sondern ihm [nur] zurückgeben, was er verdient. Hier klingt also nicht Strenge, wie in unseren Büchern [sc. der LXX] zu lesen ist, sondern die Milde Gottes, wohingegen [nach jener Deutung der LXX] der Sünder für sein Verbrechen heimgesucht wird.''“. Das ist eine schöne Deutung, passt aber schlecht zur gleich folgenden Minderung der menschlichen Lebenszeit durch Gott. Besser versteht man den Satz daher z.B. mit Michaelis 1775 und Rosenmüller 1821 so, dass mit „er soll nicht ewig richten“ nicht von Gottes Milde die Rede ist, sondern von seiner ''Ungeduld'': „Ich habe keine Lust, wieder und wieder mit ihm ins Gericht zu gehen!“ Oder man übersetzt als Fragesatz: „Sollte mein Geist sie nicht auf ewig richten!?“ (so klug Lindner 1862, S. 610).<br />'''Genauer''': (1a) Dass das erste Wort, ''dun'', „richten“ bedeutet, legt sich eigentlich von selbst nahe: In der Bibel ist ein ähnliches Wort nur noch einmal überliefert, nämlich in [[Ijob 19#s29 |Ijob 19,29]] als Nomen ''dun'' („Gericht“) gemeinsam mit seiner Nebenform ''din''. Im Talmudhebräischen ist das Verb ''dun'' häufig Nebenform von ''din'' („richten“) und wird austauschbar mit dieser verwendet; die Ijob-Stelle legt sehr nahe, dass das also auch schon im Bibelhebräischen so war. SamP stützt diesen Wortlaut, und nach dieser Bed. haben ihn auch Sym, LAB 3,2, TgJ, TgN, TestAbr A 13 und viele Ausleger im Midrasch BerR verstanden; auch Hieronymus schreibt in seinen Quaestiones explizit, dass dies die Bed. des hebräischen Wortes sei. Etwas problematisch ist, dass dieses Wort sonst nie mit der Präposition ''b-'' („mit“) konstruiert wird; beim einzigen Fall – [[Psalm 110#s6 |Ps 110,6]] – heißt ''din b-'' stattdessen „richten ''bei''“. Das lässt sich aber poetisch erklären, s.o.<br />(1b) LXX, 4Q252 i 2, Jub 5,8 TgO und Syr übersetzen aber alle mit „bleiben“ oder etwas Ähnlichem. Grund dafür ist aber wahrscheinlich nicht ein anderes Verständnis desselben Wortes (so erwogen von Hendel 1998), sondern die Tatsache, dass sie nicht ''jdwn'' lasen, sondern ''jdwr'' („bleiben“). Dafür, dass LXX und Jub so lasen, spricht sehr stark 4Q252, wo wirklich ''jdwr'' steht. TgO und Syr könnten auch nur geraten haben (richtig König 1900b): TgO „er soll nicht aushalten“, Syr „er soll nicht wohnen“.<br />Weil dieser Wortlaut wirklich leichter verständlich wäre (was aber gleichzeitig unwahrscheinlich macht, dass dies der ursprüngliche Wortlaut war), übersetzen so auch die meisten dt. Üss. (z.B. EÜ, NeÜ, ZÜR 07) und viele Ausleger:innen haben alternative Wortdeutungen vorgelegt, die häufig das Anliegen haben, irgendwie doch diese Übersetzung zu ermöglichen:<br />(1c) Grammatisch gedeutet wie oben, das Wort sei aber nicht zu nehmen in der Bed. „richten“, sondern in einer anzunehmenden Bed. „walten, regieren“. So z.B. [https://en.wikisource.org/wiki/Gesenius%27_Hebrew_Grammar/72._Verbs_%D7%A2%D7%B4%D7%95%D6%BC#GHGpar-72-r GKC §72r]; Witte 1998, S. 66f. und Goldingay 2020: „My spirit will not govern over humanity through the ages“. Das ist wahrscheinlich falsch und man sieht es auch an ihren Herleitungen: Der erste muss annehmen, ''din'' hätte sich mit den beiden us. Bedd. „richten“ und „walten“ zu den beiden Formen ''din'' und ''dun'' dissimiliert, der zweite entdeckt diese Spezialbed. in [[Psalm 110#s6 |Ps 110,6]], der dritte immerhin etwas wahrscheinlicher in [[Sacharja 3#s7 |Sach 3,7]]. Dort ist effektiv natürlich „verwalten“ gemeint, aber nichts spricht dafür, dass deshalb auch das ''Wort'' die Bed. „herrschen / walten“ hätte und nicht nur „richten“ als ''Ausdrucksform'' des Verwaltens eigens genannt wird. De Wette, Maurer und Knobel haben das Wort früher gar noch mit ''`adon'' („Herr“) verbinden müssen, um so übersetzen zu können. Es gibt also keine Basis, auf der man gut annehmen könnte, dass unser Wort diese Bed. hätte. So aber dennoch wieder LUT: „Mein Geist soll nicht immerdar im Menschen walten“; ebenso ZÜR 31, TEX.<br />(1d) Die meisten neueren Ausleger (z.B. Gertz 2018, Carr 2021) leiten stattdessen das heb. ''dun'' / ''danan'' vom akkadischen ''dananu'' („mächtig sein“) und dem ugaritischen ''dn'' („Stärke, Macht“) ab: „Mein Geist soll nicht auf ewig mächtig sein im Menschen“ (HER05). Das nimmt man dann weiter merkwürdigerweise recht einheitlich ebenfalls als Ausdruck dafür, dass der Geist Gottes nicht im Menschen „bleiben“ soll. Auch diese Deutung ist schon älter, ältere Ausleger des 19./20. Jhds. haben den so gedeuteten Satz aber noch meist als Ausdruck der Eifersucht verstanden: „Mein Geist, der in diesen Halbgöttern auf der Erde wirksam ist, soll nicht auf ewig mächtig sein, sonst machen die mir ja noch Konkurrenz. Darum sei ihre Lebensspanne begrenzt.“ Alternativ wäre nach der Wortbedeutung näherliegend: „Offenbar lässt mit dem Verlauf der Zeit der Einfluss des Geistes auf den Menschen nach(, daher will ich ihre Lebenszeit begrenzen).“ Dass „mächtig sein“ einfachhin „bleiben“ bedeuten kann, liegt jedenfalls sehr fern.<br />(1e) Anders Scharbert 1967, der vom arabischen ''dun'' („niedrig“), ''dana'' („schwach sein, verachtet sein“) ableitet. So noch in Scharbert 1990, S. 81: „''Gott fürchtet, der Geist könnte durch allzulanges Zusammensein mit dem Fleisch ‚an Wert einbüßen‘ ... Das Zusammensein [mit Fleisch] tut dem ‚Geist‘, so glaubt dieser Tradent, nicht gut...''“ Für die Vorstellung eines im Menschen „schwächelnden“ Gottesgeistes gibt es aber keine gute Parallele. Am ehesten noch [[Lukas 1#s80 |Lk 1,80]] – wenn gerade asketische Menschen wie Johannes „im Geist erstarken“ können, kann vielleicht der Geist auch in fleischeslustigen Menschen „schwächeln“, was man aber gewiss nicht mit Scharbert als „an Wert einbüßen“ deuten kann, sondern allenfalls als „an Wirksamkeit verlieren“ deuten müsste.<br />(1f) Auch diese Herleitung war schon früher verbreitet; ältere Ausleger (z.B. Tuch 1838, Baumgarten 1843, Dillmann 1892) rekonstruierten aber die Bed. des so hergeleiteten Wortes als „erniedrigen“. Hieraus erklären sich mehrere dt. Üss.: MEN („Mein Geist soll nicht für immer im Menschen erniedrigt sein“), B-R („Nicht niedre mein Geistbraus sich im Menschen für eine Weltzeit“), wahrscheinlich auch PAT („Mein Geist soll nicht für die Dauer im Menschen beengt sein“). Auch das passt aber nicht in unseren Kontext: Gott selbst hat ja den Menschen zu Fleisch geknetet und ihm dann seinen Geist eingehaucht; dass der Mensch Fleisch ist und dass dies „erniedrigend“ für den Geist wäre, passt kaum zu dieser Erzählung.<br />(1g) Bis zur frühen Neuzeit (z.B. bei Pagninus) schließlich noch verbreitet war eine Herleitung, die sich schon im Talmud (b.San 108a) und im Midrasch Tanchuma Buber findet: Das Wort sei abzuleiten von ''nadan'' („Schwertscheide“, nur in [[1 Chroniken 21#s27 |1 Chr 21,27]]): „Mein Geist sei nicht für immer ‚eingescheidet‘ im Menschen=soll nicht für immer in ihm bleiben“. Heute ist das ganz aus der Auslegung verschwunden, aber es liegt gar nicht so fern: Der Satz hätte eine sehr nahe Parallele in [[Daniel 7#s15 |Dan 7,15]]: „Ergriffen war mein, Daniels, Geist inmitten der Scheide=dem Körper“ (richtig ibn Ezra), und einzig erforderlich wäre, nicht ''jadon'' zu lesen, sondern ''jaddon'' (< ''jandon'', richtig Radak). Verwandt ist vielleicht der „Beutel der Lebendigen“, in den nach [[1 Samuel 25#s29 |1 Sam 25,29]] die Seele eines Menschen „eingebeutelt“ ist.<br />(1h) Sollte diese Ableitung tatsächlich möglich sein, könnte man schließlich noch erwägen, ob das Wort nicht eher abgeleitet ist vom gleichlautenden ''nadan'' („Geschenk, Mitgift“) in [[Ezechiel 16#s33 |Ez 16,33]]: „Mein Geist sei nicht für immer dem Menschen geschenkt“. Das fehlende Dagesch ist aber für beide Optionen problematisch.<br />(2a) Zur Deutung des zweiten Wortes ist noch zu erwähnen: Das Wort liegt in zwei Vokalisierungsvarianten vor, die unterschiedlich aufzulösen wären: als ''bašagam'' (mit dem Vokal Pataḥ) in der großen Mehrheit der Handschriften, als ''bašagām'' (mit dem Vokal Qameṣ) in den Handschriften TA11, G24 (13. Jhd.), G22, G36 (14. Jhd.), G42, G52 (15. Jhd.). Nach beiden Varianten wäre ''ba-'' eine Präposition. Nach der Qameṣ-Variante wäre weiter ''-šag-'' Infinitiv von ''šagag'' / ''šagah'' („fehlgehen, liebestaumeln“) und ''-ām'' Plural-Personalpronomen, insgesamt also „wegen ihrem Fehlgehen“. Dazu siehe oben. Nach der Mehrheitsvariante dagegen könnte theoretisch ''-ša-'' Relativpartikel sein und ''baša-'' dann wie ''ba`ašer'' „weil“ heißen (s. z.B. [[Genesis 39#s9 |Gen 39,9.23]]); ''gam'' schließlich bedeutete „auch, auch noch, sogar“ und die ganze Fügung damit „dieweil auch“. Seit Budde 1883 und Jacob 1934 hält es sich bis in die neuesten Kommentare, dass Ersteres die Mehrheitsvariante in heb. Handschriften sei. Das Gegenteil ist der Fall, die Qameṣ-Variante ist recht schwach bezeugt – gerade stark genug, dass man zwischen beiden Varianten abwägen muss. Tut man das aber, spricht in der Tat mehr für die schwächer bezeugte Vokalisierung:<br />(2b) Die meisten neuren Ausleger (z.B. Fischer 2018; Gertz 2018; Goldingay 2020; Carr 2021) deuten nach der Mehrheitsvariante und geben dabei außerdem dem Wort ''gam'' nicht wie üblich die Bed. „auch“ oder „auch noch, sogar“, sondern eine „bloß hervorhebende“ Funktion. Das ist aber unwahrscheinlich, weil die Relativpartikel ''ša-'' sonst im ganzen Pentateuch nicht mehr verwendet wird (die Personennamen Matuschael in Gen 4,18 und Mischael in Ex 6,22; Lev 10,4 sind keine Belege: Heißt ''Matu-'' wirklich „Mann“, wie gelegentlich vorgeschlagen wurde, ist der Name nicht hebräisch. Zu Mischael vgl. ähnlich [https://www.dahpn.gwi.uni-muenchen.de/name/?id=1172&type=bib&db=211 DAHPN]: Der Name lässt sich nur sinnvoll deuten, wenn man ''ša-'' ''nicht'' als Relativpartikel deutet, sondern wie im Akkadischen als „wie“ – auch dies dürfte also kein hebräischer Name sein), weil ''ša-gam'' sogar nur im sehr jungen Qoheletbuch belegt ist ([[Kohelet 1#s17 |Pred 1,17]]; [[Kohelet 2#s15 |2,15]]; [[Kohelet 8#s14 |Pred 8,14]], jeweils mit der Bed. „auch dies“), weil auch eine derartige Kombination dreier Funktionswörter nur noch einmal in [[Jona 1#s7 |Jon 1,7]] bezeugt ist (''ba-še-la-mi'' „um wessentwillen“ [?]), und weil es für ein solches „bloß hervorhebendes“ ''gam'' keine Belege gibt (richtig wieder Budde). Man könnte versuchen, auch die ersten drei Gegenargumente mit der oben beschriebenen poetischen Strategie des Verses entkräften, aber es ist doch sehr fraglich, ob dieses poetische Stratagem schon zur Klaviatur gehören konnte, auf der der weit ältere Autor dieser Verse spielen konnte (richtig v.a. Budde 1883; ähnlich z.B. auch Vervenne 1995, S. 29; Bührer 2011, S. 502; Doedens 2013, S. 53).<br />Alternative Vorschläge zur Deutung sind noch unwahrscheinlicher:<br />(2c) Feigin 1926 hat klug vorgeschlagen, ''-šag-'' sei abzuleiten von sumerischen''[http://oracc.iaas.upenn.edu/epsd2/cbd/sux/o0038583.html šag]'' („Herz, Inneres“). Feigin will dann die beiden folgenden Worte streichen, was gewiss abzulehnen ist. Aber man kann alternativ ''šaggam hu` baßar'' leicht als dreigliedrigen verblosen Satz deuten (vgl. zur Konstruktion z.B. Holmstedt/Jones 2014), also: „er soll nicht für immer im Menschen bleiben, weil ihr Inneres Fleisch ist“. Nur ist nicht einzusehen, warum der Autor nur hier dieses Wort statt dem sehr gebräuchlichen bedeutungsgleichen ''leb'' verwendet hätte.<br />(2d) Im Atrahasis-Epos bringen die Götter die Flut, weil die Menschen so laut sind, daher schlagen Clines 1979, S. 40 und Kvanvig 2002, S. 287 vor, ''-šag-'' sei abzuleiten vom akkadischen ''šagamu'' („bellen, heulen“), also „wegen ihrem Bellen=Lärm sind die Fleisch“. Leichter möglich wäre diese Deutung übrigens, wenn man nicht ''-šag-'' von ''šagamu'' ableitet, sondern ''gam'' als ''gam'' III („laut“) deutet: „Weil er so laut ist, ist er Fleisch“ / „weil das Fleisch so laut ist“. Aber das würde vielleicht ins Atrahasis-Epos passen, in die biblische Erzählung fügt es sich schlecht.</ref> mit dem Erdling für immer,
{{S|5}}Und JHWH sah, dass viel Schlechtes auf der Erde [war] und alles Formen des Planens des Herzens nur schlecht [war] den ganzen Tag.
+
_Wegen ihres Fehltritts ist er Fleisch<ref>''Fleisch'', d.h. vergänglich. Vgl. [[Psalm 78#s39 |Ps 78,39]]: „Er dachte daran, dass sie Fleisch sind: Nur ein Hauch, der verweht und nicht zurückkehrt.“</ref> (Dieweil er auch Fleisch ist, Weil ihr Inneres Fleisch ist)!<ref name="V. 3" /> {{par|Psalm|78|39}} {{par|Jesaja|31|3}}
{{S|6}}Und JHWH ließ es sich leid tun, dass er den Menschen machte auf der Erde und er ergrimmte in seinem Herzen.
+
{und} Seine (Tage werden=) Lebensspanne wird (soll) 120 Jahre sein.“</poem>
{{S|7}} Und JHWH sprach: Ich will den Menschen ausrotten, den ich geschaffen habe, von der Oberfläche der Erde. Von Menschen zu den Kriechtieren zu den Vögeln im Himmel, weil es mich gereut, dass ich sie schuf.
+
 
{{S|8}} Und Noah fand Gnade vor den Augen des Herrn.
+
{{S|4}} Die ''Gefallenen'' (Riesen?)<ref>''Gefallene (Riesen?)'' - Gruppe von Menschen, von denen nur noch [[Numeri 13#s32|Num 13,32]] die Rede ist. Dass die Bibel von ihnen so wenig verlautet, aber ein Mal gerade hier in einem Kontext des Verkehrs von göttlichen Wesen mit Menschen, und dass darüber hinaus die Septuaginta und das äthiopische Henochbuch und viele nach ihnen mit „Riesen“ übersetzt haben, hat die Fantasie alter und neuer Ausleger ungemein angeregt. Bei Interesse bietet der Artikel [https://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/29103/ Nephilim (WiBiLex)] einen guten Einstieg. An sich wird hier aber ja klar gesagt, wer oder was sie sind: Helden der alten Zeit. Jede andere Deutung erforderte entweder die Annahme, dass die ''göttlichen Wesen'' als bloße „Helden“ bezeichnet würden oder dass sich das „Sie (sind die Helden...)“ nicht auf die ''Gefallenen'', sondern auf nicht genannte Nachkommen der göttlichen Wesen bezieht; beides sehr unwahrscheinliche Annahmen. Num 13,32 berichtet sehr wahrscheinlich auch nicht mehr: Laut der Lügenrede der Kundschafter besteht der Volksstamm der Anakim aus „streitbaren Männern ..., stammt [angeblich] von den ''Gefallenen'' ab“ und die Israeliten „sind in ihren Augen wie Heuschrecken“, also wie lästige und schädliche Eindringlinge, die es zu vernichten gilt. Das erfordert nicht, mehr von den ''Gefallenen'' anzunehmen, als schon hier steht: Sie sind berühmte Helden, und sie ''Gefallene'', also Helden ''der alten Zeit'' – sie sind schon tot.<br />'''Anm. d. Zweitlesers''' (S.W.): M.E. ist der Vers hier fehl am Platz: Mit V. 3 ist das Ziel des Abschnitts bereits erreicht; V. 4 ergänzt dazu nur noch, dass die „berühmten ''Gefallenen''“ übrigens ''nicht'' die Nachkommen der menschlichen Frauen und göttlichen Wesen sind: Es gab sie zu dieser Zeit bereits. Für gewöhnlich löst man dies damit, dass man „und auch danach“ zur späteren Einfügung erklärt, wonach „sie waren da in jenen Tagen, als die Götterwesen mit den Menschenfrauen verkehrten“, zur Not als Aussage darüber gelesen werden könnte, dass Götter und Menschen diese „Gefallenen“ gezeugt hätten. Mit dieser späteren Einfügung hätte der Ergänzer zwar eigentlich nur sagen wollen, dass die Gefallenen auch nach der Flut noch lebten, doch leider hat er damit den Sinn des Satzes gleichzeitig zu seinem Gegenteil verkehrt. Hätte er seine Ergänzung doch nur erst nach Nebensatz eingefügt... (so effektiv z.B. selbst noch Gertz 2018).<br />Solche Literarkritik, die ohne Weiteres mit der Idiotie alter Schreiber rechnet, ist keine gute Kritik; man muss das Problem dieses Verses anders lösen. M.E. besser so: Entweder hält man z.B. mit Olshausen 1871, S. 381; Wellhausen 1899, S. 309f.; Sievers 1907b, S. 249f. u.a. den ganzen Vers für eine spätere Ergänzung, die genau das präzisieren will, was der Vers präzisieren zu wollen scheint. Oder man hält mit Westermann 1983 nur den ersten Hauptsatz des Verses für eine spätere Ergänzung, wonach der Vers unproblematisch von der Zeugung von Nachkommen erzählten könnte: Götter und Frauen heiraten (V. 2) – Gott verurteilt den Menschen (V. 3) – Götter und Frauen bekommen Nachwuchs: „Die Götterwesen verkehrten mit den Erdlingsfrauen und diese gebaren ihnen.“ (V. 4) – Gott verurteilt den Menschen abermals (Vv. 5-7). Oder man geht am besten davon aus, dass der Einschnitt, der im heb. Text Vv. 1-4 von Vv. 5-8 trennt, richtiger zwischen Vv. 3.4 stehen müsste. Beide Abschnitte nämlich sind locker, aber deutlich erkennbar parallel gebaut, und ähnlich deutlich gehört V. 4 in dieser parallelen Struktur zum ''zweiten'' Abschnitt. Dann nämlich berichtet jeder Abschnitt in unterschiedlicher Reihenfolge<br />(a) von der Geburt der Töchter auf dem Erdboden (V. 1) / der Anwesenheit der „Gefallenen“ auf der Erde (V. 4),<br />(b) dass die Menschheit (V. 1) / das Böse der Menschheit (V. 5) sich „vermehrt“,<br />(c) dass die Götterwesen sehen, dass die Menschenfrauen „gut“ sind (V. 2) / Gott sieht, dass die Menschen „böse“ sind (V. 5),<br />(d) dass die Götterwesen Menschenfrauen ehelichen (V. 2) / mit ihnen Nachwuchs zeugen (V. 4)<br />(e) Dass Gott eine durch „da sprach GOTT“ eingeleitete Konsequenz zieht (Vv. 3.7).</ref> waren (entstanden) in jenen Tagen [bereits] auf der Erde (im Land) – und auch danach, als<ref>Nicht: „Es gab sie in jenen (eben beschriebenen) Tagen – und danach –, als...“, wonach sich der folgende Satz auf „jene Tage“ beziehen und die ''Gefallenen'' die Nachkommen der Götterwesen sein könnten. Nach den Akzenten gehört „und danach“ klar zum ''folgenden'' Teilsatz; es gab sie also „danach, d.h. als die göttlichen Wesen mit den menschlichen Frauen Kinder zeugen ''würden''“ (Yiqtol, also Futur!) – und es gab sie bereits zuvor. Auch die Wortstellung zeigt an, dass mit der Rede von den ''Gefallenen'' ein „neues Fass aufgemacht“ wird (richtig Gentry / Wellum 2018, Kap. 5). Dass die ''Gefallenen'' die Flut überlebt hätten, wie viele Kommentator:innen annehmen, wird dann hier auch nicht gesagt.</ref> die (Söhne Gottes/der Götter=) Götterwesen<ref name="Gottessöhne" /> zu den (Töchtern des Erlings=) Erdlingsfrauen eingingen,<ref>''eingehen'' - geläufiger Euphemismus für „Verkehr haben“. Im Heb. Yiqtol (+ Weqatal), eigentlich also Futur: „da die Götterwesen zu den Erdlingsfrauen eingehen ''sollten'' (und diese ihnen Nachwuchs gebären ''sollten'')“.</ref> und sie ihnen [Nachkommen] gebaren. Sie (dies) [waren (sind)] die Starken (Mächtigen, die Männer), die seit jeher (aus alter Zeit) (Männer mit Namen=) berühmt sind (sie waren die Starken der alten Zeit, [waren] Männer mit Namen).
{{S|9}}Dies [sind] die Geschlechter Noahs. Noah [war] ein gerechter Mann in seinen Geschlechtern und mit Gott ging Noah.
+
 
{{S|10}}Und Noah zeugte drei Söhne: Sem, Ham und Jafet.
+
 
{{S|11}} Und die Erde war verdorben vor dem Herrn und sie war voller Gewalt.
+
{{S|5}} Da sah JHWH, dass das Böse (Schlechte) des Menschen sich auf der Erde vermehrte (das viel Böses auf der Erde war) und alles Sinnen des Planens des Herzens (den ganzen Tag=) ständig nur böse (schlecht) [war].
{{S|12}} Und Gott sah die Erde und siehe, sie war verdorben, denn alles Fleisch war verdorben in seinem Lebenswandel auf der Erde.
+
{{S|6}} Da tat es JHWH leid (da bereute er), dass er den Menschen gemacht hatte auf der Erde,{ und} es schmerzte ihn bis in sein Herz,
{{S|13}} Und der Herr sprach zu Noah: Das Ende allen Fleisches tritt vor mein Angesicht, denn die Erde ist voller Gewalt vor ihren Angesichtern und siehe, ich verderbe sie [auf] der Erde.  
+
{{S|7}} Und so sprach JHWH: „Ich will (werde) den Menschen, den ich geschaffen habe, von der {Oberfläche der} Erde auslöschen – vom Menschen bis zum Vieh bis zum Kriechtier bis zum Vogel (des Himmel=) im Himmel. Denn es tut mir leid (ich bereue), dass ich sie gemacht habe.“
{{S|14}} Mache dir einen Kasten [aus]<ref>Die sog. Construktusverbindung bezeichnet die enge Zusammengehörigkeit von zwei oder mehr Substantiven; ihre Bedeutung ergibt sich aus dem Kontext (vgl. Gopherholzkasten). Die Übersetzung durch ein Genitivattribut ist nicht die einzige Möglichkeit, oft bieten sich auch Präpositionalausdrücke an.</ref> Gopherbäumen<ref>unbekannte Baumart; die LXX deutete {{hebr}}גפר{{hebr ende}} als „vierkantig“, die Vulgata als „geglättet“</ref>; [als] Nester (d.h. Kabinen) sollst du den Kasten machen und sollst ihn verpichen von innen und außen mit Pech.
+
 
{{S|15}}
+
 
{{S|16}}
+
{{S|8}} Noah aber fand Gnade vor {den Augen von} JHWH.
{{S|17}}
+
 
{{S|18}}
+
 
{{S|19}}
+
{{S|9}} {Dies [sind]} '''Die Nachkommen Noahs'''<br />
{{S|20}}
+
Noah [war] ein gerechter Mann, (Noah, ein gerechter Mann, [war]...)<br />
{{S|21}}
+
heilig (makellos, vollkommen, untadelig) war er<ref>''gerecht und heilig'', also gesetzestreu und gottgefällig handelnd. Zur Widergabe mit „heilig“ s. die übernächste FN. Das Adjektiv wird oft mit „Weg“, also dem „(Lebens-)Wandel“ kombiniert; dass Noah „gerecht und heilig“ ist, ist also exakt das Gegenteil von Vv. 11f.: „gewaltsam und vom Wege abgekommen“.<br />Der Doppelausdruck wird noch dadurch gesteigert, dass ''makellos'' im Heb. im Plural steht statt, wie dies auch möglich wäre, im Sg. Nur noch von Ijob verlautet die Bibel das Selbe ([[Ijob 12#s4 |Ijob 12,4]]), davon abgesehen ist nur Gott „gerecht und heilig“ ([[Deuteronomium 32#s4 |Dtn 32,4]]).</ref> unter seinen Generationen,<ref>''Generationen'' statt wie üblich ''Generation'' nicht, weil sich die Zeit weiterer Generationen mit der Lebenszeit Noahs überschnitt (Fischer 2018), was doch für jeden Menschen gilt (richtig Jacob 1934), sondern vermutlich einerseits bezogen auf die Generationen ''vor'' und die ''nach'' der Flut (Ders., Seebaß 1996; Gertz 2018; so schon ibn Ezra), andererseits ebenfalls, um den Ausdruck noch zu steigern: Noah war gerecht, war makellos (Plural), und das auch noch nicht nur im Vergleich zu seiner Generation vor der Flut, sondern auch noch im Vergleich zu den (kurzlebigeren) Generationen nach der Flut.</ref><br />
{{S|22}}
+
mit Gott ging Noah umher ([weil] Noah mit Gott umherging).<ref>''ging umher'', wie kurz zuvor in [[Genesis 5#s22 |Gen 5,22]] Henoch mit Gott umherging, also  gottgemäß lebte. Noah überbietet selbst Henoch.<br />Aber stark Alschech: „''mit Gott'' [statt mit seinen Zeitgenossen]“: Als Frömmler, der sich alles aus Gott und nichts aus seinen Mitmenschen machte und daher Gottes Urteil schweigend hinnahm. Elie Wiesel hat dieses in der jüdischen Auslegung verbreitete Urteil über Noah breit ausgefaltet und lässt u.a. Gott sagen: „''I wanted you to assume the mantle of moral leadership and spread it up for my intended victims. But you kept quiet. From the moment you heard me reassuring you that you would be saved, you said nothing. You were satisfied, complacent. You chose to become my accomplice rather than humanity's friend ...''“ (Wiesel 1991, S. 28). Es ist gar nicht ausgemacht, ob dies „nur“ ein Midrasch ist: Abraham, der nicht „mit“, sondern „''vor'' Gott ging“, nachdem ihn dieser dazu aufgefordert hat ([[Genesis 17#s1 |Gen 17,1]]), wird in der Erzählung über Sodom und Gomorrha auffällig ganz anders handeln. „Gerecht“ fürwahr – aber so, dass er „alles objektiv, nichts vom Standpunkte seines Interesses, alles vom Standpunkte seiner Pflicht auf[fasst]“ (Rav Hirsch). Und „makellos“ auch – aber i.S.v. „heilig“, mit „zu Gott adäquatem menschlichem Tun“ (TWAT II 1050). „Gerecht und heilig“ – aber auch ''gut''?<br />„Mit Gott“ steht im Heb. ungewöhnlich vor dem Verb an der Satzspitze; entweder, um noch mehr hervorzuheben, ''wie'' fromm Noah war, oder zur Markierung eines Kausalsatzes: „untadelig, ''weil'' / ''insofern'' er mit Gott umherging“. Das hat außerdem erstens zur Folge, dass V. 9 so mit „Noah“ beginnt und endet, und zweitens, dass der Vers in umgekehrter Reihenfolge mit den drei Konsonanten von Henochs Namen endet: ''hthlK-NḤ'' (gut beobachtet von Sasson 1975).</ref>
 +
{{S|10}} {Und} Noah zeugte drei Söhne: Sem, Ham und Jafet.
 +
 
 +
 
 +
{{S|11}} Aber die Erde war verdorben (verdarb) vor (dem Gesicht von=) in den Augen von Gott<br />
 +
und sie war gefüllt von Gewalt.<ref>''Gewalt'' - das heb. Wort heißt speziell „Gewaltverbrechen“, wird aber oft metonymisch für jegliche Ungerechtigkeit verwendet (so hier LXX: „Unrecht“). Nach Kain und Lamech I darf man durchaus spezieller „Gewaltverbrechen“ hören; nach der Rede von Noahs „Gerechtigkeit“ ist aber klar, dass das Wort primär Gegenbegriff zu dieser Tugend Noahs sein soll.<br />Der Vers spielt gewiss ironisch auf [[Genesis 1#s28 |Gen 1,28]] an, wie zuvor V. 5 und auch gleich noch einmal V. 12 ironisch auf Gen 1,31 anspielen: „''God had commissioned human beings to fill the earth, and they had filled it all right, but not as commissioned.''“ (Goldingay 2020; ebenso Gertz 2018; Carr 2021).</ref>
 +
{{S|12}} Und Gott sah die Erde {und siehe}: Sie war verdorben,<br />
 +
denn alles Fleisch<ref name="Fleisch">''alles Fleisch'' kann nur Tiere meinen (wie V. 19!), nur Menschen (z.B. [[Jeremia 25#s18 |Jer 25,18]]) oder beides (z.B. [[Numeri 18#s15 |Num 18,15]]). Heute nimmt man es hier überwiegend i.S.v. „jegliches Lebewesen“, also Mensch ''und Tier'' (z.B. Stipp 2013b, Fischer 2018, Gertz 2018) – einerseits wegen V. 19, andererseits mit der sinnvollen Begründung, dass andernfalls mit der Flut ja Myriaden ''unschuldiger'' Tiere umgekommen wären (s. [[Jona 4#s11 |Jon 4,11]]!): Es brauche daher einen „''tragfähigen Grund'' für das Auslöschen eines großen Teiles der Tierwelt“ (Fischer 2018). Aber die Annahme, dass Tiere in ihrem Lebenswandel mit Gewalttaten / Ungerechtigkeiten gegen den Willen Gottes verstoßen hätten, ist doch wohl nicht tragfähig?<br />Am besten erklärt man sich den Tod der Tiere daher eher mit [[Jona 3#s7 |Jon 3,7]], wo nach dem angedrohten Gottesgericht über Ninive der König der Niniviten ein allgemeines Fasten ausruft, in das auch die Tiere einbezogen sein sollen: Schuld ist nach biblischer Vorstellung ''infektiös'' wie ein „ansteckender Krankheitsstoff ..., der auch den unbewußt damit in Berührung Kommenden mit Verderben bedroht.“ (Eichrodt 1964, S. 265f.), weshalb denn im Jonabuch auch die Tiere der schuldig gewordenen Stadt sich durch Fasten reinigen müssen. Hier wird es ja sogar explizit gesagt: Das Handeln „allen Fleisches“ hat ''die Erde'' verdorben; die ganze Welt wurde infiziert und bedarf der Reinigung. Ist das richtig, lässt sich aus dem Tod von „unschuldigen“ Tieren dann nichts ableiten: Sie mögen unschuldig sein, wären nach biblischer Vorstellung aber dennoch von der Schuld der Menschen mitbetroffen (was übrigens gar keine so fernliegende, sondern vielmehr eine weise Vorstellung ist; man denke nur an das Leid von Tieren unter menschlichen Umweltsünden o.ä. Aus dem dritten häufigen Argument für die Mensch-und-Tier-Interpretation übrigens, dass Gott in Gen 9,11 ja auch einen Bund mit allen Tieren eingeht, lässt sich von vornherein nichts für unsere Stelle folgern). Dann bleibt als Argument nur noch der gleiche Ausdruck hier und in V. 19 – das aber ist so wenig zwingend, dass man bei der Rede von allem „gewalttätigen / ungerechten und damit Gott ungefälligen Fleisch“ durchaus besser z.B. mit Ramban, Nikolaus von Lyra, Hulst 1958 und Goldingay 2020 nur an Menschen denken sollte.</ref> hatte verdorben (seinen Weg=) seinen Lebenswandel auf der Erde.<ref>''seinen Lebenswandel'' - Häufiges Bild in der Bibel: Das Menschenleben und die Weise, auf die er es lebt, ist sein „Weg“, und entsprechend ist dann auch die Weise, wie es ''ihm ergeht'', sein Weg. „Sie haben ihren Weg verdorben“ ist also doppelsinnig: Sie haben falsch gelebt und sind damit selbst in den Abgrund gelaufen. Vgl. bes. [[Ijob 22#s15 |Ijob 22,15-17]], wo Elifaz wahrscheinlich über die Zeit der Flut (und dabei von bösen ''Menschen'') spricht: „''Legst du etwa Wert auf den Weg der Vorzeit, den die bösen Männer beschritten, die zur Unzeit weggerafft wurden? Ein Fluss überströmte das Fundament derer, die zu Gott sprachen: ‚Weg von uns! Was schließlich könnte der Mächtige uns tun!?‘''“ Das Gegenbild z.B. in [[Sprichwörter 2#s7 |Spr 2,7f.]]: „''[Gott ist] ein Schild für die, die makellos wandeln, insofern er die Pfade der Gerechtigkeit behütet und den Weg der ihm Treuen beschützt.''“ Wie dort ist auch hier Noah „makellos“ und „geht“ mit Gott umher, während alle anderen „ihren Weg verdorben“ haben. S. noch näher z.B. [https://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/34599/ Weg (WiBiLex)].</ref>
 +
{{S|13}} Da sagte Gott zu Noah: „Das Ende allen Fleisches<ref name="Fleisch" /> ist vor mein Gesicht gekommen,<ref name="Gesicht">Schwer verständlicher Satz. Offensichtlich soll hier „ihr Ende kommt / ist gekommen!“ variiert werden (s. [[Jeremia 51#s13 |Jer 51,13]]; [[Ezechiel 7#s2 |Ez 7,2]]; [[Amos 8#s2 |Am 8,2]]; in [[Klagelied 4#s18 |Klg 4,18]] wird ebenso mit dem „lebenswandeln“ und dem „''kommenden'' Ende“ gespielt wie hier), und zwar so, dass V. 13a ähnlich wie V. 11 mit „vor mein Gesicht“ beginnt: Die Übeltäter haben sich selbst in den Abgrund geritten; indem sie ihre Verderbnis vor die Augen Gottes kommen ließen (vgl. noch [[Jona 1#s2 |Jon 1,2]]; [[Esra 9#s6 |Esra 9,6]]; [[Offenbarung 18#s5 |Offb 18,5]]), ist damit auch ihr Ende vor die Augen Gottes gekommen. 13b verstärkt das auch noch; es ist „das vor ''ihrem'' Gesicht“, was letztlich zu dem „vor ''Gottes'' Gesicht“ geführt hat. Aber das Bild ist so hart, dass ungewiss ist, ob hier noch Weiteres mitgehört werden muss, was wir heute nicht mehr nachvollziehen können. In dt. Üss. übersetzt man üblicherweise „ihr Ende ist bei mir beschlossen“, was aber weder das Wortspiel noch den Sinn dahinter erhellt. Besser übersetzt man anders frei: „Sie wandeln auf ihr Ende zu“.</ref><br />
 +
denn die Erde ist gefüllt von Gewalt vor ihren Gesichtern!<ref name="Gesicht" /><br />
 +
{Und} Siehe: Ich verderbe sie mit der Erde.<ref>''mit der Erde'' - Primär muss nun also die entartete Erde „verdorben“ werden; die verdorbenen Menschen haben sich selbst zu Kollateralschäden gemacht.</ref>
 +
{{S|14}} Mache dir einen Schrein (?, Kasten)<ref>
 +
[[Datei:Arche 1, William de Brailes.png|mini|Bild 2: Noahs Arche. Buchmalerei von William de Brailes, 13. Jhd. (c) [https://manuscripts.thewalters.org/viewer.php?id=W.106#page/16/mode/2up Walters Art Museum]]]<div class="tright" style="clear:none">[[Datei:Arche 2, Wiener Genesis.jpg|mini|Bild 1: Noah's Arche. Buchmalerei in der Wiener Genesis (6. Jhd.); Rekonstruktion. (c) [https://quaternio.ch/faksimile-editionen/wiener-genesis/ Quaternio.ch]]]</div>[[Datei:Torahschrein Budapest.jpg|mini|Bild 5: Budapester Torah-Schrein. CC BY-SA 3.0 [https://en.wikipedia.org/wiki/Torah_ark#/media/File:Budapest_Gro%C3%9Fe_Synagoge_Innen_Thoraschrein_2.JPG Zairon via Wikimedia]]]<div class="tright" style="clear:none">[[Datei:Kantorentribüne.jpg|mini|Bild 4: Kantorentribüne. Buchmalerei aus der Sister Haggadah, 14. Jhd. CC0 via [https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Spanishhaggadah.jpg Wikimedia]]]</div><div class="tright" style="clear:none">
 +
[[Datei:Thot-Naos.png|mini|Bild 3: Ägyptischer Schrein des Thot. (c) [https://archive.org/details/naos02roed/page/21/mode/1up Roeder 1914]]]
 +
</div>[[Datei:Re.png|mini|Bild 7: Re auf seiner Sonnenbarke, darunter die Himmelsgöttin Nut und der liegende Erdgott Geb. (c) [https://archive.org/details/godsofegyptianso02budg/page/n152/mode/1up Budge 1904]]]<div class="tright" style="clear:none">[[Datei:Sonnenbarke.jpg|mini|Bild 6: Sonnenbarke des Djedhor. CC BY-SA 3.0 José Luiz Bernardes Ribeiro via [https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Solar_barque_of_Djedhor_-_Late_Period_-_XXVI_-_XXXth_Dinasty_-_380-343_aC_-_Bronze.JPG#/media/File:Solar_barque_of_Djedhor_-_Late_Period_-_XXVI_-_XXXth_Dinasty_-_380-343_aC_-_Bronze.JPG Wikimedia]]]</div>[[Datei:Arche final 2.jpg|mini|Bild 8: Noah's Arche? KI-Art, CC0.]]''Schrein (?, Kasten)'' - Traditionell: „eine Arche“ (z.B. Gertz 2018), neuerdings oft: „einen Kasten“ (z.B. Fischer 2018). Noah's Arche ist wahrscheinlich ein sehr aufgeladenes Symbol und bedarf etwas ausführlicherer Erläuterungen. Wie die ganze Fluterzählung geht auch das Motiv der Arche auf die sumerisch-akkadischen Fluterzählung zurück. Im Gilgamesch-Epos nun, wo eine Variante dieser Erzählung überliefert ist, wird das Schiff des sumerischen Fluthelden in Gilg XI 95 als ''ekallu'' („Palast, Tempel“) bezeichnet, in Gilg XI 156 wahrscheinlich sogar als ''ziqqurrat'' („Ziggurat“). Wie mehrere Ziggurat-Tempel hat es dort außerdem sieben Stockwerke. Entsprechend hat man sich die sumerische Arche wahrscheinlich nicht kubisch vorzustellen, wie es meist heißt: Nach Gilg hat XI 60 hat sie sechs „Dächer“; eher wird man also an ein sechs-geschossiges Ziggurat mit dem Schiffskorpus selbst als unterstem siebten Geschoss denken müssen (richtig Mallowan 1964, S. 65; Holloway 1991, S. 338-344; Holloway 1998. Zur Kritik von Hendel 1995 vgl. die neueren Üss. von George und [https://www.peeters-leuven.be/pdf/9789042941748.pdf Wassermann]: „''Zehn Nindanu hoch waren ihre Wände: Zehn Nindanu hoch war gleichmäßig die Wand ihres Oberdecks''“. Gesagt wird also nicht notwendig, dass auch ihr Oberdeck zehn [Quadrat-]Nindanu Fläche hatte). In mittelalterlichen Bibelhandschriften wird Noahs Arche zufällig relativ regelmäßig als drei-/viergeschossiges Ziggurat gemalt; man kann sich die Arche im Gilgamesch-Epos also wahrscheinlich in etwa vorstellen wie rechts (Bild 1+2), nur mit sieben Stöcken.<br />Entsprechendes wie für die sumerische Arche gilt wahrscheinlich auch für Noah's Arche: Offenbar soll sie an eine ägyptischen Schreinbarke erinnern. Im Hebräischen heißt sie ''tebah''. Man ist sich heute einig, dass dies ein ägyptisches Lehnwort ist und sich vom ägyptischen ''tb.t'' / ''ḏb3t'' herleitet, was u.a. „Kasten“, „Sarg“ und „Schrein“ bedeutet. Dafür spricht vor allem auch die spätere Verwendung des Wortes ''tebah'': In der Bibel wird das Wort nur für Noahs Arche und das Schilfkörbchen des Mose in [[Exodus 2#s3 |Ex 2,3.5]] verwendet; die genaue Bed. des heb. Wortes lässt sich hieraus also nicht gut erschließen. Im nachbiblischen Hebräisch wird als ''tebah'' aber in manchen Gegenden der Torah-Schrein in Synagogen, in anderen Gegenden die synagogale Kantorentribüne vor diesem Torah-Schrein bezeichnet. Vergleicht man diese Schreine / Tribünen mit ägyptischen Schreinen, sieht man gleich, warum: Götterschrein und Torah-Schrein sind beide heilige Behausungen; alle drei Konstrukte haben dabei eine „Guckkasten-Struktur“ (siehe rechts die Bilder 3-5).<br />Solche ägyptischen Schreine standen nun nicht nur in Tempeln, sondern v.a. auf portablen Barken, die bei Prozessionen durch die Straßen getragen wurden (zu diesen vgl. grundsätzlich Falk 2015; an diese hat auch schon Jacob 1934 gedacht: „Barke mit einem viereckigen Aufbau“). Solche Schreinbarken gab es auch im Miniaturformat als Grabbeigaben (s. rechts, Bild 6. Auch mehrstöckig; s. z.B. Tutankhamuns Barken Nr. [http://www.griffith.ox.ac.uk/perl/gi-ca-qmakedeta.pl?sid=92.211.9.54-1677408778&qno=1&dfnam=284-p1077 284]; [http://www.griffith.ox.ac.uk/perl/gi-ca-qmakedeta.pl?sid=92.211.9.54-1677408778&qno=1&dfnam=306-p1080 306]; [http://www.griffith.ox.ac.uk/perl/gi-ca-qmakedeta.pl?sid=92.211.9.54-1677408778&qno=1&dfnam=309-p1082 309]; [http://www.griffith.ox.ac.uk/perl/gi-ca-qmakedeta.pl?sid=92.211.9.54-1677408778&qno=1&dfnam=310-p1075 310]; [http://www.griffith.ox.ac.uk/perl/gi-ca-qmakedeta.pl?sid=92.211.9.54-1677408778&qno=1&dfnam=314-p1081 314]; für eine dreistöckige Steh-Schrein-Barke z.B. Fig. 1 in [https://www.academia.edu/37901883/Processional_Barques_from_the_Tomb_of_Tutankhamun_KV62_ Doyle 2017], für eine siebenstöckige s. die Amun-Barke in [https://www.persee.fr/doc/piot_1148-6023_1921_num_25_1_1822 Foucart 1921, fig. 2]). Hintergrund ist die Vorstellung, dass die ägyptischen Sonnen- und Mondgötter auf ihren Barken über das Himmelsmeer fuhren (Bild 7), nämlich tagsüber im Reich der Lebendigen, nachts im Reich der Toten. Starb ein Mensch, wollte er zunächst zusammen mit dem Sonnengott die Tages-Tour auf dieser Barke machen, bevor er ins Jenseits einging (vgl. näher z.B. Hermsen 1991, bes. S. 105-111; Falk 2015, bes. S. 214-216). Im [https://totenbuch.awk.nrw.de/spruch/136b Spruch 136 B] des Totenbuchs etwa – dem „Spruch für die Fahrt in der großen Barke des Re, um am Hofstaat der Flamme [des Sonnengottes] vorüber [in die Barke selbst] zu gelangen“ – ist diese Vorstellung klar erkennbar. Dort wird außerdem u.a. vom Gott Re gesprochen als jenem, „der im Schrein ist, mit zahlreichen Binsen und Schilf [aus denen die Barke besteht]“. Zu erwähnen ist noch, dass die Öffnungen der meisten ägyptischen Schreine mit einer Holztür verschließbar waren, die prominent die ganze Vorderseite ausmachte, die aber meist nicht erhalten ist (für ein Bsp. mit erhaltener Türe s. [http://www.griffith.ox.ac.uk/gri/carter/108.html Carter 108]), und dass die Decke von Stehschreinen, da diese Götter beherbergten, den Himmel symbolisierte – vgl. etwa die Auslegung der Symbolik des prächtigen Edfu-Schreins in Abdelhamid / Salem 2022, bes. S. 113f.132.<br />Die Parallelen zu Noahs Arche sind offensichtlich: Sie ist ein ''tb.t'' / ''tebah'' genanntes Wasserfahrzeug, das die Wasser des Himmels und der Unterwelt überquert (nachdem diese niedergegangen und aufgestiegen sind), sie hat für Wasserfahrzeuge untypisch eine Tür (die man sich dann natürlich nicht in der Schiffswand vorstellen darf wie jüngst in Aronofskys Verfilmung) und hat außerdem gar einen eigenen „Mittag“ (s.u.). Sie ist darüber hinaus neben der Bundeslade – dem portablen Tabernakel, auf dessen Nähe zu den portablen Sonnenbarken kürzlich auch Noegel 2015 hingewiesen hat – in [[Exodus 25 |Ex 25-27]] und dem Tempel in [[1 Chroniken 28#s19 |1 Chr 28,19]] das einzige Bauwerk, dessen Baupläne Gott selbst offenbart; auch dies parallelisiert sie also mit diesen Kultorten.<br />Die Symbolik ist ebenso klar: Es klingt zunächst, als solle Noah sich selbst einen gigantischen Sarg bauen. Doch gleich darauf stellt sich heraus: Die Arche ist die Brücke vom Tod ins Leben; nur dank ihrer können Mensch und Tier dem Tod entgehen.<br />Dass sie anders als Utnapischtim's Arche nicht sieben, sondern drei Geschosse hat, ist vielleicht damit zu erklären, dass auch der Jerusalemer Tempel anders als sumerische Ziggurate dreistöckig war (s. [[1 Könige 6#s6 |1 Kön 6,6]]; [[Ezechiel 42#s6 |Ez 42,6]], gut Wyatt 2005, S. 215), vielleicht aber auch damit, dass die dreistöckige Barke eine häufige Form der ägyptischen Sonnenbarke war. Vielleicht kann man sie sich nach dem oben gesagten und nach den weiteren Beschreibungen in etwa vorstellen wie auf Bild 8.</ref> [aus] Palmenrippen (?, verpichtem Holz?, viereckigem Holz?, geschwefeltes Holz?)<ref>''Palmenrippen'', also der holzige Stängel von Dattelpalmenblättern, werden noch heute im Orient statt Ried für Schiffe verwendet (Bilder in [https://www.ejfa.me/index.php/journal/article/view/362/251 Johnson 2016, S. 15]). Vielleicht sind diese gemeint. Aber das Wort ist sehr unsicher; viele Übersetzungen transkribieren es daher einfach: ''goper''-Holz.<br />'''Genauer''': (0) Auf den ersten Blick ist von einer unbekannten Holzart die Rede. Auf den zweiten Blick nicht mehr: Holzarten werden im Hebräischen mit ''Plural''-Attribut gebildet, ''goper'' dürfte also nicht im Sg. stehen (s. z.B. [[2 Samuel 5#s11 |2 Sam 5,11]]; [[1 Könige 5#s22 |1 Kön 5,22.24]]; [[1 Könige 10#s11 |10,11]]; [[2 Chroniken 2#s7 |2 Chr 2,7]]; [[2 Chroniken 9#s10 |9,10f.]] und vgl. gut Strömberg Krantz 1982, S. 162). In den verschiedenen Übersetzungen ist dies dennoch die verbreitetste Deutung: Syr rät auf „Akazienholz“; in der jüd. Tradition (Ebr, LAB, TgO, TgJ,  b.San 108b, BerR, Radak) war „Zedernholz“ am verbreitetsten. Beides läge nahe, weil im Alten Orient Holzschiffe häufig aus diesen Holzarten gebaut wurden – sprachlich möglich ist es aber wohl nicht. In englischen Übersetzungen, die nicht schlicht von ''gopher''-Holz sprechen, ist „Zypresse“ der Favorit – vermutlich wegen den ähnlichen Konsonanten von hebr. ''KoPeR'' mit gr. ''KyPaRissos'' und engl. ''CyPRess'' (z.B. noch ALTER, Arnold 2009). Deutsche Übersetzungen wählen entweder ebenfalls eine dieser Varianten oder nach dem Vorbild von Luther eine „deutschere“ Variante des Nadelbaums Zypresse: Zu finden ist „Nadelholz“, „Tannenholz“, „Fichtenholz“ und „Pinienholz“.<br />Es ist ohnehin überraschend, dass hier zunächst von „Holz“ die Rede ist: Im Alten Orient gab es grob zwei Arten von Schiffen, nämlich Holzschiffe in baumreichen Regionen und Riedschiffe wie das oben abgebildete in Regionen wie Mesopotamien mit geringem Baumbestand. Letztere wurden regelmäßig mit Asphalt gedichtet, erstere nur selten – jedenfalls, wenn die Proben, die Connan u.a. 2005, S. 23 von Asphalt-Scherben genommen haben, repräsentativ sind. Es liegt ja auch nahe; Holzboote flächig zu asphaltieren ist schließlich nicht notwendig (ähnlich richtig McGrail 2009, S. 59f.69). Holzboote wurden, wenn man sich am antiken Schiffsbau im Mittelmeerraum orientieren darf, wahrscheinlich stattdessen mit Ruten und Harz kalfatert. Am israelitischen „Kinneret Boat“ aus Holz z.B. fanden sich ähnlich keine Asphalt-, sondern stellenweise Harz-Rückstände (vgl. White 1990). Wegen der klaren Rede vom Asphaltieren am Ende des Verses (''kapar'' mit ''koper'', „asphaltieren mit Asphalt“) sollte man daher meinen, dass hier ein Riedboot beschrieben wird. Das lässt sich auch noch unterschiedlich weiter plausibilisieren: Erstens damit, dass auch die sumerisch-akkadische Arche aus Ried bestand (s. Atr MS Ark 4-5; MS C2 ii 11'-14'; MS J r. 4'-7'; Gilg XI 23-24.50-56; ähnlich Atr MS Ark 10-12); ebenso die Schreinbarke des Re (s.o.), und auch die ''tebah'' von Mose in [[Exodus 2#s3 |Ex 2,3]] war ein Riedboot. Und zweitens damit: Israel war zwar mit seinen Libanonzedern holzreicher als Mesopotamien. Doch Libanonzedern waren kostbar, und Israel verfügte mit dem Toten Meer außerdem auch über eine der wichtigsten Asphaltquellen der Gegend (vgl. z.B. Oron u.a. 2015). Es überrascht daher wenig, dass z.B. Diodorus Siculus (Bib Hist 19.99.1-3) und Strabo (Geog. 16.2.42) berichten, dass man in Israel auf Riedbooten gefahren sei, um Asphalt aus dem Meer zu bergen. Vgl. zu Riedbooten schließlich noch [[Ijob 9#s26 |Ijob 9,26]] und zu Riedbooten auf hoher See [[Jesaja 18#s2 |Jes 18,2]]. Vielleicht ist dies der Grund, warum Ezechiel bei seiner Totenklage über Tyrus so ausgiebig betont, dass die Schiffe von Tyrus aus Holz seien (s. [[Ezechiel 27 |Ez 27]]): Große Holzschiffe dürften in Israel ursprünglich etwas Exotisches gewesen sein und die Norm stattdessen wie in Mesopotamien das Riedboot.<br />(1a) Hommel 1898, S. 214; Hirsch / Hyvernat 1906, S. 45f.; Murphy 1946 u.a. haben daher angenommen, dass sich ''goper'' vom akkadischen ''giparu'' („Marschland, Weideland“) ableitet. Vgl. v.a. Enuma Elisch I 6: „''Bevor das ''giparu''=Marschland sich gebildet hatte, bevor Ried zu finden war...''“. „Marsch-Holz“ haben sie dann weiter direkt als „Ried“ gedeutet, wie in jüngerer Zeit auch Best 1999 und v.a. öffentlichkeitswirksam Finkel 2014, die annahmen, die sumerische und ägyptische Arche seien im Stil einer gigantischen Quffa erbaut worden, also einem Rundboot aus Ried und Asphalt, das nachweislich im Alten Mesopotamien und noch bis zum Ende des letzten Jahrhunderts im Orient in Gebrauch war. In [https://www.youtube.com/watch?v=39HwBbpaLIE dieser Dokumentation], wo nach der Anleitung Finkels eine solche Arche nachgebaut worden ist, kann man sie schön betrachten (ähnlich anschaulich hat übrigens Vosmer 2001 ein klassisches Riedboot nachgebaut). Durchaus hingewiesen sei außerdem auf das schöne [https://drive.google.com/file/d/12N5It-cYmcgW-8U3dT3x2fT1kBXzRdn6/view Ark Re-Imagined]-Projekt, wo man von der Kulturanthropologie herkommend ebenfalls von einem runden Riedboot ausgeht.<br />(1b) Die Vokale passen nicht für eine Ableitung von ''giparu'' > ''goper'', aber ''goper'' klangspielt offensichtlich mit ''koper'' („Asphalt“) am Ende des Verses; diese Schwierigkeit lässt sich also leicht als irreguläre Assonanz erklären. Schwieriger ist, dass es m.W. keinen Beleg dafür gibt, dass Ried als „Holz“ bezeichnet würde. Besser deutet man das „Marschholz“ daher als die Dattelpalme, die nur in der Nähe von Wasserläufen wächst und deren Rippen noch heute von Ägypten bis zu den Marsch-Arabern beim Bootbau als Ried-Alternative verwendet werden.<br />(2) Goldingay 2020 hat klug alternativ auf das nachbiblische ''gapar'' hingewiesen, das offensichtlich eine Nebenform von ''kapar'' („asphaltieren“) ist; vgl. im Talmud (b.BB 97b) und in der Tosefta (t.BB vi 3): „rissige und ''maguprot'' Amphoren“. So versteht auch schon Hieronymus in seinen Quaestiones das Wort: „''bituminata legimus in Hebraeo''“, „im Hebräischen heißt es ‚verpicht‘.“ Dagegen spricht vor allem, dass vom Asphaltieren ja gleich erst die Rede sein wird, dass man nicht zu verbauendes Holz, sondern fertige Boote asphaltierte und dass man eben gerade Holzboote nur unwahrscheinlich überhaupt asphaltierte. Philologisch ist Goldingays Vorschlag zwar einfacher als der alte Vorschlag von Hommel, konzeptuell ist er aber zu schwierig.<br />Der Vollständigkeit halber noch zwei weitere Deutungen:<br />(3) Abzuleiten wäre das Wort vom akkadischen ''gupru'' („Tisch“). Daher wohl LXX: „viereckiges Holz“, VUL: „geglättetes Holz“; danach aber niemand sonst, der nicht primär Septuaginta und/oder Vulgata auslegte.<br />(4) Abzuleiten wäre das Wort vom hebräischen ''goprit'' („Schwefel“), also „geschwefeltes“ = behandeltes = besonders haltbares Holz. Daher Aq: „geschwefeltes Holz“ (eigentlich „geschwefeltes unzerstörbares Holz“, das „unzerstörbar“ ist aber gewiss hier wie in LXX aus Ex 25,5 eingedrungen).</ref><br />[gleich] Nestern ([mit] Kabinen? [aus] Ried?)<ref>''[gleich] Nestern'' - wieder also: Als Ried-Boot. Die häufige Textkorrektur von von ''qinnim'' („Nester“) zu ''qanim'' („Ried“, z.B. Habel 2011, Gertz 2018, Carr 2021) läuft auf das Selbe hinaus. Die ebenfalls häufige Übersetzung mit „Räume“ geht davon aus, dass „Nester“ hiermit synonym verwendet würde, warum auch immer.</ref>sollst du den Schrein machen<br />und asphaltieren sollst du ihn von innen und außen mit Asphalt.
 +
{{S|15}} Und dies [ist], wie du ihn machen sollst: 300 Ellen [sei] die Länge des Schreins, 50 Ellen seine Breite und 30 Ellen seine Höhe.<ref>
 +
[[Datei:Arche & Titanic3.png|mini|Blau: Maße Titanic, Grün: Maße Arche, Lang-Elle; Rot: Maße Arche, Kurz-Elle]]
 +
Im Alten Israel gab es wie im Alten Ägypten zwei unterschiedliche „Ellen“: Die Kurzelle von 44,5cm, die auch im Siloam-Tunnel belegt ist, und die Langelle von 52,4 cm, die sich auch durch die Grabkammer von St. Etienne belegen lässt. Vgl. v.a. [[Ezechiel 40#s5 |Ez 40,5]] und [[2 Chroniken 3#s3 |2 Chr 3,3]]. Welche von beiden Ellen hier gemeint ist, ist unklar; entweder hätte die Arche also die Maße 133,5m x 22,5 m x 13,35 m oder 157,2 m x 26,2 m x 15,72 m. Rechts sind beide abgebildet; zum Vergleich noch die Maße der Titanic mit 269 m x 28 m x 53 m. In die LF übersetze am besten mit „150 m x 25 m x 15 m“. Es ist klar, dass auch in diesem für damalige Verhältnisse riesigen Gefährt – es ist z.B. etwa dreimal so groß wie das [https://en.wikipedia.org/wiki/Khufu_ship Khufu-Schiff] – beileibe nicht einmal Vertreter aller Gattungen der Fauna nur Israels Platz gefunden hätten. Verschiedene Ausleger haben sich daher an einer symbolischen o.ä. Interpretation dieser Zahlen versucht; Überzeugendes kam dabei aber nicht heraus. Vielleicht sollten mit den Größenangaben schlicht real existierende Pracht-Schiffe übertrumpft werden.</ref>
 +
{{S|16}} (Einen Mittag =) Einen Türsturz (ein Fenster?, ein Dach?)<ref>''(Einen Mittag =) Einen Türsturz (ein Fenster?, ein Dach?)'' - Heb. ''ṣohar'', sonst stets „Licht, Mittag“. Das Wort wird jedenfalls gegen seine übliche Bed. verwendet; der Midrasch beginnt ungewöhnlich mit „''Rabbi Chunia, Rabbi Pinhas, Rabbi Chanan und Rabbi Hoschaja konnten das Wort nicht erklären.''“<br />(1) Dabei gab es in der jüdischen Auslegung eines schöne Auslegungstradition; der Targum Jonathan fabuliert nämlich: „''Geh zum (Fluss) Pischon, nimm dir von dort einen Edelstein, und tu ihn in die Arche, damit er dir Licht gibt!''“ In der ältesten jüdischen Auslegung war hiernach diese Erklärung stark verbreitet; Rabbi Chia bar Seira z.B. schmückt noch weiter aus: „''Zur Zeit, als der (Edelstein) dunkel war, wusste Noah, dass Tag ist, und zur Zeit, als er schien, wusste er, dass Nacht ist.''“ (p.Pes 27b; ebenso im Midrasch).<br />(2) LXX dagegen interpretiert das Wort offenbar als „Zenit“ und übersetzt daher mit „Zusammensammlung“, interpretiert also anscheinend als „Giebeldach“ (?, so erklärt LXX jedenfalls Harl 1986, S. 132). Hieronymus würde diesen Sprachgebrauch dann nicht kennen; in den Quaestiones übersetzt er LXX wiederum verbal: „zusammensammelnd“. Dass die Arche ein Giebeldach gehabt habe, findet sich aber auch im Midrasch und bei Raschi; so erklären das Wort auch heute noch viele nach verwandten Wörtern in anderen Sprachen (z.B. Jacob 1934, Gertz 2018, Goldingay 2020). Aber dann macht der folgende Satz wenig Sinn.<br />(3) Sym schließlich übersetzt mit „etwas Auffälliges / Durchsichtiges“, was Hieronymus in den Quaestiones als „Fenster“ erklärt, wie er in VUL auch übersetzt. Ich bin unsicher, ob damit Sym richtig verstanden ist. Vgl. zwar in manchen Handschriften von [[Offenbarung 21#s21 |Offb 21,21]]: „''durchsichtiges'' Glas“, aber ''Fensterglas'' wäre ja ein massiver Anachronismus. Als „Fenster-''Öffnung''“ erklärt besser Rabbi Abba ben Kahana im Midrasch, dann auch ibn Ezra, Radak, Chizkuni und heute z.B. Cassuto 1961b, ALTER, Fischer 2018. Aber richtig Gertz 2018: Aus dem Wort lässt sich das eigentlich nicht erschließen; das Fenster dürfte aus Gen 8,6 rück-erschlossen worden sein. Man fragt sich ohnehin: Welchen Sinn hätte bei einem dreistöckigen Bauwerk ''ein'' Fenster?<br />(4) Nach Hieronymus übersetzen Lamsa und Kiraz auch Syr: „windows“. Aber das ist gewiss falsch: ''zwedne`'', „bewehrter Türsturz“, von akk. ''samitu'' (s. [https://cal.huc.edu/oneentry.php?lemma=zwydn%29+N%20&cits=all CAL s.v.]). In Syr ist dies dann auch noch Teil eines Wortspiels, da das syr. Wort für „Schrein“ auch „Türrahmen“ bedeutet. Weil der Türsturz ägyptischer Schreine häufig mit der Sonnenscheibe im Zenit versehen war (s. nur in [https://archive.org/details/naos02roed/page/15/mode/1up Roeder 1914] die Abbildungen a. 70010, a. 70013, a. 70014, a. 70015, a. 70019, a. 70020, a. 70022, b. 9287) könnte auch auch mit dem „Ort des Mittags“ in TgN und dem „Mittagsort“ in Aq dieses Bauteil gemeint sein. Danach ließe sich der heb. Text gute erklären: Kann wegen dieser üblichen Gestaltung von Türsturzen dieser auch im Heb. mit „Mittag[sort]“ der Türsturz gemeint sein, schließt sich hieran glatt die Rede von der Tür an.</ref> sollst du für den Schrein machen<br />
 +
und ihn auf eine Elle nach oben hin abschließen,<ref>Die Oberkante des Türsturzes (oder des Fensters) soll also einen halben Meter unterhalb des Daches sitzen. Hat man oben „Dach“ übersetzt, lässt sich dieser Satz nicht sinnvoll übersetzen und wurde dann früher gerne gestrichen; heute übersetzt man stattdessen ohne gute Parallelen „Beende es ''auf eine Elle hin'' nach oben“, was entweder heißen soll, dass der Dachgiebel noch eine Elle weiter oben als die Wände endet oder dass der Dachgibel nicht ganz spitz, sondern eine Elle breit ist.</ref><br />und eine Tür (ein Tor, eine Öffnung) ([des Schreins])<ref>'''Textkritik''': Das Wort fehlt in LXX; die anderen Textzeugen bezeugen es. Hendel 1998 und Carr 2021 halten LXX für ursprünglich und MT für ein explizierendes Plus, BHQ dagegen hält MT für ursprünglich und LXX für eine stilistische Vereinfachung. Aber LXX ist doch nicht „einfacher?“</ref> sollst du an seiner Seite anbringen;<ref>Gemeint ist nach Schrein-Parallelen zu urteilen wahrscheinlich die Vorderseite.</ref><br />[mit] unterem, zweiten und dritten [Deck] sollst du ihn machen.
 +
{{S|17}} Ich meinerseits bin im Begriff<ref>''Ich meinerseits bin im Begriff'' - w. „Und ich, siehe mich, [bin] bringend“. ''Siehe'' + Partizip steht recht häufig und gewiss auch hier für Futurum instans, die unmittelbar bevorstehenden Zukunft (ebenso konstruiert z.B. [[Genesis 9#s9 |Gen 9,9]]; [[Exodus 14#s17 |Ex 14,17]]; [[Jeremia 26#s14 |Jer 26,14]]; [[Jeremia 40#s10 |40,10]]). Gleichzeitig gibt diese grammatische Konstruktion dem Autoren die Gelegenheit, Gott zu Beginn dieses Verses gleich zweimal hintereinander „ich“ sagen zu lassen, obwohl grammatisch keines davon nötig gewesen wäre. Daran schließt sich ähnlich – nun aber lautlich – doppelnd an: '''''m'''e'''b'''i` `et-ha'''m'''a'''bb'''ul'' („bin bringend die Flut“). Auch dieses „Flut“ wird dann noch einmal gedoppelt: '''''ma'''bbul '''ma'''jm'' („die Flut [als] Wasser“). Ältere Ausleger haben wegen dieser Doppelung das Wort „Wasser“ d.Ö. gestrichen, aber der ganze Satz ist ja doppelnd – am stärksten dann „um zu verderben alles Fleisch mit Lebensatem in sich unter dem Himmel“ und „alles, was auf der Erde ist, soll verderben“. Den Lebewesen „unter dem Himmel“ und „auf der Erde“ entsprechen dann die beiden Quellen – die himmlische und die unterirdische – der Flut.</ref> die Flut (Niederschlag, den Himmelsozean)<ref>''die Flut (den Niederschlag, den Himmelsozean)'' - Das Wort ''mabbul'' steht nur noch in [[Psalm 29#s10 |Ps 29,10]] und bezeichnet dort die überirdischen Fluten. Es ist auf jeden Fall ein Wortspiel; welches, ist aber zunächst nicht ganz klar: Entweder ist es abzuleiten von ''jabal'' („fließen, bringen“, so Dillmann 1892, Cassuto 1961b, Fischer 2018) und das Wort spielt so an auf die Kainiten Jabal, Jubal und Tubal-Kain. Oder es ist abzuleiten von ''nabel'' „niederfallen“ (so ibn Ezra, Jerónimo de Azambuja, Jacob 1934). Gemeint wäre damit sowohl das Niederfallen von Wasser (vgl. [[Jesaja 34#s4 |Jes 34,4]] von fallenden Sternen und Blättern) als auch das Hinsinken von Sterbenden (s. [[Psalm 18#s46 |Ps 18,46]]); das dt. „Niederschlag“ ist glücklicherweise ähnlich mehrdeutig. Darüber hinaus steht das Wort für „Abfälligkeit, Verachtung“ (z.B. [[Nahum 3#s6 |Nah 3,6]]) und sein Korrelat, die „Verachtenswert-heit, Torheit“ ([[Psalm 30#s32 |Ps 30,32]]); das hiervon abgeleitete Adjektiv ''nabal'' bezeichnet häufig die „Bösen, Frevler“. Die dt. Übersetzung „Sündflut“ könnte sich auch hieraus erklären und muss nicht nur Fehldeutung von „Sintflut“ = „andauernde Flut“ sein.<br />Nach beiden Herleitungen wäre das Wort als Maqtul-Bildung mit Ellision eines Konsonanten zu erklären: *''majbul'' > ''mabbul'' oder *''manbul'' > ''mabbul''. Für Ersteres spricht die einheitliche Übersetzung der alten Versionen mit „Flut“, für Letzteres die Tatsache, dass dies eine sehr nahe Wortbildungsparallele in ''mabbu(a)´'' (< *''manbu(a)´'' „Wasserquelle“) und ähnlich ''mabbak'' (< *''manbak'' „Quelle“) hat (und zufällig witzigerweise auch ''maṭṭah'' [< *''manṭah'', „nieder, hinunter“] und ''makkah'' [< *''mankah'', „Schlag“]). Den Ausschlag gibt der Artikel („''die'' Flut“), der schwieriger bei „''der'' Niederschlag“ zur erklären wäre. Anzunehmen wäre dann, dass ''mabbul'' wirklich ein stehender Begriff für die ''eine'' himmlische Flut – den „Himmelsozean“ – ist (so z.B. Waltke / Fredericks 2001, Goldingay 2020, Carr 2021): „Ich bringe den Himmelsozean auf die Erde“.</ref> [als] Wasser auf die Erde zu bringen,<br />um zu verderben alles Fleisch (alle Lebewesen) unter dem Himmel, in dem Lebens-Hauch (Lebens-Geist) ist:<ref>''in dem Lebens-Hauch ist'' - alle also, die Gott durch Behauchen zu einem Lebewesen gemacht hat: alle Lebewesen.</ref><br />alles, was auf der Erde [ist], wird (soll) verderben.
 +
{{S|18}} Und ich verpflichte mich dir gegenüber<ref>Die wörtliche Übersetzung lautet: Und ich werde [als] meine Verpflichtung mit dir aufrichten, dass ... . vgl. Gesenius-Donner {{hebr}}בְּרִית{{hebr ende}} II.1.b.</ref>, dass<ref>Perf. cons. mit konsekutivem Sinn; wörtl.: und du wirst hineingehen ...</ref> du in den Kasten gehen wirst, du und deine Söhne und deine Frau und die Frauen deiner Söhne mit dir.
 +
{{S|19}} Und von allem Lebendigen, von allem Fleisch (allen Lebewesen), zwei von allem sollst du in den Kasten hineingehen lassen (hineinbringen), um [sie] weiterleben zu lassen mit dir; männlich und weiblich sollen sie sein.
 +
{{S|20}} Von allen Vögeln<ref>Im Hebräischen ein Kollektivbegriff, der alles umfasst, was fliegen kann.</ref> nach ihren Arten und von allen Landtieren<ref>Im Hebräischen ein Kollektivbegriff, der alles umfasst, was auf vier Beinen geht.</ref> nach ihren Arten, von allem Kriechgetier<ref>Im Hebräischen ein Kollektivbegriff, der alles umfasst, was sich nicht auf vier Beinen fortbewegt und nicht fliegt.</ref> des Erdbodens nach seinen Arten, zwei von allen [Arten] sollen zu dir kommen, um [sie] weiter leben zu lassen.
 +
{{S|21}} Und du, nimm dir von allem Essbaren, das gegessen wird, und sammle es bei dir, und es soll dir und euch zur Nahrung sein (als Nahrung dienen).
 +
{{S|22}} Und Noach tat nach allem, was Gott ihm befohlen hatte, so tat er.
  
 
{{Bemerkungen}}
 
{{Bemerkungen}}
  
 +
[[Kategorie:OEKT_2021]]
 
{{Kapitelseite Fuß}}
 
{{Kapitelseite Fuß}}

Aktuelle Version vom 7. September 2023, 14:54 Uhr

Syntax ungeprüft

SF ungeprüft.png
Status: Studienfassung zu prüfen – Eine erste Übersetzung aus dem Urtext ist komplett, aber noch nicht mit den Übersetzungskriterien abgeglichen und nach den Standards der Qualitätssicherung abgesichert worden und sollte weiter verbessert und geprüft werden. Auf der Diskussionsseite ist Platz für Verbesserungsvorschläge, konstruktive Anmerkungen und zum Dokumentieren der Arbeit am Urtext.
Folgt-später.png
Status: Lesefassung folgt später – Bevor eine Lesefassung erstellt werden kann, muss noch an der Studienfassung gearbeitet werden. Siehe Übersetzungskriterien und Qualitätssicherung Wir bitten um Geduld.

Anmerkungen

Studienfassung (Genesis 6)

1 {Und es geschah:} Als (der Erdling=) die Erdlinge (Menschen) begannen, sich auf dem {Angesicht des} Erdboden{s} zu vermehren, wurden ihnen Töchter geboren. 2 Da sahen die (Söhne Gottes/der Götter=) Götterwesena (die Töchter des Erdlings, dass sie gut waren=), dass die Erdlingsfrauen gut (schön) waren,b und sie nahmen sich Frauen:c {von} alle, die sie erwählten.d3 Da sprach JHWH:

„Mein Geist wird (soll) nicht richten (bleiben, aushalten, schwächeln)e mit dem Erdling für immer,
Wegen ihres Fehltritts ist er Fleischf (Dieweil er auch Fleisch ist, Weil ihr Inneres Fleisch ist)!e
{und} Seine (Tage werden=) Lebensspanne wird (soll) 120 Jahre sein.“

4 Die Gefallenen (Riesen?)g waren (entstanden) in jenen Tagen [bereits] auf der Erde (im Land) – und auch danach, alsh die (Söhne Gottes/der Götter=) Götterwesena zu den (Töchtern des Erlings=) Erdlingsfrauen eingingen,i und sie ihnen [Nachkommen] gebaren. Sie (dies) [waren (sind)] die Starken (Mächtigen, die Männer), die seit jeher (aus alter Zeit) (Männer mit Namen=) berühmt sind (sie waren die Starken der alten Zeit, [waren] Männer mit Namen).


5 Da sah JHWH, dass das Böse (Schlechte) des Menschen sich auf der Erde vermehrte (das viel Böses auf der Erde war) und alles Sinnen des Planens des Herzens (den ganzen Tag=) ständig nur böse (schlecht) [war]. 6 Da tat es JHWH leid (da bereute er), dass er den Menschen gemacht hatte auf der Erde,{ und} es schmerzte ihn bis in sein Herz, 7 Und so sprach JHWH: „Ich will (werde) den Menschen, den ich geschaffen habe, von der {Oberfläche der} Erde auslöschen – vom Menschen bis zum Vieh bis zum Kriechtier bis zum Vogel (des Himmel=) im Himmel. Denn es tut mir leid (ich bereue), dass ich sie gemacht habe.“


8 Noah aber fand Gnade vor {den Augen von} JHWH.


9 {Dies [sind]} Die Nachkommen Noahs
Noah [war] ein gerechter Mann, (Noah, ein gerechter Mann, [war]...)
heilig (makellos, vollkommen, untadelig) war erj unter seinen Generationen,k
mit Gott ging Noah umher ([weil] Noah mit Gott umherging).l 10 {Und} Noah zeugte drei Söhne: Sem, Ham und Jafet.


11 Aber die Erde war verdorben (verdarb) vor (dem Gesicht von=) in den Augen von Gott
und sie war gefüllt von Gewalt.m 12 Und Gott sah die Erde {und siehe}: Sie war verdorben,
denn alles Fleischn hatte verdorben (seinen Weg=) seinen Lebenswandel auf der Erde.o 13 Da sagte Gott zu Noah: „Das Ende allen Fleischesn ist vor mein Gesicht gekommen,p
denn die Erde ist gefüllt von Gewalt vor ihren Gesichtern!p
{Und} Siehe: Ich verderbe sie mit der Erde.q 14 Mache dir einen Schrein (?, Kasten)r [aus] Palmenrippen (?, verpichtem Holz?, viereckigem Holz?, geschwefeltes Holz?)s
[gleich] Nestern ([mit] Kabinen? [aus] Ried?)tsollst du den Schrein machen
und asphaltieren sollst du ihn von innen und außen mit Asphalt. 15 Und dies [ist], wie du ihn machen sollst: 300 Ellen [sei] die Länge des Schreins, 50 Ellen seine Breite und 30 Ellen seine Höhe.u 16 (Einen Mittag =) Einen Türsturz (ein Fenster?, ein Dach?)v sollst du für den Schrein machen
und ihn auf eine Elle nach oben hin abschließen,w
und eine Tür (ein Tor, eine Öffnung) ([des Schreins])x sollst du an seiner Seite anbringen;y
[mit] unterem, zweiten und dritten [Deck] sollst du ihn machen. 17 Ich meinerseits bin im Begriffz die Flut (Niederschlag, den Himmelsozean)aa [als] Wasser auf die Erde zu bringen,
um zu verderben alles Fleisch (alle Lebewesen) unter dem Himmel, in dem Lebens-Hauch (Lebens-Geist) ist:ab
alles, was auf der Erde [ist], wird (soll) verderben. 18 Und ich verpflichte mich dir gegenüberac, dassad du in den Kasten gehen wirst, du und deine Söhne und deine Frau und die Frauen deiner Söhne mit dir. 19 Und von allem Lebendigen, von allem Fleisch (allen Lebewesen), zwei von allem sollst du in den Kasten hineingehen lassen (hineinbringen), um [sie] weiterleben zu lassen mit dir; männlich und weiblich sollen sie sein. 20 Von allen Vögelnae nach ihren Arten und von allen Landtierenaf nach ihren Arten, von allem Kriechgetierag des Erdbodens nach seinen Arten, zwei von allen [Arten] sollen zu dir kommen, um [sie] weiter leben zu lassen. 21 Und du, nimm dir von allem Essbaren, das gegessen wird, und sammle es bei dir, und es soll dir und euch zur Nahrung sein (als Nahrung dienen). 22 Und Noach tat nach allem, was Gott ihm befohlen hatte, so tat er.

Anmerkungen

a(Söhne Gottes/der Götter=) Götterwesen - umstrittener Ausdruck. Gemeint sein könnten theoretisch zunächst (1) leibliche Nachfahren Gottes oder (2) leibliche Nachfahren mehrerer Götter, die Gen 6 dann stillschweigend anders als z.B. Gen 1 voraussetzen würde. „Söhne/Töchter von X“ ist aber auch ein häufiger Ausdruck für „Angehörige der Gattung / des Stamms X“ (wie ja auch gleich im Folgenden die „Töchter des Erdlings“ fast sicher nicht die leiblichen Töchter Adams, sondern allgemein Menschen-Frauen meint); möglich wäre also auch (3) „Götter-Wesen“ oder (4) „göttliche Wesen“, nämlich (4a) allgemein Keruben oder (4b) konkreter die Keruben, die Gott zum Bewachen des Gartens abkommandiert hat.
Weil damit – egal, welche dieser Varianten nun zutrifft – auf jeden Fall Faszinierendes berichtet wird, wurden Vv. 2.4 breit rezipiert (vgl. schön knapp Newman 1984; ausführlich Miller 2005; Doedens 2013), was dazu führte, dass sich weitere Deutungen ausbildeten:
(5) Die älteste derartige Ausdeutung war eine Variante von (4a): Im äthiopischen Henoch-Buch, in den Jubiläen, in Qumranschiften u.ö. wird von in der Bibel sonst nicht belegten „Wächtern“ berichtet, also Engeln, die sich von Gott ab- und den Menschen zugewandt, mit ihnen Riesen gezeugt und ihnen geheimes Wissen gelehrt hätten. Diese seien hier gemeint.
(6) Diese Auslegung war vor allem in einer Richtung des alten Judentums verbreitet, die man heute gelegentlich als „henochisches Judentum“ bezeichnet, weil in dieser Richtung auch der in Gen 5 nur sehr kurz erwähnte Henoch eine außerordentliche Rolle spielte. Offenbar war es so, dass sich kurz nach der Zeitenwende unter anderem das rabbinische und das henochische Judentum als theologische Kontrahenten gegenüberstanden; im rabbinischen Judentum wurde daher zum einen die Figur des Henoch gezielt kleingeredet, zum anderen wurden die „Söhne Gottes“ in unserem Vers gezielt innerweltlich als Menschen gedeutet: Gemeint seien nur mächtige Menschen (z.B. TgO, TgN, Midrasch BerR: „Söhne der Großen“; TgN, Raschi, Ramban: „Söhne der Richter“).
(7) Unter christlichen Auslegern kam eine verwandte Deutung auf, die sich ab dem 4. Jhd. nach und nach durchsetzte und bis zum 19. Jhd. die maßgebliche Deutung bleiben sollte: „Söhne Gottes“ sei nur eine Metapher für die Nachkommen Seths, entsprechend sei „Töchter des Menschen“ ein Ausdruck für die weiblichen Nachfahren Kains (so z.B. Julius Africanus: Chronographie, frg. ii (2. Jhd.); Aphrahat (Dem 13.5), Ephräm der Syrer, Augustinus, Bede Venerabilis, Glossa ordinaria; später auch unter jüdischen: ibn Ezra, Radak, Rav Hirsch; heute noch z.B. Meshach/Paul 2019).
Wie sich diese theologiegeschichtlich bedeutsamen Deutungen (5)-(7) entwickelten, lässt sich leicht nachvollziehen: Deutung (5) ist ein Midrasch zu mehreren biblischen Stellen, Deutung (6) ist eine interessierte gegen diesen Midrasch gerichtete Deutung, Deutung (7) entstand hieraus und im Zuge einer Abwertung der Sexualität, nach der lüsterne Engel nicht mehr denkbar waren. Es ist daher etwas verwunderlich, dass v.a. Deutung (5) und (7) auch heute noch bisweilen vertreten werden.
Die neuesten Kommentare folgen dem nicht mehr; Gertz 2018, Goldingay 2020 und Carr 2021 etwa optieren mit der großen Mehrheit für Deutung (3) und denken genauer an Angehörige von Gottes himmlischem Hofstaat, wie er bes. klar in Ijob 1,6; 2,1 geschildert wird (der alternative Vorschlag von Fischer 2018 nach de Launay 2009, S. 56 (?) – ähnlich schon Closen 1937, S. 173-175 –, mit „Söhne Gottes“ vs. „Töchter der Menschen“ solle ironisch betont werden, dass Söhne=Männer den Töchtern=Frauen überlegen seien, ist absurd). Entweder folgt man dieser Deutung oder lässt sich vom Erzählzusammenhang leiten und deutet als (4b): Die einzigen göttlichen Wesen neben Gott selbst, die bereits erwähnt wurden, sind die Wächter des Gartens – Gen 6,1-4 schilderte also abschließend die letzten Folgen der Gartentragödie: Gott vertreibt die Menschen aus dem Gottesgarten, damit sie nicht unsterblich würden, und sichert ihn daher mit Keruben; diese lassen sich daraufhin fataler Weise mit den Menschen ein, woraufhin Gott auch noch die Lebensspanne des Menschen verknappen muss, um auch so die Sterblichkeit des Menschen zu sichern. (Zurück zu v.2 / zu v.4)
bsie sahen, dass die Erdlingsfrauen gut waren - ein offensichtliches Zitat von Gen 1,4; ohne Zweifel auch bewusst als Gegensatz zu Gen 6,5 formuliert. (Zurück zu v.2)
csich Frauen nehmen: missverständlicher Ausdruck; gemeint ist mit dem Hebräischen: „Sie heirateten sie“ (vgl. THAT I:787; Fischer 2018; Gertz 2018; Carr 2021). Fischer 2018 will einen Unterschied zwischen dem hier gebrauchten laqaḥ `iššah („eine Frau nehmen“) und laqaḥ la`iššah (zur Frau nehmen“) entdecken; aus ersterem soll „männliche Dominanz“ sprechen. Das ist nicht der Fall; s. z.B. Gen 21,21, wo jemandes Mutter ihm „eine Frau nimmt“, oder Lev 21,13, wo Gott gebietet, Priester mögen sich nur „Jungfrauen nehmen“, oder Dtn 24,1.3, wo beide Ausdrücke wechseln. Entscheidend aber v.a.: Die Fügung findet sich mehrere dutzend Male im Ersten Testament; es ist gewaltsam, dies jedes Mal als Formulierung zu lesen, aus der ungewöhnliche männliche Dominanz sprechen soll. (Zurück zu v.2)
dtFN: Der Satz könnte bedeuten: „Sie sahen, dass die Menschenfrauen schön waren, und von jenen, die sie als schön ansahen, sonderten sie wiederum einen Teil aus, den sie sich dann zur Frau nahmen“. Aber warum dieser zweite Wahlgang eigens erwähnt würde, wäre nicht gut erklärlich. Besser deutet man das min nicht als min partitivum („von“), sondern als min expicativum („nämlich“, richtig Bea 1933, S. 168): „Jedwede Frau, die sie erwählten, nahmen sie sich zur Frau“. Gut ALTER: „And they took themselves wives howsoever they chose“. Warum das eigens gesagt wird, ist klar; die Bed. ist: Bald wimmelte es auf der Erde von Halbgöttern – wonach erklärlich ist, dass Gott eine Gegenmaßnahme ergreifen muss. (Zurück zu v.2)
erichten + wegen ihrer Verfehlung - Beide Ausdrücke sind extrem umstritten. Die Deutungen, die hier als Primärübersetzung gewählt wurden, waren im 19. und Anfang des 20. Jhds. sehr verbreitet. Heute dagegen haben sich zwei andere Deutungen durchgesetzt: „Mein Geist wird nicht auf ewig im Menschen bleiben, dieweil auch er Fleisch ist.“ Das ist fast sicher falsch; s. unter „Genauer“. Nach der Deutung oben wäre das erste umstrittene Wort ungewöhnlich mit Präposition b- konstruiert worden, um der poetischen Strategie des Verses zu dienen: Diese nämlich ist offensichtlich erstens die Aufeinanderhäufung von auf -am auslautenden Worten und zweitens die Aufeinanderhäufung von auf ba- anlautenden Worten mit a-Assonanz: lo`-jadon ruḥi ba`adam lo´olam bašagam hu` baßar. Dieses Wort deuten heute so auch z.B. Waltke 2001; auch SLT: „Mein Geist soll nicht für immer mit dem Menschen rechten“; ebenso ELB, TAF, van Ess.
Das zweite umstrittene Wort, šagag / šagah , passt sehr gut in den Kontext: Es bedeutet hauptsächlich „fehlgehen, einen Fehler machen“, kann aber spezieller auch vom Liebestaumel gesagt werden (s. Spr 5,19f.; in V. 23 in der üblichen Bed.) und wäre hier gewiss gewählt, um doppelt auf den Umgang der Menschen mit den Götterwesen hinzuweisen: „wegen ihrem Fehltritt/Liebestaumel“. Dieses Wort deutet heute so auch Doedens 2013, S. 56; z.B. auch GKC §67p; Holzinger 1898, S. 65.
Weil schon Hieronymus in seinen Quaestiones berichtet hat, das erste umstrittene Wort bedeute „richten“, deuteten so auch die meisten christlichen Ausleger des MAs und der frühen Neuzeit und verstanden dann den Satz mit Hieronymus als Ausdruck der Milde Gottes (z.B. Rabanus Maurus, Glossa ordinaria, Drusius): „Weil der Mensch vulnerabel ist, werde ich ihn nicht auf ewig quälen, sondern ihm [nur] zurückgeben, was er verdient. Hier klingt also nicht Strenge, wie in unseren Büchern [sc. der LXX] zu lesen ist, sondern die Milde Gottes, wohingegen [nach jener Deutung der LXX] der Sünder für sein Verbrechen heimgesucht wird.“. Das ist eine schöne Deutung, passt aber schlecht zur gleich folgenden Minderung der menschlichen Lebenszeit durch Gott. Besser versteht man den Satz daher z.B. mit Michaelis 1775 und Rosenmüller 1821 so, dass mit „er soll nicht ewig richten“ nicht von Gottes Milde die Rede ist, sondern von seiner Ungeduld: „Ich habe keine Lust, wieder und wieder mit ihm ins Gericht zu gehen!“ Oder man übersetzt als Fragesatz: „Sollte mein Geist sie nicht auf ewig richten!?“ (so klug Lindner 1862, S. 610).
Genauer: (1a) Dass das erste Wort, dun, „richten“ bedeutet, legt sich eigentlich von selbst nahe: In der Bibel ist ein ähnliches Wort nur noch einmal überliefert, nämlich in Ijob 19,29 als Nomen dun („Gericht“) gemeinsam mit seiner Nebenform din. Im Talmudhebräischen ist das Verb dun häufig Nebenform von din („richten“) und wird austauschbar mit dieser verwendet; die Ijob-Stelle legt sehr nahe, dass das also auch schon im Bibelhebräischen so war. SamP stützt diesen Wortlaut, und nach dieser Bed. haben ihn auch Sym, LAB 3,2, TgJ, TgN, TestAbr A 13 und viele Ausleger im Midrasch BerR verstanden; auch Hieronymus schreibt in seinen Quaestiones explizit, dass dies die Bed. des hebräischen Wortes sei. Etwas problematisch ist, dass dieses Wort sonst nie mit der Präposition b- („mit“) konstruiert wird; beim einzigen Fall – Ps 110,6 – heißt din b- stattdessen „richten bei“. Das lässt sich aber poetisch erklären, s.o.
(1b) LXX, 4Q252 i 2, Jub 5,8 TgO und Syr übersetzen aber alle mit „bleiben“ oder etwas Ähnlichem. Grund dafür ist aber wahrscheinlich nicht ein anderes Verständnis desselben Wortes (so erwogen von Hendel 1998), sondern die Tatsache, dass sie nicht jdwn lasen, sondern jdwr („bleiben“). Dafür, dass LXX und Jub so lasen, spricht sehr stark 4Q252, wo wirklich jdwr steht. TgO und Syr könnten auch nur geraten haben (richtig König 1900b): TgO „er soll nicht aushalten“, Syr „er soll nicht wohnen“.
Weil dieser Wortlaut wirklich leichter verständlich wäre (was aber gleichzeitig unwahrscheinlich macht, dass dies der ursprüngliche Wortlaut war), übersetzen so auch die meisten dt. Üss. (z.B. , NeÜ, ZÜR 07) und viele Ausleger:innen haben alternative Wortdeutungen vorgelegt, die häufig das Anliegen haben, irgendwie doch diese Übersetzung zu ermöglichen:
(1c) Grammatisch gedeutet wie oben, das Wort sei aber nicht zu nehmen in der Bed. „richten“, sondern in einer anzunehmenden Bed. „walten, regieren“. So z.B. GKC §72r; Witte 1998, S. 66f. und Goldingay 2020: „My spirit will not govern over humanity through the ages“. Das ist wahrscheinlich falsch und man sieht es auch an ihren Herleitungen: Der erste muss annehmen, din hätte sich mit den beiden us. Bedd. „richten“ und „walten“ zu den beiden Formen din und dun dissimiliert, der zweite entdeckt diese Spezialbed. in Ps 110,6, der dritte immerhin etwas wahrscheinlicher in Sach 3,7. Dort ist effektiv natürlich „verwalten“ gemeint, aber nichts spricht dafür, dass deshalb auch das Wort die Bed. „herrschen / walten“ hätte und nicht nur „richten“ als Ausdrucksform des Verwaltens eigens genannt wird. De Wette, Maurer und Knobel haben das Wort früher gar noch mit `adon („Herr“) verbinden müssen, um so übersetzen zu können. Es gibt also keine Basis, auf der man gut annehmen könnte, dass unser Wort diese Bed. hätte. So aber dennoch wieder LUT: „Mein Geist soll nicht immerdar im Menschen walten“; ebenso ZÜR 31, TEX.
(1d) Die meisten neueren Ausleger (z.B. Gertz 2018, Carr 2021) leiten stattdessen das heb. dun / danan vom akkadischen dananu („mächtig sein“) und dem ugaritischen dn („Stärke, Macht“) ab: „Mein Geist soll nicht auf ewig mächtig sein im Menschen“ (HER05). Das nimmt man dann weiter merkwürdigerweise recht einheitlich ebenfalls als Ausdruck dafür, dass der Geist Gottes nicht im Menschen „bleiben“ soll. Auch diese Deutung ist schon älter, ältere Ausleger des 19./20. Jhds. haben den so gedeuteten Satz aber noch meist als Ausdruck der Eifersucht verstanden: „Mein Geist, der in diesen Halbgöttern auf der Erde wirksam ist, soll nicht auf ewig mächtig sein, sonst machen die mir ja noch Konkurrenz. Darum sei ihre Lebensspanne begrenzt.“ Alternativ wäre nach der Wortbedeutung näherliegend: „Offenbar lässt mit dem Verlauf der Zeit der Einfluss des Geistes auf den Menschen nach(, daher will ich ihre Lebenszeit begrenzen).“ Dass „mächtig sein“ einfachhin „bleiben“ bedeuten kann, liegt jedenfalls sehr fern.
(1e) Anders Scharbert 1967, der vom arabischen dun („niedrig“), dana („schwach sein, verachtet sein“) ableitet. So noch in Scharbert 1990, S. 81: „Gott fürchtet, der Geist könnte durch allzulanges Zusammensein mit dem Fleisch ‚an Wert einbüßen‘ ... Das Zusammensein [mit Fleisch] tut dem ‚Geist‘, so glaubt dieser Tradent, nicht gut...“ Für die Vorstellung eines im Menschen „schwächelnden“ Gottesgeistes gibt es aber keine gute Parallele. Am ehesten noch Lk 1,80 – wenn gerade asketische Menschen wie Johannes „im Geist erstarken“ können, kann vielleicht der Geist auch in fleischeslustigen Menschen „schwächeln“, was man aber gewiss nicht mit Scharbert als „an Wert einbüßen“ deuten kann, sondern allenfalls als „an Wirksamkeit verlieren“ deuten müsste.
(1f) Auch diese Herleitung war schon früher verbreitet; ältere Ausleger (z.B. Tuch 1838, Baumgarten 1843, Dillmann 1892) rekonstruierten aber die Bed. des so hergeleiteten Wortes als „erniedrigen“. Hieraus erklären sich mehrere dt. Üss.: MEN („Mein Geist soll nicht für immer im Menschen erniedrigt sein“), B-R („Nicht niedre mein Geistbraus sich im Menschen für eine Weltzeit“), wahrscheinlich auch PAT („Mein Geist soll nicht für die Dauer im Menschen beengt sein“). Auch das passt aber nicht in unseren Kontext: Gott selbst hat ja den Menschen zu Fleisch geknetet und ihm dann seinen Geist eingehaucht; dass der Mensch Fleisch ist und dass dies „erniedrigend“ für den Geist wäre, passt kaum zu dieser Erzählung.
(1g) Bis zur frühen Neuzeit (z.B. bei Pagninus) schließlich noch verbreitet war eine Herleitung, die sich schon im Talmud (b.San 108a) und im Midrasch Tanchuma Buber findet: Das Wort sei abzuleiten von nadan („Schwertscheide“, nur in 1 Chr 21,27): „Mein Geist sei nicht für immer ‚eingescheidet‘ im Menschen=soll nicht für immer in ihm bleiben“. Heute ist das ganz aus der Auslegung verschwunden, aber es liegt gar nicht so fern: Der Satz hätte eine sehr nahe Parallele in Dan 7,15: „Ergriffen war mein, Daniels, Geist inmitten der Scheide=dem Körper“ (richtig ibn Ezra), und einzig erforderlich wäre, nicht jadon zu lesen, sondern jaddon (< jandon, richtig Radak). Verwandt ist vielleicht der „Beutel der Lebendigen“, in den nach 1 Sam 25,29 die Seele eines Menschen „eingebeutelt“ ist.
(1h) Sollte diese Ableitung tatsächlich möglich sein, könnte man schließlich noch erwägen, ob das Wort nicht eher abgeleitet ist vom gleichlautenden nadan („Geschenk, Mitgift“) in Ez 16,33: „Mein Geist sei nicht für immer dem Menschen geschenkt“. Das fehlende Dagesch ist aber für beide Optionen problematisch.
(2a) Zur Deutung des zweiten Wortes ist noch zu erwähnen: Das Wort liegt in zwei Vokalisierungsvarianten vor, die unterschiedlich aufzulösen wären: als bašagam (mit dem Vokal Pataḥ) in der großen Mehrheit der Handschriften, als bašagām (mit dem Vokal Qameṣ) in den Handschriften TA11, G24 (13. Jhd.), G22, G36 (14. Jhd.), G42, G52 (15. Jhd.). Nach beiden Varianten wäre ba- eine Präposition. Nach der Qameṣ-Variante wäre weiter -šag- Infinitiv von šagag / šagah („fehlgehen, liebestaumeln“) und -ām Plural-Personalpronomen, insgesamt also „wegen ihrem Fehlgehen“. Dazu siehe oben. Nach der Mehrheitsvariante dagegen könnte theoretisch -ša- Relativpartikel sein und baša- dann wie ba`ašer „weil“ heißen (s. z.B. Gen 39,9.23); gam schließlich bedeutete „auch, auch noch, sogar“ und die ganze Fügung damit „dieweil auch“. Seit Budde 1883 und Jacob 1934 hält es sich bis in die neuesten Kommentare, dass Ersteres die Mehrheitsvariante in heb. Handschriften sei. Das Gegenteil ist der Fall, die Qameṣ-Variante ist recht schwach bezeugt – gerade stark genug, dass man zwischen beiden Varianten abwägen muss. Tut man das aber, spricht in der Tat mehr für die schwächer bezeugte Vokalisierung:
(2b) Die meisten neuren Ausleger (z.B. Fischer 2018; Gertz 2018; Goldingay 2020; Carr 2021) deuten nach der Mehrheitsvariante und geben dabei außerdem dem Wort gam nicht wie üblich die Bed. „auch“ oder „auch noch, sogar“, sondern eine „bloß hervorhebende“ Funktion. Das ist aber unwahrscheinlich, weil die Relativpartikel ša- sonst im ganzen Pentateuch nicht mehr verwendet wird (die Personennamen Matuschael in Gen 4,18 und Mischael in Ex 6,22; Lev 10,4 sind keine Belege: Heißt Matu- wirklich „Mann“, wie gelegentlich vorgeschlagen wurde, ist der Name nicht hebräisch. Zu Mischael vgl. ähnlich DAHPN: Der Name lässt sich nur sinnvoll deuten, wenn man ša- nicht als Relativpartikel deutet, sondern wie im Akkadischen als „wie“ – auch dies dürfte also kein hebräischer Name sein), weil ša-gam sogar nur im sehr jungen Qoheletbuch belegt ist (Pred 1,17; 2,15; Pred 8,14, jeweils mit der Bed. „auch dies“), weil auch eine derartige Kombination dreier Funktionswörter nur noch einmal in Jon 1,7 bezeugt ist (ba-še-la-mi „um wessentwillen“ [?]), und weil es für ein solches „bloß hervorhebendes“ gam keine Belege gibt (richtig wieder Budde). Man könnte versuchen, auch die ersten drei Gegenargumente mit der oben beschriebenen poetischen Strategie des Verses entkräften, aber es ist doch sehr fraglich, ob dieses poetische Stratagem schon zur Klaviatur gehören konnte, auf der der weit ältere Autor dieser Verse spielen konnte (richtig v.a. Budde 1883; ähnlich z.B. auch Vervenne 1995, S. 29; Bührer 2011, S. 502; Doedens 2013, S. 53).
Alternative Vorschläge zur Deutung sind noch unwahrscheinlicher:
(2c) Feigin 1926 hat klug vorgeschlagen, -šag- sei abzuleiten von sumerischenšag („Herz, Inneres“). Feigin will dann die beiden folgenden Worte streichen, was gewiss abzulehnen ist. Aber man kann alternativ šaggam hu` baßar leicht als dreigliedrigen verblosen Satz deuten (vgl. zur Konstruktion z.B. Holmstedt/Jones 2014), also: „er soll nicht für immer im Menschen bleiben, weil ihr Inneres Fleisch ist“. Nur ist nicht einzusehen, warum der Autor nur hier dieses Wort statt dem sehr gebräuchlichen bedeutungsgleichen leb verwendet hätte.
(2d) Im Atrahasis-Epos bringen die Götter die Flut, weil die Menschen so laut sind, daher schlagen Clines 1979, S. 40 und Kvanvig 2002, S. 287 vor, -šag- sei abzuleiten vom akkadischen šagamu („bellen, heulen“), also „wegen ihrem Bellen=Lärm sind die Fleisch“. Leichter möglich wäre diese Deutung übrigens, wenn man nicht -šag- von šagamu ableitet, sondern gam als gam III („laut“) deutet: „Weil er so laut ist, ist er Fleisch“ / „weil das Fleisch so laut ist“. Aber das würde vielleicht ins Atrahasis-Epos passen, in die biblische Erzählung fügt es sich schlecht. (zu v.3)
fFleisch, d.h. vergänglich. Vgl. Ps 78,39: „Er dachte daran, dass sie Fleisch sind: Nur ein Hauch, der verweht und nicht zurückkehrt.“ (Zurück zu v.3)
gGefallene (Riesen?) - Gruppe von Menschen, von denen nur noch Num 13,32 die Rede ist. Dass die Bibel von ihnen so wenig verlautet, aber ein Mal gerade hier in einem Kontext des Verkehrs von göttlichen Wesen mit Menschen, und dass darüber hinaus die Septuaginta und das äthiopische Henochbuch und viele nach ihnen mit „Riesen“ übersetzt haben, hat die Fantasie alter und neuer Ausleger ungemein angeregt. Bei Interesse bietet der Artikel Nephilim (WiBiLex) einen guten Einstieg. An sich wird hier aber ja klar gesagt, wer oder was sie sind: Helden der alten Zeit. Jede andere Deutung erforderte entweder die Annahme, dass die göttlichen Wesen als bloße „Helden“ bezeichnet würden oder dass sich das „Sie (sind die Helden...)“ nicht auf die Gefallenen, sondern auf nicht genannte Nachkommen der göttlichen Wesen bezieht; beides sehr unwahrscheinliche Annahmen. Num 13,32 berichtet sehr wahrscheinlich auch nicht mehr: Laut der Lügenrede der Kundschafter besteht der Volksstamm der Anakim aus „streitbaren Männern ..., stammt [angeblich] von den Gefallenen ab“ und die Israeliten „sind in ihren Augen wie Heuschrecken“, also wie lästige und schädliche Eindringlinge, die es zu vernichten gilt. Das erfordert nicht, mehr von den Gefallenen anzunehmen, als schon hier steht: Sie sind berühmte Helden, und sie Gefallene, also Helden der alten Zeit – sie sind schon tot.
Anm. d. Zweitlesers (S.W.): M.E. ist der Vers hier fehl am Platz: Mit V. 3 ist das Ziel des Abschnitts bereits erreicht; V. 4 ergänzt dazu nur noch, dass die „berühmten Gefallenen“ übrigens nicht die Nachkommen der menschlichen Frauen und göttlichen Wesen sind: Es gab sie zu dieser Zeit bereits. Für gewöhnlich löst man dies damit, dass man „und auch danach“ zur späteren Einfügung erklärt, wonach „sie waren da in jenen Tagen, als die Götterwesen mit den Menschenfrauen verkehrten“, zur Not als Aussage darüber gelesen werden könnte, dass Götter und Menschen diese „Gefallenen“ gezeugt hätten. Mit dieser späteren Einfügung hätte der Ergänzer zwar eigentlich nur sagen wollen, dass die Gefallenen auch nach der Flut noch lebten, doch leider hat er damit den Sinn des Satzes gleichzeitig zu seinem Gegenteil verkehrt. Hätte er seine Ergänzung doch nur erst nach Nebensatz eingefügt... (so effektiv z.B. selbst noch Gertz 2018).
Solche Literarkritik, die ohne Weiteres mit der Idiotie alter Schreiber rechnet, ist keine gute Kritik; man muss das Problem dieses Verses anders lösen. M.E. besser so: Entweder hält man z.B. mit Olshausen 1871, S. 381; Wellhausen 1899, S. 309f.; Sievers 1907b, S. 249f. u.a. den ganzen Vers für eine spätere Ergänzung, die genau das präzisieren will, was der Vers präzisieren zu wollen scheint. Oder man hält mit Westermann 1983 nur den ersten Hauptsatz des Verses für eine spätere Ergänzung, wonach der Vers unproblematisch von der Zeugung von Nachkommen erzählten könnte: Götter und Frauen heiraten (V. 2) – Gott verurteilt den Menschen (V. 3) – Götter und Frauen bekommen Nachwuchs: „Die Götterwesen verkehrten mit den Erdlingsfrauen und diese gebaren ihnen.“ (V. 4) – Gott verurteilt den Menschen abermals (Vv. 5-7). Oder man geht am besten davon aus, dass der Einschnitt, der im heb. Text Vv. 1-4 von Vv. 5-8 trennt, richtiger zwischen Vv. 3.4 stehen müsste. Beide Abschnitte nämlich sind locker, aber deutlich erkennbar parallel gebaut, und ähnlich deutlich gehört V. 4 in dieser parallelen Struktur zum zweiten Abschnitt. Dann nämlich berichtet jeder Abschnitt in unterschiedlicher Reihenfolge
(a) von der Geburt der Töchter auf dem Erdboden (V. 1) / der Anwesenheit der „Gefallenen“ auf der Erde (V. 4),
(b) dass die Menschheit (V. 1) / das Böse der Menschheit (V. 5) sich „vermehrt“,
(c) dass die Götterwesen sehen, dass die Menschenfrauen „gut“ sind (V. 2) / Gott sieht, dass die Menschen „böse“ sind (V. 5),
(d) dass die Götterwesen Menschenfrauen ehelichen (V. 2) / mit ihnen Nachwuchs zeugen (V. 4)
(e) Dass Gott eine durch „da sprach GOTT“ eingeleitete Konsequenz zieht (Vv. 3.7). (Zurück zu v.4)
hNicht: „Es gab sie in jenen (eben beschriebenen) Tagen – und danach –, als...“, wonach sich der folgende Satz auf „jene Tage“ beziehen und die Gefallenen die Nachkommen der Götterwesen sein könnten. Nach den Akzenten gehört „und danach“ klar zum folgenden Teilsatz; es gab sie also „danach, d.h. als die göttlichen Wesen mit den menschlichen Frauen Kinder zeugen würden(Yiqtol, also Futur!) – und es gab sie bereits zuvor. Auch die Wortstellung zeigt an, dass mit der Rede von den Gefallenen ein „neues Fass aufgemacht“ wird (richtig Gentry / Wellum 2018, Kap. 5). Dass die Gefallenen die Flut überlebt hätten, wie viele Kommentator:innen annehmen, wird dann hier auch nicht gesagt. (Zurück zu v.4)
ieingehen - geläufiger Euphemismus für „Verkehr haben“. Im Heb. Yiqtol (+ Weqatal), eigentlich also Futur: „da die Götterwesen zu den Erdlingsfrauen eingehen sollten (und diese ihnen Nachwuchs gebären sollten)“. (Zurück zu v.4)
jgerecht und heilig, also gesetzestreu und gottgefällig handelnd. Zur Widergabe mit „heilig“ s. die übernächste FN. Das Adjektiv wird oft mit „Weg“, also dem „(Lebens-)Wandel“ kombiniert; dass Noah „gerecht und heilig“ ist, ist also exakt das Gegenteil von Vv. 11f.: „gewaltsam und vom Wege abgekommen“.
Der Doppelausdruck wird noch dadurch gesteigert, dass makellos im Heb. im Plural steht statt, wie dies auch möglich wäre, im Sg. Nur noch von Ijob verlautet die Bibel das Selbe (Ijob 12,4), davon abgesehen ist nur Gott „gerecht und heilig“ (Dtn 32,4). (Zurück zu v.9)
kGenerationen statt wie üblich Generation nicht, weil sich die Zeit weiterer Generationen mit der Lebenszeit Noahs überschnitt (Fischer 2018), was doch für jeden Menschen gilt (richtig Jacob 1934), sondern vermutlich einerseits bezogen auf die Generationen vor und die nach der Flut (Ders., Seebaß 1996; Gertz 2018; so schon ibn Ezra), andererseits ebenfalls, um den Ausdruck noch zu steigern: Noah war gerecht, war makellos (Plural), und das auch noch nicht nur im Vergleich zu seiner Generation vor der Flut, sondern auch noch im Vergleich zu den (kurzlebigeren) Generationen nach der Flut. (Zurück zu v.9)
lging umher, wie kurz zuvor in Gen 5,22 Henoch mit Gott umherging, also gottgemäß lebte. Noah überbietet selbst Henoch.
Aber stark Alschech: „mit Gott [statt mit seinen Zeitgenossen]“: Als Frömmler, der sich alles aus Gott und nichts aus seinen Mitmenschen machte und daher Gottes Urteil schweigend hinnahm. Elie Wiesel hat dieses in der jüdischen Auslegung verbreitete Urteil über Noah breit ausgefaltet und lässt u.a. Gott sagen: „I wanted you to assume the mantle of moral leadership and spread it up for my intended victims. But you kept quiet. From the moment you heard me reassuring you that you would be saved, you said nothing. You were satisfied, complacent. You chose to become my accomplice rather than humanity's friend ...(Wiesel 1991, S. 28). Es ist gar nicht ausgemacht, ob dies „nur“ ein Midrasch ist: Abraham, der nicht „mit“, sondern „vor Gott ging“, nachdem ihn dieser dazu aufgefordert hat (Gen 17,1), wird in der Erzählung über Sodom und Gomorrha auffällig ganz anders handeln. „Gerecht“ fürwahr – aber so, dass er „alles objektiv, nichts vom Standpunkte seines Interesses, alles vom Standpunkte seiner Pflicht auf[fasst](Rav Hirsch). Und „makellos“ auch – aber i.S.v. „heilig“, mit „zu Gott adäquatem menschlichem Tun“ (TWAT II 1050). „Gerecht und heilig“ – aber auch gut?
„Mit Gott“ steht im Heb. ungewöhnlich vor dem Verb an der Satzspitze; entweder, um noch mehr hervorzuheben, wie fromm Noah war, oder zur Markierung eines Kausalsatzes: „untadelig, weil / insofern er mit Gott umherging“. Das hat außerdem erstens zur Folge, dass V. 9 so mit „Noah“ beginnt und endet, und zweitens, dass der Vers in umgekehrter Reihenfolge mit den drei Konsonanten von Henochs Namen endet: hthlK-NḤ (gut beobachtet von Sasson 1975). (Zurück zu v.9)
mGewalt - das heb. Wort heißt speziell „Gewaltverbrechen“, wird aber oft metonymisch für jegliche Ungerechtigkeit verwendet (so hier LXX: „Unrecht“). Nach Kain und Lamech I darf man durchaus spezieller „Gewaltverbrechen“ hören; nach der Rede von Noahs „Gerechtigkeit“ ist aber klar, dass das Wort primär Gegenbegriff zu dieser Tugend Noahs sein soll.
Der Vers spielt gewiss ironisch auf Gen 1,28 an, wie zuvor V. 5 und auch gleich noch einmal V. 12 ironisch auf Gen 1,31 anspielen: „God had commissioned human beings to fill the earth, and they had filled it all right, but not as commissioned.(Goldingay 2020; ebenso Gertz 2018; Carr 2021). (Zurück zu v.11)
nalles Fleisch kann nur Tiere meinen (wie V. 19!), nur Menschen (z.B. Jer 25,18) oder beides (z.B. Num 18,15). Heute nimmt man es hier überwiegend i.S.v. „jegliches Lebewesen“, also Mensch und Tier (z.B. Stipp 2013b, Fischer 2018, Gertz 2018) – einerseits wegen V. 19, andererseits mit der sinnvollen Begründung, dass andernfalls mit der Flut ja Myriaden unschuldiger Tiere umgekommen wären (s. Jon 4,11!): Es brauche daher einen „tragfähigen Grund für das Auslöschen eines großen Teiles der Tierwelt“ (Fischer 2018). Aber die Annahme, dass Tiere in ihrem Lebenswandel mit Gewalttaten / Ungerechtigkeiten gegen den Willen Gottes verstoßen hätten, ist doch wohl nicht tragfähig?
Am besten erklärt man sich den Tod der Tiere daher eher mit Jon 3,7, wo nach dem angedrohten Gottesgericht über Ninive der König der Niniviten ein allgemeines Fasten ausruft, in das auch die Tiere einbezogen sein sollen: Schuld ist nach biblischer Vorstellung infektiös wie ein „ansteckender Krankheitsstoff ..., der auch den unbewußt damit in Berührung Kommenden mit Verderben bedroht.“ (Eichrodt 1964, S. 265f.), weshalb denn im Jonabuch auch die Tiere der schuldig gewordenen Stadt sich durch Fasten reinigen müssen. Hier wird es ja sogar explizit gesagt: Das Handeln „allen Fleisches“ hat die Erde verdorben; die ganze Welt wurde infiziert und bedarf der Reinigung. Ist das richtig, lässt sich aus dem Tod von „unschuldigen“ Tieren dann nichts ableiten: Sie mögen unschuldig sein, wären nach biblischer Vorstellung aber dennoch von der Schuld der Menschen mitbetroffen (was übrigens gar keine so fernliegende, sondern vielmehr eine weise Vorstellung ist; man denke nur an das Leid von Tieren unter menschlichen Umweltsünden o.ä. Aus dem dritten häufigen Argument für die Mensch-und-Tier-Interpretation übrigens, dass Gott in Gen 9,11 ja auch einen Bund mit allen Tieren eingeht, lässt sich von vornherein nichts für unsere Stelle folgern). Dann bleibt als Argument nur noch der gleiche Ausdruck hier und in V. 19 – das aber ist so wenig zwingend, dass man bei der Rede von allem „gewalttätigen / ungerechten und damit Gott ungefälligen Fleisch“ durchaus besser z.B. mit Ramban, Nikolaus von Lyra, Hulst 1958 und Goldingay 2020 nur an Menschen denken sollte. (Zurück zu v.12 / zu v.13)
oseinen Lebenswandel - Häufiges Bild in der Bibel: Das Menschenleben und die Weise, auf die er es lebt, ist sein „Weg“, und entsprechend ist dann auch die Weise, wie es ihm ergeht, sein Weg. „Sie haben ihren Weg verdorben“ ist also doppelsinnig: Sie haben falsch gelebt und sind damit selbst in den Abgrund gelaufen. Vgl. bes. Ijob 22,15-17, wo Elifaz wahrscheinlich über die Zeit der Flut (und dabei von bösen Menschen) spricht: „Legst du etwa Wert auf den Weg der Vorzeit, den die bösen Männer beschritten, die zur Unzeit weggerafft wurden? Ein Fluss überströmte das Fundament derer, die zu Gott sprachen: ‚Weg von uns! Was schließlich könnte der Mächtige uns tun!?‘“ Das Gegenbild z.B. in Spr 2,7f.: „[Gott ist] ein Schild für die, die makellos wandeln, insofern er die Pfade der Gerechtigkeit behütet und den Weg der ihm Treuen beschützt.“ Wie dort ist auch hier Noah „makellos“ und „geht“ mit Gott umher, während alle anderen „ihren Weg verdorben“ haben. S. noch näher z.B. Weg (WiBiLex). (Zurück zu v.12)
pSchwer verständlicher Satz. Offensichtlich soll hier „ihr Ende kommt / ist gekommen!“ variiert werden (s. Jer 51,13; Ez 7,2; Am 8,2; in Klg 4,18 wird ebenso mit dem „lebenswandeln“ und dem „kommenden Ende“ gespielt wie hier), und zwar so, dass V. 13a ähnlich wie V. 11 mit „vor mein Gesicht“ beginnt: Die Übeltäter haben sich selbst in den Abgrund geritten; indem sie ihre Verderbnis vor die Augen Gottes kommen ließen (vgl. noch Jon 1,2; Esra 9,6; Offb 18,5), ist damit auch ihr Ende vor die Augen Gottes gekommen. 13b verstärkt das auch noch; es ist „das vor ihrem Gesicht“, was letztlich zu dem „vor Gottes Gesicht“ geführt hat. Aber das Bild ist so hart, dass ungewiss ist, ob hier noch Weiteres mitgehört werden muss, was wir heute nicht mehr nachvollziehen können. In dt. Üss. übersetzt man üblicherweise „ihr Ende ist bei mir beschlossen“, was aber weder das Wortspiel noch den Sinn dahinter erhellt. Besser übersetzt man anders frei: „Sie wandeln auf ihr Ende zu“. (zu v.13)
qmit der Erde - Primär muss nun also die entartete Erde „verdorben“ werden; die verdorbenen Menschen haben sich selbst zu Kollateralschäden gemacht. (Zurück zu v.13)
r
Bild 2: Noahs Arche. Buchmalerei von William de Brailes, 13. Jhd. (c) Walters Art Museum
Bild 1: Noah's Arche. Buchmalerei in der Wiener Genesis (6. Jhd.); Rekonstruktion. (c) Quaternio.ch
Bild 5: Budapester Torah-Schrein. CC BY-SA 3.0 Zairon via Wikimedia
Bild 4: Kantorentribüne. Buchmalerei aus der Sister Haggadah, 14. Jhd. CC0 via Wikimedia
Bild 3: Ägyptischer Schrein des Thot. (c) Roeder 1914
Bild 7: Re auf seiner Sonnenbarke, darunter die Himmelsgöttin Nut und der liegende Erdgott Geb. (c) Budge 1904
Bild 6: Sonnenbarke des Djedhor. CC BY-SA 3.0 José Luiz Bernardes Ribeiro via Wikimedia
Bild 8: Noah's Arche? KI-Art, CC0.
Schrein (?, Kasten) - Traditionell: „eine Arche“ (z.B. Gertz 2018), neuerdings oft: „einen Kasten“ (z.B. Fischer 2018). Noah's Arche ist wahrscheinlich ein sehr aufgeladenes Symbol und bedarf etwas ausführlicherer Erläuterungen. Wie die ganze Fluterzählung geht auch das Motiv der Arche auf die sumerisch-akkadischen Fluterzählung zurück. Im Gilgamesch-Epos nun, wo eine Variante dieser Erzählung überliefert ist, wird das Schiff des sumerischen Fluthelden in Gilg XI 95 als ekallu („Palast, Tempel“) bezeichnet, in Gilg XI 156 wahrscheinlich sogar als ziqqurrat („Ziggurat“). Wie mehrere Ziggurat-Tempel hat es dort außerdem sieben Stockwerke. Entsprechend hat man sich die sumerische Arche wahrscheinlich nicht kubisch vorzustellen, wie es meist heißt: Nach Gilg hat XI 60 hat sie sechs „Dächer“; eher wird man also an ein sechs-geschossiges Ziggurat mit dem Schiffskorpus selbst als unterstem siebten Geschoss denken müssen (richtig Mallowan 1964, S. 65; Holloway 1991, S. 338-344; Holloway 1998. Zur Kritik von Hendel 1995 vgl. die neueren Üss. von George und Wassermann: „Zehn Nindanu hoch waren ihre Wände: Zehn Nindanu hoch war gleichmäßig die Wand ihres Oberdecks“. Gesagt wird also nicht notwendig, dass auch ihr Oberdeck zehn [Quadrat-]Nindanu Fläche hatte). In mittelalterlichen Bibelhandschriften wird Noahs Arche zufällig relativ regelmäßig als drei-/viergeschossiges Ziggurat gemalt; man kann sich die Arche im Gilgamesch-Epos also wahrscheinlich in etwa vorstellen wie rechts (Bild 1+2), nur mit sieben Stöcken.
Entsprechendes wie für die sumerische Arche gilt wahrscheinlich auch für Noah's Arche: Offenbar soll sie an eine ägyptischen Schreinbarke erinnern. Im Hebräischen heißt sie tebah. Man ist sich heute einig, dass dies ein ägyptisches Lehnwort ist und sich vom ägyptischen tb.t / ḏb3t herleitet, was u.a. „Kasten“, „Sarg“ und „Schrein“ bedeutet. Dafür spricht vor allem auch die spätere Verwendung des Wortes tebah: In der Bibel wird das Wort nur für Noahs Arche und das Schilfkörbchen des Mose in Ex 2,3.5 verwendet; die genaue Bed. des heb. Wortes lässt sich hieraus also nicht gut erschließen. Im nachbiblischen Hebräisch wird als tebah aber in manchen Gegenden der Torah-Schrein in Synagogen, in anderen Gegenden die synagogale Kantorentribüne vor diesem Torah-Schrein bezeichnet. Vergleicht man diese Schreine / Tribünen mit ägyptischen Schreinen, sieht man gleich, warum: Götterschrein und Torah-Schrein sind beide heilige Behausungen; alle drei Konstrukte haben dabei eine „Guckkasten-Struktur“ (siehe rechts die Bilder 3-5).
Solche ägyptischen Schreine standen nun nicht nur in Tempeln, sondern v.a. auf portablen Barken, die bei Prozessionen durch die Straßen getragen wurden (zu diesen vgl. grundsätzlich Falk 2015; an diese hat auch schon Jacob 1934 gedacht: „Barke mit einem viereckigen Aufbau“). Solche Schreinbarken gab es auch im Miniaturformat als Grabbeigaben (s. rechts, Bild 6. Auch mehrstöckig; s. z.B. Tutankhamuns Barken Nr. 284; 306; 309; 310; 314; für eine dreistöckige Steh-Schrein-Barke z.B. Fig. 1 in Doyle 2017, für eine siebenstöckige s. die Amun-Barke in Foucart 1921, fig. 2). Hintergrund ist die Vorstellung, dass die ägyptischen Sonnen- und Mondgötter auf ihren Barken über das Himmelsmeer fuhren (Bild 7), nämlich tagsüber im Reich der Lebendigen, nachts im Reich der Toten. Starb ein Mensch, wollte er zunächst zusammen mit dem Sonnengott die Tages-Tour auf dieser Barke machen, bevor er ins Jenseits einging (vgl. näher z.B. Hermsen 1991, bes. S. 105-111; Falk 2015, bes. S. 214-216). Im Spruch 136 B des Totenbuchs etwa – dem „Spruch für die Fahrt in der großen Barke des Re, um am Hofstaat der Flamme [des Sonnengottes] vorüber [in die Barke selbst] zu gelangen“ – ist diese Vorstellung klar erkennbar. Dort wird außerdem u.a. vom Gott Re gesprochen als jenem, „der im Schrein ist, mit zahlreichen Binsen und Schilf [aus denen die Barke besteht]“. Zu erwähnen ist noch, dass die Öffnungen der meisten ägyptischen Schreine mit einer Holztür verschließbar waren, die prominent die ganze Vorderseite ausmachte, die aber meist nicht erhalten ist (für ein Bsp. mit erhaltener Türe s. Carter 108), und dass die Decke von Stehschreinen, da diese Götter beherbergten, den Himmel symbolisierte – vgl. etwa die Auslegung der Symbolik des prächtigen Edfu-Schreins in Abdelhamid / Salem 2022, bes. S. 113f.132.
Die Parallelen zu Noahs Arche sind offensichtlich: Sie ist ein tb.t / tebah genanntes Wasserfahrzeug, das die Wasser des Himmels und der Unterwelt überquert (nachdem diese niedergegangen und aufgestiegen sind), sie hat für Wasserfahrzeuge untypisch eine Tür (die man sich dann natürlich nicht in der Schiffswand vorstellen darf wie jüngst in Aronofskys Verfilmung) und hat außerdem gar einen eigenen „Mittag“ (s.u.). Sie ist darüber hinaus neben der Bundeslade – dem portablen Tabernakel, auf dessen Nähe zu den portablen Sonnenbarken kürzlich auch Noegel 2015 hingewiesen hat – in Ex 25-27 und dem Tempel in 1 Chr 28,19 das einzige Bauwerk, dessen Baupläne Gott selbst offenbart; auch dies parallelisiert sie also mit diesen Kultorten.
Die Symbolik ist ebenso klar: Es klingt zunächst, als solle Noah sich selbst einen gigantischen Sarg bauen. Doch gleich darauf stellt sich heraus: Die Arche ist die Brücke vom Tod ins Leben; nur dank ihrer können Mensch und Tier dem Tod entgehen.
Dass sie anders als Utnapischtim's Arche nicht sieben, sondern drei Geschosse hat, ist vielleicht damit zu erklären, dass auch der Jerusalemer Tempel anders als sumerische Ziggurate dreistöckig war (s. 1 Kön 6,6; Ez 42,6, gut Wyatt 2005, S. 215), vielleicht aber auch damit, dass die dreistöckige Barke eine häufige Form der ägyptischen Sonnenbarke war. Vielleicht kann man sie sich nach dem oben gesagten und nach den weiteren Beschreibungen in etwa vorstellen wie auf Bild 8. (Zurück zu v.14)
sPalmenrippen, also der holzige Stängel von Dattelpalmenblättern, werden noch heute im Orient statt Ried für Schiffe verwendet (Bilder in Johnson 2016, S. 15). Vielleicht sind diese gemeint. Aber das Wort ist sehr unsicher; viele Übersetzungen transkribieren es daher einfach: goper-Holz.
Genauer: (0) Auf den ersten Blick ist von einer unbekannten Holzart die Rede. Auf den zweiten Blick nicht mehr: Holzarten werden im Hebräischen mit Plural-Attribut gebildet, goper dürfte also nicht im Sg. stehen (s. z.B. 2 Sam 5,11; 1 Kön 5,22.24; 10,11; 2 Chr 2,7; 9,10f. und vgl. gut Strömberg Krantz 1982, S. 162). In den verschiedenen Übersetzungen ist dies dennoch die verbreitetste Deutung: Syr rät auf „Akazienholz“; in der jüd. Tradition (Ebr, LAB, TgO, TgJ, b.San 108b, BerR, Radak) war „Zedernholz“ am verbreitetsten. Beides läge nahe, weil im Alten Orient Holzschiffe häufig aus diesen Holzarten gebaut wurden – sprachlich möglich ist es aber wohl nicht. In englischen Übersetzungen, die nicht schlicht von gopher-Holz sprechen, ist „Zypresse“ der Favorit – vermutlich wegen den ähnlichen Konsonanten von hebr. KoPeR mit gr. KyPaRissos und engl. CyPRess (z.B. noch ALTER, Arnold 2009). Deutsche Übersetzungen wählen entweder ebenfalls eine dieser Varianten oder nach dem Vorbild von Luther eine „deutschere“ Variante des Nadelbaums Zypresse: Zu finden ist „Nadelholz“, „Tannenholz“, „Fichtenholz“ und „Pinienholz“.
Es ist ohnehin überraschend, dass hier zunächst von „Holz“ die Rede ist: Im Alten Orient gab es grob zwei Arten von Schiffen, nämlich Holzschiffe in baumreichen Regionen und Riedschiffe wie das oben abgebildete in Regionen wie Mesopotamien mit geringem Baumbestand. Letztere wurden regelmäßig mit Asphalt gedichtet, erstere nur selten – jedenfalls, wenn die Proben, die Connan u.a. 2005, S. 23 von Asphalt-Scherben genommen haben, repräsentativ sind. Es liegt ja auch nahe; Holzboote flächig zu asphaltieren ist schließlich nicht notwendig (ähnlich richtig McGrail 2009, S. 59f.69). Holzboote wurden, wenn man sich am antiken Schiffsbau im Mittelmeerraum orientieren darf, wahrscheinlich stattdessen mit Ruten und Harz kalfatert. Am israelitischen „Kinneret Boat“ aus Holz z.B. fanden sich ähnlich keine Asphalt-, sondern stellenweise Harz-Rückstände (vgl. White 1990). Wegen der klaren Rede vom Asphaltieren am Ende des Verses (kapar mit koper, „asphaltieren mit Asphalt“) sollte man daher meinen, dass hier ein Riedboot beschrieben wird. Das lässt sich auch noch unterschiedlich weiter plausibilisieren: Erstens damit, dass auch die sumerisch-akkadische Arche aus Ried bestand (s. Atr MS Ark 4-5; MS C2 ii 11'-14'; MS J r. 4'-7'; Gilg XI 23-24.50-56; ähnlich Atr MS Ark 10-12); ebenso die Schreinbarke des Re (s.o.), und auch die tebah von Mose in Ex 2,3 war ein Riedboot. Und zweitens damit: Israel war zwar mit seinen Libanonzedern holzreicher als Mesopotamien. Doch Libanonzedern waren kostbar, und Israel verfügte mit dem Toten Meer außerdem auch über eine der wichtigsten Asphaltquellen der Gegend (vgl. z.B. Oron u.a. 2015). Es überrascht daher wenig, dass z.B. Diodorus Siculus (Bib Hist 19.99.1-3) und Strabo (Geog. 16.2.42) berichten, dass man in Israel auf Riedbooten gefahren sei, um Asphalt aus dem Meer zu bergen. Vgl. zu Riedbooten schließlich noch Ijob 9,26 und zu Riedbooten auf hoher See Jes 18,2. Vielleicht ist dies der Grund, warum Ezechiel bei seiner Totenklage über Tyrus so ausgiebig betont, dass die Schiffe von Tyrus aus Holz seien (s. Ez 27): Große Holzschiffe dürften in Israel ursprünglich etwas Exotisches gewesen sein und die Norm stattdessen wie in Mesopotamien das Riedboot.
(1a) Hommel 1898, S. 214; Hirsch / Hyvernat 1906, S. 45f.; Murphy 1946 u.a. haben daher angenommen, dass sich goper vom akkadischen giparu („Marschland, Weideland“) ableitet. Vgl. v.a. Enuma Elisch I 6: „Bevor das giparu=Marschland sich gebildet hatte, bevor Ried zu finden war...“. „Marsch-Holz“ haben sie dann weiter direkt als „Ried“ gedeutet, wie in jüngerer Zeit auch Best 1999 und v.a. öffentlichkeitswirksam Finkel 2014, die annahmen, die sumerische und ägyptische Arche seien im Stil einer gigantischen Quffa erbaut worden, also einem Rundboot aus Ried und Asphalt, das nachweislich im Alten Mesopotamien und noch bis zum Ende des letzten Jahrhunderts im Orient in Gebrauch war. In dieser Dokumentation, wo nach der Anleitung Finkels eine solche Arche nachgebaut worden ist, kann man sie schön betrachten (ähnlich anschaulich hat übrigens Vosmer 2001 ein klassisches Riedboot nachgebaut). Durchaus hingewiesen sei außerdem auf das schöne Ark Re-Imagined-Projekt, wo man von der Kulturanthropologie herkommend ebenfalls von einem runden Riedboot ausgeht.
(1b) Die Vokale passen nicht für eine Ableitung von giparu > goper, aber goper klangspielt offensichtlich mit koper („Asphalt“) am Ende des Verses; diese Schwierigkeit lässt sich also leicht als irreguläre Assonanz erklären. Schwieriger ist, dass es m.W. keinen Beleg dafür gibt, dass Ried als „Holz“ bezeichnet würde. Besser deutet man das „Marschholz“ daher als die Dattelpalme, die nur in der Nähe von Wasserläufen wächst und deren Rippen noch heute von Ägypten bis zu den Marsch-Arabern beim Bootbau als Ried-Alternative verwendet werden.
(2) Goldingay 2020 hat klug alternativ auf das nachbiblische gapar hingewiesen, das offensichtlich eine Nebenform von kapar („asphaltieren“) ist; vgl. im Talmud (b.BB 97b) und in der Tosefta (t.BB vi 3): „rissige und maguprot Amphoren“. So versteht auch schon Hieronymus in seinen Quaestiones das Wort: „bituminata legimus in Hebraeo“, „im Hebräischen heißt es ‚verpicht‘.“ Dagegen spricht vor allem, dass vom Asphaltieren ja gleich erst die Rede sein wird, dass man nicht zu verbauendes Holz, sondern fertige Boote asphaltierte und dass man eben gerade Holzboote nur unwahrscheinlich überhaupt asphaltierte. Philologisch ist Goldingays Vorschlag zwar einfacher als der alte Vorschlag von Hommel, konzeptuell ist er aber zu schwierig.
Der Vollständigkeit halber noch zwei weitere Deutungen:
(3) Abzuleiten wäre das Wort vom akkadischen gupru („Tisch“). Daher wohl LXX: „viereckiges Holz“, VUL: „geglättetes Holz“; danach aber niemand sonst, der nicht primär Septuaginta und/oder Vulgata auslegte.
(4) Abzuleiten wäre das Wort vom hebräischen goprit („Schwefel“), also „geschwefeltes“ = behandeltes = besonders haltbares Holz. Daher Aq: „geschwefeltes Holz“ (eigentlich „geschwefeltes unzerstörbares Holz“, das „unzerstörbar“ ist aber gewiss hier wie in LXX aus Ex 25,5 eingedrungen). (Zurück zu v.14)
t[gleich] Nestern - wieder also: Als Ried-Boot. Die häufige Textkorrektur von von qinnim („Nester“) zu qanim („Ried“, z.B. Habel 2011, Gertz 2018, Carr 2021) läuft auf das Selbe hinaus. Die ebenfalls häufige Übersetzung mit „Räume“ geht davon aus, dass „Nester“ hiermit synonym verwendet würde, warum auch immer. (Zurück zu v.14)
u
Blau: Maße Titanic, Grün: Maße Arche, Lang-Elle; Rot: Maße Arche, Kurz-Elle
Im Alten Israel gab es wie im Alten Ägypten zwei unterschiedliche „Ellen“: Die Kurzelle von 44,5cm, die auch im Siloam-Tunnel belegt ist, und die Langelle von 52,4 cm, die sich auch durch die Grabkammer von St. Etienne belegen lässt. Vgl. v.a. Ez 40,5 und 2 Chr 3,3. Welche von beiden Ellen hier gemeint ist, ist unklar; entweder hätte die Arche also die Maße 133,5m x 22,5 m x 13,35 m oder 157,2 m x 26,2 m x 15,72 m. Rechts sind beide abgebildet; zum Vergleich noch die Maße der Titanic mit 269 m x 28 m x 53 m. In die LF übersetze am besten mit „150 m x 25 m x 15 m“. Es ist klar, dass auch in diesem für damalige Verhältnisse riesigen Gefährt – es ist z.B. etwa dreimal so groß wie das Khufu-Schiff – beileibe nicht einmal Vertreter aller Gattungen der Fauna nur Israels Platz gefunden hätten. Verschiedene Ausleger haben sich daher an einer symbolischen o.ä. Interpretation dieser Zahlen versucht; Überzeugendes kam dabei aber nicht heraus. Vielleicht sollten mit den Größenangaben schlicht real existierende Pracht-Schiffe übertrumpft werden. (Zurück zu v.15)
v(Einen Mittag =) Einen Türsturz (ein Fenster?, ein Dach?) - Heb. ṣohar, sonst stets „Licht, Mittag“. Das Wort wird jedenfalls gegen seine übliche Bed. verwendet; der Midrasch beginnt ungewöhnlich mit „Rabbi Chunia, Rabbi Pinhas, Rabbi Chanan und Rabbi Hoschaja konnten das Wort nicht erklären.
(1) Dabei gab es in der jüdischen Auslegung eines schöne Auslegungstradition; der Targum Jonathan fabuliert nämlich: „Geh zum (Fluss) Pischon, nimm dir von dort einen Edelstein, und tu ihn in die Arche, damit er dir Licht gibt!“ In der ältesten jüdischen Auslegung war hiernach diese Erklärung stark verbreitet; Rabbi Chia bar Seira z.B. schmückt noch weiter aus: „Zur Zeit, als der (Edelstein) dunkel war, wusste Noah, dass Tag ist, und zur Zeit, als er schien, wusste er, dass Nacht ist.(p.Pes 27b; ebenso im Midrasch).
(2) LXX dagegen interpretiert das Wort offenbar als „Zenit“ und übersetzt daher mit „Zusammensammlung“, interpretiert also anscheinend als „Giebeldach“ (?, so erklärt LXX jedenfalls Harl 1986, S. 132). Hieronymus würde diesen Sprachgebrauch dann nicht kennen; in den Quaestiones übersetzt er LXX wiederum verbal: „zusammensammelnd“. Dass die Arche ein Giebeldach gehabt habe, findet sich aber auch im Midrasch und bei Raschi; so erklären das Wort auch heute noch viele nach verwandten Wörtern in anderen Sprachen (z.B. Jacob 1934, Gertz 2018, Goldingay 2020). Aber dann macht der folgende Satz wenig Sinn.
(3) Sym schließlich übersetzt mit „etwas Auffälliges / Durchsichtiges“, was Hieronymus in den Quaestiones als „Fenster“ erklärt, wie er in VUL auch übersetzt. Ich bin unsicher, ob damit Sym richtig verstanden ist. Vgl. zwar in manchen Handschriften von Offb 21,21: „durchsichtiges Glas“, aber Fensterglas wäre ja ein massiver Anachronismus. Als „Fenster-Öffnung“ erklärt besser Rabbi Abba ben Kahana im Midrasch, dann auch ibn Ezra, Radak, Chizkuni und heute z.B. Cassuto 1961b, ALTER, Fischer 2018. Aber richtig Gertz 2018: Aus dem Wort lässt sich das eigentlich nicht erschließen; das Fenster dürfte aus Gen 8,6 rück-erschlossen worden sein. Man fragt sich ohnehin: Welchen Sinn hätte bei einem dreistöckigen Bauwerk ein Fenster?
(4) Nach Hieronymus übersetzen Lamsa und Kiraz auch Syr: „windows“. Aber das ist gewiss falsch: zwedne`, „bewehrter Türsturz“, von akk. samitu (s. CAL s.v.). In Syr ist dies dann auch noch Teil eines Wortspiels, da das syr. Wort für „Schrein“ auch „Türrahmen“ bedeutet. Weil der Türsturz ägyptischer Schreine häufig mit der Sonnenscheibe im Zenit versehen war (s. nur in Roeder 1914 die Abbildungen a. 70010, a. 70013, a. 70014, a. 70015, a. 70019, a. 70020, a. 70022, b. 9287) könnte auch auch mit dem „Ort des Mittags“ in TgN und dem „Mittagsort“ in Aq dieses Bauteil gemeint sein. Danach ließe sich der heb. Text gute erklären: Kann wegen dieser üblichen Gestaltung von Türsturzen dieser auch im Heb. mit „Mittag[sort]“ der Türsturz gemeint sein, schließt sich hieran glatt die Rede von der Tür an. (Zurück zu v.16)
wDie Oberkante des Türsturzes (oder des Fensters) soll also einen halben Meter unterhalb des Daches sitzen. Hat man oben „Dach“ übersetzt, lässt sich dieser Satz nicht sinnvoll übersetzen und wurde dann früher gerne gestrichen; heute übersetzt man stattdessen ohne gute Parallelen „Beende es auf eine Elle hin nach oben“, was entweder heißen soll, dass der Dachgiebel noch eine Elle weiter oben als die Wände endet oder dass der Dachgibel nicht ganz spitz, sondern eine Elle breit ist. (Zurück zu v.16)
xTextkritik: Das Wort fehlt in LXX; die anderen Textzeugen bezeugen es. Hendel 1998 und Carr 2021 halten LXX für ursprünglich und MT für ein explizierendes Plus, BHQ dagegen hält MT für ursprünglich und LXX für eine stilistische Vereinfachung. Aber LXX ist doch nicht „einfacher?“ (Zurück zu v.16)
yGemeint ist nach Schrein-Parallelen zu urteilen wahrscheinlich die Vorderseite. (Zurück zu v.16)
zIch meinerseits bin im Begriff - w. „Und ich, siehe mich, [bin] bringend“. Siehe + Partizip steht recht häufig und gewiss auch hier für Futurum instans, die unmittelbar bevorstehenden Zukunft (ebenso konstruiert z.B. Gen 9,9; Ex 14,17; Jer 26,14; 40,10). Gleichzeitig gibt diese grammatische Konstruktion dem Autoren die Gelegenheit, Gott zu Beginn dieses Verses gleich zweimal hintereinander „ich“ sagen zu lassen, obwohl grammatisch keines davon nötig gewesen wäre. Daran schließt sich ähnlich – nun aber lautlich – doppelnd an: mebi` `et-hamabbul („bin bringend die Flut“). Auch dieses „Flut“ wird dann noch einmal gedoppelt: mabbul majm („die Flut [als] Wasser“). Ältere Ausleger haben wegen dieser Doppelung das Wort „Wasser“ d.Ö. gestrichen, aber der ganze Satz ist ja doppelnd – am stärksten dann „um zu verderben alles Fleisch mit Lebensatem in sich unter dem Himmel“ und „alles, was auf der Erde ist, soll verderben“. Den Lebewesen „unter dem Himmel“ und „auf der Erde“ entsprechen dann die beiden Quellen – die himmlische und die unterirdische – der Flut. (Zurück zu v.17)
aadie Flut (den Niederschlag, den Himmelsozean) - Das Wort mabbul steht nur noch in Ps 29,10 und bezeichnet dort die überirdischen Fluten. Es ist auf jeden Fall ein Wortspiel; welches, ist aber zunächst nicht ganz klar: Entweder ist es abzuleiten von jabal („fließen, bringen“, so Dillmann 1892, Cassuto 1961b, Fischer 2018) und das Wort spielt so an auf die Kainiten Jabal, Jubal und Tubal-Kain. Oder es ist abzuleiten von nabel „niederfallen“ (so ibn Ezra, Jerónimo de Azambuja, Jacob 1934). Gemeint wäre damit sowohl das Niederfallen von Wasser (vgl. Jes 34,4 von fallenden Sternen und Blättern) als auch das Hinsinken von Sterbenden (s. Ps 18,46); das dt. „Niederschlag“ ist glücklicherweise ähnlich mehrdeutig. Darüber hinaus steht das Wort für „Abfälligkeit, Verachtung“ (z.B. Nah 3,6) und sein Korrelat, die „Verachtenswert-heit, Torheit“ (Ps 30,32); das hiervon abgeleitete Adjektiv nabal bezeichnet häufig die „Bösen, Frevler“. Die dt. Übersetzung „Sündflut“ könnte sich auch hieraus erklären und muss nicht nur Fehldeutung von „Sintflut“ = „andauernde Flut“ sein.
Nach beiden Herleitungen wäre das Wort als Maqtul-Bildung mit Ellision eines Konsonanten zu erklären: *majbul > mabbul oder *manbul > mabbul. Für Ersteres spricht die einheitliche Übersetzung der alten Versionen mit „Flut“, für Letzteres die Tatsache, dass dies eine sehr nahe Wortbildungsparallele in mabbu(a)´ (< *manbu(a)´ „Wasserquelle“) und ähnlich mabbak (< *manbak „Quelle“) hat (und zufällig witzigerweise auch maṭṭah [< *manṭah, „nieder, hinunter“] und makkah [< *mankah, „Schlag“]). Den Ausschlag gibt der Artikel (die Flut“), der schwieriger bei „der Niederschlag“ zur erklären wäre. Anzunehmen wäre dann, dass mabbul wirklich ein stehender Begriff für die eine himmlische Flut – den „Himmelsozean“ – ist (so z.B. Waltke / Fredericks 2001, Goldingay 2020, Carr 2021): „Ich bringe den Himmelsozean auf die Erde“. (Zurück zu v.17)
abin dem Lebens-Hauch ist - alle also, die Gott durch Behauchen zu einem Lebewesen gemacht hat: alle Lebewesen. (Zurück zu v.17)
acDie wörtliche Übersetzung lautet: Und ich werde [als] meine Verpflichtung mit dir aufrichten, dass ... . vgl. Gesenius-Donner בְּרִית II.1.b. (Zurück zu v.18)
adPerf. cons. mit konsekutivem Sinn; wörtl.: und du wirst hineingehen ... (Zurück zu v.18)
aeIm Hebräischen ein Kollektivbegriff, der alles umfasst, was fliegen kann. (Zurück zu v.20)
afIm Hebräischen ein Kollektivbegriff, der alles umfasst, was auf vier Beinen geht. (Zurück zu v.20)
agIm Hebräischen ein Kollektivbegriff, der alles umfasst, was sich nicht auf vier Beinen fortbewegt und nicht fliegt. (Zurück zu v.20)