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_Die Reiche unter den Völkern, | _Die Reiche unter den Völkern, | ||
Die Fürstin unter den Ländern<ref>Das hebräische Wort {{Hebr}}מְדִינָה{{Hebr ende}} (medînā) bezeichnet einen Bezirk oder ein Land, das unter der Rechtsprechung einer übergeordneten Regierung steht. Hier ist vielleicht an die Bezirke und Länder des davidischen Großreiches gedacht oder an die unter Josia zurückeroberten Bezirke Judas (vgl. Kraus S. 21).</ref> (Provinzen), | Die Fürstin unter den Ländern<ref>Das hebräische Wort {{Hebr}}מְדִינָה{{Hebr ende}} (medînā) bezeichnet einen Bezirk oder ein Land, das unter der Rechtsprechung einer übergeordneten Regierung steht. Hier ist vielleicht an die Bezirke und Länder des davidischen Großreiches gedacht oder an die unter Josia zurückeroberten Bezirke Judas (vgl. Kraus S. 21).</ref> (Provinzen), | ||
− | _Ist zur Fronsklavin<ref> zur Fronsklavin - wörtl. zum Frondienst; der abstrakte Begriff anstelle der konkreten Person (vgl. „die Jugend von heute“ statt „die Jugendlichen von heute“)</ref> geworden.<ref>Beachte die chiastische Anordnung der Satzglieder in 1b und 1c: a-b||b-a.</ref></poem> | + | _Ist zur Fronsklavin<ref> ''zur Fronsklavin'' - wörtl. zum Frondienst; der abstrakte Begriff anstelle der konkreten Person (vgl. „die Jugend von heute“ statt „die Jugendlichen von heute“)</ref> geworden.<ref>Beachte die chiastische Anordnung der Satzglieder in 1b und 1c: a-b||b-a.</ref></poem> |
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− | {{S|2}} Bitter weint sie<ref> Bitter weint sie - Manche Übersetzer (vgl. Kraus, Elberfelder Bibel) versuchen die Wiederholung von „Weinen“ im hebräischen Text nachzuahmen: „Sie weint und weint“.</ref> bei Nacht, | + | {{S|2}} Bitter weint sie<ref> ''Bitter weint sie'' - Manche Übersetzer (vgl. Kraus, Elberfelder Bibel) versuchen die Wiederholung von „Weinen“ im hebräischen Text nachzuahmen: „Sie weint und weint“.</ref> bei Nacht, |
_Und {ihre} Tränen [sind] auf ihrer Wange; | _Und {ihre} Tränen [sind] auf ihrer Wange; | ||
Es gibt für sie keinen Tröster | Es gibt für sie keinen Tröster | ||
_Unter allen ihren Liebhabern, | _Unter allen ihren Liebhabern, | ||
Alle {ihre} Freunde sind ihr untreu, | Alle {ihre} Freunde sind ihr untreu, | ||
− | _Sind ihr zu Feinden geworden.<ref>Die | + | _Sind ihr zu Feinden geworden.<ref>Die ''Liebhaber'' und ''Freunde'' sind die wechselnden Völker, mit denen Juda sich gegen Babylon verbündet hat; sie alle haben sich bei der Eroberung Jerusalems auf die Seite der Babylonier geschlagen.</ref></poem> |
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_Ihre Priester seufzen, | _Ihre Priester seufzen, | ||
Ihre Jungfrauen<ref>Mädchenchöre und -reigen waren Teil des Tempelkultus (vgl. Ps 68,25f. Ri 21,19-21)</ref> [sind] betrübt | Ihre Jungfrauen<ref>Mädchenchöre und -reigen waren Teil des Tempelkultus (vgl. Ps 68,25f. Ri 21,19-21)</ref> [sind] betrübt | ||
− | _Und sie [selbst] ist verbittert<ref>ist verbittert - wörtl.: ihr ist bitter </ref>.</poem> | + | _Und sie [selbst] ist verbittert<ref>''ist verbittert'' - wörtl.: ihr ist bitter </ref>.</poem> |
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− | {{S|5}} Ihre Feinde sind obenauf,<ref>obenauf - wörtl.: sind zu Haupt geworden</ref> | + | {{S|5}} Ihre Feinde sind obenauf,<ref>''obenauf'' - wörtl.: sind zu Haupt geworden</ref> |
− | _Ihre Widersacher sind sorglos (sicher);<ref>sorglos - Die Neue Zürcher Bibel übersetzt abgeschwächt „sind zufrieden“, viell. mit Anspielung auf das hebr. Verb {{Hebr}}שׁלו{{Hebr ende}}, das mit {{Hebr}}שָׁלוֹם{{Hebr ende}} (Friede) verwandt ist. Kraus sieht darin eine Umkehrung der ursprünglichen Verhältnisse: Der Israel verheißene {{Hebr}}שָׁלוֹם{{Hebr ende}} (Wohlstand, Sorglosigkeit, Glück) ist auf die Feinde übergegangen (S. 23).</ref> | + | _Ihre Widersacher sind sorglos (sicher);<ref>''sorglos'' - Die Neue Zürcher Bibel übersetzt abgeschwächt „sind zufrieden“, viell. mit Anspielung auf das hebr. Verb {{Hebr}}שׁלו{{Hebr ende}}, das mit {{Hebr}}שָׁלוֹם{{Hebr ende}} (Friede) verwandt ist. Kraus sieht darin eine Umkehrung der ursprünglichen Verhältnisse: Der Israel verheißene {{Hebr}}שָׁלוֹם{{Hebr ende}} (Wohlstand, Sorglosigkeit, Glück) ist auf die Feinde übergegangen (S. 23).</ref> |
− | Denn JHWH hat Zion<ref>Zion - wörtl. sie (Sg. f.)</ref> bekümmert | + | Denn JHWH hat Zion<ref>''Zion'' - wörtl. sie (Sg. f.)</ref> bekümmert |
_Wegen der Menge ihrer Vergehen (Sünden, Frevel), | _Wegen der Menge ihrer Vergehen (Sünden, Frevel), | ||
− | Ihre Kinder sind [in die] Gefangenschaft (Verbannung) gegangen<ref>in die Gefangenschaft gegangen - viele übersetzen „als Gefangene fortgegangen“ (abstrakter Begriff anstelle der konkreten Personְ, vgl. Vers 1). Vgl. jedoch Vers 18, wo derselbe Ausdruck steht, allerdings mit Präposition ({{Hebr}}בַּשֶּׁבִי{{Hebr ende}}).</ref> | + | Ihre Kinder sind [in die] Gefangenschaft (Verbannung) gegangen<ref>''in die Gefangenschaft gegangen'' - viele übersetzen „als Gefangene fortgegangen“ (abstrakter Begriff anstelle der konkreten Personְ, vgl. Vers 1). Vgl. jedoch Vers 18, wo derselbe Ausdruck steht, allerdings mit Präposition ({{Hebr}}בַּשֶּׁבִי{{Hebr ende}}).</ref> |
_in Gegenwart des Feindes. </poem> | _in Gegenwart des Feindes. </poem> | ||
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{{S|6}} Gewichen ist von der Tochter Zion <ref> d.h. von Jerusalem </ref> | {{S|6}} Gewichen ist von der Tochter Zion <ref> d.h. von Jerusalem </ref> | ||
_Alle Herrlichkeit; | _Alle Herrlichkeit; | ||
− | Ihre Anführer sind wie Widder<ref> Widder - od. Hirsche, der hebr. Konsonantentext ({{Hebr}}אילים{{Hebr ende}}) lässt beide Deutungen zu; während die alten Versionen (LXX und Vulgata) Widder überliefern, folgen die meisten modernen Übersetzungen der masoretischen Vokalisation {{Hebr}}אַיָּלִים{{Hebr ende}} (ᵓajjālîm). In Ex 15,15 2Kö 24,15 Hes 17,13; 32,21 steht „Widder“ (so wörtlich übersetzt) als Metapher für die Anführer des Volkes.</ref> geworden, | + | Ihre Anführer sind wie Widder<ref>''Widder'' - od. Hirsche, der hebr. Konsonantentext ({{Hebr}}אילים{{Hebr ende}}) lässt beide Deutungen zu; während die alten Versionen (LXX und Vulgata) Widder überliefern, folgen die meisten modernen Übersetzungen der masoretischen Vokalisation {{Hebr}}אַיָּלִים{{Hebr ende}} (ᵓajjālîm). In Ex 15,15 2Kö 24,15 Hes 17,13; 32,21 steht „Widder“ (so wörtlich übersetzt) als Metapher für die Anführer des Volkes.</ref> geworden, |
− | _[Die] keine Weide [mehr] finden <ref> finden - Im Hebr. Perf., das hier wohl Abgeschlossenheit ausdrückt. Weide als Ort, wo der Widder herrscht, steht hier für Jerusalem, das für die Anführer durch die Deportation nun in unerreichbare Ferne gerückt ist (= nicht finden).</ref>, | + | _[Die] keine Weide [mehr] finden <ref>''finden'' - Im Hebr. Perf., das hier wohl Abgeschlossenheit ausdrückt. Weide als Ort, wo der Widder herrscht, steht hier für Jerusalem, das für die Anführer durch die Deportation nun in unerreichbare Ferne gerückt ist (= nicht finden).</ref>, |
− | Sie sind in die Bedeutungslosigkeit gezogen <ref> in die Bedeutungslosigkeit gezogen - od. in Ohnmacht (ohnmächtig) [fort]gezogen.</ref> | + | Sie sind in die Bedeutungslosigkeit gezogen <ref>''in die Bedeutungslosigkeit gezogen'' - od. in Ohnmacht (ohnmächtig) [fort]gezogen.</ref> |
_In Gegenwart ihres Verfolgers <ref> Wenn man „sie“ (3. Pl.) in Vers 6c auf {{Hebr}}אילים{{Hebr ende}} bezieht, dann muss man {{Hebr}}רודף{{Hebr ende}} mit Jäger (Hirsch) oder Treiber (Widder) übersetzen. Bezieht man es jedoch auf die Anführer, dann bezeichnet {{Hebr}}רודף{{Hebr ende}} die Babylonier; Vers 6c steht dann parallel zu 5c.</ref>.</poem> | _In Gegenwart ihres Verfolgers <ref> Wenn man „sie“ (3. Pl.) in Vers 6c auf {{Hebr}}אילים{{Hebr ende}} bezieht, dann muss man {{Hebr}}רודף{{Hebr ende}} mit Jäger (Hirsch) oder Treiber (Widder) übersetzen. Bezieht man es jedoch auf die Anführer, dann bezeichnet {{Hebr}}רודף{{Hebr ende}} die Babylonier; Vers 6c steht dann parallel zu 5c.</ref>.</poem> | ||
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{{S|7}} Jerusalem gedenkt | {{S|7}} Jerusalem gedenkt | ||
− | _Der Tage ihrer notleidenden Flüchtlinge<ref> notleidenden Flüchtlinge - wörtl.: Not und Heimatlosigkeit; abstrakte Begriffe anstelle konkreter Personen (ähnlich Jes 58,7), die hier als Hendiadyoin zusammengehören. Mit den Flüchtlingen könnten die Bewohner Judas gemeint sein, die angesichts des heranrückenden babylonischen Heeres ihren Heimatort verließen und in Jerusalem Schutz suchten. Jerusalem selbst kann schwerlich als heimatlos/flüchtig bezeichnet werden.</ref>, | + | _Der Tage ihrer notleidenden Flüchtlinge<ref>''notleidenden Flüchtlinge'' - wörtl.: Not und Heimatlosigkeit; abstrakte Begriffe anstelle konkreter Personen (ähnlich Jes 58,7), die hier als Hendiadyoin zusammengehören. Mit den Flüchtlingen könnten die Bewohner Judas gemeint sein, die angesichts des heranrückenden babylonischen Heeres ihren Heimatort verließen und in Jerusalem Schutz suchten. Jerusalem selbst kann schwerlich als heimatlos/flüchtig bezeichnet werden.</ref>, |
{{Sekundär}}All ihrer Kostbarkeiten{{Sekundär ende}} | {{Sekundär}}All ihrer Kostbarkeiten{{Sekundär ende}} | ||
− | _{{Sekundär}}Aus uralten Tagen<ref>aus uralten Tagen - wörtl.: die aus (seit) den Tagen der Urzeit waren</ref>,{{Sekundär ende}}<ref>'''Textkritik''': Während alle Verse des ersten Kapitels dreiteilig sind, ist Vers 7 sowohl im masoretischen Text als auch in den antiken Versionen vierteilig überliefert. Da sich Vers 7a nahtlos an 7c anschließt, liegt es nahe, 7b als spätere Ergänzung zu tilgen. Übersetzer, die 7b halten, übersetzen: Jerusalem gedenkt während der Tage ihrer Not und Heimatlosigkeit(?) all ihrer Kostbarkeiten …</ref> | + | _{{Sekundär}}Aus uralten Tagen<ref>''aus uralten Tagen'' - wörtl.: die aus (seit) den Tagen der Urzeit waren</ref>,{{Sekundär ende}}<ref>'''Textkritik''': Während alle Verse des ersten Kapitels dreiteilig sind, ist Vers 7 sowohl im masoretischen Text als auch in den antiken Versionen vierteilig überliefert. Da sich Vers 7a nahtlos an 7c anschließt, liegt es nahe, 7b als spätere Ergänzung zu tilgen. Übersetzer, die 7b halten, übersetzen: Jerusalem gedenkt während der Tage ihrer Not und Heimatlosigkeit(?) all ihrer Kostbarkeiten …</ref> |
− | Als ihr Volk<ref>ihr Volk - od. ihre Bevölkerung, d.h. die Einwohner Jerusalems im eig. Sinn oder das Volk Judas, das in seiner Hauptstadt Zuflucht gesucht hat</ref> in die Hand der Feinde fiel | + | Als ihr Volk<ref>''ihr Volk'' - od. ihre Bevölkerung, d.h. die Einwohner Jerusalems im eig. Sinn oder das Volk Judas, das in seiner Hauptstadt Zuflucht gesucht hat</ref> in die Hand der Feinde fiel |
_Und es keinen Helfer für sie gab: | _Und es keinen Helfer für sie gab: | ||
Ihre Feinde sahen sie, lachten | Ihre Feinde sahen sie, lachten | ||
− | _Über ihr Ende<ref>Ende - im Hebräischen ein Hapaxlegomenon, d.h. nur an dieser Stelle belegt. Es ist unterschiedlich übersetzt worden: LXX überliefert Exil (μετοικεσία) bzw. nach anderen Handschriften Wohnsitz (κατοικεσία); Vulgata sabbata, d.h. Sabbate. Gesenius-Donner nennt unter {{Hebr}}מִשְׁבָּת{{Hebr ende}} die Bedeutungen „Aufhören, Ende“; dieser Deutung haben sich die gängigen heutigen Übersetzungen angeschlossen.</ref>.</poem> | + | _Über ihr Ende<ref>''Ende'' - im Hebräischen ein Hapaxlegomenon, d.h. nur an dieser Stelle belegt. Es ist unterschiedlich übersetzt worden: LXX überliefert Exil (μετοικεσία) bzw. nach anderen Handschriften Wohnsitz (κατοικεσία); Vulgata sabbata, d.h. Sabbate. Gesenius-Donner nennt unter {{Hebr}}מִשְׁבָּת{{Hebr ende}} die Bedeutungen „Aufhören, Ende“; dieser Deutung haben sich die gängigen heutigen Übersetzungen angeschlossen.</ref>.</poem> |
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− | {{S|8}} Schwer gesündigt<ref> | + | {{S|8}} Schwer gesündigt<ref>''schwer gesündigt hat'' - wörtl.: eine Sünde hat gesündigt Jerusalem</ref> hat Jerusalem, |
− | _Ist<ref>Der masoretische Text überliefert ''deshalb | + | _Ist<ref>'''Textkritik''': Der masoretische Text überliefert ''ist deshalb''. Allerdings zerstört ''deshalb'' im Hebräischen das Metrum; vielleicht ist es eine alte Glosse (Randnotiz), die versehentlich in den Text geraten ist.</ref> zum Gespött<ref>''Gespött'' - Die Bedeutung von {{Hebr}}נִידָה{{Hebr ende}} (nîdā) ist umstritten: Manche leiten es von der Wurzel {{Hebr}}נדד{{Hebr ende}} (ndd) ab und übersetzen ''Abscheu, Unreinheit''; es wäre dann ein Synonym zu {{Hebr}}נִדָּה{{Hebr ende}} (niddā). Andere leiten es von der Wurzel {{Hebr}}נוד{{Hebr ende}} (nud) ab und übersetzen ''Kopfschütteln'', was ein Ausdruck von Verachtung und Spott war.</ref> geworden; |
Alle, die sie ehrten, verachten sie [nun], | Alle, die sie ehrten, verachten sie [nun], | ||
− | _Denn sie haben sie nackt gesehen<ref> | + | _Denn sie haben sie nackt gesehen<ref>''sie nackt gesehen'' - wörtl.: ihre Scham (Genitalbereich) gesehen. Das Aufdecken der Scham galt als schlimme Schande (vgl. Jes 47,3 Jer 23,26 Hes 16,37 Nah 3,5)</ref>; |
Daher seufzt sie | Daher seufzt sie | ||
− | _Und wendet sich [beschämt] ab. | + | _Und wendet sich [beschämt] ab.</poem> |
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+ | {{S|9}} Ihre Unreinheit [ist] an ihren Säumen,<ref>Auf der Bildebene bezeichnet ''Unreinheit'' Menstruationsblut, das eine Frau kultisch unrein machte (vgl. Lev 15,19). Auf der Sachebene steht ''Unreinheit'' für Judas Bundesbruch durch Kompromisse in Kultus und Politik.</ref> | ||
+ | _sie hat nicht ihr Ende bedacht. <ref>d.h. die Folgen ihres Tuns. Kraus S. 25: "{{Hebr}}אחרית{{Hebr ende}} ist das letzte, alles Leben und alle Geschichte bestimmende Handeln Gottes (Dtn 32,29 Ps 73,17)."</ref> | ||
+ | {Und} sie ist niedergegangen<ref>Das hebräische Verb {{Hebr}}ירד{{Hebr ende}} bezeichnet hier den Niedergang einer belagerten Stadt (vgl. Dtn 28,52; 20,20)</ref><ref>'''Textkritik''' - Lu 84 übersetzt ''sie ist heruntergstoßen'' und scheint als einzige deutsche Übersetzung dem Vorschlag im Apparat der BHS ({{Hebr}}וַתּוּרַד{{Hebr ende}}) gefolgt zu sein; dem masoretischen Text und der Mehrheit der antiken Versionen zu misstrauen ist unnötig.</ref>, unbegreiflich (schrecklich), | ||
+ | _es gibt keinen, der sie ermutigt (sich ihr zuwendet, Erbarmen mit ihr hat, sie tröstet). | ||
+ | Sieh, JHWH, mein Elend (Leiden), | ||
+ | _dass<ref>''dass'' - oder: ''denn''</ref> der Feind triumphiert (großtut, es zu weit treibt)</poem> | ||
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Version vom 21. Dezember 2015, 11:30 Uhr
Syntax ungeprüft
Lesefassung (Klagelieder 1)
(kommt später)Studienfassung (Klagelieder 1)
1 Wie sitzt sie allein,
Die Stadt, [einst] reich an Menschen,
Wie eine Witwe〈a〉 ist sie geworden,
Die Reiche unter den Völkern,
Die Fürstin unter den Ländern〈b〉 (Provinzen),
Ist zur Fronsklavin〈c〉 geworden.〈d〉
2 Bitter weint sie〈e〉 bei Nacht,
Und {ihre} Tränen [sind] auf ihrer Wange;
Es gibt für sie keinen Tröster
Unter allen ihren Liebhabern,
Alle {ihre} Freunde sind ihr untreu,
Sind ihr zu Feinden geworden.〈f〉
3 Ausgewandert ist Juda aus Elend
Und vielem Frondienst,〈g〉
Sie wohnt (sitzt) unter den Heiden (Völkern),〈h〉
Hat keine Ruhe gefunden;
All ihre Verfolger haben sie eingeholt
Inmitten der Bedrängnisse.
4 Zions Wege trauern
Wegen des Ausbleibens der Festpilger,〈i〉
Alle ihre Tore [sind] entvölkert,〈j〉
Ihre Priester seufzen,
Ihre Jungfrauen〈k〉 [sind] betrübt
Und sie [selbst] ist verbittert〈l〉.
5 Ihre Feinde sind obenauf,〈m〉
Ihre Widersacher sind sorglos (sicher);〈n〉
Denn JHWH hat Zion〈o〉 bekümmert
Wegen der Menge ihrer Vergehen (Sünden, Frevel),
Ihre Kinder sind [in die] Gefangenschaft (Verbannung) gegangen〈p〉
in Gegenwart des Feindes.
6 Gewichen ist von der Tochter Zion 〈q〉
Alle Herrlichkeit;
Ihre Anführer sind wie Widder〈r〉 geworden,
[Die] keine Weide [mehr] finden 〈s〉,
Sie sind in die Bedeutungslosigkeit gezogen 〈t〉
In Gegenwart ihres Verfolgers 〈u〉.
7 Jerusalem gedenkt
Der Tage ihrer notleidenden Flüchtlinge〈v〉,
[ [All ihrer Kostbarkeiten ] ]
[ [Aus uralten Tagen〈w〉, ] ]〈x〉
Als ihr Volk〈y〉 in die Hand der Feinde fiel
Und es keinen Helfer für sie gab:
Ihre Feinde sahen sie, lachten
Über ihr Ende〈z〉.
8 Schwer gesündigt〈aa〉 hat Jerusalem,
Ist〈ab〉 zum Gespött〈ac〉 geworden;
Alle, die sie ehrten, verachten sie [nun],
Denn sie haben sie nackt gesehen〈ad〉;
Daher seufzt sie
Und wendet sich [beschämt] ab.
9 Ihre Unreinheit [ist] an ihren Säumen,〈ae〉
sie hat nicht ihr Ende bedacht. 〈af〉
{Und} sie ist niedergegangen〈ag〉〈ah〉, unbegreiflich (schrecklich),
es gibt keinen, der sie ermutigt (sich ihr zuwendet, Erbarmen mit ihr hat, sie tröstet).
Sieh, JHWH, mein Elend (Leiden),
dass〈ai〉 der Feind triumphiert (großtut, es zu weit treibt)
Anmerkungen
a | „Witwe“ ist hier ein Symbol für Hilflosigkeit und Einsamkeit. (Zurück zu v.1) |
b | Das hebräische Wort מְדִינָה (medînā) bezeichnet einen Bezirk oder ein Land, das unter der Rechtsprechung einer übergeordneten Regierung steht. Hier ist vielleicht an die Bezirke und Länder des davidischen Großreiches gedacht oder an die unter Josia zurückeroberten Bezirke Judas (vgl. Kraus S. 21). (Zurück zu v.1) |
c | zur Fronsklavin - wörtl. zum Frondienst; der abstrakte Begriff anstelle der konkreten Person (vgl. „die Jugend von heute“ statt „die Jugendlichen von heute“) (Zurück zu v.1) |
d | Beachte die chiastische Anordnung der Satzglieder in 1b und 1c: a-b||b-a. (Zurück zu v.1) |
e | Bitter weint sie - Manche Übersetzer (vgl. Kraus, Elberfelder Bibel) versuchen die Wiederholung von „Weinen“ im hebräischen Text nachzuahmen: „Sie weint und weint“. (Zurück zu v.2) |
f | Die Liebhaber und Freunde sind die wechselnden Völker, mit denen Juda sich gegen Babylon verbündet hat; sie alle haben sich bei der Eroberung Jerusalems auf die Seite der Babylonier geschlagen. (Zurück zu v.2) |
g | Es gibt zwei Deutungen zu Vers 3a: 1. Juda musste aus (oder wegen) der bedrückenden Situation in der Heimat in die noch schlimmere Situation des babylonischen Exils auswandern. 2. Teile Judas sind vor der babylonischen Bedrohung in der Heimat nach Ägypten ausgewandert. (vgl. Kraus S. 22) (Zurück zu v.3) |
h | Heiden bzw. Völker ist keine bloße geographische Angabe, sondern vor allem eine religiöse: Gottes Volk lebt nun unter Menschen, die JHWH nicht kennen. (Zurück zu v.3) |
i | oder: derer, die zur Festversammlung kommen (Zurück zu v.4) |
j | Im Torgebäude versammelte man sich zu Unterhaltung, Handel und Gericht. Hier ist auch an die Scharen der Pilger gedacht, die sich durch die Tore in die Stadt drängten. (Zurück zu v.4) |
k | Mädchenchöre und -reigen waren Teil des Tempelkultus (vgl. Ps 68,25f. Ri 21,19-21) (Zurück zu v.4) |
l | ist verbittert - wörtl.: ihr ist bitter (Zurück zu v.4) |
m | obenauf - wörtl.: sind zu Haupt geworden (Zurück zu v.5) |
n | sorglos - Die Neue Zürcher Bibel übersetzt abgeschwächt „sind zufrieden“, viell. mit Anspielung auf das hebr. Verb שׁלו, das mit שָׁלוֹם (Friede) verwandt ist. Kraus sieht darin eine Umkehrung der ursprünglichen Verhältnisse: Der Israel verheißene שָׁלוֹם (Wohlstand, Sorglosigkeit, Glück) ist auf die Feinde übergegangen (S. 23). (Zurück zu v.5) |
o | Zion - wörtl. sie (Sg. f.) (Zurück zu v.5) |
p | in die Gefangenschaft gegangen - viele übersetzen „als Gefangene fortgegangen“ (abstrakter Begriff anstelle der konkreten Personְ, vgl. Vers 1). Vgl. jedoch Vers 18, wo derselbe Ausdruck steht, allerdings mit Präposition (בַּשֶּׁבִי). (Zurück zu v.5) |
q | d.h. von Jerusalem (Zurück zu v.6) |
r | Widder - od. Hirsche, der hebr. Konsonantentext (אילים) lässt beide Deutungen zu; während die alten Versionen (LXX und Vulgata) Widder überliefern, folgen die meisten modernen Übersetzungen der masoretischen Vokalisation אַיָּלִים (ᵓajjālîm). In Ex 15,15 2Kö 24,15 Hes 17,13; 32,21 steht „Widder“ (so wörtlich übersetzt) als Metapher für die Anführer des Volkes. (Zurück zu v.6) |
s | finden - Im Hebr. Perf., das hier wohl Abgeschlossenheit ausdrückt. Weide als Ort, wo der Widder herrscht, steht hier für Jerusalem, das für die Anführer durch die Deportation nun in unerreichbare Ferne gerückt ist (= nicht finden). (Zurück zu v.6) |
t | in die Bedeutungslosigkeit gezogen - od. in Ohnmacht (ohnmächtig) [fort]gezogen. (Zurück zu v.6) |
u | Wenn man „sie“ (3. Pl.) in Vers 6c auf אילים bezieht, dann muss man רודף mit Jäger (Hirsch) oder Treiber (Widder) übersetzen. Bezieht man es jedoch auf die Anführer, dann bezeichnet רודף die Babylonier; Vers 6c steht dann parallel zu 5c. (Zurück zu v.6) |
v | notleidenden Flüchtlinge - wörtl.: Not und Heimatlosigkeit; abstrakte Begriffe anstelle konkreter Personen (ähnlich Jes 58,7), die hier als Hendiadyoin zusammengehören. Mit den Flüchtlingen könnten die Bewohner Judas gemeint sein, die angesichts des heranrückenden babylonischen Heeres ihren Heimatort verließen und in Jerusalem Schutz suchten. Jerusalem selbst kann schwerlich als heimatlos/flüchtig bezeichnet werden. (Zurück zu v.7) |
w | aus uralten Tagen - wörtl.: die aus (seit) den Tagen der Urzeit waren (Zurück zu v.7) |
x | Textkritik: Während alle Verse des ersten Kapitels dreiteilig sind, ist Vers 7 sowohl im masoretischen Text als auch in den antiken Versionen vierteilig überliefert. Da sich Vers 7a nahtlos an 7c anschließt, liegt es nahe, 7b als spätere Ergänzung zu tilgen. Übersetzer, die 7b halten, übersetzen: Jerusalem gedenkt während der Tage ihrer Not und Heimatlosigkeit(?) all ihrer Kostbarkeiten … (Zurück zu v.7) |
y | ihr Volk - od. ihre Bevölkerung, d.h. die Einwohner Jerusalems im eig. Sinn oder das Volk Judas, das in seiner Hauptstadt Zuflucht gesucht hat (Zurück zu v.7) |
z | Ende - im Hebräischen ein Hapaxlegomenon, d.h. nur an dieser Stelle belegt. Es ist unterschiedlich übersetzt worden: LXX überliefert Exil (μετοικεσία) bzw. nach anderen Handschriften Wohnsitz (κατοικεσία); Vulgata sabbata, d.h. Sabbate. Gesenius-Donner nennt unter מִשְׁבָּת die Bedeutungen „Aufhören, Ende“; dieser Deutung haben sich die gängigen heutigen Übersetzungen angeschlossen. (Zurück zu v.7) |
aa | schwer gesündigt hat - wörtl.: eine Sünde hat gesündigt Jerusalem (Zurück zu v.8) |
ab | Textkritik: Der masoretische Text überliefert ist deshalb. Allerdings zerstört deshalb im Hebräischen das Metrum; vielleicht ist es eine alte Glosse (Randnotiz), die versehentlich in den Text geraten ist. (Zurück zu v.8) |
ac | Gespött - Die Bedeutung von נִידָה (nîdā) ist umstritten: Manche leiten es von der Wurzel נדד (ndd) ab und übersetzen Abscheu, Unreinheit; es wäre dann ein Synonym zu נִדָּה (niddā). Andere leiten es von der Wurzel נוד (nud) ab und übersetzen Kopfschütteln, was ein Ausdruck von Verachtung und Spott war. (Zurück zu v.8) |
ad | sie nackt gesehen - wörtl.: ihre Scham (Genitalbereich) gesehen. Das Aufdecken der Scham galt als schlimme Schande (vgl. Jes 47,3 Jer 23,26 Hes 16,37 Nah 3,5) (Zurück zu v.8) |
ae | Auf der Bildebene bezeichnet Unreinheit Menstruationsblut, das eine Frau kultisch unrein machte (vgl. Lev 15,19). Auf der Sachebene steht Unreinheit für Judas Bundesbruch durch Kompromisse in Kultus und Politik. (Zurück zu v.9) |
af | d.h. die Folgen ihres Tuns. Kraus S. 25: "אחרית ist das letzte, alles Leben und alle Geschichte bestimmende Handeln Gottes (Dtn 32,29 Ps 73,17)." (Zurück zu v.9) |
ag | Das hebräische Verb ירד bezeichnet hier den Niedergang einer belagerten Stadt (vgl. Dtn 28,52; 20,20) (Zurück zu v.9) |
ah | Textkritik - Lu 84 übersetzt sie ist heruntergstoßen und scheint als einzige deutsche Übersetzung dem Vorschlag im Apparat der BHS (וַתּוּרַד) gefolgt zu sein; dem masoretischen Text und der Mehrheit der antiken Versionen zu misstrauen ist unnötig. (Zurück zu v.9) |
ai | dass - oder: denn (Zurück zu v.9) |