Kommentar:Markus 10

Aus Die Offene Bibel

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Scheidung und Wiederheirat (Mk 10, 10-12)[Bearbeiten]

In diesem Abschnitt geht es darum, wie Jesus im Reich Gottes Ehe und Scheidung ordnet. Ähnlich wie bei dem Diskurs zu Reinheit und reiner Nahrung in Kap. 7 diskutiert Jesus zuerst mit Pharisäern, dann privat mit den Jüngern. Nach dem Muster von Mk 4,34 erhalten die Außenstehenden nur Gleichnisse bzw. Rätsel, während der innere Kreis eine genauere Erklärung erhält. Wie in Kap. 7 macht Jesus aus einer einzelnen Frage eine Grundsatzdiskussion und bezieht auch Schriftstellen mit ein, die seine Gegner nicht erwartet hätten. Am Ende stellt er die Lehre der Pharisäer als oberflächlich hin und ruft zu einem radikaleren Gehorsam gegenüber Gottes eigentlicher Absicht (France 2001, 387).

In der römischen und griechischen Kultur war Scheidung verbreitet und offenbar nicht stigmatisiert. Beide Geschlechter hatten das Recht dazu. Am häufigsten kam es wegen Untreue oder Unfruchtbarkeit dazu. Bei der Eheschließung zahlte die Familie der Frau eine Mitgift an den Mann. Im Fall der Scheidung wurde die Frau mit der Mitgift wieder Teil ihrer Herkunftsfamilie (Collins 2007, 465).

Im Judentum war Scheidung eine nach Dtn 24,1-4 gestattete und verbreitete Praxis. Die Tora-Stelle sprach in erster Linie von Männern, doch auch Frauen hatten (wenigstens in einigen Regionen) unter gewissen Umständen das Recht auf Scheidung (Collins 2007, 459f., 463f.). France und Evans gehen jedoch unter Berufung auf Josephus davon aus, bei der Scheidung jüdischer Frauen handle es sich um Randerscheinungen und Ausnahmen, die die Regel bestätigen (France 2002, 393f.; Evans 2001, 84). Nach manchen Schriftauslegungen konnte ein Mann sich sogar von seiner Frau trennen, wenn er eine andere hübscher fand (France 2002, 387f.). Im Gegensatz zu dieser ausufernden Praxis hat schon Mal 2,10-16 möglicherweise in ursprünglicher Form die Scheidung ganz verboten. Auch in einigen Schriften aus der Zeit Jesu wird sie eingeschränkt oder untersagt, wogegen andere beispielsweise keine Wiederheirat zu ließen (Collins 2007, 460-64). Die Frage der Pharisäer ist angesichts so unterschiedlicher Vorstellungen plausibel. Vielleicht beabsichtigten die Pharisäer damit sogar, Jesus in dieser Frage in die Nähe Johannes' des Täufers zu rücken. Dass die beiden Gesinnungsgenossen waren, war bekannt. Johannes hatte seine Kritik Herodes' Heirat einer geschiedenen Frau den Kopf gekostet, vielleicht hoffen die Pharisäer, Jesus als ebenso politisch gefährlich darzustellen (Evans 2001, 81).

Jesus verbietet die Scheidung jedoch ganz, und zwar aufgrund der Schöpfungsordnung. Die Erlaubnis der Scheidung in Dtn 24 ist nur ein notwendiges Zugeständnis, hat aber nichts damit zu tun, wie Gott die ehe eigentlich beabsichtigt hat. Im Reich Gottes muss sich die theologische Vorstellung von der Ehe jedoch an ihrem ursprünglichen Zweck, nicht am Scheitern der Menschen orientieren (France 2002, 388f.).

Jesu Frage in V. 3 bezieht sich auf das Gesetz des Mose. Für die Juden war es als „Gründungsdokument“ ihres Volkes im Zweifelsfall die höchste Autorität. Die Pharisäer fassen in ihrer Antwort (V. 4) Dtn 24,1-4 zusammen. Doch diese Stelle trifft kein Werturteil zur Scheidung und lässt weitgehend offen, welche Umstände eine Scheidung legitimierten (vgl. Evans 2001, 83). Jesus fragt nach Geboten, doch die Pharisäer können nur anbringen, was Mose zugelassen hat (France 2002, 390f.).

Das Schöpfungsprinzip (V. 6-8), auf das sich Jesus beruft, hebt die Ehe von der Abmachung zwischen zwei Menschen auf die ontologische Ebene. Verheiratet zu sein, wird zum Wesen der beiden Menschen, sie sind nicht mehr zwei einzelne, sondern ein „zusammengefügtes“ „Fleisch“ (vgl. France 2002, 393).

Collins glaubt, Jesus stelle auch Moses Gebot (V. 3) Gottes Gebot (V. 6-9) gegenüber, wie Jesus Gott und Mensch gegenüberstellt (V. 9). Impliziert wäre dann, dass Gottes Gebot höher steht als Moses Gebot (2007, 466ff.). Aber das sieht nach einer sehr künstlichen Unterscheidung aus. Erstens belegt Collins selbst, dass die Juden es als Häresie betrachteten, Moses Gebote als den anderen gegenüber sekundär einzustufen. Zweitens hat nach klassischer jüdischer Vorstellung Moses auch den Schöpfungsbericht geschrieben, zweitens benutzt Jesus „das, was Moses geboten hat“ (in V. 3) relativ offensichtlich pars pro toto für die gesamten Gebote des Gesetzes. Jesus macht also offenbar keinen Unterschied zwischen Gottes und Moses Vorschriften.

(Andernfalls müsste man ja annehmen, dass Jesus die Pharisäer nur nach der Lehre fragt, die von Mose kommt. Damit würde Jesus nicht nur selbst, sondern auch bei den Pharisäern voraussetzen, dass das 1. Buch Mose von den anderen Geboten der Torah zu trennen ist, ohne darauf einen anderen Hinweis zu liefern, und obwohl die Juden diese Vorstellung ablehnten. Seine Argumentation wäre dann künstlich: 1. Ihr dürft mir nur sagen, was Mose schreibt (aber nicht, was Gott Besseres schreibt). Schließlich richtet ihr euch ja danach. 2. Ich sage euch dann, was von Gott kommt und darum das überlegene Gebot ist. 3. Ich habe recht, weil ihr nicht gemerkt habt, dass zwischen Gott und Mose ein Unterschied besteht, obwohl ihr wisst, welche Gebote von Gott und welche nur von Mose kommen.)

In V. 10-12 beantwortet Jesus die implizite Frage nach der Wiederheirat, die er ganz verbietet. Die Scheidung scheint dabei offenbar hingenommen für den Fall, dass es doch zu einer Scheidung kommt (Collins 2007, 469). Jesus scheint jedoch nicht von seinem grundsätzlichen Verbot der Scheidung abzuweichen. Die Scheidung gab das Recht zur Wiederheirat, sodass es künstlich wäre, hier die Scheidung von der Wiederheirat zu trennen. Vielmehr geht Jesus auf weitere Details seiner Position zur Scheidung ein (France 2002, 393).

Jesus gibt der Frau dabei gleiche Rechte wie dem Mann. In der Antike galt Ehebruch hauptsächlich als Vergehen an dem betrogenen Mann, dessen Frau ihn begangen hatte. Jesus weitet das auch auf die Frau aus (Collins 2007, 469f.; France 2002, 394).

V. 12: Wenn es stimmt, dass die Scheidung der Frau nach jüdischem Recht nicht gestattet war (und es nur in Ausnahmefällen dazu kam, vgl. France 2002, 393f.; Evans 2001, 85; für einige Gegenbeispiele s. Collins 2007, 459f., 463f.), dann könnte es gut sein, dass Markus entweder bzw. sowohl 1. in Rom schrieb, wo Frauen das möglich war, oder bzw. und 2. indirekte Kritik an Herodes Antipas' Frau Herodias übt, die sich ja (nach römischem Recht?) von ihrem ersten Mann hatte scheiden lassen, um Antipas zu heiraten (die er allerdings privat an seine Jünger weitergibt; vgl. Evans 2001, 85f.).


Jesus, Gottes Reich und die Kinder (Mk 10,13-16)[Bearbeiten]

Jesus benutzt die Kinder hier als Illustration der Nachfolge. Zugrunde liegt dem der geringe Wert, den Kinder in der Gesellschaft hatten (France 2002, 395).

Dass die Jünger Kinder (=Geringe, Unbedeutende) abweisen (V. 13), zeigt, dass 9,37 ihnen nicht mehr gewärtig ist. Jesus benutzt die gleiche Wendung („Haltet sie nicht auf“), wie in 9,39. Wieder wollen die Jünger jemanden aufhalten, den Jesus zugelassen hat (France 2002, 397).

Jesus jedoch widerspricht und sagt: solchen wie diesen Kindern (oder „derartigen“) gehört das Reich Gottes (V. 14). Jesus spricht hier von Erwachsenen, von denen er eine entsprechend „kindliche“ Einstellung fordert. Wie Kinder Gottes Reich (oder Königsherrschaft) annehmen, erhebt er zum Modell für Erwachsene (V. 15). Die Annahme heute wird für die Aufnahme in Zukunft zur Bedingung (vgl. France 2002, 397). Dabei idealisiert Jesus die Kinder nicht, sondern illustriert mit ihrer Hilfe, wie Erwachsene in Gottes Reich gelangen können (Evans 2001, 94). Aus dem letzten Kapitel, als Jesus ein Kind benutzt hat, um den Jüngern wahre Größe begreiflich zu machen (9,33-37), lernen wir, dass es dabei um Demut und den Verzicht auf Machtansprüche geht. Kinder haben weder Besitz noch Autorität, sondern eine geringe Stellung und müssen Gehorsam gegenüber Erwachsenen zeigen. Diese Haltung erwartet Jesus von seinen Nachfolgern gegenüber Gottes Herrschaftsansprüchen (Collins 2007, 473; Evans 2001, 94).

Dass er die Kinder am Ende in die Arme nimmt (V. 16), zeigt seine Wertschätzung. Er kommt der (impliziten) Bitte aus V. 13 nach und zeigt ein weiteres Mal, dass er alle Menschen wichtig nimmt. Seine Handlung steht auch im Kontrast zu dem unfreundlichen Auftreten der Jünger in V. 13. Das Hände Auflegen ist eine typische Segensgeste (vgl. Evans 2001, 94f.).


Reichtum und der Zutritt zu Gottes Reich (Mk 10,17-31)[Bearbeiten]

Jesus spricht in diesem Abschnitt wichtige Grundsätze an, wer in Gottes Reiche kommen kann und wer nicht, und welche Rolle die Stellung der Menschen zu ihren weltlichen Gütern dabei spielt. Er stellt die Werte seiner Zeitgenossen auf den Kopf: In der jüdischen Gesellschaft wurde Wohlstand als Zeichen von Gottes Segen verstanden. In Gottes Reich dagegen zählt der Besitz nicht. Die Reichen kommen entgegen der jüdischen Vorstellungen nicht in den Himmel. Nur wer sich von weltlichen Werten verabschiedet, hat eine Chance auf ewiges Leben. Die Ersten sind die Letzten, die Letzten sind die Ersten. Wie diese Perikope zeigt, ist es überhaupt nur dann möglich, in Gottes Reich zu kommen, wenn Gott es ermöglicht. Doch wer für Jesu Sache Entbehrungen in Kauf nimmt, wird dafür hundertfach entschädigt werden (vgl. France 2002, 399ff.; Evans 2001, 103f.).

Der reiche Mann und die Anforderungen der gehorsamen Nachfolge (Mk 10,17-22)[Bearbeiten]

Die Anrede (V. 17) ist ungewöhnlich – nirgendwo sonst in Markus wird ein Mensch „gut“ genannt. Diese Bezeichnung wird den Leser zu der Annahme verleiten, dass der Mann Jesu Botschaft verstanden hat und damit zum inneren Kreis um Jesus gehören könnte (France 2002, 401).

Wir erfahren nicht, was Jesu Rückfrage (V. 18) bezwecken oder kritisieren soll, weil er keine Antwort abwartet. Vielleicht nimmt er die Anrede als Schmeichelei wahr (France 2002, 401f.). Jesus erwartet dann selbst keine Komplimente, sondern alle Ehre und Aufmerksamkeit soll Gott zukommen, der für alles Gute verantwortlich ist (Evans 2001, 96). Damit wird er zum Gegenbeispiel der Priester und Schriftgelehrten, wie sie in Mk anderswo dargestellt werden (Collins 2007, 477).

„Er fragte ihn: „Guter Lehrer, was muss (soll) ich tun, um {ich} ewiges Leben zu bekommen?“ (V. 17) Die Frage nach dem ewigen Leben beschäftigte die Juden. Die Parallelstelle in Lk 10,29-37 ist sprachlich besonders angelehnt an Lev 18,5: „Und ihr sollt meine Vorschriften und Verordnungen einhalten, denn der Mensch, [der] sie tut, wird durch sie leben.“ (Evans 2001, 95). Das verheißene Leben, woran die Gehorsamen Anteil erhalten sollten, war in der Tora zunächst das Leben innerhalb des Bundes und seinen Segnungen, zu denen wesentlich das Leben innerhalb des von Gott verheißenen Landes gehörte (vgl. u.a. Lev 18,24-30; Dtn 28). In der Entwicklung des Alten Testaments wird daraus jedoch mehr und mehr eine eschatologische Frage (vgl. z.B. Dtn 30,1-20). Die Gehorsamen würden als Teil des neuen Bundes in einem neuen Zeitalter unter Gottes direkter Herrschaft stehen. Die Frage nach der Zugehörigkeit zum Bund entwickelte sich zur Frage nach dem ewigen Leben. So macht die zwischentestamentliche jüdische Auslegung Targum Onkelos aus dem „Leben (im Bund, im Land)“ aus Lev 18,5 „ewiges Leben“ (ähnlich Evans 2001, 95; Collins 2007, 476ff.).

Um dieses Leben zu erlangen, war nach Lev 18 und Dtn 30 die Treue zum Bund durch Erfüllung der Gebote erforderlich. Jesus macht aus der Zugehörigkeit zum neuen Bund unter der Herrschaft Gottes (oder zum Reich Gottes) eine Frage einer Ausrichtung des Lebens an Gottes Willen (Mk 1,15) und der Gesinnung (7,1-13). Gottes Gnade ermöglichte jedem eine zweite Chance, der sich seinem Willen unterwarf und Jesus nachfolgte (8,34-38). Gerade hatte er seinen Jüngern noch erklärt, dass man Gottes Reich wie ein Kind annehmen müsse, um hineinzugelangen (10,14-15). Der Mann hier, der vielleicht von den vielfältigen Diskussionen unter den jüdischen Schriftgelehrten hinsichtlich der richtigen Bundeserfüllung geprägt war oder Jesus radikaler Neudefinition gehört hatte, stellt seine Frage vor diesem Hintergrund.

Jesus gibt zunächst die erwartete Antwort – ewiges Leben bekommt, wer die Gebote einhält (V. 19). Dazu zitiert er aus den 10 Geboten – fünf der zehn, wobei er dieselben Verben benutzt wie die LXX, sich aber an die Reihenfolge des MT hält. Er endet allerdings mit dem Gebot, Vater und Mutter zu ehren. Davor schiebt er ein weiteres ein, das nicht aus den 10 Geboten stammt (s. die Fußnote zu V. 19). Alle zitierten Gebote betreffen das praktische Leben und sind gut auf ihre Einhaltung hin zu kontrollieren (France 2002, 402). Dass Jesus auch das Einhalten der Gebote nach Gottes eigentlicher Absicht erwartet, erfahren wir aus der Bergpredigt (Mt 5; Evans 2001, 97).

Im Griechischen von V. 19 steht (anders als in der LXX) der verneinte Konjunktiv Aorist, der wie ein negativer Imperativ fungiert. Entsprechend zitiert Jesus ganz am Ende das einzige positive Gebot als Imperativ. Jesus zitiert also nicht wörtlich (die LXX benutzt das Futur, um das hebräische Yiqtol nachzuahmen), sondern paraphrasiert sie als Imperative. Schon um die Parallelität zum Zitat des 5. Gebots im Imperativ zu erhalten, stehen in der Studienfassung darum auch die anderen Gebote im Imperativ.

Mit seiner scheinbar ernst gemeinten Antwort (V. 20), diese Gebote allesamt gehalten zu haben, zeigt der Mann, dass er Jesu radikale Auslegung wohl nicht verstanden hat (France 2002, 403). Doch Jesus merkt seine Ernsthaftigkeit, weshalb er Zuneigung zeigt (V. 21). Er fordert jedoch mehr als nur das Befolgen der Einzelgebote (V. 21). Die einzuhaltenden Gebote sind für Jesus nicht der zu befolgende Buchstabe, sondern etwas viel Größeres. Die Gebote sind mit ganzem Herzen einzuhalten (7,6b-7), und würde der Mann das verstehen, dann würde er seinen Besitz nicht zurückhalten, sondern alles der direkten Nachfolge Jesu unterordnen. Der Preis wäre ein Schatz im Himmel – das ewige Leben. Der Ruf zur Nachfolge ist derselbe, den Jesus bei seinen Jüngern benutzt hatte (z.B. Mk 2,14) – der Leser erhält den Eindruck, dass der Mann einer der Jünger hätte werden können, wenn er nur nicht reich gewesen wäre (vgl. Evans 2001, 99)!

Menschen ist der Zutritt zu Gottes Reich aus eigener Kraft unmöglich (Mk 10,23-27)[Bearbeiten]

Zu beachten ist die Übersetzung der Gefühlsäußerungen: Der Mann (22), die Jünger (24, Überraschung, vielleicht Bestürzung), und noch einmal die Jünger (26, Fassungslosigkeit, Entgeisterung)(vgl. Collins 2007, 481).

Der Blick in die Runde (V. 23) ist wohl so zu verstehen, dass Jesus die Gedanken der Jünger erkennt und darauf antwortet (France 2002, 404). Die Jünger reagieren bestürzt (V. 24), denn nach jüdischen Vorstellungen galt Wohlstand als ein Zeichen von Gottes Segen, und gerade das kommende Reich Gottes sollte Armut, Krankheit und Hunger ein für alle mal beenden (Evans 2001, 100f.). Evans: „Because wealth (τὰ χρήματα) competes for loyalty to God, those who have it will find it very difficult to receive God’s rule. Jesus’ pronouncement here is in step with his teaching elsewhere about the need to choose between love of God and love of money (χρῆμα, “money” = μαμωνᾶς, “mammon”): “No one can serve two masters; for either he will hate the one and love the other, or he will be devoted to the one and despise the other. You cannot serve God and mammon” (Matt 6:24 = Luke 16:13).“ (2001, 100)

Als Jesus seine Behauptung wiederholt, ist sie nicht mehr auf Reiche beschränkt, sondern betrifft alle. Der Vergleich mit dem Versuch, das größte Tier irgendwie durch das kleinste denkbare Loch zu zwängen (weiteres s. in der Fußnote), illustriert, dass es für Reiche unmöglich ist, in Gottes Reich zu gelangen (V. 25). Das Erstaunen der Jünger ist auch dadurch zu erklären, dass man gerade von den Reichen (als eben jene, die scheinbar sichtbar gesegnet waren) erwartet hatte, am ehesten gerettet zu sein (France 2002, 405). Die folgenden Verse bestätigen das – nur Gott kann letztlich dafür sorgen, dass Menschen (nicht beschränkt auf Reiche!) in das Reich Gottes gelangen und ewiges Leben erhalten können. So steigert Jesus seine Aussage schrittweise ins Extreme, bis die Jünger erkennen: Der Mensch hat selbst keine Möglichkeit, Gott muss es bewirken (V. 27)(vgl. Collins 2007, 481).

Jesu Nachfolger erwartet eine ewige Entschädigung für irdische Entbehrungen (Mt 10,28-31)[Bearbeiten]

Petrus' Tonfall in V. 28 klingt etwas verzweifelt (Evans) oder selbstsicher (France). Er erinnert Jesus an das Opfer, das er und die anderen Jünger für ihn gebracht haben.

In seiner Antwort (V. 29-30) spricht Jesus nicht davon, diese Dinge für immer aufzugeben (oder besser, aufgegeben zu haben). Auch Petrus (oder Jesus selbst; man nimmt jedoch an, dass Jesus bei Petrus' Familie unterkam) besaß weiter ein Haus, auch das im ersten Teil des Evangeliums häufig benutzte Boot könnte einem der Jünger gehört haben. Jesus spricht also besonders von der Nachfolge als fahrende Verkündiger des Evangeliums, die die Jünger speziell als Nachfolger Jesu angetreten hatten (France 2002, 407f.). Die Übersetzung „zurücklassen“ ist also diesbezüglich vielleicht passender als „verlassen“ oder „aufgeben“.

Jakobus und Johannes hatten ihren Vater und ihren Beruf zurückgelassen (1,20), Petrus wohl wenigstens eine Frau, vielleicht einen Familienbetrieb (1,30f.), Levi seinen Beruf (2,13f.). Doch Jesus hat offenbar nicht von allen eine so radikale Aufgabe ihres Lebens erwartet. Doch sicher kann man Jesu Worte auch auf Situationen übertragen, in denen Christen aufgrund ihres Glaubens entsprechende Opfer bringen mussten. Die christliche Gemeinschaft würde diese Verluste mehr als wett machen (Collins 2007, 481f.).

Diese Zeit und das kommende Zeitalter (V. 30) bzw. die kommende Welt beziehen sich auf das jetzige, irdische Zeitalter, das begrenzt ist, und die kommende, neue Welt (bzw. Zeitalter), die ewig währen wird (Collins 2007, 483).