Kommentar:Markus 9

Aus Die Offene Bibel

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Abschnitt 6: Vv. 33-50[Bearbeiten]

Struktur der Studienfassung[Bearbeiten]

In den meisten deutschen Bibelübersetzungen werden Vv. 33-50 als eine zusammenhängende Rede präsentiert. Die (deutliche) Mehrheitsmeinung ist aber die, dass es sich bei diesen Versen um mehrere Anekdoten und Logien Jesu handelt, die Markus geleitet von Stichworten, die diesen Anekdoten und Logien gemeinsam sind, zu einer Spruchsammlung zusammengestellt hat, ohne, dass sie eine zusammenhängende Argumentation ergeben würden (vgl. Dennis 2007, S. 1; Fast 2002, S. 59; Fleddermann 1981, S. 57). a
Allerdings ist man sich in der Exegese nicht einig, welche Abschnitte als eigenständige Einheiten zu identifizieren sind. Am krassesten teilt ws. Trocmé 2000, S. 248f. auf, der als eigenständige Einheiten identifiziert: (1) V. 35; (2) Vv. 36f; (3) V. 38-40; (4) V. 41; (5) Vv. 42-48 (/(5) V. 42; (5') V. 43-48)b; (6) V. 49; (7) V. 50a; (8) V. 50b.
Das ist nicht sonderlich befriedigend, daher habe ich mich für die offiziellen Studien- und Lesefassung zu einem Anschluss an eine gemäßigtere Position entschieden und werte als eigenständige Einheiten: (1) Vv. 33-37; (2) Vv. 38-40; (3) Vv. 41-42; (4) Vv. 43-48; (5) Vv. 49-50.

Zur Aufteilung selbst: Bei den gemäßigteren Exegeten unumstritten ist, dass Vv. 33-37 und Vv. 49f je eine Einheit bilden; unumstritten ist auch, dass Vv. 38-40 und Vv. 43-48 zusammenhängen. Manchmal wird allerdings V. 41 zu Abschnitt (2) und V. 42 zu Abschnitt (4) gezogen. In der offiziellen Fassung folge ich demgegenüber der Ansicht, dass Vv. 41f als Einheit zu betrachten ist. Ich halte für gut möglich, dass diese beiden Verse ursprünglich direkt an V. 37 angeschlossen haben (so z.B. auch Bultmann 1931; Ernst 1963; Gnilka 1979; Klostermann 1950; Schweizer 1998 und mit Einschränkung Marcus 2009) und dass nachträglich Vv. 38-40 eingeschoben wurden. Aber selbst wenn der Abschnitt textgeschichtlich so aufzufassen ist, unterbrechen in seiner heutigen Gestalt Vv. 38-40 Vv. 33-37 und Vv. 41f, so dass dieser ursprüngliche Zusammenhang heute nicht mehr erkennbar ist und man die drei Abschnitt als eigenständige Abschnitte zu betrachten hat.
Ich habe dieser Variante der gemäßigteren Position den Vorzug gegeben, weil V. 42 zwar mit Vv.43.45.47 die Gattung (Tobspruch) und das Stichwort σκανδαλίζω teilt, aber die Funktion (Drohspruch) ja eine ganz andere ist als die der Mahnworte Vv. 43.45.47; ebenso das Thema (Verführung der Geringen vs. Sündenlosigkeit). Zu weiteren Unterschieden vgl. Deming 1990, S. 130. Ähnlich V. 41: Für eine Zusammengehörigkeit von V. 41 mit V. 38-40 spricht sehr wenig - eigentlich nur der Anschluss mit γάρ, aber dazu vgl. FN cx -: V. 41 spricht von Sympathisanten der Jesusgruppe, V. 40 von einem Kontrahenten der Jünger; V. 40 spricht von „uns“, V. 41 von „euch“; Vv. 38-40 thematisiert das Verhältnis von Nicht-Anhängern zur Jesusgruppe, V. 41 thematisiert die eschatologische Belohnung für gute Taten.
Umso mehr verbindet die Lohnverheißung V. 41 mit dem Drohspruch V. 42. Beide haben beinahe exakt die selbe Struktur: (A) Aktant - V. 41 Ὃς [...] ἂν..., V. 42 Ὃς ἂν; (B) Rezipient - V. 41: ὑμᾶς (ἐν ὀνόματι ὅτι χριστοῦ ἐστε), V. 42: ἕνα τῶν μικρῶν τούτων τῶν πιστευόντων εἰς ἐμέ; (C) Akt - V. 41: Wohltat; V. 42: Übeltat; (D) Resultat - V. 41: Lohn; V. 42: Strafe. Weil außerdem in Vv. 41f. die Jünger und die „Kleinen“ einander ebenso gegenübergestellt werden wie in Vv. 35-37 die Jünger und die „Letzten“ und die „Kinder“, weil weiterhin in V. 42 sogar explizit mit den „Kleinen“ der Themenkomplex „Letzter - Diener - Kind“ von Vv. 35-37 wiederaufgenommen wird und vermutlich V. 41 in einer früheren Form sogar ebenfalls statt „euch“ wie V. 42 „diese Kleinen“ hatte (vgl. Bultmann 1931, S. 152f.; Gnilka 1979, S. 59 u.ö.), scheint mir unter den Varianten der gemäßigten Position diese Strukturierung am kohärentesten: (1) Vv. 33-37; (2) Vv. 38-40; (3) Vv. 41-42; (4) Vv. 43-48; (5) Vv. 49f.


aEinige wenige Exegeten haben zwar versucht, zumindest einen roten Faden zu identifizieren, der die einzelnen Abschnitte miteinander verbindet (z.B. Silberman 1983 versucht, den fremden Exorzisten in Vv. 38-40 ebenso wie die Diener, die Kinder und die Kleinen als Paradigma des „Geringen“ zu deuten und darin die Einheit von Vv. 33-42 zu erkennen; Henderson 2001 glaubt in der Tat, das einheitsstiftende Moment von Vv. 42-50 sei die Tatsache, dass Jesus durchgehend unzusammenhängende und unverständliche Rätselworte von sich gibt usw.; für weitere Vorschläge vgl. Fleddermann 1981 und Neirynck 1967), aber das sind Sondermeinungen, zwischen denen kein Konsens auszumachen ist. Meines Wissens der einzige, der bisher versucht hat, einen einheitlichen Argumentationsgang in Vv. 33-50 auszumachen, ist Dennis 2007, und auch ihm gelingt das nicht wirklich. (Zurück zum Text: a)
bs. S. 249; so auch die meisten Vertreter dieser Position (Zurück zum Text: b)