Kommentar:Markus 9: Unterschied zwischen den Versionen

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===Struktur der Studienfassung===
 
===Struktur der Studienfassung===
  
In den meisten deutschen Bibelübersetzungen werden Vv. 33-50 als eine zusammenhängende Rede präsentiert; einige Exegeten bestimmen sie auch so (z.B. (mit Einschränkung) Dschulnigg 2007, S. 259). Die exegetische Mehrheitsmeinung ist aber, dass es sich bei diesen Versen um mehrere Anekdoten und Logien Jesu handelt, die Markus geleitet von Stichworten, die diesen Anekdoten und Logien gemeinsam sind, zu einer Spruchsammlung zusammengestellt hat (vgl. z.B. Dennis 2007, S. 1; Fast 2002, S. 59; Fleddermann 1981, S. 57), ohne, dass sie eine zusammenhängende Argumentation ergeben würden. Allerdings herrscht keine Einigkeit, welche Abschnitte als eigenständige Einheiten zu identifizieren sind; am krassesten teilt ws. Trocmé 2000, S. 248f. auf, der als eigenständige Einheiten identifiziert: (1) V. 35; (2) Vv. 36f; (3) V. 38-40; (4) V. 41; (5) Vv. 42-48 (/(5) V. 42; (5') V. 43-48)<ref>s. S. 249; so auch die meisten Vertreter dieser Position</ref>; (6) V. 49; (7) V. 50a; (8) V. 50b.<br />
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In den meisten deutschen Bibelübersetzungen werden Vv. 33-50 als eine zusammenhängende Rede präsentiert. Die (deutliche) Mehrheitsmeinung ist aber die, dass es sich bei diesen Versen um mehrere Anekdoten und Logien Jesu handelt, die Markus geleitet von Stichworten, die diesen Anekdoten und Logien gemeinsam sind, zu einer Spruchsammlung zusammengestellt hat, ohne, dass sie eine zusammenhängende Argumentation ergeben würden (vgl. Dennis 2007, S. 1; Fast 2002, S. 59; Fleddermann 1981, S. 57).
Das ist nicht sonderlich befriedigend - allem voran, weil der Text einige Signale enthält, die signalisieren, dass er durchaus als Einheit wahrgenommen werden will (s.u.) - daher habe ich mich für die offiziellen Studien- und Lesefassung zu einem Anschluss an eine gemäßigtere Position entschieden und werte als eigenständige Einheiten: (1) Vv. 33-37; (2) Vv. 38-40; (3) Vv. 41-42; (4) Vv. 43-48; (5) Vv. 49-50 (zu den Gründen s. nächster Abschnitt). Auch das ist nicht völlig befriedigend, ist aber wohl das Äußerste, was wir uns in SF und LF erlauben können, ohne uns einer exegetische Sondermeinung anzuschließen.<br />
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<ref>Einige wenige Exegeten haben zwar versucht, zumindest einen roten Faden zu identifizieren, der die einzelnen Abschnitte miteinander verbindet (z.B. Silberman 1983 versucht, den fremden Exorzisten in Vv. 38-40 ebenso wie die Diener, die Kinder und die Kleinen als Paradigma des „Geringen“ zu deuten und darin die Einheit von Vv. 33-42 zu erkennen; Henderson 2001 glaubt in der Tat, das einheitsstiftende Moment von Vv. 42-50 sei die Tatsache, dass Jesus durchgehend unzusammenhängende und unverständliche Rätselworte von sich gibt usw.; für weitere Vorschläge vgl. Fleddermann 1981 und Neirynck 1967), aber das sind Sondermeinungen, zwischen denen kein Konsens auszumachen ist. Meines Wissens der einzige, der bisher versucht hat, einen einheitlichen ''Argumentationsgang'' in Vv. 33-50 auszumachen, ist Dennis 2007, und auch ihm gelingt das nicht wirklich.</ref><br />
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Allerdings ist man sich in der Exegese nicht einig, welche Abschnitte als eigenständige Einheiten zu identifizieren sind. Am krassesten teilt ws. Trocmé 2000, S. 248f. auf, der als eigenständige Einheiten identifiziert: (1) V. 35; (2) Vv. 36f; (3) V. 38-40; (4) V. 41; (5) Vv. 42-48 (/(5) V. 42; (5') V. 43-48)<ref>s. S. 249; so auch die meisten Vertreter dieser Position</ref>; (6) V. 49; (7) V. 50a; (8) V. 50b.<br />
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Das ist nicht sonderlich befriedigend, daher habe ich mich für die offiziellen Studien- und Lesefassung zu einem Anschluss an eine gemäßigtere Position entschieden und werte als eigenständige Einheiten: (1) Vv. 33-37; (2) Vv. 38-40; (3) Vv. 41-42; (4) Vv. 43-48; (5) Vv. 49-50.<br />
  
Zur Aufteilung selbst: Bei den gemäßigteren Exegeten unumstritten ist, dass Vv. 33-37 und Vv. 49f je eine Einheit bilden; unumstritten ist auch, dass Vv. 38-40 und Vv. 43-48 zusammenhängen. Manchmal wird allerdings V. 41 zu Abschnitt (2) und V. 42 zu Abschnitt (4) gezogen. In der offiziellen Fassung folge ich demgegenüber der Ansicht, dass in einer ursprünglicheren Textform V. 41 sich direkt an V. 37 angeschlossen haben (so z.B. mit Bultmann 1931; Ernst 1963; Gnilka 1979; Klostermann 1950; Schweizer 1998 und mit Einschränkung Marcus 2008) und nachträglich Vv. 38-40 eingeschoben wurden, ohne, dass die Verse ausreichend aneinander angeglichen wurden.<br />
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<small>Zur Aufteilung selbst: Bei den gemäßigteren Exegeten unumstritten ist, dass Vv. 33-37 und Vv. 49f je eine Einheit bilden; unumstritten ist auch, dass Vv. 38-40 und Vv. 43-48 zusammenhängen. Manchmal wird allerdings V. 41 zu Abschnitt (2) und V. 42 zu Abschnitt (4) gezogen. In der offiziellen Fassung folge ich demgegenüber der Ansicht, dass Vv. 41f als Einheit zu betrachten ist. Ich halte für gut möglich, dass diese beiden Verse ursprünglich direkt an V. 37 angeschlossen haben (so z.B. auch Bultmann 1931; Ernst 1963; Gnilka 1979; Klostermann 1950; Schweizer 1998 und mit Einschränkung Marcus 2009) und dass nachträglich Vv. 38-40 eingeschoben wurden. Aber selbst wenn der Abschnitt textgeschichtlich so aufzufassen ist, unterbrechen in seiner heutigen Gestalt Vv. 38-40 Vv. 33-37 und Vv. 41f, so dass dieser ursprüngliche Zusammenhang heute nicht mehr erkennbar ist und man die drei Abschnitt als ''eigenständige'' Abschnitte zu betrachten hat.</small><br />
Ich habe dieser Variante der gemäßigteren Position den Vorzug gegeben, weil V. 42 zwar mit Vv.43.45.47 die Gattung (Tobspruch) und das Stichwort σκανδαλίζω teilt, aber die Funktion (Drohspruch) ja eine ganz andere ist als die der Mahnworte Vv. 43.45.47; ebenso das Thema (Verführung der Geringen vs. Sündenlosigkeit). Ähnlich V. 41: Für eine Zusammengehörigkeit von V. 41 mit V. 38-40 spricht sehr wenig - eigentlich nur der Anschluss mit γάρ, was aber ja keine Aussagekraft hat, wenn man davon ausgeht, dass Vv. 38-40 nachträglich eingeschoben wurden. Zudem muss γάρ auch nicht immer eine Begründung für vorangehende Textteile einleiten, sondern kann auch einfach einen neuen Textabschnitt markieren (vgl. z.B. Smyth §2808; Kleist 1932, S. 164f.; ''ad loc.'' Kleist 1937, S. 215) -: V. 41 spricht von Sympathisanten der Jesusgruppe, V. 40 von einem Kontrahenten der Jünger; V. 40 spricht von „uns“, V. 41 von „euch“; Vv. 38-40 thematisiert das Verhältnis von Nicht-Anhängern zur Jesusgruppe, V. 41 thematisiert die eschatologische Belohnung für gute Taten.<br />
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<small>Ich habe dieser Variante der gemäßigteren Position den Vorzug gegeben, weil V. 42 zwar mit Vv.43.45.47 die Gattung (Tobspruch) und das Stichwort σκανδαλίζω teilt, aber die Funktion (Drohspruch) ja eine ganz andere ist als die der Mahnworte Vv. 43.45.47; ebenso das Thema (Verführung der Geringen vs. Sündenlosigkeit). Zu weiteren Unterschieden vgl. Deming 1990, S. 130. Ähnlich V. 41: Für eine Zusammengehörigkeit von V. 41 mit V. 38-40 spricht sehr wenig - eigentlich nur der Anschluss mit γάρ, aber dazu vgl. [http://www.offene-bibel.de/wiki/index.php5?title=Markus_9#note_cx FN cx] -: V. 41 spricht von Sympathisanten der Jesusgruppe, V. 40 von einem Kontrahenten der Jünger; V. 40 spricht von „uns“, V. 41 von „euch“; Vv. 38-40 thematisiert das Verhältnis von Nicht-Anhängern zur Jesusgruppe, V. 41 thematisiert die eschatologische Belohnung für gute Taten.</small><br />
Umso mehr verbindet die Lohnverheißung V. 41 mit dem Drohspruch V. 42. Beide haben beinahe exakt die selbe Struktur: (A) Aktant - V. 41  Ὃς [...] ἂν..., V. 42 Ὃς ἂν; (B) Rezipient - V. 41: ὑμᾶς (ἐν ὀνόματι ὅτι χριστοῦ ἐστε), V. 42:  ἕνα τῶν μικρῶν τούτων τῶν πιστευόντων εἰς ἐμέ; (C) Akt - V. 41: Wohltat; V. 42: Übeltat; (D) Resultat - V. 41: Lohn; V. 42: Strafe. Weil außerdem in Vv. 41f. die Jünger und die „Kleinen“ einander ebenso gegenübergestellt werden wie in Vv. 35-37 die Jünger und die „Letzten“ und die „Kinder“, weil weiterhin in V. 42 sogar explizit mit den „Kleinen“ der Themenkomplex „Letzter - Diener - Kind“ von Vv. 35-37 wiederaufgenommen wird und vermutlich V. 41 in einer früheren Form sogar ebenfalls statt „euch“ wie V. 42 „diese Kleinen“ hatte (vgl. Bultmann 1931, S. 152f.; Gnilka 1979, S. 59 u.ö.), scheint mir unter den Varianten der gemäßigten Position diese Strukturierung am kohärentesten: (1a) Vv. 33-37; (2) Vv. 38-40; (1b) Vv. 41-42; (3) Vv. 43-48; (4) Vv. 49f.
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<small>Umso mehr verbindet die Lohnverheißung V. 41 mit dem Drohspruch V. 42. Allem voran haben beide beinahe exakt die selbe Struktur.
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<ref>(A) Aktant - V. 41  Ὃς [...] ἂν..., V. 42 Ὃς ἂν; (B) Rezipient - V. 41: ὑμᾶς (ἐν ὀνόματι ὅτι χριστοῦ ἐστε), V. 42:  ἕνα τῶν μικρῶν τούτων τῶν πιστευόντων εἰς ἐμέ; (C) Akt - V. 41: Wohltat; V. 42: Übeltat; (D) Resultat - V. 41: Lohn; V. 42: Strafe.</ref>
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Weil außerdem in Vv. 41f. die Jünger und die „Kleinen“ einander ebenso gegenübergestellt werden wie in Vv. 35-37 die Jünger und die „Letzten“ und die „Kinder“, weil weiterhin in V. 42 sogar explizit mit den „Kleinen“ der Themenkomplex „Letzter - Diener - Kind“ von Vv. 35-37 wiederaufgenommen wird und vermutlich V. 41 in einer früheren Form sogar ebenfalls statt „euch“ wie V. 42 „diese Kleinen“ hatte (vgl. Bultmann 1931, S. 152f.; Gnilka 1979, S. 59 u.ö.), scheint mir unter den Varianten der gemäßigten Position diese Strukturierung am kohärentesten: (1) Vv. 33-37; (2) Vv. 38-40; (3) Vv. 41-42; (4) Vv. 43-48; (5) Vv. 49f.</small>
  
Auch das ist, wie gesagt, nicht völlig befriedigend, aber die (sinnvolle!) Bindung der offiziellen Fassungen an die plausibelste unter den Mehrheitsmeinungen hat mir hier keine wirkliche Wahl gelassen. Einige Exegeten haben zwar versucht, zumindest einen roten Faden zu identifizieren, der die einzelnen Abschnitte miteinander verbindet (z.B. Silberman 1983 versucht, den fremden Exorzisten in Vv. 38-40 ebenso wie die Diener, die Kinder und die Kleinen als Paradigma des „Geringen“ zu deuten und darin die Einheit von Vv. 33-42 zu erkennen; Henderson 2001 glaubt in der Tat, das einheitsstiftende Moment von Vv. 42-50 sei die Tatsache, dass Jesus durchgehend unzusammenhängende und unverständliche Rätselworte von sich gibt usw.; für weitere Vorschläge vgl. Fleddermann 1981 und Neirynck 1967), aber das sind Sondermeinungen, zwischen denen kein Konsens auszumachen ist. Meines Wissens der einzige, der bisher versucht hat, einen einheitlichen ''Argumentationsgang'' in Vv. 33-50 auszumachen, ist Dennis 2007. Da aber auch ihm das nicht wirklich gelingt, will ich in diesem Abschnitt etwas Ähnliches versuchen, muss dabei aber betonen, dass das folgende allenfalls Versuchscharakter hat und als absolute Sondermeinung auch keinen Einfluss auf die offiziellen Fassungen haben kann.
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===Textkritik===
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====Vers 2====
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{{S|2}} Sechs Tage später nahm Jesus Petrus, Jakobus und Johannes (die Brüder Jakobus und Johannes?)
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<ref>'''Textkritik''': Viele Hss. haben vor ''Johannes'' (wie vor ''Petrus'' und ''Jakobus'') einen Artikel; noch mehr (und die meisten krit. Editionen - nicht aber NA28) aber sparen ihn an dieser Stelle aus. Die zweite Variante ist etwas wahrscheinlicher (vgl. [http://www-user.uni-bremen.de/~wie/TCG/TC-Mark.pdf Wilckens 2014], S. 351f). Diese asymmetrische Setzung und Aussparung soll vielleicht die Geschwister Jakobus und Johannes syntaktisch näher zusammenrücken (ebd., S. 352); die Hinzufügung von „die Geschwister“ war die beste Möglichkeit, die mir einfiel, das nachzubilden. Wahrscheinlich ist es aber bedeutungslos, so dass man in die LF wie gehabt die Fließtextfassung übernehmen kann.</ref>
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, und führte sie
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<ref>''nahm mit und führte sie'' - Typisch markinische Redundanz (daher auch [[Lukas 9#s28 |Lk 9,28]]: „Er nahm Petrus, Jakobus und Johannes mit sich ''und stieg'' auf den Berg.“); hier aber zweckmäßig eingesetzt: Zusammen mit dem folgenden, ebenfalls gedoppelten ''für sich, allein'' wird so das häufige Motiv der Privatoffenbarung an ausgewählte Jünger besonders betont. Sehr gut WIL: „er führte sie - nur sie allein - auf einen hohen Berg.“</ref>
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für sich, allein,
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<ref>s. letzte FN</ref>
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auf einen hohen Berg, und er wurde vor ihnen (vor ihren Augen)
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<ref>''vor ihnen'' - viele Üss. stilistisch gut: „vor ihren Augen“, aber Mk verwendet wohl bewusst „ihnen“: Die Geschehnisse der Perikope Mk 9,2-8 sind kein Selbstzweck, sondern ''für die Jünger bestimmt'': ''Vor ihnen'' wird Jesus verwandelt; ''ihnen'' erscheinen Elija mit Mose, und ''ihnen'' („aus der Wolke“) deutet die „Stimme“ aus, was sie da eben gesehen haben.</ref>
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verwandelt (verwandelte sich):
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<ref>''wurde verwandelt (verwandelte sich)'' - Entweder Passivum divinum ''wurde verwandelt'', also sinngemäß „wurde von Gott verwandelt“ (so z.B. Dschulnigg 2007, S. 245; Kmiecik 1997, S. 134; Pesch 1977, S. 72; Wördemann 2008, S. 44) oder reflexives Passiv ''verwandelte sich'' (so z.B. Haenchen 1966, S. 308; Kleist 1937, S. 214). Die erste Variante ist wahrscheinlicher: In Mk 9,2-8 wurde vermutlich die Textsorte „Epiphanie“ (=Erscheinung Gottes) mit der hellenistischen Textsorte „Metamorphose“ (=Verwandlung) verschmolzen (vgl. gut Wördemann 2008, S. 37f), um die Epiphanie als ''Christophanie'' darstellen zu können: ''Christus'' offenbart sich auf dem Berg in seiner göttlichen Herrlichkeit. In der hellenistischen Textsorte Metamorphose ist es aber üblich(er), dass die Verwandelten ''von Göttern'' verwandelt werden. Auch ist es ja in V. 7 Gott, der den Jüngern die Geschehnisse ausdeutet.</ref>{{par|Exodus|24|13|15}}{{par|2_Petrus|1|16|18}}{{par|2Korinther|3|18}}
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<references />
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====Vers 14====
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{{S|14}} Und als sie (er)
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<ref name="Text 14">'''Textkritik''': ''als sie kamen (als er kam)'' + ''sahen sie (sah er)'' - beide Versionen sind etwa gleich stark bezeugt; beide gleich plausibel. Vier folgen NA28; anders z.B. Gnilka 1979, S. 43 (das Singular sei die „schwierigere Lesart“. Warum auch immer - dass Jesus etwas gemeinsam mit seinen Jüngern tut, aber nur von ihm allein gesagt wird, dass er es tut, kommt häufig vor im Mk. Das ist nicht „schwieriger“).</ref>
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zu den Jüngern kamen (kam),
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<ref name="Text 14" />
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sahen sie (sah er),
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<ref name="Text 14" />
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dass eine große Menschenmenge um sie [war] und Schriftgelehrte mit ihnen diskutierten. {{par|Lukas|11|53}}
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<references />
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====Vers 29====
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{{S|29}} Da sagte er zu ihnen: „Diese Art kann durch nichts ausfahren (ausgetrieben werden)
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<ref>''ausfahren (ausgetrieben werden)'' - ἐξέρχομαι ''ausfahren'' verwendet als Äquivalent des Passivs ἐκβάλλω ''austreiben''; vgl. Symth §1752; ''ad loc.'' Cranfield 1959, S. 304; Kleist 1937, S. 214. So auch die meisten Üss.</ref>
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außer durch Gebet
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<ref>'''Textkritik''': Die meisten Mss. fügen hinzu: „und Fasten“. Von fast allen wird es zur Glosse erklärt, weil eine Einfügung von „und Fasten“ aufgrund der steigenden Wichtigkeit des Fastens in der alten Kirche plausibler sei als eine Auslassung (so z.B. Metzger 1994, S. 85). [http://www-user.uni-bremen.de/~wie/TCG/TC-Mark.pdf Wilckens 2014], S. 370, hält es aber auch für möglich, dass es sich hier um eine Parablepsis handeln und ein Abschreiber das καὶ νηστείᾳ ''und Fasten'' einfach übersehen haben könnte, und die Tatsache, dass so viel mehr Mss die längere Version haben, macht mir das eigentlich sogar ein wenig wahrscheinlicher. Allerdings nicht wahrscheinlich genug, um von der Mehrzahl der kritischen Editionen abzuweichen, daher folgen auch wir der kürzeren Variante.</ref>.“ {{par|Daniel|9|3}}{{par|Jakobus|5|15}}
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<references />
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====Vers 42====
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{{S|42}}
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<ref name="Struktur" />
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Wer aber (und)
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<ref>''aber (und)'' - „und“ zur Verknüpfung von Gegensätzen.</ref>
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[auch nur] einen dieser Kleinen (einen der Geringen),
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<ref>''einen dieser Kleinen (einen der Geringen)'' - Auf wen „diese Kleinen“ verweist, ist in der Exegese umstritten. Einige denken, dass es sich bei „diesen Kleinen“ um eine Ehrenbezeichnung Jesu für die Jünger handle (s. z.B. Jeremias 1971, S. 113 zu dieser Stelle; [[Matthäus 10#s42 |Mt 10,42]]; [[Matthäus 18#s10 |18,10]].[[Matthäus 18#s14 |14]]; [[Matthäus 25#s40 |25,40]].[[Matthäus 25#s45 |45]]). Das ist mindestens schwierig. Mt 18,10.14 verweist es zweifellos auf Kinder; vgl. [[Matthäus 18#s5 |Mt 18,5f]] (also die Parallelstelle von Mk 9,42). Und Mt 25,40.45 ist nicht von „einem dieser Kleinen“ die Rede, sondern von „einem meiner kleinsten Brüder“ und die Referenz wird weiter dadurch aufgeklärt, dass diese als hungernde, dürstende, obdachlose, nackte, kranke und gefangene Menschen näher bestimmt werden - man kann diese Stelle also nicht ohne Weiteres mit Mk 9,42 par. parallelisieren. Bleiben Mt 10,42 und Mk 9,42. Auch an unserer Stelle deckt sich ἕνα τῶν μικρῶν ''einer dieser Kleinen'' nicht mit ὑμᾶς ''euch'' (3. Pers. vs. 2. Pers., außerdem werden die beiden Gruppen „diese Kleinen“ und „ihr“ hier ja offensichtlich miteinander kontrastiert). Zudem kann das Demonstrativpronomen „dies“ in „dieser Kleinen“ nur meinen „solche Kinder wie das, von dem ich in Vv. 33-37 geredet habe“ - wenn man es nicht (wie z.B. Pesch 1977, S. 92) als (bedeutungsloses) redundantes Pronomen deutet (ein Aramäismus; vgl. [http://archive.org/stream/grammatikdesj00dalmuoft#page/113/mode/1up Dalman 1905, S. 113f]; [https://archive.org/stream/fourgospelsanewt009081mbp#page/n305/mode/1up Torrey 1933, S. 290] zu [[Matthäus 5#s19 |Mt 5,19]] - mit dieser Verwendung dürfte man vielleicht auch die Textvarianten erklären können, in denen das Demonstrativpronomen fehlt). Man wird daher hier besser davon ausgehen müssen, dass „diese Kleinen“ wieder die Kinder meint (so z.B. auch Collins 2007, S. 450, Evans 2001, S. 70; Gundry 1993, S. 512.524, van Iersel 1998, S. 312f; gut auch Loader 2012, S. 121f.), was noch wahrscheinlicher wird, wenn man (wie viele) davon ausgeht, dass entweder Vv. 41f oder nur Vv. 42 ursprünglich direkt an V. 37 angeschlossen haben.</ref>
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die an mich ({an mich})
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<ref>'''Textkritik''': Das εἰς ἐμέ ist textkritisch umstritten. In der überwiegenden Mehrzahl der Mss. steht es; nicht aber in den wichtigen {{hebr}}א{{hebr ende}}, D und Δ, was sie etwas zweifelhaft macht. Viele textkritische Editionen haben sie aus diesem Grund auch nicht in den Fließtext mit aufgenommen (vgl. zuletzt auch wieder Greeven/Güting 2005, S. 478); auch einige namhaften Kommentare (z.B. Dschulnigg 2007, Gnilka 1979, Pesch 1977, Marcus 2009) sparen es aus. In die neueren Editionen (NA28, SBLGNT; s. auch Wilcker 2014, S. 385.7) wird es aber (zögerlich) aufgenommen; dem folgen auch wir.</ref>
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glauben, ärgert (vom Glauben abbringt)
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<ref>''ärgert (vom Glauben abbringt)'' - σκανδαλίζω kann sowohl „vom Glauben abbringen“ meinen als auch „ärgern“ (außerdem „zur Sünde verführen“, aber das ist hier sehr wahrscheinlich nicht im Blick). Liest man - wie wir, vgl. wieder den [http://www.offene-bibel.de/wiki/index.php5?title=Kommentar:Markus_9#Struktur_der_Studienfassung Kommentar] - Vv.41-42 als zusammenhängend und berücksichtigt die parallele Struktur der beiden Verse, erkennt man, dass ὃς ἂν σκανδαλίσῃ ''Wer [auch nur einen dieser Kleinen] ärgert/vom Glauben abbringt'' parallel  ist zu ὃς ἂν ποτίσῃ ὑμᾶς ποτήριον ὕδατος ''Wer euch auch nur einen Becher Wasser zu trinken gibt''. σκανδαλίζω wird also mit der „sprichwörtlich kleinstmöglichen guten Tat“ parallelisiert. Entweder, man geht davon aus, dass dies nichts bedeutet, lässt sich deshalb in der Deutung von σκανδαλίζω leiten von dem „die Kleinen, ''die glauben''“ und übersetzt daher „vom Glauben abbringt“. So z.B. BB, GN, HfA, KAM, LUT, NL. Oder aber man hält Vv. 41f für eine Art „verdrehtes argumentum a maiore ad minus“: Kinder werden in der Antike allgemein - und auch im NT - eher mit Niedrigkeit und Schwachheit konnotiert (vgl. z.B. Aasgaard 2006; Grassi 1992). Erst recht solche, die „aufgenommen“ werden müssen, also Waisenkinder: Sie gehören zu den schwächsten Gliedern der Gesellschaft und stehen so sozial weit unter den Jüngern. In den Vv. 33-37 nimmt aber Jesus eine seiner häufigen „Umwertungen der Werte“ vor: Wer von den Jüngern der Erste sein will, soll der Diener ''aller'' sein - selbst „solchen Kindern“ sollen sie dienen (Vv. 36f). In Vv. 41f wird diese Umwertung wieder aufgegriffen: Wer den Jüngern eine kleine Wohltat erweist, wird seinen Lohn erhalten (V. 41). Wer aber ein solches Kind „ärgert“ - d.h., ihm eine kleine Übeltat erweist - für den wäre es besser..., und es folgt die Beschreibung einer der grausamstmöglichen Strafen der Antike (s.u.). Heißt: Handlungen an christusgläubigen Kindern wiegen schwerer als an den christusgläubigen Jüngern: Wenn schon denen, die an den Jüngern handeln, vergolten wird - um wieviel mehr wird dann erst denen vergolten werden, die an Kindern handeln (ähnlich analysiert Stein 2008, S. 447). Dieses argumentum a maiore ad minus funktioniert gerade deshalb - ist gerade deshalb so überraschend und radikal - weil in der opinio communis die Verhältnisse eigentlich umgekehrt sind. Lässt man sich von dieser Deutung leiten, sollte man übersetzen mit „ärgern“; so z.B. BEN, ELB, FREE, Gnilka 1979, H-R, KNO, Marcus 2009, MEISTER, MEN, MNT, PAT, TAF, TEXT.<br />
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Seit Deming 1990 glauben außerdem einige, dass sich das σκανδαλίζω auf sexuelle Vergehen gegenüber Kindern bezieht, und es ist dies vermutlich auch möglich, wenn man V. 42 isoliert liest - im aktuellen Kontext macht es aber nicht viel Sinn.<br />
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Ich persönlich würde durchaus Deutung 2 den Vorzug geben und habe sie daher auch als Primärübersetzung angegeben, weil sie den Text kohärenter sein lässt; davon abgesehen spricht aber nicht viel gegen Deutung 1.</ref>
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- für den ist (wäre)
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<ref>''ist (wäre)'' - modales Indikativ; vgl. Kleist 1937, S. 216. So fast alle Üss.</ref>
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es gut (besser),
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<ref name="gut">''gut (besser)'' - sicher Positiv als Komparativ; vgl. Zerwick §145. So auch alle Üss. Kein Semitismus; vgl. z.B. Herodot IX.26.7; auch BDR §245.</ref>
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wenn ein Eselsmühlstein um seinen Hals gehängt und er ins Meer geworfen würde.
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<ref>''wenn ein Eselsmühlstein um seinen Hals gehängt und er ins Meer geworfen würde'' - Die Hinrichtungsart, die hier beschrieben wird, nennt sich „Katapontismus“; sie ist in der Antike v.a. deshalb gefürchtet, weil sie dem Toten die Bestattung verwehren sollte (vgl. [http://de.wikisource.org/wiki/RE:Katapontismos Pauly X,2, Sp. 2480-2482]; ''ad loc.'' gut Pesch 1977, S. 114). Derrett 1985 denkt hier an ein Wortspiel: Nicht nur die durch Katapontismos hingerichteten wurden im Alten Israel nicht begraben, sondern auch Esel (vgl. z.B. TDOT IV, S. 469 - daher in [[Jer 22#s19 |Jer 22,19]] auch die Rede vom „Eselsbegräbnis“ i.S.v. „gar kein Begräbnis“). Wenn also jemand gerade mit einem ''Esels''mühlstein um den Hals ins Meer geworfen wird, unterstreicht das noch mal den „Eselsbegräbnis-charakter“ des Katapontismos. Dem folgend hält es auch Henderson 2001, S. 49 für eine weitere - diesmal aber missglückte - Abwandlung einer jüdischen Redensart.</ref>“ {{par|Matthäus|25|40}}{{par|Matthäus|26|24}}
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<references />
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====Vers 44 und 46 ====
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{{S|44}} {{sekundär}}wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht erlischt.{{sekundär ende}}
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<ref name="V. 44.46">'''Textkritik''': Vv. 44.46 sind eine Doppelung von V. 48 und fehlen in einigen wichtigen Mss.; daher werden sie heute fast einheitlich als sekundär erklärt. Vgl. z.B. Metzger 1994, S. 86f; [http://www-user.uni-bremen.de/~wie/TCG/TC-Mark.pdf Wilcker 2014, S. 396f]. Übrigens hat diese Auslassung zu einem kleinen Glaubenskrieg geführt, da gelegentlich einige radikale Anhänger des Textus Rezeptus und einige Verfechter der alleinigen Heiligkeit der KJV heftigst gegen diese Omission angeschrieben haben. Lustig ist z.B. Brill, Matthew (2011): Evangelism Expounded. Enumclaw, 2011. S. 47: „Beachte, dass Satan am Werk war, indem er [einen vorher vorhandenen] Vers aus dem Text entfernt hat. Wenn die „Bibel“, die du verwendest, Mk 9,44 und Mk 9,46 auslässt, geh gleich los und kauf dir eine ''Bibel'' (und zwar natürlich die King James Bible, die man auch als die „Autorisierte Version“ kennt)!“</ref>
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{{S|45}} Und wenn dein Fuß dich zur Sünde verführen will (zur Sünde verführt, ärgert, vom Glauben abbringt),
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geworfen zu werden,
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Aktuelle Version vom 20. Mai 2015, 21:47 Uhr

Abschnitt 6: Vv. 33-50[Bearbeiten]

Struktur der Studienfassung[Bearbeiten]

In den meisten deutschen Bibelübersetzungen werden Vv. 33-50 als eine zusammenhängende Rede präsentiert. Die (deutliche) Mehrheitsmeinung ist aber die, dass es sich bei diesen Versen um mehrere Anekdoten und Logien Jesu handelt, die Markus geleitet von Stichworten, die diesen Anekdoten und Logien gemeinsam sind, zu einer Spruchsammlung zusammengestellt hat, ohne, dass sie eine zusammenhängende Argumentation ergeben würden (vgl. Dennis 2007, S. 1; Fast 2002, S. 59; Fleddermann 1981, S. 57). a
Allerdings ist man sich in der Exegese nicht einig, welche Abschnitte als eigenständige Einheiten zu identifizieren sind. Am krassesten teilt ws. Trocmé 2000, S. 248f. auf, der als eigenständige Einheiten identifiziert: (1) V. 35; (2) Vv. 36f; (3) V. 38-40; (4) V. 41; (5) Vv. 42-48 (/(5) V. 42; (5') V. 43-48)b; (6) V. 49; (7) V. 50a; (8) V. 50b.
Das ist nicht sonderlich befriedigend, daher habe ich mich für die offiziellen Studien- und Lesefassung zu einem Anschluss an eine gemäßigtere Position entschieden und werte als eigenständige Einheiten: (1) Vv. 33-37; (2) Vv. 38-40; (3) Vv. 41-42; (4) Vv. 43-48; (5) Vv. 49-50.

Zur Aufteilung selbst: Bei den gemäßigteren Exegeten unumstritten ist, dass Vv. 33-37 und Vv. 49f je eine Einheit bilden; unumstritten ist auch, dass Vv. 38-40 und Vv. 43-48 zusammenhängen. Manchmal wird allerdings V. 41 zu Abschnitt (2) und V. 42 zu Abschnitt (4) gezogen. In der offiziellen Fassung folge ich demgegenüber der Ansicht, dass Vv. 41f als Einheit zu betrachten ist. Ich halte für gut möglich, dass diese beiden Verse ursprünglich direkt an V. 37 angeschlossen haben (so z.B. auch Bultmann 1931; Ernst 1963; Gnilka 1979; Klostermann 1950; Schweizer 1998 und mit Einschränkung Marcus 2009) und dass nachträglich Vv. 38-40 eingeschoben wurden. Aber selbst wenn der Abschnitt textgeschichtlich so aufzufassen ist, unterbrechen in seiner heutigen Gestalt Vv. 38-40 Vv. 33-37 und Vv. 41f, so dass dieser ursprüngliche Zusammenhang heute nicht mehr erkennbar ist und man die drei Abschnitt als eigenständige Abschnitte zu betrachten hat.
Ich habe dieser Variante der gemäßigteren Position den Vorzug gegeben, weil V. 42 zwar mit Vv.43.45.47 die Gattung (Tobspruch) und das Stichwort σκανδαλίζω teilt, aber die Funktion (Drohspruch) ja eine ganz andere ist als die der Mahnworte Vv. 43.45.47; ebenso das Thema (Verführung der Geringen vs. Sündenlosigkeit). Zu weiteren Unterschieden vgl. Deming 1990, S. 130. Ähnlich V. 41: Für eine Zusammengehörigkeit von V. 41 mit V. 38-40 spricht sehr wenig - eigentlich nur der Anschluss mit γάρ, aber dazu vgl. FN cx -: V. 41 spricht von Sympathisanten der Jesusgruppe, V. 40 von einem Kontrahenten der Jünger; V. 40 spricht von „uns“, V. 41 von „euch“; Vv. 38-40 thematisiert das Verhältnis von Nicht-Anhängern zur Jesusgruppe, V. 41 thematisiert die eschatologische Belohnung für gute Taten.
Umso mehr verbindet die Lohnverheißung V. 41 mit dem Drohspruch V. 42. Allem voran haben beide beinahe exakt die selbe Struktur. c Weil außerdem in Vv. 41f. die Jünger und die „Kleinen“ einander ebenso gegenübergestellt werden wie in Vv. 35-37 die Jünger und die „Letzten“ und die „Kinder“, weil weiterhin in V. 42 sogar explizit mit den „Kleinen“ der Themenkomplex „Letzter - Diener - Kind“ von Vv. 35-37 wiederaufgenommen wird und vermutlich V. 41 in einer früheren Form sogar ebenfalls statt „euch“ wie V. 42 „diese Kleinen“ hatte (vgl. Bultmann 1931, S. 152f.; Gnilka 1979, S. 59 u.ö.), scheint mir unter den Varianten der gemäßigten Position diese Strukturierung am kohärentesten: (1) Vv. 33-37; (2) Vv. 38-40; (3) Vv. 41-42; (4) Vv. 43-48; (5) Vv. 49f.


aEinige wenige Exegeten haben zwar versucht, zumindest einen roten Faden zu identifizieren, der die einzelnen Abschnitte miteinander verbindet (z.B. Silberman 1983 versucht, den fremden Exorzisten in Vv. 38-40 ebenso wie die Diener, die Kinder und die Kleinen als Paradigma des „Geringen“ zu deuten und darin die Einheit von Vv. 33-42 zu erkennen; Henderson 2001 glaubt in der Tat, das einheitsstiftende Moment von Vv. 42-50 sei die Tatsache, dass Jesus durchgehend unzusammenhängende und unverständliche Rätselworte von sich gibt usw.; für weitere Vorschläge vgl. Fleddermann 1981 und Neirynck 1967), aber das sind Sondermeinungen, zwischen denen kein Konsens auszumachen ist. Meines Wissens der einzige, der bisher versucht hat, einen einheitlichen Argumentationsgang in Vv. 33-50 auszumachen, ist Dennis 2007, und auch ihm gelingt das nicht wirklich. (Zurück zum Text: a)
bs. S. 249; so auch die meisten Vertreter dieser Position (Zurück zum Text: b)
c(A) Aktant - V. 41 Ὃς [...] ἂν..., V. 42 Ὃς ἂν; (B) Rezipient - V. 41: ὑμᾶς (ἐν ὀνόματι ὅτι χριστοῦ ἐστε), V. 42: ἕνα τῶν μικρῶν τούτων τῶν πιστευόντων εἰς ἐμέ; (C) Akt - V. 41: Wohltat; V. 42: Übeltat; (D) Resultat - V. 41: Lohn; V. 42: Strafe. (Zurück zum Text: c)

Textkritik[Bearbeiten]

Vers 2[Bearbeiten]

2 Sechs Tage später nahm Jesus Petrus, Jakobus und Johannes (die Brüder Jakobus und Johannes?) d , und führte sie e für sich, allein, f auf einen hohen Berg, und er wurde vor ihnen (vor ihren Augen) g verwandelt (verwandelte sich): h

dTextkritik: Viele Hss. haben vor Johannes (wie vor Petrus und Jakobus) einen Artikel; noch mehr (und die meisten krit. Editionen - nicht aber NA28) aber sparen ihn an dieser Stelle aus. Die zweite Variante ist etwas wahrscheinlicher (vgl. Wilckens 2014, S. 351f). Diese asymmetrische Setzung und Aussparung soll vielleicht die Geschwister Jakobus und Johannes syntaktisch näher zusammenrücken (ebd., S. 352); die Hinzufügung von „die Geschwister“ war die beste Möglichkeit, die mir einfiel, das nachzubilden. Wahrscheinlich ist es aber bedeutungslos, so dass man in die LF wie gehabt die Fließtextfassung übernehmen kann. (Zurück zu v.2)
enahm mit und führte sie - Typisch markinische Redundanz (daher auch Lk 9,28: „Er nahm Petrus, Jakobus und Johannes mit sich und stieg auf den Berg.“); hier aber zweckmäßig eingesetzt: Zusammen mit dem folgenden, ebenfalls gedoppelten für sich, allein wird so das häufige Motiv der Privatoffenbarung an ausgewählte Jünger besonders betont. Sehr gut WIL: „er führte sie - nur sie allein - auf einen hohen Berg.“ (Zurück zu v.2)
fs. letzte FN (Zurück zu v.2)
gvor ihnen - viele Üss. stilistisch gut: „vor ihren Augen“, aber Mk verwendet wohl bewusst „ihnen“: Die Geschehnisse der Perikope Mk 9,2-8 sind kein Selbstzweck, sondern für die Jünger bestimmt: Vor ihnen wird Jesus verwandelt; ihnen erscheinen Elija mit Mose, und ihnen („aus der Wolke“) deutet die „Stimme“ aus, was sie da eben gesehen haben. (Zurück zu v.2)
hwurde verwandelt (verwandelte sich) - Entweder Passivum divinum wurde verwandelt, also sinngemäß „wurde von Gott verwandelt“ (so z.B. Dschulnigg 2007, S. 245; Kmiecik 1997, S. 134; Pesch 1977, S. 72; Wördemann 2008, S. 44) oder reflexives Passiv verwandelte sich (so z.B. Haenchen 1966, S. 308; Kleist 1937, S. 214). Die erste Variante ist wahrscheinlicher: In Mk 9,2-8 wurde vermutlich die Textsorte „Epiphanie“ (=Erscheinung Gottes) mit der hellenistischen Textsorte „Metamorphose“ (=Verwandlung) verschmolzen (vgl. gut Wördemann 2008, S. 37f), um die Epiphanie als Christophanie darstellen zu können: Christus offenbart sich auf dem Berg in seiner göttlichen Herrlichkeit. In der hellenistischen Textsorte Metamorphose ist es aber üblich(er), dass die Verwandelten von Göttern verwandelt werden. Auch ist es ja in V. 7 Gott, der den Jüngern die Geschehnisse ausdeutet. (Zurück zu v.2)

Vers 14[Bearbeiten]

14 Und als sie (er) i zu den Jüngern kamen (kam), i sahen sie (sah er), i dass eine große Menschenmenge um sie [war] und Schriftgelehrte mit ihnen diskutierten.

iTextkritik: als sie kamen (als er kam) + sahen sie (sah er) - beide Versionen sind etwa gleich stark bezeugt; beide gleich plausibel. Vier folgen NA28; anders z.B. Gnilka 1979, S. 43 (das Singular sei die „schwierigere Lesart“. Warum auch immer - dass Jesus etwas gemeinsam mit seinen Jüngern tut, aber nur von ihm allein gesagt wird, dass er es tut, kommt häufig vor im Mk. Das ist nicht „schwieriger“). (zu v.14)

Vers 29[Bearbeiten]

29 Da sagte er zu ihnen: „Diese Art kann durch nichts ausfahren (ausgetrieben werden) j außer durch Gebet k.“

jausfahren (ausgetrieben werden) - ἐξέρχομαι ausfahren verwendet als Äquivalent des Passivs ἐκβάλλω austreiben; vgl. Symth §1752; ad loc. Cranfield 1959, S. 304; Kleist 1937, S. 214. So auch die meisten Üss. (Zurück zu v.29)
kTextkritik: Die meisten Mss. fügen hinzu: „und Fasten“. Von fast allen wird es zur Glosse erklärt, weil eine Einfügung von „und Fasten“ aufgrund der steigenden Wichtigkeit des Fastens in der alten Kirche plausibler sei als eine Auslassung (so z.B. Metzger 1994, S. 85). Wilckens 2014, S. 370, hält es aber auch für möglich, dass es sich hier um eine Parablepsis handeln und ein Abschreiber das καὶ νηστείᾳ und Fasten einfach übersehen haben könnte, und die Tatsache, dass so viel mehr Mss die längere Version haben, macht mir das eigentlich sogar ein wenig wahrscheinlicher. Allerdings nicht wahrscheinlich genug, um von der Mehrzahl der kritischen Editionen abzuweichen, daher folgen auch wir der kürzeren Variante. (Zurück zu v.29)

Vers 42[Bearbeiten]

42 l Wer aber (und) m [auch nur] einen dieser Kleinen (einen der Geringen), n die an mich ({an mich}) o glauben, ärgert (vom Glauben abbringt) p - für den ist (wäre) q es gut (besser), r wenn ein Eselsmühlstein um seinen Hals gehängt und er ins Meer geworfen würde. s

l (Zurück zu v.42)
maber (und) - „und“ zur Verknüpfung von Gegensätzen. (Zurück zu v.42)
neinen dieser Kleinen (einen der Geringen) - Auf wen „diese Kleinen“ verweist, ist in der Exegese umstritten. Einige denken, dass es sich bei „diesen Kleinen“ um eine Ehrenbezeichnung Jesu für die Jünger handle (s. z.B. Jeremias 1971, S. 113 zu dieser Stelle; Mt 10,42; 18,10.14; 25,40.45). Das ist mindestens schwierig. Mt 18,10.14 verweist es zweifellos auf Kinder; vgl. Mt 18,5f (also die Parallelstelle von Mk 9,42). Und Mt 25,40.45 ist nicht von „einem dieser Kleinen“ die Rede, sondern von „einem meiner kleinsten Brüder“ und die Referenz wird weiter dadurch aufgeklärt, dass diese als hungernde, dürstende, obdachlose, nackte, kranke und gefangene Menschen näher bestimmt werden - man kann diese Stelle also nicht ohne Weiteres mit Mk 9,42 par. parallelisieren. Bleiben Mt 10,42 und Mk 9,42. Auch an unserer Stelle deckt sich ἕνα τῶν μικρῶν einer dieser Kleinen nicht mit ὑμᾶς euch (3. Pers. vs. 2. Pers., außerdem werden die beiden Gruppen „diese Kleinen“ und „ihr“ hier ja offensichtlich miteinander kontrastiert). Zudem kann das Demonstrativpronomen „dies“ in „dieser Kleinen“ nur meinen „solche Kinder wie das, von dem ich in Vv. 33-37 geredet habe“ - wenn man es nicht (wie z.B. Pesch 1977, S. 92) als (bedeutungsloses) redundantes Pronomen deutet (ein Aramäismus; vgl. Dalman 1905, S. 113f; Torrey 1933, S. 290 zu Mt 5,19 - mit dieser Verwendung dürfte man vielleicht auch die Textvarianten erklären können, in denen das Demonstrativpronomen fehlt). Man wird daher hier besser davon ausgehen müssen, dass „diese Kleinen“ wieder die Kinder meint (so z.B. auch Collins 2007, S. 450, Evans 2001, S. 70; Gundry 1993, S. 512.524, van Iersel 1998, S. 312f; gut auch Loader 2012, S. 121f.), was noch wahrscheinlicher wird, wenn man (wie viele) davon ausgeht, dass entweder Vv. 41f oder nur Vv. 42 ursprünglich direkt an V. 37 angeschlossen haben. (Zurück zu v.42)
oTextkritik: Das εἰς ἐμέ ist textkritisch umstritten. In der überwiegenden Mehrzahl der Mss. steht es; nicht aber in den wichtigen א, D und Δ, was sie etwas zweifelhaft macht. Viele textkritische Editionen haben sie aus diesem Grund auch nicht in den Fließtext mit aufgenommen (vgl. zuletzt auch wieder Greeven/Güting 2005, S. 478); auch einige namhaften Kommentare (z.B. Dschulnigg 2007, Gnilka 1979, Pesch 1977, Marcus 2009) sparen es aus. In die neueren Editionen (NA28, SBLGNT; s. auch Wilcker 2014, S. 385.7) wird es aber (zögerlich) aufgenommen; dem folgen auch wir. (Zurück zu v.42)
pärgert (vom Glauben abbringt) - σκανδαλίζω kann sowohl „vom Glauben abbringen“ meinen als auch „ärgern“ (außerdem „zur Sünde verführen“, aber das ist hier sehr wahrscheinlich nicht im Blick). Liest man - wie wir, vgl. wieder den Kommentar - Vv.41-42 als zusammenhängend und berücksichtigt die parallele Struktur der beiden Verse, erkennt man, dass ὃς ἂν σκανδαλίσῃ Wer [auch nur einen dieser Kleinen] ärgert/vom Glauben abbringt parallel ist zu ὃς ἂν ποτίσῃ ὑμᾶς ποτήριον ὕδατος Wer euch auch nur einen Becher Wasser zu trinken gibt. σκανδαλίζω wird also mit der „sprichwörtlich kleinstmöglichen guten Tat“ parallelisiert. Entweder, man geht davon aus, dass dies nichts bedeutet, lässt sich deshalb in der Deutung von σκανδαλίζω leiten von dem „die Kleinen, die glauben“ und übersetzt daher „vom Glauben abbringt“. So z.B. BB, GN, HfA, KAM, LUT, NL. Oder aber man hält Vv. 41f für eine Art „verdrehtes argumentum a maiore ad minus“: Kinder werden in der Antike allgemein - und auch im NT - eher mit Niedrigkeit und Schwachheit konnotiert (vgl. z.B. Aasgaard 2006; Grassi 1992). Erst recht solche, die „aufgenommen“ werden müssen, also Waisenkinder: Sie gehören zu den schwächsten Gliedern der Gesellschaft und stehen so sozial weit unter den Jüngern. In den Vv. 33-37 nimmt aber Jesus eine seiner häufigen „Umwertungen der Werte“ vor: Wer von den Jüngern der Erste sein will, soll der Diener aller sein - selbst „solchen Kindern“ sollen sie dienen (Vv. 36f). In Vv. 41f wird diese Umwertung wieder aufgegriffen: Wer den Jüngern eine kleine Wohltat erweist, wird seinen Lohn erhalten (V. 41). Wer aber ein solches Kind „ärgert“ - d.h., ihm eine kleine Übeltat erweist - für den wäre es besser..., und es folgt die Beschreibung einer der grausamstmöglichen Strafen der Antike (s.u.). Heißt: Handlungen an christusgläubigen Kindern wiegen schwerer als an den christusgläubigen Jüngern: Wenn schon denen, die an den Jüngern handeln, vergolten wird - um wieviel mehr wird dann erst denen vergolten werden, die an Kindern handeln (ähnlich analysiert Stein 2008, S. 447). Dieses argumentum a maiore ad minus funktioniert gerade deshalb - ist gerade deshalb so überraschend und radikal - weil in der opinio communis die Verhältnisse eigentlich umgekehrt sind. Lässt man sich von dieser Deutung leiten, sollte man übersetzen mit „ärgern“; so z.B. BEN, ELB, FREE, Gnilka 1979, H-R, KNO, Marcus 2009, MEISTER, MEN, MNT, PAT, TAF, TEXT.

Seit Deming 1990 glauben außerdem einige, dass sich das σκανδαλίζω auf sexuelle Vergehen gegenüber Kindern bezieht, und es ist dies vermutlich auch möglich, wenn man V. 42 isoliert liest - im aktuellen Kontext macht es aber nicht viel Sinn.

Ich persönlich würde durchaus Deutung 2 den Vorzug geben und habe sie daher auch als Primärübersetzung angegeben, weil sie den Text kohärenter sein lässt; davon abgesehen spricht aber nicht viel gegen Deutung 1. (Zurück zu v.42)
qist (wäre) - modales Indikativ; vgl. Kleist 1937, S. 216. So fast alle Üss. (Zurück zu v.42)
rgut (besser) - sicher Positiv als Komparativ; vgl. Zerwick §145. So auch alle Üss. Kein Semitismus; vgl. z.B. Herodot IX.26.7; auch BDR §245. (Zurück zu v.42)
swenn ein Eselsmühlstein um seinen Hals gehängt und er ins Meer geworfen würde - Die Hinrichtungsart, die hier beschrieben wird, nennt sich „Katapontismus“; sie ist in der Antike v.a. deshalb gefürchtet, weil sie dem Toten die Bestattung verwehren sollte (vgl. Pauly X,2, Sp. 2480-2482; ad loc. gut Pesch 1977, S. 114). Derrett 1985 denkt hier an ein Wortspiel: Nicht nur die durch Katapontismos hingerichteten wurden im Alten Israel nicht begraben, sondern auch Esel (vgl. z.B. TDOT IV, S. 469 - daher in Jer 22,19 auch die Rede vom „Eselsbegräbnis“ i.S.v. „gar kein Begräbnis“). Wenn also jemand gerade mit einem Eselsmühlstein um den Hals ins Meer geworfen wird, unterstreicht das noch mal den „Eselsbegräbnis-charakter“ des Katapontismos. Dem folgend hält es auch Henderson 2001, S. 49 für eine weitere - diesmal aber missglückte - Abwandlung einer jüdischen Redensart. (Zurück zu v.42)

Vers 44 und 46[Bearbeiten]

44 [ [wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht erlischt. ] ] t 45 Und wenn dein Fuß dich zur Sünde verführen will (zur Sünde verführt, ärgert, vom Glauben abbringt), u dann hau ihn ab! [Denn] v es ist gut (besser), r dass du lahm in das Leben w eingehst, als die zwei Füße habend (mit beiden Füßen) in die Gehenna (Hölle) x geworfen zu werden, 46 [ [wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht erlischt. ] ] t

tTextkritik: Vv. 44.46 sind eine Doppelung von V. 48 und fehlen in einigen wichtigen Mss.; daher werden sie heute fast einheitlich als sekundär erklärt. Vgl. z.B. Metzger 1994, S. 86f; Wilcker 2014, S. 396f. Übrigens hat diese Auslassung zu einem kleinen Glaubenskrieg geführt, da gelegentlich einige radikale Anhänger des Textus Rezeptus und einige Verfechter der alleinigen Heiligkeit der KJV heftigst gegen diese Omission angeschrieben haben. Lustig ist z.B. Brill, Matthew (2011): Evangelism Expounded. Enumclaw, 2011. S. 47: „Beachte, dass Satan am Werk war, indem er [einen vorher vorhandenen] Vers aus dem Text entfernt hat. Wenn die „Bibel“, die du verwendest, Mk 9,44 und Mk 9,46 auslässt, geh gleich los und kauf dir eine Bibel (und zwar natürlich die King James Bible, die man auch als die „Autorisierte Version“ kennt)!“ (Zurück zu v.44 / zu v.46)
u (Zurück zu v.45)
v (Zurück zu v.45)
w (Zurück zu v.45)
x (Zurück zu v.45)