Kommentar:Genesis 1: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Die Offene Bibel

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'''{{hebr}}רֵאשִׁית{{hebr ende}} „Anfang“ ist (b) ein sogenannter „vager Term“'''. Dieser Begriff stammt aus dem selben Umfeld wie „individueller Term“. Man bezeichnet damit Begriffe, deren Referent nicht genau umrissen ist. „Hoch“ etwa ist ein vager Term, denn es könnte genau so gut für die Höhe von 1,5 Meter, 2 Meter oder 100 km stehen. „1,5 m hoch“ dagegen ist klar umrissen. „Anfang“ nun ist ebenfalls als vager Term zu bestimmen, denn - wie wir das ja auch aus der Struktur des Deutschen kennen - z.B. „Anfang des Monats“ kann ebenso gut für den ersten Tag wie für den den zweiten Tag oder den fünften Tag eines Monats stehen. Damit lässt sich die ursprüngliche Beobachtung Jennis erklären, was seine folgenden Erwägungen unnötig macht.<br />
 
'''{{hebr}}רֵאשִׁית{{hebr ende}} „Anfang“ ist (b) ein sogenannter „vager Term“'''. Dieser Begriff stammt aus dem selben Umfeld wie „individueller Term“. Man bezeichnet damit Begriffe, deren Referent nicht genau umrissen ist. „Hoch“ etwa ist ein vager Term, denn es könnte genau so gut für die Höhe von 1,5 Meter, 2 Meter oder 100 km stehen. „1,5 m hoch“ dagegen ist klar umrissen. „Anfang“ nun ist ebenfalls als vager Term zu bestimmen, denn - wie wir das ja auch aus der Struktur des Deutschen kennen - z.B. „Anfang des Monats“ kann ebenso gut für den ersten Tag wie für den den zweiten Tag oder den fünften Tag eines Monats stehen. Damit lässt sich die ursprüngliche Beobachtung Jennis erklären, was seine folgenden Erwägungen unnötig macht.<br />
 
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Ohnehin funktioniert Jennis Parallelisierung determiniertem Nomen<=>nicht-determiniertes Nomen mit Superlativ<=>Elativ nicht wirklich, da das Hebräische den Elativ nicht durch nicht-Determination, sondern durch die Hinzufügung des Wörtchens {{hebr}}מְאֹד{{hebr ende}} bildet (einige nehmen außerdem an, dass sich in der Bibel noch Spuren einer eigenen hebräischen Elativ-Form finden lassen; vgl. z.B. Lipinski §34.5). Darüber hinaus sind Jennis Beispiele für die „elativische“ Verwendung von {{hebr}}רֵאשִׁית{{hebr ende}} weniger als nichtssagend, da sie entweder im Status Constructus stehen und daher überhaupt keinen Artikel haben ''können'', oder aber einen Artikel haben, obwohl sie als Quasi-Elative Jenni zufolge doch keinen Artikel haben dürften.<br />
Unabhängig davon weist Jennis Argumentation argumentative Schwächen auf, die wohl schon für sich genommen Grund genug sind, Jennis Deutungsvorschlag zurückzuweisen. (1) fußt Jennis gesamte Argumentation darauf, dass er ob seiner Ursprungsbeobachtung „Anfang“ und „Ende“ als „gradierbare Begriffe“ bestimmt: {{hebr}}רֵאשִׁית{{hebr ende}} i.S.v. „ganz am Anfang“ bestimmt er als Äquivalent des Superlativs, {{hebr}}רֵאשִׁית{{hebr ende}} i.S.v. „sehr frühe Zeit“ dagegen als Äquivalent des Elativs; der formale Unterschied soll dabei Determination bzw. Nicht-Determination sein. Bereits diese Annahme ist ganz unnötig ob der Vagheit dieser Begriffe; zudem funktioniert die Parallelisierung mit Elativ <=> Superlativ nicht: Das Hebräische drückt bei Adjektiven den Elativ nicht durch Nicht-Determination aus, sondern durch das auf das Adjektiv folgende Wörtchen {{hebr}}מְאֹד{{hebr ende}} „sehr“ (einige nehmen außerdem an, dass sich in der Bibel noch Spuren einer eigenen hebräischen Elativ-Form finden lassen; vgl. z.B. Lipinski §34.5). Die nicht-determinierte Form eines Superlativs wäre deshalb, wenn überhaupt, nicht mit dem Elativ, sondern dem Positiv zu parallelisieren. Und (2) sind Jennis Beispiele für die „elativische“ Verwendung von {{hebr}}רֵאשִׁית{{hebr ende}} weniger als nichtssagend, da sie entweder im Status Constructus stehen und daher überhaupt keinen Artikel haben ''können'', oder aber einen Artikel haben, obwohl sie als Quasi-Elative Jenni zufolge doch keinen Artikel haben dürften.
 
  
 
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Version vom 23. September 2013, 13:23 Uhr


Kommentar zu Genesis
Genesis | 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 39, 40, 41, 42, 43, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 50



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Vers 1[Bearbeiten]

Diskussion: Zur Syntax von Gen 1,1[Bearbeiten]

In dieser Diskussion fügen wir zunächst noch einmal den Inhalt der entsprechenden Fußnote ein; darauf folgt eine semantische Beschreibung des Wortes רֵאשִׁית, die am Ende ergeben wird, dass die auch von uns vertretene Constructus-Deutung notwendig die richtige Deutung sein muss. Abschließend wird noch zu drei Einwänden gegen diese Constructus-Deutung Stellung genommen werden.

בְּרֵאשִׁית בָּרָא: fünf Deutungen[Bearbeiten]

Die ersten beiden Worte lauten בְּרֵאשִׁית בָּרָא; sie setzen sich zusammen aus der Präposition בְּ (die hier sehr sicher als temporales בְּ zu deuten ist), dem Substantiv רֵאשִׁית (das hier nur die Bedeutung „Anfang“ haben kann) und dem Verbum בָּרָא, „er schuf“.

  • Traditionell wurden sie meist übersetzt als selbstständiger Satz: „Am Anfang schuf...“. Diese Lesart ist aber auf entschiedenen Widerspruch gestoßen: Wenn der Text hier tatsächlich von einem bestimmten Anfang sprechen sollte, würde man hier eigentlich erwarten, dass רֵאשִׁית durch einen bestimmten Artikel determiniert wäre und das erste Wort daher nicht בְּרֵאשִׁית, sondern בָּרֵאשִׁית lauten würde. Die eigentliche Frage, die zu diesem Vers gestellt werden muss, ist also, warum hier der Artikel fehlt und ob der Satz auch ohne Artikel als selbstständiger Satz gelesen werden kann.

Im Laufe der Zeit haben sich davon ausgehend vier weitere Antwortmöglichkeiten herauskristallisiert:

  • Die erste Antwort stammt ursprünglich von Eduard König. Dieser hat festgestellt, dass auch andere artikellose Adverbien im „absoluten Sinne“ (König 1919, S. 129) stehen könnten, etwa מֵרֹאשׁ in Jes 40,21; Jes 41,4; Jes 41,26; Jes 48,16; Spr 8,23; Pred 3,11 und מֵרֵאשִׁית in Jes 46,10 (beide: „von Anfang an“). Folgte man diesem Lösungsansatz, könnte man Gen 1 wie gehabt übersetzen: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde“.
    Dem angeschlossen haben sich z.B. Arbez/Weisengoff 1948; Heidel 1964; JM §137k; Waltke 1975 und Wenham 1987. Allerdings ist gegen diese Antwort eingewandt worden, dass es sich bei den obigen Stellen durchweg um Poesie handle, wo der Artikel prinzipiell nach anderen Regeln gesetzt werde als in Prosatexten wie Gen 1, und dass diese Stellen für Gen 1 daher sehr wenig bis gar keine Aussagekraft haben, so z.B. Albright 1943, S. 369f.; Gross 1980, S. 53; Jenni 1997, S. 142; Rechenmacher 2002, S. 2.
  • Die zweite Antwort stammt offenbar von Lipinski §57.3, ist aber erst von Holmstedt 2008 entwickelt worden; ihm angeschlossen haben sich dann z.B. Smith 2010 und van Wolde 2009. Holmstedt hat in seiner Dissertation zum Relativsatz im Hebräischen die Konstruktion des „restriktiven Relativsatzes“ herausgearbeitet. „Restriktiver Relativsatz“ heißt, dass das durch den Relativsatz modifizierte Nomen nicht bloß mit zusätzlicher Information angereichert wird wie z.B. „ein Haus, das grün ist“, sondern durch den Relativsatz restringiert wird, z.B. „[nur] dasjenige Haus, das grün ist.“). Nach Holmstedt werden solche restriktiven Relativsätze (a) regelmäßig asyndetisch angeschlossen und stehen (b) regelmäßig ohne Artikel. Folgte man diesem Lösungsansatz, müsste man übersetzen: „An jenem Anfang, an dem Gott die Welt schuf, war die Erde...“.
  • Eine dritte Antwort stammt von Jenni (zitiert nach Jenni 1997); ihm angeschlossen hat sich z.B. Winther-Nielsen 1992, S. 75f. Jenni ist aufgefallen, dass Begriffe wie „Anfang“ und „Ende“ bisweilen auch „nicht-extrem“ verwendet werden können - das heißt, dass z.B. „Anfang der Königsherrschaft“ nicht nur für den Zeitpunkt ganz am Anfang der Königsherrschaft, sondern z.B. auch für den ganzen Zeitraum des ersten Jahres einer Königsherrschaft stehen können. Jenni entwickelt davon ausgehend die Theorie, dass solche Begriffe „gradierbar“ verwendet werden können, dass „Anfang“ i.S.v. „absoluter Anfang“ dabei dem Superlativ und „Anfang“ i.S.v. „sehr frühe Zeit“ dem Elativ entsprechen würde, und dass solche „Quasi-Elative“ auch ohne Artikel stehen könnten. Folgte man diesem Lösungsansatz, müsste man übersetzen: „In jener sehr frühen Zeit, in der Gott die Welt schuf, war die Erde...“
  • Die vierte Antwortmöglichkeit ist die am häufigsten vertretene; ihr schließen auch wir uns an. Sie setzt an zwei verschiedenen linguistischen Konstruktionen des Hebräischen an: (1) der Constructus-Verbindung und (2) dem Substantivsatz. Mit „Constructus-Verbindung“ bezeichnet man das hebräische (/semitische) Äquivalent einer Genitiv-konstruktion, die gebildet wird, indem das erste Glied einer Constructus-Verbindung im „Status constructus“ und das zweite Glied im „Status absolutus“ steht. Z.B. in der hebräischen Version der Genitivkonstruktion „die Lösung der Offenen Bibel“ würde „die Lösung“ im Status Constructus stehen, „der Offenen Bibel“ dagegen im Status Absolutus. Nomina im Status constructus stehen im Hebräischen stets ohne Artikel, was die Artikellosigkeit von בְּרֵאשִׁית erklären würde. So wurde בְּרֵאשִׁית in Gen 1,1 bereits gedeutet von Rashi; Ibn Ezra; Hugo Grotius; Böttcher 1863; Skinner 1910 und anderen. Meistens würde man aber - s.o. - nach einem solchen Status-constructus-Nomen ein weiteres Nomen im Status absolutus erwarten. In Gen 1,1 dagegen folgt auf בְּרֵאשִׁית ein Satz. Die eben genannten Exegeten hielten es daher für notwendig, dass folgende בָּרָא umzupunktieren zum Infinitiv בְּרֹא „das Schöpfen“, das dann als Verbalnomen fungieren würde.
    Das ist wohl nicht notwendig, denn die Tatsache, dass in Gen 1,1 statt eines Nomens ein Satz folgt, lässt sich mit der zweiten Konstruktion erklären: Dem Substantivsatz. Ganze Sätze können im Hebräischen (wie in vielen semitischen Sprachen) die Rolle eines Nomens übernehmen; gleich, in welchem „Fall“ dieses Nomen stehen würde. Der auf בְּרֵאשִׁית folgende Satz בָּרָא אֱלֹהִים אֵת הַשָּׁמַיִם וְאֵת הָאָרֶץ würde nach dieser Interpretation wie ein Nomen im Status absolutus fungieren und man müsste deuten: „Am Anfang des Gott-schuf-die-Welt...“, oder „deutscher“: „Am Anfang davon, dass Gott die Welt schuf...“ bzw. „Als Gott begann, die Welt zu schaffen...“. So deuten z.B. auch Bauks 1997; Gross 1980; Humbert 1964; Kaiser 1998; Merlo 2008; Niccacci 1990; Orlinsky 1983; Rechemnacher 2002; Speiser 1964; Smith 1928; Weippert 2004.

רֵאשִׁית: Eine semantische Analyse[Bearbeiten]

In diesem Abschnitt sollen nacheinander drei semantische Aspekte des Begriffs בְּרֵאשִׁית „Anfang“ erläutert werden, die zeigen, warum die Deutungen Holmstedts und Jennis zurückzuweisen sind und warum die Constructus-Deutung diejenige ist, der man sich sehr sicher anschließen muss.

Contra Holmstedt[Bearbeiten]

רֵאשִׁית „Anfang“ ist (a) ein sogenannter „individueller Term“. Dieser Begriffs stammt aus dem Umfeld der formalen Logik und der sprachanalytischen Philosophie; man bezeichnet damit Begriffe, die auf genau einen Referenten verweisen. z.B. „ein Bibelvers“ könnte sich auf tausende von Bibelversen beziehen und ist damit ein „genereller Term“; „Gen 1,1“ dagegen bezieht sich ausschließlich auf den einen Bibelvers Gen 1,1 und ist damit ein individueller Term. Zu diesen Begriffen gehört auch בְּרֵאשִׁית „Anfang“, denn kein Geschehen hat mehrere Beginne.
בְּרֵאשִׁית ist demnach als „monoreferenzieller“ Begriff aufzufassen, der sich im jeweiligen Fall nur auf je einen Referenten beziehen kann. Das ist auch der Grund, warum man einen solchen Begriff nur in einer „referential determiner phrase“ - d.h., mit bestimmtem Artikel - erwarten würde. Es ist aber auch der Grund, aus dem Holmstedts Lösungsversuch abzulehnen ist: individuelle Terme lassen sich nicht durch restriktive Relativsätze einschränken, da sie ohnehin schon monoreferenziell sind. Konstruktionen wie *„Jener Anfang, der...“, *„Jenes Ende, das...“ oder *„Jenes Innere, das...“ etc. funktionieren nur, wenn man voraussetzt, dass es mehrere Anfänge, Enden und „Innere“ (wovon sich ja nicht mal ein Plural bilden lässt) gibt, was aber mit diesen monoreferenziellen Begriffen nicht vereinbar ist.

Contra Jenni[Bearbeiten]

רֵאשִׁית „Anfang“ ist (b) ein sogenannter „vager Term“. Dieser Begriff stammt aus dem selben Umfeld wie „individueller Term“. Man bezeichnet damit Begriffe, deren Referent nicht genau umrissen ist. „Hoch“ etwa ist ein vager Term, denn es könnte genau so gut für die Höhe von 1,5 Meter, 2 Meter oder 100 km stehen. „1,5 m hoch“ dagegen ist klar umrissen. „Anfang“ nun ist ebenfalls als vager Term zu bestimmen, denn - wie wir das ja auch aus der Struktur des Deutschen kennen - z.B. „Anfang des Monats“ kann ebenso gut für den ersten Tag wie für den den zweiten Tag oder den fünften Tag eines Monats stehen. Damit lässt sich die ursprüngliche Beobachtung Jennis erklären, was seine folgenden Erwägungen unnötig macht.
Ohnehin funktioniert Jennis Parallelisierung determiniertem Nomen<=>nicht-determiniertes Nomen mit Superlativ<=>Elativ nicht wirklich, da das Hebräische den Elativ nicht durch nicht-Determination, sondern durch die Hinzufügung des Wörtchens מְאֹד bildet (einige nehmen außerdem an, dass sich in der Bibel noch Spuren einer eigenen hebräischen Elativ-Form finden lassen; vgl. z.B. Lipinski §34.5). Darüber hinaus sind Jennis Beispiele für die „elativische“ Verwendung von רֵאשִׁית weniger als nichtssagend, da sie entweder im Status Constructus stehen und daher überhaupt keinen Artikel haben können, oder aber einen Artikel haben, obwohl sie als Quasi-Elative Jenni zufolge doch keinen Artikel haben dürften.

Pro Constructus[Bearbeiten]

רֵאשִׁית „Anfang“ ist (c) ein sogenanntes „relationales Nomen“, wie auch die meisten anderen individuellen Terme relationale Nomen sind. Der Begriff stammt aus dem Umfeld der nominalen Valenz. Man bezeichnet damit Nomina, die semantisch unselbstständig sind und deshalb eine Ergänzung durch ein weiteres Nomen z.B. im Genitiv erfordern. Eine Äußerung wie *„Das Innere ist eklig“ ergibt keinen Sinn; erst wenn „das Innere“ ergänzt wird durch etwas wie „des menschlichen Körpers“ lässt sie sich verstehen: „Das Innere des menschlichen Körpers ist eklig“. Zum Begriff „Anfang“ vergleiche Crysmann 2011; ad loc. ähnlich Merlo 2008, S. 74. Das ist auch der Grund, warum בְּרֵאשִׁית an sämtlichen anderen Stellen im Status Constructus steht - בְּרֵאשִׁית folgt damit einer sprachlichen Gesetzmäßigkeit, die auch von Gen 1,1 nicht gebrochen wird. vgl. z.B. Jer 26,1; Jer 27,1; Jer 28,1; Jer 49,34; (Hos 9,10;); 1QS 10,1; 1QS 10,5; 1QS 10,13; 1QS 10,15; 1QH 12,6 (Stellen nach Rottzoll 1991, S. 248).

Zu einigen Gegenargumenten[Bearbeiten]

Natürlich sind im im Verlauf der Forschungsgeschichte auch einige Argumente gegen diese Lösung vorgebracht worden, zu denen wir daher noch kurz Stellung nehmen wollen.

  1. Häufig vorgebracht wurde das Gegenargument, dass die Massoreten בְּרֵאשִׁית und בָּרָא durch den disjunktiven Akzent „Tifcha“ getrennt hätten, was bedeuten müsse, dass sie damit die Interpretation als Constructus-Konstruktion gezielt ausschließen wollten (da disjunktive Akzente häufig signalisieren, dass zwei Worte nicht in einer Constructus-Verbindung stehen; vgl. BHRG §25.1, note 1); so z.B. Bandstra 2008; König 1919; Soggin 1997; Young 1959; Westermann 1983. Dagegen hat Waltke 1975 aber gezeigt, dass sogar das selbe Wort (בְּרֵאשִׁית) an anderen Stellen, an denen es definitiv im Status Constructus steht, ebenfalls mit einem Tifcha markiert ist, so Jer 26,1; Jer 27,1; Jer 28,1.
  2. Ein anderes Gegenargument lautet, dass, wenn Gen 1,1 so wie oben dargelegt gelesen wird, es ja ein Satzgefüge entweder mit Gen 1,2 oder Gen 1,3 bildet; man dann aber dort eine andere Wortstellung erwarten würde. Z.B. im Falle davon, dass Gen 1,1 Vordersatz zu Gen 1,2 ist (wie es hier gelesen wird) sollte eigentlich die Worstellung Wayyiqtol - X oder Qatal - X erwartet werden, was aber steht, ist Waw - X - Qatal - so z.B. Cassuto 2005, S. 19f. Diese Wortstellung kann aber ganz verschiedene Gründe haben und ist damit keineswegs ein gültiges Gegenargument; z.B. könnte damit Emphase ausgedrückt werden, es könnte eine Topikalisierungsstrategie sein (unsere Deutung; so auch schon König 1919, S. 135f.; Waltke 1975, S. 225. „Topikalisierung“ ist ein Begriff aus der funktionalen Grammatik und bedeutet unter anderem, dass ein Begriff aus einem vorangehenden Diskursabschnitt, der wieder aufgegriffen wird, an die Satzspitze gestellt wird. Z.B. auf die Frage „Welche Antwort ist besser - Antwort X oder Antwort Y?“ könnte man antworten „Ich finde Antwort X besser.“, oder aber man könnte antworten „Antwort X finde ich besser, weil...“ und damit „Antwort X“ topikalisieren.) und so weiter. Merkwürdigerweise deutet Cassuto im Folgenden die Wortstellung offenbar selbst als Topikalisierungsstrategie und kommentiert: „It is as though Scripture said: [...] 'As for the earth alluded to in the first verse, I must tell you that at the beginning of its creation, it was without form or life,' etc.“ (S. 21)
  3. Ein drittes Gegenargument ist, dass sich bei dieser Lesart ein allzu langer Satz ergeben würde. So am sinnvollsten Westermann 1983, S. 135: „Ein stilistisches Argument sei noch erwähnt. „Diese Konstruktion ist verzweifelt“ hat Wellhausen im Blick auf die temporale Unterordnung von Vers 1 gesagt [...]. Man kann dieses Urteil stilistisch begründen. Die Sprache von P in Gn 1 hat ihre Eigenart in den durch das Kapitel hindurch gleich bleibenden Sätzen. Dies sind alles kurze Sätze [...]. Wenn nun Vers 1 eine Eigenprägung von P ist - und das kann kaum bestritten werden -, gehört er in die Reihe dieser kurzen Sätze hinein.“
    Darauf antworten lässt sich mit Rückbezug auf andere altorientalische Kosmogonien. Für diese sind ungewöhnlich lange Anfangssätze so typisch, dass z.B. Wilcke 1977, S. 215 davon ausgeht, dass es sich hier um gezielt eingebaute Texteme mit der Funktion der „Erzeugung von Spannung im Zuhörer, den der Dichter fesseln will“, handle - vgl. z.B. dass stets zitierte Enuma Elisch, aber z.B. auch die Einleitung von "Enki und Ninma" (COS 1.159), die der "Mythologischen Einleitung zur Beschwörung in einem Tempelweihe-Ritual" (vgl. z.B. Lange u.a. 1999, S. 20) oder die Einleitung des Rituals gegen Zahnschmerzen (vgl. Krebernik 2005, S. 152); außerdem verweisen könnte man auf die häufigeren Bezugnahmen auf den Zeitpunkt der Schöpfung durch lange Temporalsatzverbünde im Gilgamesch-Epos (ETCSL 1.8.1.1-5.1). Die „untypisch lange Konstruktion“ ist daher etwas, das man angesichts dieser Parallelen schlecht gegen die Constructus-Deutung einwenden kann.
    In diesem Zusammenhang sei übrigens auch gleich noch darauf verwiesen, dass die ebenso häufige Behauptung, der Anfang der Genesis sei ohne Parallelen in den anderen altorientalischen Schöpfungsmythen, ebenso falsch ist; vgl. die Theogonie von Dunnu (COS 1.112): „At the very beginning [ina resch; vgl. Gen 1,1: be-reschit] (Plough married Earth) and / they (decided to establish (?)) a family (?) and dominion.“ (Üs. nach Dalley 2000, S. 279).

Vers 2[Bearbeiten]

Gerhard von Rada will וְר֣וּחַ אֱלֹהִ֔ים als „Gottessturm“ übersetzt sehen und מְרַחֶ֖פֶת keinesfalls als „brüten“. Er interpretiert den Teilvers mit Hilfe von Dan 7,2 als feuchtes, aufgewühltes Urelement, dass noch das Chaos beschreibt, wobei „Gottessturm“ lediglich ein Superlativ aufgefasst wird, wie etwa in Gottesberge, Gottesländer und Gottessilber. Da hier noch das rein Chaotische beschreiben wird, was noch keinen direkten Bezug zum schöperisch-ordnenden Nachfolgenden hat, wäre das zielgerichtete Brüten und auch das Schweben fehl am Platz. „Brüten“ würde zwar Elemente des im Orient bekannten Schöpfungsmythos eines Ausbrütens des Welteis aufnehmen, hat aber sonst keine Parallelen in der ersten Schöpfungserzählung oder dem ATb. Zudem verweist er auf die beiden anderen Stellen (Jer 23,9 und Dtn 32,11) wo selbiges Verb am ehesten mit "zitternd/flattern schweben" o.ä. übersetzt wird; ebenso übersetzen LXX und Vulgate das Verb in Gen 1 mit Worten, die eine Bewegung assoziieren. Wenn man dann Geist Gottes übersetzte, kann es aber nur "Schweben sein", wohingegen die eigentlich zitternde/vibrierende Bewegung eben nur der Wind sein kann.c

Vers 3-5[Bearbeiten]

  • Schaffung von Licht = Entmystifizierung von Gestirnen
  • Licht, das das Chaosdunkel durchbricht
  • altorientalische Auffassung: Akt der Namensgebung = Ausübung des Hoheitsrechts
  • G.v.Rad: Tageseinteilung „merkwürdigerweise anders als im Kultgesetz, von Morgen bis Morgen“d

Vers 6-8[Bearbeiten]

  • רָקִיעַ (Gewölbe, Firmament) ist das Festgehämmerte, Gestampfte, ein Wort mit gleicher Wurzel im phönizischen: Blechschale
  • Gott schafft hier nicht nur durch sein Wort, sondern „macht“ etwas -> (v.Rad:) Eine ältere Fassung, in der Gott unmittelbar schafft und formt und eine Neuere, in der er mittels seines Wortes schafft

Vers 9-10[Bearbeiten]

  • Wohnort der Menschen ist im Ozean ruhende Landmasse, die von allen Seiten (auch von Oben aus) von den Chaosmächten des Wassers bedroht werden. Gott schafft hier eindeutige Grenzen.

Vers 11-13[Bearbeiten]

  • Erde/Land als angesprochene Instanz
  • Erde bringt Pflanzen hervor


14-19[Bearbeiten]

  • ganzer Abschnitt ist geprägt von antimythischen Vorstellungen und gegen jeglichen astrologischen Aberglauben
  • Auch deshalb wird erst das Licht geschaffen und erst später, als reine Vermittler dieses Lichts Sonne, Mond und Gestirne
  • Die Herrschaft von Sonne und Mond ist reiner Dienst, keine Herrschaft über den Menschen.
  • Auch die Gestirne werden von Gott benannt (siehe Vers 3-5)

20-23[Bearbeiten]

  • Die ersten Lebewesen werden geschaffen (nach jüdischen Verständnis haben Pflanze keinen Anteil am נֶפֶשׁ
  • Die Seeungeheuer sind hier nochmals als Abgrenzung zu mytischen Urwesen eingeflochten (wie etwa die Chaosschlange Tiamat) -> Gott hat alles geschaffen!

24-25[Bearbeiten]

  • Die Tiere sind wie die Pflanzen erdgebunden/erdverbunden
  • sie werden durch die Erde geschaffen, im Gegensatz zu dem Menschen und den Vögeln und Wassertieren (das Wasser ist Teil des Chaos im Gegensatz zur Erde)



avon Rad, Gerhard, Das erste Buch Mose. Kap. 1-12/9, Reihe: Das Alte Testament Deutsch, Teilband 2, Göttingen 81967. (Zurück zum Text: a)
bWestermann, Claus,Genesis. 1. Teilband Genesis 1-11, Reihe: Biblischer Kommentar Altes Testament, Band I/1, Neukirchen 1974. (Zurück zum Text: b)
cWestermann, Genesis, S. 149. (Zurück zum Text: c)
dRad, Das erste Buch Mose, S.40. (Zurück zum Text: d)