Ijob 6: Unterschied zwischen den Versionen

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{{S|2}} „Dass doch gewogen, gewogen werde<ref>''gewogen, gewogen'' - W. ungefähr „Dass doch wiegend gewogen werde“, ein sog. „tautologischer Infinitiv“: heb. Konstruktion, in der ein Inifinitiv und eine finite Form desselben Verbs nebeneinandergestellt wird, wodurch der Modus der gesamten Aussage verstärkt wird: „Man soll ''unbedingt'' wiegen!“ Hier zusätzlich verstärkt durch die einleitende Wunschpartikel ''lu'' („dass doch“).</ref> mein Eifer (Gram),
 
{{S|2}} „Dass doch gewogen, gewogen werde<ref>''gewogen, gewogen'' - W. ungefähr „Dass doch wiegend gewogen werde“, ein sog. „tautologischer Infinitiv“: heb. Konstruktion, in der ein Inifinitiv und eine finite Form desselben Verbs nebeneinandergestellt wird, wodurch der Modus der gesamten Aussage verstärkt wird: „Man soll ''unbedingt'' wiegen!“ Hier zusätzlich verstärkt durch die einleitende Wunschpartikel ''lu'' („dass doch“).</ref> mein Eifer (Gram),
 
_Und man meine Verderbnis (mein Unglück) auf die Waage legte dazu!
 
_Und man meine Verderbnis (mein Unglück) auf die Waage legte dazu!
{{S|3}} Denn dann lastete er schwerer als der Sand der Meere –<ref>''Vv. 2-3a'' werden in neueren Kommentaren und Üss. recht sicher falsch verstanden. Für gewöhnlich deutet man dort nämlich ''ka`aß'' (eine Nebenform von ''ka`as'' wie in [[Ijob 5#s2 |Ijob 5,2]]; [[Ijob 10#s17 |10,17]]; [[Ijob 17#s7 |17,7]]) in 2a als „Gram“, ''hawah'' in 3b als „Unglück“ und versteht dann 2-3a so, dass das Unglück, das über Ijob hereingebrochen ist, und seine Gram darüber gemeinsam auf die selbe Waagschale gelegt und dann gewogen werden sollen – derart gewogen wögen beide gemeinsam schwerer als aller Sand am Meeresstrand, womit sich dann seine harten Worte verteidigen ließen. Weder grammatisch (a) noch mentalitätsgeschichtlich (b) noch lexikalisch (c) ist das sehr wahrscheinlich; eher wird man die drei Zeilen so verstehen müssen, dass Ijob zwar zugibt, mit Worten gesündigt zu haben (was 3b ohnehin nahelegt) und auch gar nicht von sich weißt, dass dies Frevel sei, dies aber damit erklärt, dass er im Affekt gesprochen habe:<br />(a) ''ka`aß/s'' ist maskulin, ''hawah'' feminin. Das Verb „lasten“ in 3a ist Maskulin Singular. Sollte gesagt werden, dass Kummer + Leid > aller Strandsand (so die meisten neueren Kommentatoren), würde man ein Pluralverb erwarten; soll nur gesagt werden, dass Ijob zwar in der Tat im Affekt gesprochen hat, aber dieser Affekt im Vergleich zu seinem Leid immer noch sehr klein ist (das ''Leid'' also im Vergleich zur ''Gram'' schwerer als aller Sand der Meere sei – vgl. Budde 1896, S. 25: „Sein Unmut muss an seinem Unglück gemessen werden; die ''genaueste'' Wägung würde feststellen, dass er jenem längst nicht gleich käme.“; ähnlich z.B. Delitzsch<!-- 1864, S. 71f.-->; Dillmann<!-- 1891, S. 59-->; Driver/Gray<!--1921, S. 59-->; Duhm<!-- 1897, S. 35f. --> u.a.), müsste es feminin sein. Grammatisch ist die Gewichtsangabe in 3a allein auf ''ka`aß/s'' zu beziehen (so richtig Rosenmüller 1832, S. 82); vorzustellen hat man sich also wohl doch mit den älteren Kommentatoren, dass ''ka`aß'' auf die eine, ''hawah'' aber auf die andere Waagschale gelegt wird. Betont wird dann aber nicht die Schwere der ''hawah'', sondern des ''ka`aß''.<br />(b) Ohnehin wäre eine solche Rechtfertigung mentalitätsgeschichtlich überraschend. Das Wort ''ka`as'' ist weiter als vergleichbare deutsche Worte. Meist steht es für den „Grimm“, den eifernden Zorn gegen einen Anderen (wie z.B. [[Ijob 5#s2 |Ijob 5,2]]; [[Ijob 10#s17 |10,17]]), gelegentlich aber auch für die „Gram“, den Kummer über ein schweres Geschick (wie sehr ähnlich in [[1Samuel 1#s16 |1 Sam 1,16]]; auch [[Ijob 17#s7 |Ijob 17,7]]; [[Psalm 6#s8 |Ps 6,8]] u.ö.). Hier kann man gut beides mithören: Aus allzu großem ''Kummer''  hat sich Ijob zu seinen Aussagen in Kap. 3 verstiegen und daher „im ''Affekt'' gesprochen“, was ihm Elifas in [[Ijob 4#s5 |Ijob 4,5]]; [[Ijob 5#s2 |5,2]] denn auch vorwirft. Fast alle dt. Üss. entscheiden sich für „Gram“, „Kummer“, „Schmerz“ o.Ä. (verbreitet ist auch das nicht sehr treffende „Unmut“); Ausnahme ist einzig HER05 mit „Ärger“. Wahrscheinlich wäre eine Üs. mit „Affekt“ hier aber treffender, denn wie derartige Gefühlsregungen in einer weisheitlichen Schrift wie Ijob zu beurteilen sind, zeigen deutlich z.B. [[Ijob 36#s18 |Ijob 36,18]] oder auch [[Psalm 37#s8 |Ps 37,8]]; [[Sprichwörter 14#s29 |Spr 14,29]]; [[Sprichwörter 16#s32 |16,32]]; [[Sprichwörter 20#s25 |20,25]] (!); [[Jakobus 1#s19 |Jak 1,19f.]]; [[Jakobus 3#s14 |Jak 3,14-18]] u.ö.: Ein Sprechen im Affekt wäre vielleicht erklärlich, damit aber zu biblischen Zeiten noch lange nicht vertretbar.<br />(c) Problematisch bei der verbreiteten Deutung ist schließlich die Übersetzung von ''hawah'' mit „Unglück“. ''hawah'' ist kein seltenes Wort und steht häufig für moralische Verderbtheit, die sich v.a. in Wortsünden äußert; vgl. [[Psalm 5#s10 |Ps 5,10]]; [[Psalm 38#s13 |38,13]]; [[Psalm 52#s3 |52,3]]; [[Psalm 57#s2 |57,2]] (vgl. V. 5); [[Sprichwörter 17#s4 |Spr 17,4]]; [[Micha 7#s3 |Mi 7,3]]; allgemeiner von der generellen Verderbtheit [[Psalm 52#s9 |Ps 52,9]]; [[Psalm 55#s12 |55,12]]; [[Psalm 91#s3 |91,3]]; [[Psalm 94#s20 |94,20]]; [[Sprichwörter 10#s3 |Spr 10,3]]; [[Sprichwörter 11#s6 |11,6]]; [[Sprichwörter 19#s13 |19,13]]. Die Bed. „Unglück“ hier und in [[Ijob 30#s13 |Ijob 30,13]] wäre singulär; auch liegt gerade bei einer Verwendung zusammen mit der Rede von „unüberlegten Worten“ in 3b sehr viel näher, dass es sich hier wie üblich auf Wortsünden bezieht.</ref>
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{{S|3}} Denn dann würde er schwerer lasten als der Sand der Meere –<ref>''Vv. 2-3a'' werden in neueren Kommentaren und Üss. recht sicher falsch verstanden. Für gewöhnlich deutet man dort nämlich ''ka`aß'' (eine Nebenform von ''ka`as'' wie in [[Ijob 5#s2 |Ijob 5,2]]; [[Ijob 10#s17 |10,17]]; [[Ijob 17#s7 |17,7]]) in 2a als „Gram“, ''hawah'' in 3b als „Unglück“ und versteht dann 2-3a so, dass das Unglück, das über Ijob hereingebrochen ist, und seine Gram darüber gemeinsam auf die selbe Waagschale gelegt und dann gewogen werden sollen – derart gewogen wögen beide gemeinsam schwerer als aller Sand am Meeresstrand, womit sich dann seine harten Worte verteidigen ließen. Weder grammatisch (a) noch mentalitätsgeschichtlich (b) noch lexikalisch (c) ist das sehr wahrscheinlich; eher wird man die drei Zeilen so verstehen müssen, dass Ijob zwar zugibt, mit Worten gesündigt zu haben (was 3b ohnehin nahelegt) und auch gar nicht von sich weißt, dass dies Frevel sei, dies aber damit erklärt, dass er im Affekt gesprochen habe:<br />(a) ''ka`aß/s'' ist maskulin, ''hawah'' feminin. Das Verb „lasten“ in 3a ist Maskulin Singular. Sollte gesagt werden, dass Kummer + Leid > aller Strandsand (so die meisten neueren Kommentatoren), würde man ein Pluralverb erwarten; soll nur gesagt werden, dass Ijob zwar in der Tat im Affekt gesprochen hat, aber dieser Affekt im Vergleich zu seinem Leid immer noch sehr klein ist (das ''Leid'' also im Vergleich zur ''Gram'' schwerer als aller Sand der Meere sei – vgl. Budde 1896, S. 25: „Sein Unmut muss an seinem Unglück gemessen werden; die ''genaueste'' Wägung würde feststellen, dass er jenem längst nicht gleich käme.“; ähnlich z.B. Delitzsch<!-- 1864, S. 71f.-->; Dillmann<!-- 1891, S. 59-->; Driver/Gray<!--1921, S. 59-->; Duhm<!-- 1897, S. 35f. --> u.a.), müsste es feminin sein. Grammatisch ist die Gewichtsangabe in 3a allein auf ''ka`aß/s'' zu beziehen (so richtig Rosenmüller 1832, S. 82); vorzustellen hat man sich also wohl doch mit den älteren Kommentatoren, dass ''ka`aß'' auf die eine, ''hawah'' aber auf die andere Waagschale gelegt wird. Betont wird dann aber nicht die Schwere der ''hawah'', sondern des ''ka`aß''.<br />(b) Ohnehin wäre eine solche Rechtfertigung mentalitätsgeschichtlich überraschend. Das Wort ''ka`as'' ist weiter als vergleichbare deutsche Worte. Meist steht es für den „Grimm“, den eifernden Zorn gegen einen Anderen (wie z.B. [[Ijob 5#s2 |Ijob 5,2]]; [[Ijob 10#s17 |10,17]]), gelegentlich aber auch für die „Gram“, den Kummer über ein schweres Geschick (wie sehr ähnlich in [[1Samuel 1#s16 |1 Sam 1,16]]; auch [[Ijob 17#s7 |Ijob 17,7]]; [[Psalm 6#s8 |Ps 6,8]] u.ö.). Hier kann man gut beides mithören: Aus allzu großem ''Kummer''  hat sich Ijob zu seinen Aussagen in Kap. 3 verstiegen und daher „im ''Affekt'' gesprochen“, was ihm Elifas in [[Ijob 4#s5 |Ijob 4,5]]; [[Ijob 5#s2 |5,2]] denn auch vorwirft. Fast alle dt. Üss. entscheiden sich für „Gram“, „Kummer“, „Schmerz“ o.Ä. (verbreitet ist auch das nicht sehr treffende „Unmut“); Ausnahme ist einzig HER05 mit „Ärger“. Wahrscheinlich wäre eine Üs. mit „Affekt“ hier aber treffender, denn wie derartige Gefühlsregungen in einer weisheitlichen Schrift wie Ijob zu beurteilen sind, zeigen deutlich z.B. [[Ijob 36#s18 |Ijob 36,18]] oder auch [[Psalm 37#s8 |Ps 37,8]]; [[Sprichwörter 14#s29 |Spr 14,29]]; [[Sprichwörter 16#s32 |16,32]]; [[Sprichwörter 20#s25 |20,25]] (!); [[Jakobus 1#s19 |Jak 1,19f.]]; [[Jakobus 3#s14 |Jak 3,14-18]] u.ö.: Ein Sprechen im Affekt wäre vielleicht erklärlich, damit aber zu biblischen Zeiten noch lange nicht vertretbar.<br />(c) Problematisch bei der verbreiteten Deutung ist schließlich die Übersetzung von ''hawah'' mit „Unglück“. ''hawah'' ist kein seltenes Wort und steht häufig für moralische Verderbtheit, die sich v.a. in Wortsünden äußert; vgl. [[Psalm 5#s10 |Ps 5,10]]; [[Psalm 38#s13 |38,13]]; [[Psalm 52#s3 |52,3]]; [[Psalm 57#s2 |57,2]] (vgl. V. 5); [[Sprichwörter 17#s4 |Spr 17,4]]; [[Micha 7#s3 |Mi 7,3]]; allgemeiner von der generellen Verderbtheit [[Psalm 52#s9 |Ps 52,9]]; [[Psalm 55#s12 |55,12]]; [[Psalm 91#s3 |91,3]]; [[Psalm 94#s20 |94,20]]; [[Sprichwörter 10#s3 |Spr 10,3]]; [[Sprichwörter 11#s6 |11,6]]; [[Sprichwörter 19#s13 |19,13]]. Die Bed. „Unglück“ hier und in [[Ijob 30#s13 |Ijob 30,13]] wäre singulär; auch liegt gerade bei einer Verwendung zusammen mit der Rede von „unüberlegten Worten“ in 3b sehr viel näher, dass es sich hier wie üblich auf Wortsünden bezieht.</ref>
_Darum stammelten meine Worte.<ref>'''tFN''': ''stammelten meine Worte'' - Heb. ''la`a`'', etwas unsicheres Wort. Äußerlich scheint es identisch zu sein mit ''la`a`'' („sturztrinken“; vgl. auch ''lo`a'', „Kehle“ in [[Sprichwörter 23#s2 |Spr 23,2]]) in [[Obadja #s16 |Ob 1,16]]; [[Jesus Sirach 34#s17 |Sir 34,17]] und [[Ijob 39#s30 |Ijob 39,30]]; tatsächlich ist es aber wohl eher gemeinsam mit dem selben Wort in [[Sprichwörter 20#s25 |Spr 20,25]] zu einem ''la`a`'' II zusammenzustellen und zu verbinden mit heb. ''la`ag'' („stottern“ in [[Jesaja 33#s19 |Jes 33,19]], das Subst. ''la`ag'', „Gestotter“, auch in [[Jesaja 28#s11 |Jes 28,11]]), da auch sonst im Semitischen die Konsonanten ''`'' und ''g'' häufig wechseln. In beiden Fällen wäre ungewöhnlich, dass nicht Ijob oder sein Mund, sondern seine ''Worte'' gestottert haben sollen – vielleicht will sich Ijob auch mit dieser Formulierung doch noch rechtfertigen und von seinen harten Worten distanzieren: Aufgrund seines/r übergroßen Grimms/Gram haben (1) ''seine Worte'' (statt ihm selbst) (2) ''gestottert'' (statt „gefrevelt“ o.Ä.).</ref>
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_Darum stotterten meine Worte.<ref>'''tFN''': ''stammelten meine Worte'' - Heb. ''la`a`'', etwas unsicheres Wort, daher meist frei übersetzt als „daher waren meine Worte unbedacht“. Äußerlich scheint es identisch zu sein mit ''la`a`'' („sturztrinken“; vgl. auch ''lo`a'', „Kehle“ in [[Sprichwörter 23#s2 |Spr 23,2]]) in [[Obadja #s16 |Ob 1,16]]; [[Jesus Sirach 34#s17 |Sir 34,17]] und [[Ijob 39#s30 |Ijob 39,30]]; tatsächlich ist es aber wohl eher gemeinsam mit dem selben Wort in [[Sprichwörter 20#s25 |Spr 20,25]] zu einem ''la`a`'' II zusammenzustellen und zu verbinden mit heb. ''la`ag'' („stottern“ in [[Jesaja 33#s19 |Jes 33,19]], das Subst. ''la`ag'', „Gestotter“, auch in [[Jesaja 28#s11 |Jes 28,11]]), da auch sonst im Semitischen die Konsonanten ''`'' und ''g'' häufig wechseln. In beiden Fällen wäre ungewöhnlich, dass nicht Ijob oder sein Mund, sondern seine ''Worte'' gestottert haben sollen – vielleicht will sich Ijob auch mit dieser Formulierung doch noch rechtfertigen und von seinen harten Worten distanzieren: Aufgrund seines/r übergroßen Grimms/Gram haben (1) ''seine Worte'' (statt ihm selbst) (2) ''gestottert'' (statt „gefrevelt“ o.Ä.).</ref>
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_Deren Gift mein Geist trinkt,
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_Die Schrecken Gottes<ref>''Schrecken Gottes'' - seine Bogenschützen, s. [[Ijob 16#s12 |Ijob 16,12f.]], daher das Verb ''`arak'', das meist von Soldaten, die sich zur Schlachtordnung aufstellen, gesagt wird. LXX („sie haben mich durchbohrt“) und Syr („sie haben mich erschreckt“) liegt kein anderer Text zugrunde: LXX leitet die Bed. des Wortes von den „Pfeilen“ in 4a ab, Syr von den „Schrecken“ in 4c.<br />Wie üblich im Ijobbuch stehen hier die beiden seltenen Gottesbezeichnungen „Schaddai“ und „Eloah“ im Parallelismus.</ref> wären (werden sein) gegen mich aufgestellt. {{par|Ijob|16|13}}</poem>
  
  
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Version vom 29. Mai 2019, 19:21 Uhr

Syntax OK

SF in Arbeit.png
Status: Studienfassung in Arbeit – Einige Verse des Kapitels sind bereits übersetzt. Wer die biblischen Ursprachen beherrscht, ist zum Einstellen weiterer Verse eingeladen. Auf der Diskussionsseite kann die Arbeit am Urtext dokumentiert werden. Dort ist auch Platz für Verbesserungsvorschläge und konstruktive Anmerkungen.
Folgt-später.png
Status: Lesefassung folgt später – Bevor eine Lesefassung erstellt werden kann, muss noch an der Studienfassung gearbeitet werden. Siehe Übersetzungskriterien und Qualitätssicherung Wir bitten um Geduld.

Lesefassung (Ijob 6)

(kommt später)

Studienfassung (Ijob 6)

1 Da antwortete Ijob {und sagte}:


2 „Dass doch gewogen, gewogen werdea mein Eifer (Gram),
Und man meine Verderbnis (mein Unglück) auf die Waage legte dazu!
3 Denn dann würde er schwerer lasten als der Sand der Meere –b
Darum stotterten meine Worte.c
4 Denn die Pfeile Schaddais [wären (sind)] vor (in?) mir,
Deren Gift mein Geist trinkt,
Die Schrecken Gottesd wären (werden sein) gegen mich aufgestellt.


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Anmerkungen

agewogen, gewogen - W. ungefähr „Dass doch wiegend gewogen werde“, ein sog. „tautologischer Infinitiv“: heb. Konstruktion, in der ein Inifinitiv und eine finite Form desselben Verbs nebeneinandergestellt wird, wodurch der Modus der gesamten Aussage verstärkt wird: „Man soll unbedingt wiegen!“ Hier zusätzlich verstärkt durch die einleitende Wunschpartikel lu („dass doch“). (Zurück zu v.2)
bVv. 2-3a werden in neueren Kommentaren und Üss. recht sicher falsch verstanden. Für gewöhnlich deutet man dort nämlich ka`aß (eine Nebenform von ka`as wie in Ijob 5,2; 10,17; 17,7) in 2a als „Gram“, hawah in 3b als „Unglück“ und versteht dann 2-3a so, dass das Unglück, das über Ijob hereingebrochen ist, und seine Gram darüber gemeinsam auf die selbe Waagschale gelegt und dann gewogen werden sollen – derart gewogen wögen beide gemeinsam schwerer als aller Sand am Meeresstrand, womit sich dann seine harten Worte verteidigen ließen. Weder grammatisch (a) noch mentalitätsgeschichtlich (b) noch lexikalisch (c) ist das sehr wahrscheinlich; eher wird man die drei Zeilen so verstehen müssen, dass Ijob zwar zugibt, mit Worten gesündigt zu haben (was 3b ohnehin nahelegt) und auch gar nicht von sich weißt, dass dies Frevel sei, dies aber damit erklärt, dass er im Affekt gesprochen habe:
(a) ka`aß/s ist maskulin, hawah feminin. Das Verb „lasten“ in 3a ist Maskulin Singular. Sollte gesagt werden, dass Kummer + Leid > aller Strandsand (so die meisten neueren Kommentatoren), würde man ein Pluralverb erwarten; soll nur gesagt werden, dass Ijob zwar in der Tat im Affekt gesprochen hat, aber dieser Affekt im Vergleich zu seinem Leid immer noch sehr klein ist (das Leid also im Vergleich zur Gram schwerer als aller Sand der Meere sei – vgl. Budde 1896, S. 25: „Sein Unmut muss an seinem Unglück gemessen werden; die genaueste Wägung würde feststellen, dass er jenem längst nicht gleich käme.“; ähnlich z.B. Delitzsch; Dillmann; Driver/Gray; Duhm u.a.), müsste es feminin sein. Grammatisch ist die Gewichtsangabe in 3a allein auf ka`aß/s zu beziehen (so richtig Rosenmüller 1832, S. 82); vorzustellen hat man sich also wohl doch mit den älteren Kommentatoren, dass ka`aß auf die eine, hawah aber auf die andere Waagschale gelegt wird. Betont wird dann aber nicht die Schwere der hawah, sondern des ka`aß.
(b) Ohnehin wäre eine solche Rechtfertigung mentalitätsgeschichtlich überraschend. Das Wort ka`as ist weiter als vergleichbare deutsche Worte. Meist steht es für den „Grimm“, den eifernden Zorn gegen einen Anderen (wie z.B. Ijob 5,2; 10,17), gelegentlich aber auch für die „Gram“, den Kummer über ein schweres Geschick (wie sehr ähnlich in 1 Sam 1,16; auch Ijob 17,7; Ps 6,8 u.ö.). Hier kann man gut beides mithören: Aus allzu großem Kummer hat sich Ijob zu seinen Aussagen in Kap. 3 verstiegen und daher „im Affekt gesprochen“, was ihm Elifas in Ijob 4,5; 5,2 denn auch vorwirft. Fast alle dt. Üss. entscheiden sich für „Gram“, „Kummer“, „Schmerz“ o.Ä. (verbreitet ist auch das nicht sehr treffende „Unmut“); Ausnahme ist einzig HER05 mit „Ärger“. Wahrscheinlich wäre eine Üs. mit „Affekt“ hier aber treffender, denn wie derartige Gefühlsregungen in einer weisheitlichen Schrift wie Ijob zu beurteilen sind, zeigen deutlich z.B. Ijob 36,18 oder auch Ps 37,8; Spr 14,29; 16,32; 20,25 (!); Jak 1,19f.; Jak 3,14-18 u.ö.: Ein Sprechen im Affekt wäre vielleicht erklärlich, damit aber zu biblischen Zeiten noch lange nicht vertretbar.
(c) Problematisch bei der verbreiteten Deutung ist schließlich die Übersetzung von hawah mit „Unglück“. hawah ist kein seltenes Wort und steht häufig für moralische Verderbtheit, die sich v.a. in Wortsünden äußert; vgl. Ps 5,10; 38,13; 52,3; 57,2 (vgl. V. 5); Spr 17,4; Mi 7,3; allgemeiner von der generellen Verderbtheit Ps 52,9; 55,12; 91,3; 94,20; Spr 10,3; 11,6; 19,13. Die Bed. „Unglück“ hier und in Ijob 30,13 wäre singulär; auch liegt gerade bei einer Verwendung zusammen mit der Rede von „unüberlegten Worten“ in 3b sehr viel näher, dass es sich hier wie üblich auf Wortsünden bezieht. (Zurück zu v.3)
ctFN: stammelten meine Worte - Heb. la`a`, etwas unsicheres Wort, daher meist frei übersetzt als „daher waren meine Worte unbedacht“. Äußerlich scheint es identisch zu sein mit la`a` („sturztrinken“; vgl. auch lo`a, „Kehle“ in Spr 23,2) in Ob 1,16; Sir 34,17 und Ijob 39,30; tatsächlich ist es aber wohl eher gemeinsam mit dem selben Wort in Spr 20,25 zu einem la`a` II zusammenzustellen und zu verbinden mit heb. la`ag („stottern“ in Jes 33,19, das Subst. la`ag, „Gestotter“, auch in Jes 28,11), da auch sonst im Semitischen die Konsonanten ` und g häufig wechseln. In beiden Fällen wäre ungewöhnlich, dass nicht Ijob oder sein Mund, sondern seine Worte gestottert haben sollen – vielleicht will sich Ijob auch mit dieser Formulierung doch noch rechtfertigen und von seinen harten Worten distanzieren: Aufgrund seines/r übergroßen Grimms/Gram haben (1) seine Worte (statt ihm selbst) (2) gestottert (statt „gefrevelt“ o.Ä.). (Zurück zu v.3)
dSchrecken Gottes - seine Bogenschützen, s. Ijob 16,12f., daher das Verb `arak, das meist von Soldaten, die sich zur Schlachtordnung aufstellen, gesagt wird. LXX („sie haben mich durchbohrt“) und Syr („sie haben mich erschreckt“) liegt kein anderer Text zugrunde: LXX leitet die Bed. des Wortes von den „Pfeilen“ in 4a ab, Syr von den „Schrecken“ in 4c.
Wie üblich im Ijobbuch stehen hier die beiden seltenen Gottesbezeichnungen „Schaddai“ und „Eloah“ im Parallelismus. (Zurück zu v.4)