Lukas 1: Unterschied zwischen den Versionen

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All diese Kriterien erfüllt seine Schrift, so Lukas: Zumindest seine Quellen waren Augenzeugen der berichteten Geschehnisse und als „Diener des Wortes“ vertrauenswürdig (V. 2); ihre diversen Berichte hat Lukas aufmerksam gelesen oder gehört (V. 3) und den so gesammelten Stoff zu einer Erzählung „zusammengeordnet“ (ebd.). Aus diesem Grund darf er hoffen, dass seiner Darstellung mehr Verlässlichkeit zukommt als dem, was sein Adressat Theophilos schon zuvor vom Hörensagen weiß.
 
All diese Kriterien erfüllt seine Schrift, so Lukas: Zumindest seine Quellen waren Augenzeugen der berichteten Geschehnisse und als „Diener des Wortes“ vertrauenswürdig (V. 2); ihre diversen Berichte hat Lukas aufmerksam gelesen oder gehört (V. 3) und den so gesammelten Stoff zu einer Erzählung „zusammengeordnet“ (ebd.). Aus diesem Grund darf er hoffen, dass seiner Darstellung mehr Verlässlichkeit zukommt als dem, was sein Adressat Theophilos schon zuvor vom Hörensagen weiß.
  
Das Evangelium selbst setzt in '''Vv. 5-25''' ein mit dem ersten Teil einer Legende über Johannes den Täufer, die in Vv. 57-80 fortgesetzt wird. '''Vv. 5-7''' und '''Vv. 23-25''' bilden den Rahmen, '''Vv. 8-22''' mit einem Erscheinungsbericht den Kern dieses Abschnitts: Als der Priester Zacharias gerade Gott im Tempel das tägliche Weihrauchopfer darbringen will, erscheint ihm der Erzengel Gabriel und verkündet ihm die wunderbare und gottgewirkte Empfängnis Johanni durch seine eigentlich unfruchtbare Frau Elisabet. Sehr ähnliche Erzählungen finden sich im Alten Testament auch in [[Genesis 16 |Gen 16]] und [[Genesis 17 |Gen 17]] über die Geburt Ismaels und Isaaks und in [[2Könige 4#s12 |2 Kön 4,12-17]], besonders aber in [[Richter 13 |Ri 13]] über die Geburt Simsons und in [[1Samuel 1 |1 Sam 1]] über die Geburt Samuels. Johnson 2010 hat diese Erzählungen sinnvoll zusammengefasst und erklärt als die „son of a barren woman“-type scene: (1) Eine Frau ist unfruchtbar, (2) das Ende dieser Unfruchtbarkeit wird verheißen, (3) die Frau empfängt und gebiert einen Sohn (S. 272). Dieser „Sohn einer Unfruchtbaren“-Topos macht aus Lk 1,5-25 eine „theologische Leseanweisung“ (Stipp 2013, S. 153), die anzeigt, wie die Figur von Johannes dem Täufer zu verstehen ist: Als einer der „Großen“ der Heilsgeschichte. Johannes wird geboren ''kraft der Gnade Gottes''; seine im Folgenden berichteten Taten sind deshalb mittelbar ''Gottes'' Taten.<br />Das ist es denn auch, was Gabriel in den zwei Strophen von '''Vv. 14-17''' (markiert durch die Parallelität von „viele“ in 14b.16a, „vor dem Herrn“/„vor ihn“ in 15a.17a und „heiliger Geist“/„Geist Elijas“ in 15c.17b) in hymnischem Stil explizit prophezeit. Das verheißene Kind wird für ''viele'' Grund zur Freude sein (V. 14), denn er wird ein Diener Gottes sein, durch den Gott selbst wirkt (15b-d). Ja, er wird sogar ein besonders wirksamer Diener Gottes sein (15a: „er wird groß sein vor dem Herrn“; vgl. [[2Könige 5#s1 |2 Kön 5,1]]: „Naiman war ein großer Mann vor seinem Herrn, denn durch ihn hatte JHWH den Syrern den Sieg gegeben.“). Denn was er tun wird, ist nichts weniger als die ''Allversöhnung'': Er wird die „Kinder Israels“ zu Gott wenden (16a) – also Einheit stiften zwischen Gott und den Menschen –, Väterherzen ihren „Kindern“ zuwenden (17c) – also Einheit stiften unter den Menschen – und Ungehorsame zur Weisheit der Gerechten hinwenden (17d) – ein Bild, in dem noch einmal beide Dimensionen aufgehoben sind. So sieht ein „Gott bereitetes Volk“ aus: Gott und einander zugeneigt, Gott gehorchend und um Gott wissend.
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Das Evangelium selbst setzt in '''Vv. 5-25''' ein mit dem ersten Teil einer Legende über Johannes den Täufer, die in Vv. 57-80 fortgesetzt wird. '''Vv. 5-7''' und '''Vv. 23-25''' bilden den Rahmen, '''Vv. 8-22''' mit einem Erscheinungsbericht den Kern dieses Abschnitts: Als der Priester Zacharias gerade Gott im Tempel das tägliche Weihrauchopfer darbringen will, erscheint ihm der Erzengel Gabriel und verkündet ihm die wunderbare und gottgewirkte Empfängnis Johanni durch seine eigentlich unfruchtbare Frau Elisabet. Sehr ähnliche Erzählungen finden sich im Alten Testament auch in [[Genesis 16 |Gen 16]] und [[Genesis 17 |Gen 17]] über die Geburt Ismaels und Isaaks, besonders aber in [[Richter 13 |Ri 13]] über die Geburt Simsons und in [[1Samuel 1 |1 Sam 1]] über die Geburt Samuels. Johnson 2010 hat diese Erzählungen sinnvoll zusammengefasst und erklärt als die „son of a barren woman“-type scene: (1) Eine Frau ist unfruchtbar, (2) das Ende dieser Unfruchtbarkeit wird verheißen, (3) die Frau empfängt und gebiert einen Sohn (S. 272). Dieser „Sohn einer Unfruchtbaren“-Topos macht aus Lk 1,5-25 eine „theologische Leseanweisung“ (Stipp 2013, S. 153), die anzeigt, wie die Figur von Johannes dem Täufer zu verstehen ist: Als einer der „Großen“ der Heilsgeschichte. Johannes wird geboren ''kraft der Gnade Gottes''; seine im Folgenden berichteten Taten sind deshalb mittelbar ''Gottes'' Taten.<br />Das ist es denn auch, was Gabriel in den zwei Strophen von '''Vv. 14-17''' (markiert durch die Parallelität von „viele“ in 14b.16a, „vor dem Herrn“/„vor ihn“ in 15a.17a und „heiliger Geist“/„Geist Elijas“ in 15c.17b) in hymnischem Stil explizit prophezeit. Das verheißene Kind wird für ''viele'' Grund zur Freude sein (V. 14), denn er wird ein Diener Gottes sein, durch den Gott selbst wirkt (15b-d). Ja, er wird sogar ein besonders wirksamer Diener Gottes sein (15a: „er wird groß sein vor dem Herrn“; vgl. [[2Könige 5#s1 |2 Kön 5,1]]: „Naiman war ein großer Mann vor seinem Herrn, denn durch ihn hatte JHWH den Syrern den Sieg gegeben.“). Denn was er tun wird, ist nichts weniger als die ''Allversöhnung'': Er wird die „Kinder Israels“ zu Gott wenden (16a) – also Einheit stiften zwischen Gott und den Menschen –, Väterherzen ihren „Kindern“ zuwenden (17c) – also Einheit stiften unter den Menschen – und Ungehorsame zur Weisheit der Gerechten hinwenden (17d) – ein Bild, in dem noch einmal beide Dimensionen aufgehoben sind. So sieht ein „Gott bereitetes Volk“ aus: Gott und einander zugeneigt, Gott gehorchend und um Gott wissend. Besonders nahe an diesen Versen sind die Vv. 8-9 des zeitgenössischen 18. Psalm des Salomo: Dort wird der ''christus'' des Herrn seine Zuchtrute schwingen, „''um jeden auszurichten auf Werke der Gerechtigkeit und der Gottesfurcht, um alle aufzustellen in der Gottesfurcht: Ein gutes Geschlecht in der Gottesfurcht zur Zeit seiner Gnade.''“ Was Johannes hier zugeschrieben wird, ist nicht bloß die Rolle eines Wegbereiters Jesu, vielmehr teilen sich nach diesen Versen Johannes und Jesus die Aufgaben des Messias untereinander auf.
  
 
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Version vom 8. Januar 2020, 11:16 Uhr

SF in Arbeit.png
Status: Studienfassung in Arbeit – Einige Verse des Kapitels sind bereits übersetzt. Wer die biblischen Ursprachen beherrscht, ist zum Einstellen weiterer Verse eingeladen. Auf der Diskussionsseite kann die Arbeit am Urtext dokumentiert werden. Dort ist auch Platz für Verbesserungsvorschläge und konstruktive Anmerkungen.
Folgt-später.png
Status: Lesefassung folgt später – Bevor eine Lesefassung erstellt werden kann, muss noch an der Studienfassung gearbeitet werden. Siehe Übersetzungskriterien und Qualitätssicherung Wir bitten um Geduld.

Lesefassung (Lukas 1)

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45

46Und Maria sprach:


„Ich preise den Herrn,

47ich danke Gott, meinem Retter

48dafür, dass er sich meiner angenommen hat -

von nun an wird jeder mich für glücklich halten!:


49Der Mächtige hat Großes an mir getan.

Heilig ist er!

50Seine Huld wird ewig währen

für jene, die ihn fürchten.


51Nun wird er Gewaltiges mit seiner Macht wirken:

Er wird Hochmütige vernichten;

52er wird Machthaber von ihren Thronen herabstürzen

und Arme erhöhen;

53Hungernde wird er mit Gutem bereichern

und Reiche mit leeren Händen fortschicken.


54/ 55Er hat sich Israels angenommen:

er hat sich Abraham und seiner ganzen Nachkommenschaft

gnädig mit seiner Huld zugewandt -

gerade so, wie er es unseren Vorfahren verheißen hat.

56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80

Anmerkungen

Studienfassung (Lukas 1)

((Vorrede))

1 Weil ja vielea versucht (es unternommen) haben,b eine Erzählung aufzuschreiben über die Dinge, die bei uns vollendet (erfüllt)c wurden, 2 [und zwar] so, wie uns die überliefert haben, die von Anfang an Augenzeugen und [später] Diener des Wortes waren,d 3 schien es auch mir sinnvoll (beschloss auch ich), nachdem (der) ich von Beginn an (seit Langem) allem (allen) genau gefolgt bin,e dir's geordnet (hiernach)f aufzuschreiben, verehrter Theophilos,g 4 damit du die Zuverlässigkeit der Worte erkennst, über die (in denen) du unterrichtet worden bist.h

((Verkündigung der Geburt des Johannes))

5 Es (war =) lebte[n] (in den Tagen des =) zur Zeit von Herodes, dem König von Judäa,i ein {gewisser} Priesterj namens Zachariask aus der Tagesdienstabteilung Abijaj und seine Frau (aus =) von den Töchtern Aarons,j und ihr Name [war] Elisabet.k 6 Es waren {aber} beide gerecht (vor Gott =) nach Gottes Urteil, insofern sie in allen Geboten und Satzungen des Herrn untadelig (fehlerlos) wandelten (wandelten; [sie waren] untadelig). 7 Aber es war ihnen kein Kind, weil die Elisabet unfruchtbar war, und beide waren (fortgeschritten in ihren Tagen =) in vorgerücktem Alter. 8 {Es geschah aber}l Als er seinen Priesterdienst vor Gottm versah (nach der Ordnung seiner Tagesdienstklasse =) als seine Tagesdienstklasse an der Reihe war,j 9 erloste er gemäß dem Brauch der Priesterschaft [das Privileg], den Weihrauch darzubringen,n so dass er in den Tempel des Herrn hineinging (nachdem er ... hineingegangen war). 10 Und die ganze Menge des Volkes betete draußen zur Stunde der Weihrauch-Darbringung. 11 [Da] erschien ihm {aber} ein Engel des Herrn, der zur Rechten des Altars der Weihrauch-Darbringung stand.o 12 Und als er ihn sah, wurde Zacharias erschüttert, und es fiel Furcht auf ihn. 13 Es sprach aber zu ihm der Engel: „Fürchte dich nicht, Zacharias, denn gehört wurde deine Bitte und Elisabet, deine Frau, wird dir einen Sohn gebären, und du sollst (wirst) nennen seinen Namen ‚Johannes‘.k


14 Und er (es) wird sein (werden) dir Freude und Jubelp
Und viele werden sich über seine Geburt freuen,
15 Denn er wird groß sein (aufwachsen?q) vor dem Herrn.
Und Wein und Alkohol wird er nicht trinken,r
(Und =) Sondern von heiligem Geist wird er erfüllt (voll) sein (werden)s
Schon (aus dem/im Leib seiner Mutter =) vor seiner Geburt (von Geburt an).t


16 Und viele der Kinder Israels
Wird er zuwenden zum Herrn, ihrem Gott
17 Und er wird vor ihn treten (ihm vorangehen?)u
Im Geist und der Kraft Elijas
Um zuzuwenden die Herzen von Vätern den Kindernv
Und die Ungehorsamen zur Weisheit der Gerechten,w
Um vorzubereiten dem Herrn ein bereitetes (gerüstetes) Volk.“

18 Und es sagte Zacharias zu dem Engel: „Woran werde ich dies erkennen?x Denn ich bin alt und meine Frau ist (fortgeschritten in ihren Tagen =) in vorgerücktem Alter.“ 19 Und antwortend sagte der Engel ihm:

„Ich bin Gabriel,y der vor Gott steht,p
Und ich wurde gesandt, um zu sprechen zu dir
Und um zu frohbotschaften dir dies.z
20 Und, siehe, du wirst stumm sein und nicht sprechen können
Bis zum Tag, an dem geschehen wird dies,
Weil du nicht geglaubt hast meinen Worten,
Welche erfüllt werden werden zu ihrer Zeit!“aa

21 Und das Volk wartete auf Zacharias und wunderte sich (staunte) über sein Verweilen im Tempel. 22 Als er aber herauskam, konnte er nicht zu ihnen sprechen.ab (Und sie =) Da erkannten sie, dass er eine Vision im Tempel gesehen hatte. Und er machte ihnen Zeichen und blieb stumm. 23 {Und es geschah, }ac Als erfüllt waren die Tage seines Dienstes, ging er fort in sein Haus. 24 Nach diesen Tagen empfing Elisabet, seine Frau, und verbarg sich fünf Monate, weil sie [sich] sagte:ad 25 „So hat an mir gehandelt der Herr in den Tagen, an denen er [darauf] ([mich] an)gesehen hat, meine Schmach unter den Menschen fortzunehmen!“


26 27 28 29 30 31 32 Dieser wird groß sein und er wird Sohn des Allerhöchsten genannt werden und der Herr, Gott, wird ihm geben den Thron Davids, seines Vaters. 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46Und Mariaae sprach:

„Meine Seele (Ich)af preist (macht großag, dankt)ah den Herrn

47und mein Geist (Ich)af jubelt (begann, zu jubeln)ai über Gott (dankt Gott)ah, meinen Retter,

48denn (dafür, dass)ah auf die Armut (Niedrigkeit, Demut)aj seiner Sklavin (Magd)ak hat er geschaut (sich angenommen)al -

{siehe}am von nun an halten für glücklich (werden mich für glücklich halten)an mich alle Geschlechter (jeder)! - (:)ao


49{denn (dafür, dass)ah}ao der Mächtige hat Großes an mir getan -

{und (dessen)}ap heilig [ist (sei)] sein Name (er)aq! -

50{und}ar seine Huld (Gnade, Erbarmen, Barmherzigkeit)as [ist (währt, wird währen)at] in Generationen und Generationen (alle Generationen, ewig)at

für jene, die ihn fürchten.au


51([So hat er begonnen, zu tun, Nun wird er tun])av Machttaten (Gewalt, (seine) Herrschaft) hat er getan (ausgeübt)aw mit seinem Arm (Macht)aw:ax

er zerstreute (machte zunichte)ay Hochmütige (Stolze)az an der Gesinnung ihres Gemüts (Hochmütige)ba ;

52er stürzte Machthaber (Mächtige)bb von [ihren] Thronen [herab]bc

und erhöhte Arme;

53Hungerndebd bereichert (füllt, sättigt)be er mit Gutem (Gütern)

und Reiche schickt er leer (mit leeren Händen)bf fort.


54Er hat sich Israel, seines Sklaven (Knaben, Knechtes) angenommen:bg

er hat sich (gnädig) zugewandt (hat gedacht an)bg mit [seiner] Huld (huldvoll, was seine Huld angeht)bg -bh

55wie er es (ja auch) unseren Vätern (Vorfahren) gesagt hat (verheißen hat)bi -

(für) Abraham und seinem Samen (seine Nachkommen) auf ewig (allen seinen Nachkommen, seiner ganzen Nachkommenschaft).

56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80

Anmerkungen

1-4: Als einziger der vier Evangelisten beginnt Lukas sein Doppelwerk mit einem kurzen Abschnitt über Sinn und Wesen des Folgenden. Solche einleitenden Vorworte sind in griechischen historischen Werken üblich; ihr Sinn hier ist v.a. auch, zu zeigen, dass das Folgende den Qualitätskriterien einer historischen Schrift genügt. Lukian (2. Jh. n. Chr.) etwa charakterisiert gute Geschichtsschreibung in Wie soll man Geschichte schreiben? 47f. wie folgt:
Die Gegenstände selbst aber soll der Geschichtschreiber nicht auf's Geradewohl zusammentragen, sondern erst nach vorhergegangener sorgfältiger, bisweilen selbst mühsamer und wiederholter Prüfung zur Darstellung ausheben. Hauptsächlich aber berichte er uns das, wovon er als Augenzeuge sprechen kann; und kann er es nicht, so höre er wenigstens auf die Zeugnisse derer, von denen er voraussetzen kann, dass sie als unbestechliche Wahrheitsfreunde weder von Gunst noch von Ungunst sich bestimmen lassen werden, irgendeine Tatsache zu verkleinern oder zu vergößern. Und hier wird vornehmlich das Talent erfordert, mit Sicherheit zu urteilen, und durch richtige Kombinationen das Wahrscheinlichste auszumitteln.
Und wenn er dann seinen Stoff ganz oder größtenteils beisammen hat, so fange er damit an, denselben in einem voräufigen Entwurf zusammenzuordnen, so dass das Ganze vorerst als ein roher, noch ungegliederter, reizloser Körper vorhanden sei. Jetzt erst lege er die ausbildende Hand an, gebe dem Ganzen, wie jedem einzelnen Teil, seine Schönheit und Vollendung, und schmücke sein Werk mit den Reizen des Ebenmaßes und den blühenden Farben der Darstellung. (Üs. nach Pauly).
All diese Kriterien erfüllt seine Schrift, so Lukas: Zumindest seine Quellen waren Augenzeugen der berichteten Geschehnisse und als „Diener des Wortes“ vertrauenswürdig (V. 2); ihre diversen Berichte hat Lukas aufmerksam gelesen oder gehört (V. 3) und den so gesammelten Stoff zu einer Erzählung „zusammengeordnet“ (ebd.). Aus diesem Grund darf er hoffen, dass seiner Darstellung mehr Verlässlichkeit zukommt als dem, was sein Adressat Theophilos schon zuvor vom Hörensagen weiß.

Das Evangelium selbst setzt in Vv. 5-25 ein mit dem ersten Teil einer Legende über Johannes den Täufer, die in Vv. 57-80 fortgesetzt wird. Vv. 5-7 und Vv. 23-25 bilden den Rahmen, Vv. 8-22 mit einem Erscheinungsbericht den Kern dieses Abschnitts: Als der Priester Zacharias gerade Gott im Tempel das tägliche Weihrauchopfer darbringen will, erscheint ihm der Erzengel Gabriel und verkündet ihm die wunderbare und gottgewirkte Empfängnis Johanni durch seine eigentlich unfruchtbare Frau Elisabet. Sehr ähnliche Erzählungen finden sich im Alten Testament auch in Gen 16 und Gen 17 über die Geburt Ismaels und Isaaks, besonders aber in Ri 13 über die Geburt Simsons und in 1 Sam 1 über die Geburt Samuels. Johnson 2010 hat diese Erzählungen sinnvoll zusammengefasst und erklärt als die „son of a barren woman“-type scene: (1) Eine Frau ist unfruchtbar, (2) das Ende dieser Unfruchtbarkeit wird verheißen, (3) die Frau empfängt und gebiert einen Sohn (S. 272). Dieser „Sohn einer Unfruchtbaren“-Topos macht aus Lk 1,5-25 eine „theologische Leseanweisung“ (Stipp 2013, S. 153), die anzeigt, wie die Figur von Johannes dem Täufer zu verstehen ist: Als einer der „Großen“ der Heilsgeschichte. Johannes wird geboren kraft der Gnade Gottes; seine im Folgenden berichteten Taten sind deshalb mittelbar Gottes Taten.
Das ist es denn auch, was Gabriel in den zwei Strophen von Vv. 14-17 (markiert durch die Parallelität von „viele“ in 14b.16a, „vor dem Herrn“/„vor ihn“ in 15a.17a und „heiliger Geist“/„Geist Elijas“ in 15c.17b) in hymnischem Stil explizit prophezeit. Das verheißene Kind wird für viele Grund zur Freude sein (V. 14), denn er wird ein Diener Gottes sein, durch den Gott selbst wirkt (15b-d). Ja, er wird sogar ein besonders wirksamer Diener Gottes sein (15a: „er wird groß sein vor dem Herrn“; vgl. 2 Kön 5,1: „Naiman war ein großer Mann vor seinem Herrn, denn durch ihn hatte JHWH den Syrern den Sieg gegeben.“). Denn was er tun wird, ist nichts weniger als die Allversöhnung: Er wird die „Kinder Israels“ zu Gott wenden (16a) – also Einheit stiften zwischen Gott und den Menschen –, Väterherzen ihren „Kindern“ zuwenden (17c) – also Einheit stiften unter den Menschen – und Ungehorsame zur Weisheit der Gerechten hinwenden (17d) – ein Bild, in dem noch einmal beide Dimensionen aufgehoben sind. So sieht ein „Gott bereitetes Volk“ aus: Gott und einander zugeneigt, Gott gehorchend und um Gott wissend. Besonders nahe an diesen Versen sind die Vv. 8-9 des zeitgenössischen 18. Psalm des Salomo: Dort wird der christus des Herrn seine Zuchtrute schwingen, „um jeden auszurichten auf Werke der Gerechtigkeit und der Gottesfurcht, um alle aufzustellen in der Gottesfurcht: Ein gutes Geschlecht in der Gottesfurcht zur Zeit seiner Gnade.“ Was Johannes hier zugeschrieben wird, ist nicht bloß die Rolle eines Wegbereiters Jesu, vielmehr teilen sich nach diesen Versen Johannes und Jesus die Aufgaben des Messias untereinander auf.

aviele - schwer verständliche Übertreibung. Gern damit verteidigt, dass Lukas ja in der Tat aus mehreren Quellen schöpfte, insofern er sich bei der Abfassung seines Evangeliums am Markusevangelium, an der „Spruchquelle Q“ und an weiteren Quellen, die nur ihm vorlagen, bediente. Eine „verfasste Erzählung“ über „die Dinge, die bei uns vollendet wurden“, ist darunter aber einzig Mk. (Zurück zu v.1)
bWeil ja viele versucht (es unternommen) haben leitet den ersten Grund ein, aus dem sich Lukas zur Abfassung seines Doppelwerks entschlossen hat (der zweite Grund folgt V. 4). epicheireo bedeutet in der Regel „(vergeblich) versuchen“ und hat diese Bedeutung auch in Apg 9,29; 19,13, den einzigen anderen Stellen, an denen das Wort im NT verwendet wird. Weil in V. 3 sich Lukas aber mit kamoi „auch mir“ unter seine Vorgänger einreiht, glauben viele Kommentatoren, dass hier dagegen das Wort ganz neutral „etwas unternehmen“ bedeute. Das ist nicht auszuschließen; ganz überzeugend ist es nicht: Allein von dieser Selbsteinordnung her auszuschließen, dass Lukas seine Vorgänger kritisiere, überfordert das Wort; vor allem aber: Wie soll dann die Tatsache, dass schon andere getan haben, was Lukas nun angeht, ein Grund für sein Unterfangen sein? Die sprachlich näheste Parallele findet sich in Josephus, De bello judaico I 6 17, wo mit „weil schon viele Juden vor mir die Geschichten unserer Vorfahren genau zusammengestellt haben...“ gerade begründet wird, dass es Josephus überflüssig scheint, das selbe zu wiederholen. Das Schlechtreden von Vorgängern im Vorwort eines Werkes zur Rechtfertigung und Anpreisung desselben findet sich dagegen sehr häufig in griechischen Texten; vgl. z.B. Hippokrates, De prisca medicina I 1: „Wer immer versucht hat, über Medizin zu sprechen oder zu schreiben, [...] lag in vielem falsch, was er sagte“; Diodorus Siculus, Bibliotheca Historica I 3.1; Philo, De vita mosis I 1 3f. u.ö. Vgl. gut z.B. Fitzmyer 1981, S. 291. Impliziert ist also sehr wahrscheinlich: Was jetzt folgt, ist besser als das, was Lukas Vorgänger geleistet haben. (Zurück zu v.1)
cvollendet (erfüllt) - Gr. pleroforeo. Das verwandte Wort pleroo wird auch von Lukas öfter dazu verwendet, um auszudrücken, dass eine Verheißung älterer heiliger Schriften in der Geschichte Jesu „zur Erfüllung gekommen“ sei (s. z.B. Lk 4,20) und viele Kommentatoren und Üss. denken, das sei auch hier die Bed. des verwandten Wortes. Verwendet wird aber eben gerade ein anderes Wort, und Objekt des Verbs sind hier nicht zu erfüllende „Schriften“, „Worte“ etc., sondern „Ereignisse“; viel wahrscheinlicher ist daher, dass Lukas nur davon spricht, dass die Ereignisreihe, die er hier zu erzählen gedenkt, zu seiner Zeit „abgeschlossen“ ist (vgl. richtig Wolters 2008, S. 62). (Zurück zu v.1)
ddie von Anfang an Augenzeugen und [später] Diener des Wortes waren - oder: „die von Anfang an Augenzeugen [waren] und [dann] Diener des Wortes wurden“ (so NSS), was aber syntaktisch nicht sehr nahe liegt. Möglich außerdem, dass sich beide Bezeichnungen auf unterschiedliche Personengruppen beziehen: „die, die von Anfang an Augenzeugen waren und die, die Diener des Wortes waren“. Gemeint sind wahrscheinlich die Apostel; vgl. Apg 1,21 („Apostel“: Einer, der [als Augenzeuge] „dabei war“, nämlich „anfangend von der Taufe des Johannes“, und heute „Zeuge von Jesu Auferstehung“ ist); ähnlich 10,37-39, was erstens dafür spricht, dass Lukas sich hier nur auf eine Personengruppe bezieht, und zweitens wahrscheinlich macht, dass mit „Anfang“ hier wie üblich der „Anfang des Wirkens Jesu“ von der Taufe des Johannes an gemeint ist.
Das Wort für „Augenzeuge“, autoptes, ist hier vielsagend: Selbst „Augenzeuge“ gewesen zu sein oder wenigstens ursprüngliche Augenzeuge gründlich befragt zu haben, war ein Qualitätsmerkmal guter Historiker. Lukas Vorgänger haben versucht, diese Anforderung guter Geschichtsschreibung zu erfüllen, und impliziert ist natürlich: gerade er wird dies auch versuchen. (Zurück zu v.2)
enachdem ich von Beginn an allem (allen) sorgfältig gefolgt bin - umstrittener Ausdruck, gemeint ist wohl: Lukas hat alle Quellen genau gelesen oder ihnen aufmerksam gelauscht und sie dann treu wiedergegeben. Er hat sie außerdem von Beginn an genau rezipiert: Seine Quellen sind „Jesus-Fachmänner“, weil sie von Anfang an Augenzeugen war; er dagegen ist ein „Quellen-fachmann“, weil er sie von Beginn (der Zeugnistätigkeit dieser Quellen) an gründlich ausgewertet hat.

Genauer: „folgen“ ist umstritten, da false friend:
(1) Die meisten Kommentatoren, Üss. und Wörterbücher gehen davon aus, dass parakoloutheo ebenso wie das Dt. „nachgehen“ für „einer Sache nachgehen“ i.S.v. „sie erforschen“ stehen könne; Lukas würde dann für sich in Anspruch nehmen, „gut wissenschaftlich“ an seinem Gegenstand geforscht zu haben. Anders als im Dt. hat das gr. Wort diese Bedeutung jedoch nie und bedeutet gerade nicht das kritische Untersuchen im Nachhinein, sondern das affirmative Mitvollziehen einer Sache oder einer Rede im Moment ihres Geschehens (vgl. gut Wolters 2008, S. 64; bes. auch schon Cadbury 1922b; Ropes 1923, S. 70 u.a. Demosthenes XVIII 172 und XIX 257, worauf BDAG s.v. verweist, kann diese Bedeutung gar nicht haben, da Objekt des „Folgens“ zeitgenössische Ereignisse resp. Taten eines zeitgenössischen Mannes sind.).
(2) Dennoch aber kann man Reden und Schriften „nachgehen“, insofern man ihnen „folgt“, also aufmerksam liest oder zuhört. Vgl. z.B. Josephus, Contra Apionem I 217, wo er drei griechische Historiker für Ungenauigkeiten in Schutz nimmt, „da es ihnen ja nicht möglich war, unseren Schriften sorgfältig zu folgen“; schön z.B. auch in Theophrasts Abschnitt 4 des Vorworts zu seinen „Charakteren“: „Nun will ich mit meinem Text beginnen, du aber folge verständig und siehe zu, ob ich wahr spreche!“ u.ö. Bezieht man das allem (allen) auf die Lukas vorliegenden Erzählungen, die er gründlich gelesen, und die Berichte seiner Augenzeugen, denen er aufmerksam gelauscht hat, würde Lukas immerhin doch wenigstens „sorgfältige Arbeit mit seinen Quellen“ für sich in Anspruch nehmen.
(3) Alternativ kann man Ereignissen „nachgehen“, indem man selbst als Augenzeuge bei diese Geschehens anwesend war (so z.B. sehr klar in Josephus, Contra Apionem I 53: „[Ein Historiker muss die Tatsachen, über die er schreibt,] zunächst sorgfältig in Erfahrung gebracht haben – entweder, indem er den Geschehnissen gefolgt ist [wie in seinem Fall, da er den ganzen jüdischen Krieg miterlebt hat] oder indem er sie von Kundigen erfragt.). Cadbury und Ropes wählen diese Bedeutung und denken, Lukas spreche hier von den Ereignissen, von denen in den „Wir-Passagen“ der Apostelgeschichte die Rede ist (Apg 16,10-17; 20,5-15; 21,1-18; 27,1-37; 28,1-16) und „übertreibe nur leicht“, wenn er diese hier als „alles“ bezeichne. Selbst, wenn dies die richtige Erklärung des „Wir“ in diesen umstrittenen Abschnitten sein sollte, wäre „alles“ hier aber durchaus nicht nur eine „leichte Übertreibung“.

(4) Alexander 1993, S. 128f. erwägt außerdem die (belegten) Spezialbedeutungen „Quellen folgen“ i.S.v. „ihnen gerecht werden, insofern man sie getreu wiedergibt“; auch Wolters 2008, S. 57: „... ich, der ich mich an alles von Anfang an genau gehalten habe...“. Der Sinn wäre letztlich der selbe wie bei (2), Bed. (2) ist aber besser belegt und (nur) deshalb etwas wahrscheinlicher. (Zurück zu v.3)
fgeordnet (hiernach) - ein weiteres Qualitätsmerkmal guter historischer Schriften; nach dem Sammeln und Sichten der Quellen sind die nächsten Schritte das Anordnen des Materials und die rhetorisch gelungene Ausgestaltung. Für ein Bsp. s. die Anmerkungen. Zu hiernach i.S.v. „nach diesem Vorwort“ vgl. Cadbury 1922, S. 505; zu Recht hat dieser (mögliche) Vorschlag sich nicht durchsetzen können. (Zurück zu v.3)
gverehrter Theophilos - theophilos ist w. der „Freund Gottes“, bezeichnet aber sehr wahrscheinlich nicht symbolisch alle „Freunde Gottes“ (sc. die „Christen“), wie die Kirchenväter glaubten, sondern bez. als gut belegter Personenname eine historische Person. Über ihre Identität, ihre Stellung und den Grund, warum Lukas sein Werk gerade für ihn schreibt, ist nichts bekannt. Auch längere Schriften an einzelne Personen zu adressieren und diese (nur) im Vorwort auch direkt anzusprechen ist ein gut bezeugter Usus; Dioskorides „Arzneimittellehre“ etwa ist an einen „verehrten Areios“ gerichtet (Vorwort), Josephus „Contra Apionem“ an einen „verehrten Epaphroditus“; Theophrast hat seine Charaktere vorgeblich nur für einen Polycles verfasst usw. (Zurück zu v.3)
hWorte, über die (in denen) du unterrichtet worden bist - katecheo „unterrichten“ kann sowohl neutral „etwas mitbekommen“ als auch spezifisch christlich die katechetische Unterweisung vor der Taufe meinen. Letzteres z.B. nach Neumann 2010, S. 14, aber richtig Wolters 2008, S. 67: Für die „christliche Lehre“, in der ein Katechumene („Taufbewerber“) unterrichtet wurde, verwendet Lukas stets das Singular „Wort“, nicht wie hier den Plural „die Worte“. (Zurück zu v.4)
izur Zeit von Herodes, dem König von Judäa - also zwischen 37 und 4 v. Chr. Faktisch herrschte Herodes über ein weit größeres Gebiet als nur die Region Judäa (Zurück zu v.5)
jDie Gesellschaft Israels war nach Großfamilien strukturiert, die teilweise qua Großfamilie besondere Rechte und Pflichten hatten und sogar eine bestimmte Lebensweise pflegen mussten. So bildeten die Nachkommen Levis etwa den Stamm der „Leviten“, für die andere Besitzrechte galten als für den Rest der Israeliten, die gleichzeitig aber qua „Levit“ zum niederen Klerus gezählt wurden und bestimmte Aufgaben im Tempeldienst übernehmen durften. Ein solcher Levit war auch Aaron, der Bruder Mose, und der Familienzweig der Leviten, der von Aaron abstammte (wie Elisabet, eine Tochter (=Nachfahrin) Aarons), stellte qua „Aaroniden“ die Klasse der Priester Israels, also den höheren Klerus, die wichtigere Dienste im Tempel übernahmen (s. näher z.B. Aaron / Aaroniden (WiBiLex)). Zur Zeit Jesu lebten wohl etwa 7200 solcher Priester in Israel (vgl. Jeremias 1929 S. 65). Sie waren weiter eingeteilt in 24 Tagesdienstklassen (ephemeria, von gr. epi + hämera, „für einen Tag“), die in wöchentlichem Wechsel aus ihrer Heimat nach Jerusalem reisen mussten, um dort den Tempeldienst zu versehen (s. 1Chr 24,1-19). Zacharias Familie ist benannt nach Aarons Nachkommen Abija und bildet daher die achte „Tagesdienstklasse“.
ZINK übersetzt sinnvoll: „ein Priester mit Namen Zacharias, der zu der Gruppe Abia gehörte (zu einer der vierundzwanzig Priestergruppen, die in wöchentlichem Wechsel im Tempel Dienst taten).“; und HfA erklären das Selbe in einer Fußnote; am elegantesten sicher GN: „ein Priester namens Zacharias, der zur Priestergruppe Abija gehörte. Auch seine Frau stammte aus einer Priesterfamilie; sie hieß Elisabet.“ (zu v.5 / zu v.8)
kZacharias, Elisabet und Johannes sind die griechischen Formen der hebräischen Namen Sacharja ([Gnädig] erinnert hat sich JHWH [einer Not]), Elischeba („Gott ist (=sorgte für) Sättigung“; zu diese Namen vgl. ähnlich Golinets 2008) und Jochanan („JHWH hat sich erbarmt“). Dass Johanni Name von Gott vorgegeben wird, macht deutlich: Sein Name ist Programm, seine Geburt ist in der Tat eine Gnadentat Gottes an den Menschen (s. ähnlich Gen 16,11; Jes 7,14). (zu v.5 / zu v.13)
ltFN: Hebraismus: egeneto de wird wie heb. wajehi vor Zeitangabe nicht eigentlich als Vollverb verwendet, sondern um zu markieren, dass mit dieser Zeitangabe ein neuer Erzählabschnitt beginnt. (Zurück zu v.8)
mvor Gott - Hebraismus: Weil Gott nach jüd. Vorstellung vorzüglich im Tempel anwesend war, wurde „vor Gott“ zu einem Wechselbegriff für „im Tempel“ (s. näher FN f zu Ps 100,2). (Zurück zu v.8)
nZu den Hauptaufgaben von Priestern während ihrem „Tagesdienst“ gehörte der liturgische Dienst beim „Tamid-Opfer“ (beschrieben in m.Tamid), das zwei Mal täglich – einmal morgens um 6 Uhr, einmal nachmittags um 15 Uhr – dargebracht wurde und das grob aus den beiden Abschnitten (1) Weihrauchopfer im Tempelgebäude und (2) Schlachtopfer eines Lamms vor dem Tempelgebäude bestand (s. näher Billerbeck 1964; Winter 1955, S. 230-6). Die vielen kleinen liturgischen Aufgaben wurden den diensttuenden Priestern zugelost (t.Jom i 1 überliefert das Losverfahren: Die Priester stellten sich im Kreis auf und ein Tempelbeamter zählte dann die einzelnen Dienste aus). Der Dienst der Darbringung des Weihrauchopfes war dabei die größte Ehre, die einem Priester zuteil werden konnte; durch eine Sonderregelung im Losverfahren (s. m.Tam vi 2; b.Jom 26a) wurde daher sichergestellt, dass kein Priester einer Tagesdienstabteilung zwei Mal dieses Opfer darbringen konnte, bevor nicht alle anderen Priester seiner Klasse an der Reihe gewesen waren (b.Jom 26a: „In einer Baraita wurde gelehrt: Nie hat ein Mensch [das Weihrauchopfer] wiederholt. Warum? – Rabbi Chanina sagte: ‚Weil es reich macht!‘“ – dass nie ein Mensch zwei Mal das Weihrauchopfer dargebracht hat, ist sicher eine für den Talmud typische Übertreibung; in der Tat aber konnte man diese Aufgabe wohl nur durchschnittlich alle 15 Jahre erlosen, so dass manch einer wirklich nur ein Mal in seinem Leben die Gelegenheit dazu gehabt haben wird). Diese große Bedeutsamkeit des Weihrauchopfers lässt sich auch an den Sanktionen ablesen, mit denen es belegt war: Wurde es von einem Unbefugten oder auf die falsche Weise dargebracht, war man des Todes (vgl. Lev 10,1f.; Num 16,1-11.19-21.35; König Uzziah wird in 2Chr 26,16-19 „nur“ mit Lepra bestraft, weil er sich anmaßt, anstelle eines Priesters zu inzensieren). Sie erklärt sich leicht auch daraus, dass einzig zur Weihrauch-Opferung ein Mensch sich allein im Tempelgebäude von Angesicht zu Angesicht mit Gott aufhielt (m.Tam vi 3: „Nachdem alle sich entfernt hatten, brachte er das Räucherwerk dar, warf sich nieder und ging hinaus.). Es ist dieser Zeitpunkt, zu dem das Folgende sich abspielt.
Zweck des Weihrauch-Opfers (wie auch des Schlachtopfers) war es wahrscheinlich, Gott gnädig zu stimmen und mit den Opfernden zu versöhnen (s. Num 17,11f.; Weish 18,21f. (die Rede ist von Aaron); TestLev 3,5f. (Im nächsten Himmel sind die Erzengel, die dienen und Sühnung erwirken beim Herrn für alle Sünden der Gerechten. Sie bringen vor den Herrn den Wohlgeruch des Räucherwerks, ein unblutiges, vernünftiges Opfer.); ApokMos 33,1-5 (über Engel, die für Adam Sühne erwirken wollen: „Die Engel kommen mit dem Weihrauch, den Räucherfässern und den Schalen zum Opferaltar, sie blasen drein, so dass des Räucherwerkes Dampf die Festen einhüllt. Die Engel fielen nieder und beteten Gott an und riefen laut: Heiliger Jael! Verzeih! Er ist dein Ebenbild und deiner heiligen Hände Schöpfung!); dann auch Lev 17,11-13). Aus diesem Grund war dieser Zeitpunkt der günstigste zum persönlichen Gebet, da die Gebete derart durch den Weihrauch „gestärkt wurden“ (Offb 8,3f.; ähnlich 5,8), und wird noch häufiger als bevorzugte Gebetszeit dargestellt; s. z.B. 1 Kön 18,36; Judit 9,1; Dan 9,20f.; Apg 3,1; Apg 10,30f. (vgl. näher bes. gut van Dam 1991; z.B. auch Penner 2012, S. 37-43). Es ist also sicher nicht zufällig, dass gerade in diesem Kontext dem Zacharias mitgeteilt wird, sein Gebet sei erhört worden, und dass diese Erhörung gerade zur Geburt von Johannes („JHWH ist gnädig“), dem „All-versöhner“ (V. 17), führt. (Zurück zu v.9)
oVon Epiphanien – also Erscheinungen Gottes oder seiner Engel – zum Zeitpunkt des Weihrauchopfers wird in der jüd. Literatur noch häufiger berichtet; B/S II 78 hat einige Stellen zusammengetragen. Zwei Beispiele:
b.Ber 7a: „Rabbi Jischmael ben Elischa hat erzählt: Einmal war ich hineingegangen, um das Räucherwerk im Allerheiligsten darzubringen, da sah ich Akatriel Jah JHWH Zebaoth sitzen auf einem hohen und erhabenen Thron.
t.Sot 13,5: „Yochanan, der Hohepriester, hörte ein Wort aus dem Allerheiligsten (JosAnt xiii 10.3: als er gerade das Räucheropfer darbrachte): ‚Die jungen Männer, die auszogen, um Krieg gegen Antiochus zu führen, waren siegreich!‘ (Zurück zu v.11)
pNeben den „großen“ Hymnen Magnificat, Benedictus und Nunc dimittis in der lukanischen Kindheitsgeschichte finden sich noch eine ganze Reihe weiterer Reden, die Poesie sein könnten. Ob sie es tatsächlich sind, ist umstritten, da sich Poesie in hebräischen und griechischen Handschriften nicht schon an der grafischen Darstellung (wie etwa durch Schreibung in Verszeilen) erkennen lässt. Nach unserem Urteil kann es bei den meisten dieser Passagen kaum Zweifel geben, dass sie in der Tat Poesie sind; und schon allein deshalb, weil es hilfreich für den Überblick über die Struktur der Reden ist, haben wir daher sämtliche Stellen, für die dies diskutiert wird, als Poesie formatiert. Zu 1,14-17 als Poesie s. bes. Aytoun 1917; z.B. auch Brown 1997, Grundmann 1978, MOF; Marshall 1978, Klein 2006, Sahlin 1945, S. 86f., STIER und TOR inkludieren hier auch V. 13. Zu 19f. als Poesie s. Sahlin 1945, S. 89; TOR. (Zurück zu v.14 / zu v.19)
qgroß sein (aufwachsen?) - aufwachsen nach Sahlin 1945, S. 76; erwogen auch von Fitzmyer 1981, S. 325. TestLev 13,2, was Fitzmyer als Parallele zitiert, heißt aber nicht „aufwachsen“; auch Sahlin zitiert diese Stelle gar nicht als Beleg für seine Deutung, sondern gerade für die klassische. X sein vor Gott ist ein Hebraismus/Septuagintismus mit der klaren Bed. „X sein in den Augen Gottes, nach dem Urteil Gottes“ (vgl. bes. nah 2 Kön 5,1 „Naiman war ein großer Mann vor seinem Herrn“; 1 Sam 15,17 LXX „Bist du nicht klein vor ihm (und dennoch ein Führer Israels)!?“; auch 1 Sam 2,17; Sach 11,12; Apg 4,19; 8,21; 1 Tim 2,3; 5,4; 1 Pet 3,4; 1Clem 39,5 ([Gott,] der Himmel ist nicht rein vor dir“); ähnlich mit der Präp. enantion statt enopion in Dtn 15,18; Ijob 4,17; 25,4; 32,1; mit der Präp. para in TestJos 15,5 („Sie hörten, dass er groß war vor Gott und den Menschen.“)). In Lk 1,6 ist sowohl die Variante mit enopion als auch die mit enantion überliefert.). Johannes ist Grund zur Freude für „viele“ und „hochangesehen“ in Gottes Augen. (Zurück zu v.15)
rWein und Alkohol wird er nicht trinken - wohl eine Anspielung auf Num 6,3 oder Lev 10,9: Johannes wird abstinent leben, wie es auch dem Gott geweihten Leben von Nasiräern (Num) und dem Handeln am Heiligen von Priestern (Lev) entspricht. Die enge Verknüpfung von Geisterfüllung und/statt Alkohol findet sich auch in Eph 5,18; Apg 2,4.13-17; das Verb pimplemi („voll sein/werden“) kann auch für Trunkenheit verwendet werden (s. Weish 2,7). In Joh 4,10-14; 7,37-39 und 1 Kor 12,13 wird man mit dem heiligen Geist „getränkt“. Die Zeilen 15bc hängen also eng zusammen. (Zurück zu v.15)
serfüllt von heiligem Geist - häufig belegte biblische Vorstellung: Will Gott einen Menschen dazu ermächtigen, eine Aufgabe für ihn zu erfüllen, „füllt“ er ihn mit seinem Geist, was bei Lk und Apg meist eine gottgemäße Rede des „erfüllten“ Menschen ermöglicht (z.B. Apg 4,8.31), aber sogar bis dahin führen kann, dass dieser Mensch so fähig wird zu übermenschlicher Einsicht und Prophetie (wie in Lk 1,41ff.67; Lk 2,25f.), zum Wirken von Wundern (z.B. Apg 13,9-11; vgl. näher z.B. Köstenberer 1997) etc., weshalb er in den johanneischen Schriften gelegentlich auch als „Geist der Wahrheit“ oder als „Beistand“ bezeichnet werden kann. Anders als (ansatzweise) dort ist er bei Lukas aber durchaus noch nicht als eine dritte Person der Dreieinigkeit gedacht, sondern als „Wirkweise“ Gottes im und am Menschen (so richtig z.B. Brown 1997, S. 261). (Zurück zu v.15)
ttFN: vor seiner Geburt (von Geburt an) - W. aus dem Leib seiner Mutter. Aus könnte hier Hebraismus sein und „in“ bedeuten (s. z.B. Ijob 3,11, wo LXX und VUL das „aus dem Leib“ im heb. Text übersetzen, als stünde „im Leib“); entweder wäre also Johannes schon „vor seiner Geburt“ vom heiligen Geist erfüllt oder „von Geburt an“. Die einzige klare Parallele für eine prophetische Begabung schon vor der Geburt findet sich in Jer 1,5 und davon abhängig Sir 49,7. Sprachlich viel näher an unserer Stelle sind dagegen Ri 13,5; 16,17; Jes 48,8; Mt 19,12; Apg 3,2; 14,8, wo jeweils die Bed. „von Geburt an“ näher liegt (unklar ist Gal 1,15). B/N, 2016, LUT 2017 und NeÜ übersetzen wohl deshalb „schon von Mutterleib an“. Jes 44,2 zeigt aber deutlich, dass auch die Formulierung „aus dem Leib“ in der Tat „schon vor Geburt“ bedeuten kann und wegen V. 41 liegt recht nahe, dass dies auch hier gemeint ist. Mit „schon im Mutterleib“ übersetzen daher z.B. BB, GN, HfA, NGÜ, ZINK, ZÜR. (Zurück zu v.15)
uvor ihn treten (ihm vorangehen?) in V. 17 wird fast stets übersetzt als „ihm vorangehen“. Das kann der gr. Text aber wohl nicht bedeuten. Angespielt wird wohl eher auf Elija, der sich drei Mal als Diener Gottes bezeichnet mit den Worten „So wahr Gott lebt, ho parestän enopion autou vor dem ich stehe...“ (1 Kön 17,1; 18,15; 2 Kön 3,14). Der Anzeige eines Dienstverhältnisses dient wohl auch die Selbstbezeichnung Gabriels als „einer, der vor Gott steht“ in V. 19; vgl. ebenso TestAb (A) 7,11 (Ich bin Michael, der Oberbefehlshaber, der vor Gott steht) und TestSal 5,9 (Raphael, der vor Gott steht). Der Ausdruck „vor Gott gehen“ heißt häufig „gottgemäß handeln“, s. z.B. 1 Kön 8,23 („deine Diener, die vor dir gehen mit ganzem Herzen“); auch 1 Kön 2,4; 8,25; 9,4; 2 Chr 34,31; Jes 38,3; TestLev 19,2 (Vor dem Herrn wollen wir gehen entsprechend seinem Gebot). Vgl. ähnlich Vv. 74f.: „Wir sollen ihm dienen in Frömmigkeit und Gerechtigkeit vor ihm.“ Auch Johannes wird derart „vor Gott treten“, um dann ähnlich „vor ihm zu stehen“ wie Elija und die drei Erzengel.
Genauer/Textkritik: V. 17 ist in zwei Versionen überliefert: proeleusetai enopion und proseleusetai enopion; ähnlich V. 76: proporeusä enopion kuriou und proporeusä pro prosopou kuriou. (1) proeleusetai (von proerchomai), (2) proseuleusetai (von proserchomai) und (3) proporeusä (von proporeuomai) haben alle eine ähnliche, aber doch klar unterscheidbare Bedeutung: (1) bedeutet „vorausgehen, weitergehen“, (2) „herantreten, sich nähern“ und (3) „vorangehen, voranziehen“. (1) und (3) werden in dieser Bedeutung aber stets mit Genitiv oder (häufig in der LXX) mit pro prosopou konstruiert – nie mit der Präposition enopion, was klar ist, da diese nicht eigentlich allgemein „vor“ bedeutet, sondern „jmdm gegenüber, angesichts jmdm“ (entstanden ist sie aus en „in“ und der Wurzel op- „sehen, Auge“, bedeutet also ursprünglich „im Angesicht von, Aug in Auge mit“). Ein Wort mit der Bed. „jmdm vorausgehen“ mit dieser Präp. zu konstruieren, macht keinen Sinn; so sehr richtig Sahlin 1945, S. 79, der hier leider von jüngeren Kommentatoren ignoriert wurde. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass in V. 17 ursprünglich ist: proseleusetai enopion, in V. 76: proporeusä pro prosopou (beide Varianten stehen so noch in den wichtigen Codices C und L), und diese beiden Verse haben sich gegenseitig beeinflusst: In V. 76 wurde pro prosopou durch das für Lk und Apg (anders als in den anderen ntl Schriften; s. nur in Lk 1 noch Vv. 6.15.17.19.75) typische enopion ersetzt, in V. 17 unter Einfluss des ursprünglichen V. 76, der wirklich vom „jmdm vorangehen“ spricht, wie noch häufiger (s. Apg 12,13; Apg 20,5.13) das proseleusetai als proeleusetai verschrieben. Auch die Fügung proserchomai enopion ist sonst nicht belegt, häufiger aber proserchomai enantion (s. z.B. Ex 16,9; Num 9,6), und dass die fast gleichbedeutenden Präpositionen enopion und enantion auswechselbar sind, zeigt V. 6, wo beide Varianten überliefert sind, und z.B. Ijob 1,6 LXX (enopion) vs. Ijob 2,1 (enantion). (Zurück zu v.17)
vzuzuwenden die Herzen von Vätern den Kindern - direktes Zitat von Mal 3,24; Sir 48,10, wo von Elija die Rede ist (s. Mal 3,23); Johannes Dienst für Gott, für den er mit dem heiligen Geist ausgestattet wird, entspricht also der Aufgabe, die von Elija erwartet wurde; aus diesem Grund ist sein Dienst ist einer „in Geist und Kraft Elijas“. Vgl. 2 Kön 2,9, wo Elijas Nachfolger Elischa von diesem erbittet, es möge ihm etwas „von Elijas Geist“ zuteil werden, und V. 13, wo die Aufnahme von Elijas Mantel durch Elischa klar ein Symbol dafür ist, dass er seine Nachfolge antritt. (Zurück zu v.17)
wzuzuwenden die Herzen von Vätern den Kindern und die Ungehorsamen zur Weisheit der Gerechten - Johannes wird also die Israeliten Gott zuwenden (V. 16), dafür sorgen, dass die Menschen sich einander zuwenden (V. 17a) und dass sie sich außerdem zur Weisheit hinwenden (V. 17b); er sorgt für die Versöhnung aller Menschen miteinander und mit Gott und arbeitet dafür an ihrem Herz und Hirn.
Genauer: Etwas schwieriges Bild. In Mal 3,24 ist es viel leichter; hier sollen wechselseitig „die Herzen von Vätern zu [ihren] Söhnen und die Herzen von Söhnen zu ihren Vätern“ gewendet werden, alle also mit allen versöhnt werden. Hier wird das Bild verändert. In den weisheitlichen Schriften des AT und der frühjüdischen Literatur ist „Torheit“ fast gleichbedeutend mit „Frevlertum“ und „Ungehorsam gegenüber Gott“, „Weisheit“ aber impliziert gottgefälliges Leben (s. die Anmerkungen zu Ps 14). Sinnvoll daher Wolter 2008, S. 80: „Lukas will sicher nicht das Gegenüber von ‚ungehorsam‘ und ‚gerecht‘ auf das Gegenüber von ‚Väter‘ und ‚Kinder‘ bezogen wissen [...]. Die generalisierende Begrifflichkeit legt vielmehr nahe, dass Lukas hier über Mal 3,24 hinausgeht und nicht mehr nur die zwischenmenschlichen Beziehungen im Blick hat, sondern das Gottesverhältnis: ‚Ungehorsam‘ kennzeichnet die Weigerung Israels, auf Gott zu hören [...], während für die ‚Gerechten‘ das Gegenteil gilt. Als prophetische Aufgabe wird Johannes dementsprechend analog zu V. 16 die Herbeiführung von Umkehr zu Gott zugeschrieben [...], s. auch TestDan 5,11: [...] ‚hinwenden wird er die ungehorsamen Herzen zum Herrn‘ als Bestandteil von Gottes eschatischem Heilshandeln an Israel.“ Vgl. auch PsSal 18,4: „Du disziplinierst uns, [...], um fortzuwenden den Geist des Hörenden von Dummheit in Unwissenheit. (Zurück zu v.17)
xWoran werde ich dies erkennen? - Zitat von Abrahams Bitte um ein Zeichen in Gen 15,8, als diesem etwas ähnlich Großes wie hier dem Zacharias verheißen wird. Sinnvoll daher B/N: „An welchem Zeichen kann ich denn erkennen, daß du die Wahrheit sagst?“ (Zurück zu v.18)
yGabriel - in den frühjüdischen Schriften einer der Erzengel, also der höchsten Engelordnung in der jüdischen Angelologie; auch die Erzengel Michael und Raphael stellen sich vor als „vor Gott Stehende“ (TestAb (A) 7,11; TestSal 5,9; Üs. oben zu 17a). In der Bibel findet er sich noch in Dan 8,16; 9,21; Offb 4,5. Zu dieser Engelgattung werden wechsend entweder vier, sechs oder sieben Engel gezählt; Gabriel gehört stets dazu – neben ihm außerdem Michael, Raphael, Uriel, Sariel, Penuel und Baraqiel. Sein Name bedeutet „Streiter Gottes“; in der jüd. Angelologie ist er der Fürst des Feuers. In b. San 44b werden seine Hauptaufgaben, von denen jeder Erzengel eigene hatte, zusammengefasst, indem sie aus seinen Beinamen Pisqon, Itmon und Siggaron abgeleitet werden: „Rabbi Jose ben Chanina hat gesagt: Drei Namen hat er: pisqon, itmon und siggaron. Pisqon, weil er sich ein hartes Urteil gegen oben erlaubte; Itmon, weil er die Sünden Israels verstopft; Siggaron, weil, wenn er (die Gnadenpforte) zuschließt, niemand wieder aufschließen kann.“ Gabriel reguliert also sozusagen Gottes Barmherzigkeit: Entweder sorgt er dafür, dass die Sünden eines Menschen Gott gar nicht erst verärgern können, indem er sie „verstopft“ (also dafür sorgt, dass sie gar nicht erst vor Gott gelangen), oder er vollzieht Gottes Strafe auf endgültigste Weise. Wohl deshalb kann er auch hier eigenmächtig Zacharias bestrafen, s. den nächsten Vers. Für weitere faszinierende Stellen zu Gabriel in der frühjüd. Literatur s. B/S II 90. (Zurück zu v.19)
zLies: „Dass ich, einer der Erzengel, eigens zu dir gesandt wurde, um zu dir zu sprechen, um dir dies zu verkündigen, reicht dir als Zeichen noch nicht!?“ Zacharias Strafe entspricht dann seiner Missetat: Weil er dem Sprechen des Engels nicht glaubte, wird er seinerseits nicht mehr sprechen (und hören) können.
Frohbotschaften ist die Üs. von euangelizo, dem Verb, das auch dem Subst. euangelion („Evangelium“, „Frohbotschaft“) zugrunde liegt. (Zurück zu v.19)
aazu ihrer Zeit - Hebraismus: „Zu ihrer Zeit“ i.S.v. „zur rechten Zeit“ wie in Dtn 11,14; Ps 1,3; 104,27 u.ö. Zur Vorstellung von Worten, die sich „erfüllen“, s.o. zu V. 1: Wie z.B. in Lk 4,20 „erfüllen“ wie noch häufiger verwendet wird, um auszudrücken, dass sich in Jesu Leben und Handeln alttestamentliche Verheißungen „erfüllen“, so qualifiziert hier Gabriel seine Verkündigung als eine ebensolche Verheißung, die sich dann eben mit der Geburt Johanni „erfüllen“ wird. (Zurück zu v.20)
abkonnte er nicht zu ihnen sprechen - Nach der Darbringung des Weihrauchs hatten die daran beteiligten Priester eigentlic den Aaronitischen Segen (Num 6,24-26) über das Volk zu sprechen (s. m.Tam vii 2). Dazu war Zacharias nicht mehr in der Lage. (Zurück zu v.22)
ac (Zurück zu v.23)
adWarum Elisabet sich verbarg, ist zunächst unverständlich – uns ist kein orientalischer Brauch überliefert, nach dem eine Frau sich zurückzog, nachdem sie schwanger wurde (obwohl Frauen zu Jesu Zeit prinzipiell zurückgezogen lebten). Was dies auf der Ebene der Erzählung ausdrücken soll, wird durch V. 25 dennoch klar: Ebenso wie ihre Nachbarn und Verwandten in V. 58 hält Elisabet ihre ersehnte, aber unerwartete Schwangerschaft für ein Geschenk Gottes für sie und tritt daher nicht in Kontakt mit anderen Menschen. Die Bedeutung des Johannes, die Gabriel dem Zacharias in Vv. 13-17 verkündet hat, ist ihr und allen also nicht bewusst. Erst, als Zacharias auf wunderbare Weise wieder die Fähigkeit zu Sprechen wiedererlangt, wird er diese Bedeutung Johanni für die „Erlösung von Gottes Volk“ (V. 68) mit den stärksten Bildern beschreiben (Vv. 68-79). (Zurück zu v.24)
aeTextkritik: Drei altlateinische Handschriften (ms. a (4. Jh.), b (5. Jh.) und 1* (7./8. Jh. - hier allerdings nachträglich wieder korrigiert zu „Maria“)) haben statt „Maria“ „Elisabeth“; zudem sprechen auch zwei Mss. von Irenäus´ „Adv. Haer.“ 4,7,1 von Elisabeth als der Sängerin des Magnifikats (aber auch hier haben die restlichen Mss. „Maria“; und selbst in diesen bessagten zwei Mss. heißt es an anderer Stelle, dass Maria die Sängerin wäre). Auch eine Origines-Übersetzung des Hieronymus ist überliefert, die erkennen lässt, dass wohl auch Origines diese Elisabeth-Variante kannte, und auch in einer Predigt von Nicetas von Remesiana findet sich diese Tradition.

Diese textkritische Evidenz ist sehr gering; dennoch wird seit Loisy 1907 und Harnack 1900 immer wieder darüber diskutiert. Drei Positionen haben sich im Laufe der Zeit herauskristallisiert (vgl. die Übersicht in Metzger 109):

  1. Der ursprüngliche Text hat „Maria“ und in einigen Handschriften wurde dies nachträglich in „Elisabeth“ geändert (In der neueren Forschung die fast ausschließlich vertretene)
  2. Der ursprüngliche Text hat „Elisabeth“ und wurde nachträglich zu „Maria“ geändert (diese Position wird fast gar nicht vertreten)
  3. Explizit wird im ursprünglichen Text überhaupt keine Sprecherin des Magnifikats identifiziert; ursprünglich habe dort einfach καῖ εἰπεν („und sie sprach“) gestanden. Sowohl „Maria“ als auch „Elisabeth“ sind nachträgliche Hinzufügungen (so z.B. ausführlichst Benko 1967) - die Position hat aber die entscheidende Schwäche, dass keine einzige Handschrift überliefert ist, in der diese Textversion überliefert wäre.
Für eine Textänderung wie in (2) oder (3) reicht die Evidenz nicht ansatzweise aus; natürlich ist Variante (1) beizubehalten. (Zurück zu v.46)
afSehr gebräuchlicher Semitismus; „Seele“ und „Geist“ dient nur als Wechselbegriff für „ich“ (vgl. Wolff 1973, S. 25f; ad. loc. auch Bovon 1989, S. 87; Culy et al. 2010, S. 42; Noland 1989) - eine hebräische Stileigentümlichkeit, die es im Deutschen nicht gibt und die daher in der LF als „ich preise“ übertragen werden muss. Sehr ähnliche Stellen finden sich in der Bibel z.B. in Ps 34,3; 35,9; 103,1f.22; 104,1.35; 146,2; Tob 13,15. (Zurück zu v.46 / zu v.47)
agSo eine häufig gewählte und auch durchaus zulässige Übersetzung von μεγαλύνειν (vgl. BA 1007; BAG 497; Gemoll 518; LSJ; Muraoka 445; Pape 108; Thayer). Sie macht aber in unserem Zusammenhang nicht viel Sinn, denn sicher will der Autor nicht sagen, dass Gottes „Groß-Sein“ der Seele Mariens geschuldet wäre. (Zurück zu v.46)
ahVv. 46f. verdichten einen weiteren Semitismus: „X preist Y, denn Z“ ist im Hebräischen eine formelhafte Wendung für „X dankt Y für Z“ (vgl. Lande 1949, S. 106f). Hier lässt sich sich besonders leicht ins Deutsche übertragen: Da ἠγαλλίασεν im synonymen Parallelismus zu μεγαλύνει steht, kann eines der beiden Glieder ohne semantische Einbußen problemlos durch „danken“ ersetzt werden. Übersetze: „Ich preise den Herrn / und danke ihm dafür, dass...“. (Zurück zu v.46 / zu v.47 / zu v.48 / zu v.49)
aiἠγαλλίασεν steht im Gegensatz zu μεγαλύνει (Präsens) im Aorist, weshalb z.B. NET hier ingressiv übersetzen will mit „has begun to rejoice“; ebenso Bovon 1989; Nolland 1989. Vermutlich ist aber auch dies als stilistischer Semitismus zu verstehen, nämlich als (bedeutungsloser) T-Shift (so die Mehrheit, z.B. Grosvenor/Zerwick 1993, S. 173; Gunkel 1921, S. 46; NSS; Schürmann 1969, S. 73; Weiss 1901, S. 285). (Zurück zu v.47)
ajMeist: „Niedrigkeit“. Die zweite Alternative, „Demut“, ist recht unwahrscheinlich, denn hierfür stehen in LXX und NT eigene Begriffe bereit. Ταπείνωσις ist hier relativ sicher sozial bzw. wirtschaftlich als „Armut“ zu verstehen (Bovon 1989, S. 88; Clines 2011, S. 5; Krüger 2005, S. 2; Plummer 1903, S. 32), da es gut zusammenstimmt mit dem folgenden δούλη und auch dadurch nahegelegt wird, dass in V. 52 ταπεινούς kontrastiert wird mit δυνάστας; zudem ist der Gegensatz von Reichen und Armen ein häufigeres lukanisches Theologumenon (vgl. z.B. Lk 4,18f). Schnackenburg 1965, S. 346f. glaubt außerdem, zusätzlich Parallelen von hier zum Motiv der Armenfrömmigkeit in Qumran ziehen zu können. „Niedrigkeit“ ist eine unnötige Verallgemeinerung.

Einige denken aufgrund der Parallelen des Verses zu 1Sam 1,11; Ps 113 und 4Esra 9,45 daran, dass es sich hier um einen stehenden Ausdruck für Unfruchtbarkeit handeln würde (z.B. Zorell 1928, S. 288f.; ähnlich Klein 2006, S. 108f). Aus dem Mund Mariens macht das aber keinen Sinn und es spricht auch nichts gegen und einiges für die Lesart „Armut“, weshalb diese auf jeden Fall vorzuziehen ist (vgl. auch Bossuet / Weiß 1917, S. 404; Schürmann 1969, S. 73f.).

Vgl. außerdem die nächste Fußnote. (Zurück zu v.48)
akMeist: „Magd“; δούλη bedeutet aber „Sklavin“ und nur in Einzelfällen wird es allgemein für soziale Rangunterschiede verwendet (aber auch hierfür wäre „Magd“ eine eher unpassende Übersetzung).
Sowohl die Rede von der „Armut“ als auch vom „Sklave-seins“ Mariens ist hier aber merkwürdig funktionslos, abgesehen davon, dass es in Kombination mit der Rede von Gott als Mariens „Herrn“ eine klare Hierarchie verdichtet. Das ist wohl auch der Schlüssel zum richtigen Verständnis der beiden Ausdrücke: Wie auch in 1Sam 1,11 ist die Rede von der „Sklavin Gottes“ wohl nicht wörtlich, sondern als Höflichkeitsstrategie zu verstehen (vgl. z.B. Warren-Rothlin 2007, S. 61f; Dahood 1970, S. 374 zu Ps 19,14; 27,9; 31,17; 69,18; 86,2; 119,135). Man bezeichnet das als „soziale Deixis“: Aus Höflichkeitsgründen wird ein Rangunterschied vom niedriger Gestellten besonders betont (ähnlich, wie man z.B. auch im Deutschen früher einen Brief an einen König unterschrieb mit „Ewr. Maj. untertänigster und gehorsamster Diener“). Das selbe gilt vermutlich auch für V. 54a. Eine wörtliche Übersetzung würde dies aber verschleiern, so dass man in der Lesefassung vielleicht besser auf andere Übersetzungsweisen zurückgreifen sollte, z.B. schlicht auf die Streichung von „seiner Sklavin in ihrer Armut“ in V. 48a (denn das hierarchische Gefüge wird ja schon durch den Ausdruck „Herr“ in V. 47 deutlich genug). (Zurück zu v.48)
alBiblizismus: Die Rede von Gottes auf-etwas-Blicken steht im AT metaphorisch für gnädige Akte Gottes wie etwa Gebetserhörungen (vgl. z.B. TLOT 1263f.). Das Verb ἐπέβλεψεν einfach wörtlich zu übersetzen, würde diese eigentliche Bedeutung des Verses verdunkeln. Besser wäre eine Paraphrase wie „Er hat sich seiner Sklavin in ihrer Armut angenommen“; zu „seiner Sklavin in ihrer Armut“ s. aber noch die vorige FN. (Zurück zu v.48)
amἰδοὺ i.d.R. (wie auch hier) nicht mehr als bloße Fokuspartikel. (Zurück zu v.48)
anAllzu viele Übersetzungen und Kommentare denken, dass diese Aussage bedeute, Maria sähe hier bereits ihre Verehrung durch künftige Generationen voraus und übersetzen etwa „preisen mich selig“ (vgl. z.B. Bovon 1989, S. 88; Klein 2006, S. 113; Schürmann 1969, S. 74; R-S u.ö.). Aber μακαρίζειν bedeutet wahrscheinlich auch hier (wie auch sonst öfters) einfach, dass sie für glücklich gehalten wird oder aufgrund dieses für-glücklich-gehalten-Werdens als glücklich bezeichnet wird - vielleicht ein Semitismus: Die hebräische Entsprechung von μακαρίζειν ist אָשַר II, was von SDBH folgendermaßen näher bestimmt wird: „[to] communicate to someone else that you consider him/her or someone else fortunate and blessed by God“ (SDBH). Diesem wohl falschen Verständnis der Stelle soll mit obiger Übersetzung vorgebeugt werden.
Wegen ἀπὸ τοῦ νῦν (v. 48) ist die in der Klammer angegebene futurische Wiedergabe die hier einzig Sinnvolle. (Zurück zu v.48)
aoV 48a steht mit V 54a, V 49b mit V 50a und V 49a mit V 51a im Parallelismus. Solche Parallelismen markieren in der biblischen Poesie häufig Strophenübergänge (vgl. z.B. van der Lugt 2006, S. 53) und sind damit ein starkes Indiz dafür, dass man an diesen Stellen das Magnifikat in Strophen aufzuteilen hat: Die Parallelismen würden dann den letzten Vers der ersten Strophe(V 48), den ersten und letzten Vers der der zweiten Strophe (V 49.50), den ersten Vers der dritten Strophe (V 51) und den ersten Vers der vierten Strophe (V 54) markieren. Das ὅτι denn in V. 49 ist dann mit Gunkel 1921, S. 47 dentsprechend dem hebräischen כִי als „allergeläufigste Uebergang, mit dem im Hymnus das Hauptstück dem Anfange hinzutritt.“, aufzufassen und im Deutschen auszusparen; etwa: „... von nun an wird jeder mich für glücklich halten: / Denn Der Mächtige hat Großes an mir getan!...“. (Zurück zu v.48 / zu v.49)
apEinige Exegeten halten dies für ein relatives καὶ (vgl. BDR §442) und übersetzen mit „der Mächtige ..., dessen Name heilig ist.“ (so z.B. NSS; Schürmann 1969, S. 74; vgl. auch GN; KAM; LUT84; ähnlich NeÜ); andere fassen es koordinierend auf und schließen es mit einem „und“ an den vorherigen Satz an. Letzteres ist wahrscheinlicher (vgl. z.B. Culy et al. 2010, S. 44); da aber καὶ im Griechischen, anders als im Deutschen, auch einen mit dem vorigen Satz (relativ) unkoordinierten Satz einleiten kann, ist es stiltreuer, das „und“ in der deutschen Übersetzung ganz zu streichen. (Zurück zu v.49)
aqBiblizismus: Der „Name Gottes“ steht in der Bibel fast stets für Gott selbst; man bezeichnet damit „Gott im Menschenmund“. Übersetze: „Heilig ist er“.
Alternativ könnte es sich hier um ein jüdisches Idiom handeln: „Gottes Namen heiligen“ steht in jüdischen Texten häufig dafür, dass „Gott als Herr anerkannt wird und daher seinen Geboten gefolgt wird“ (vgl. FN e zu Mt 6,9); dann vielleicht „Geheiligt werde sein Name“ i.S.v. „Man erkenne ihn als Herrn an und folge seinen Geboten“. Das καὶ in 50a wäre dann wohl kausales καὶ (dazu z.B. Reiser 1983, S. 126-128): „Man erkenne ihn als Herrn an, denn seine Huld wird auf ewig für jene währen, die ihn fürchten (i.e. als Herrn anerkennen).“ Doch ist das m.W. noch nie vorgeschlagen worden. (Zurück zu v.49)
arS. zu {und} in V. 49. (Zurück zu v.50)
asMeist: „Erbarmen“ oder „Barmherzigkeit“. ἔλεος ist in der LXX aber häufig die Übertragung von חֵסֵד, und daraus, dass es hier als etwas dargestellt wird, demgemäß sich Gott (1) schon Abraham gegenüber verhalten hat (V. 54f), das (2) jenen gilt, die ihn „fürchten“ (V. 50) und das (3) ebenso wie חֵסֵד etwas ist, das meist von Höhergestellten niedriger Gestellten entgegengebracht wird, wird klar, dass wir auch hier an dies חֵסֵד denken müssen (vgl. Clines 2011, S. 2f). חֵסֵד bezeichnet aber nicht etwa (wie es oft falsch heißt) die „weiche Seite“ Gottes, sondern steht für Gottes Bündnistreue und wird bes. in Situationen verwendet, in denen davon die Rede ist, dass ein niedriger Gestellter der Hilfe Gottes bedarf und Gott ihm diese Hilfe - getreu seinem Bund - auch gnädig gewährt (vgl. z.B. Waltke 2010, S. 443). Die treffendste Übertragung ist daher ohne Zweifel „Huld, Gnade“. (Zurück zu v.50)
atVerbloser Satz, der als PP fungiert und gelesen werden könnte als PP temporis, PP commodi oder PP relationis (vgl. Culy et al. 2010, S. 44). Weil der Ausdruck γενεὰς καὶ γενεὰς aber wohl idiomatisch ist für „alle Generationen“ (ebd.; vgl. auch das Testament des Levi 18,8), liegt eine andere Lesart als die temporale recht fern. Eine freie, „deutschere“ und funktional äquivalentere Übertragung wäre wohl „Seine Huld währt auf ewig.“
Wegen εἰς γενεὰς καὶ γενεὰς ist die futurische Wiedergabe die hier einzig Sinnvolle. (zu v.50)
auW.: „den ihn Fürchtenden“; Ptz. mit der Funktion des dativus commodi (daher: „für“) (vgl. Culy et al. 2010, S. 44; NSS). (Zurück zu v.50)
avVV. 51-54 stehen sechs Aoriste, über deren Semantik man sich in der Forschung den Kopf zerbricht. Theoretisch könnten sie sich beziehen
  1. auf Vergangenes - etwa vergangene Heilstaten Gottes („historischer Aorist“),
  2. auf Gottes übliche und überzeitliche Weise des Handelns („gnomischer Aorist“),
  3. auf Gottes zukünftiges Handeln („futurischer Aorist“) oder
  4. auf Sachverhalte, die zum Zeitpunkt des Betens bereits angebrochen sind, deren Vollendung aber noch aussteht („ingressiver Aorist“) (vgl. auch Grosvenor / Zerwick 1993, S. 173; NSS).

Jede dieser vier Deutungen ist in der Forschung schon mehrfach vertreten worden. Da Vv. 51-54 aber immer noch zum selben Dankgebet gehört, zu denen auch die vorherigen Verse gehören, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Tat, mit der Gott sich seines „Knechtes Israel“ angenommen hat (V. 54) die selbe ist, mit denen er sich auch seiner „Sklavin“ Maria angenommen hat (V. 48) - ein recht eindeutiger Parallelismus -, nämlich die Tatsache, dass er Maria trotz ihrer „Armut“ (V. 48) zur Mutter des Messias gemacht hat (vgl. ähnlich z.B. Nolland 1989). Jede Deutung neben der ingressiven würde diesen Zusammenhang zerstören und das Magnificat in zwei nur lose zusammenhängende Hälften reißen.

Der obige Übersetzungsvorschlag versucht, durch die Hinzufügung des „so“ den Bezug des Folgenden auf das zuvor Geschilderte ausdrücklich zu machen und durch die des „er hatte begonnen“ den ingressiven Charakter des Folgenden zum Ausdruck zu bringen. Eine andere (allerdings weniger genaue, da nicht wirklich ingressive) Möglichkeit, die wahrscheinlich leichter zu einer gefälligen Lesefassung führt, wäre die Einleitung mit „Nun“ und der futurischen Wiedergabe des Folgenden. (Zurück zu v.51)
awweder (1) Ἐποίησεν κράτος („Machttaten hat er getan“) noch (2) ἐν βραχίονι αὐτοῦ („mit seinem Arm“) ist natürliches Griechisch. Beide Male handelt es sich wieder um Semitismen; vermutlich um Zitate aus dem Psalter (vgl. zu (1) Ps 60,14; 108,14; 118,15f; zu (2) Ps 89,11; beide Male auch Culy et al. 2010, S. 45; Plummer 1903, S. 33).
Der „Arm“ wird aber im Hebräischen häufiger verwendet als Symbol für Macht und Stärke (vgl. z.B. Clines 2011, S. 1f.; Wolff 1973, S. 108; ad loc. auch Culy et al. 2010, S. 45; NSS), so dass der Sinn in etwa ist: „Er hat Mächtiges mit seiner Macht gewirkt.“ Übersetze vielleicht: „Gewaltiges hat er mit seiner Macht vollbracht“. (zu v.51)
axDoppelpunkt sehr gut mit , Schneider 1977, S. 54 und dem unrevidierten NTL (leider nicht mehr im revidierten): Was folgt, sind einzelne Ausfaltungen des Sammelbegriffs „Machttaten“ in V. 51a. (Zurück zu v.51)
ay„zerstreuen“ ist im AT ein Ausdruck, der vor Allem verwendet wird, wenn davon die Rede ist, dass eine Armee vernichtend geschlagen wird (vgl. die Parallelstellen). (Zurück zu v.51)
azzur „Hochmut“ im alten Judentum vgl. das in B/S 1924, S. 101ff. zusammengetragene Material (Zurück zu v.51)
baW. „Hochmütige an der Gesinnung ihrer Herzen“; idiomatischer Plural, daher als Sg. zu übersetzen. Das Herz ist in der hebräischen Vorstellung Sitz v.a. der Stimmungen und Gestimmtheiten (vgl. Wolff 1973, S. 74f.) und entspricht damit am ehesten unserem Wort „Gemüt“ - eine wörtliche Übertragung wäre hier irreführend. Ohnehin muss hier freier übersetzt werden: „Hochmütig an der Stimmung des Gemüts“ meint einfach „hochmütig gestimmt“, „von hochmütigem Charakter“; übersetze besser schlicht: „Hochmütige“ (Zurück zu v.51)
bbDa Gott die δυνάστας von ihren Thronen stürzt, ist „Machthaber“ hier die kontextuell wesentlich passendere Übertragung. (Zurück zu v.52)
bcV. 52b kontrastiert eine Aufwärtsbewegung mit der hieriegen Abwärtsbewegung des „Stürzens“; im Deutschen besser ausdrücklich zu machen, etwa als „herabstürzen“. (Zurück zu v.52)
bddie Wortstellung VV 52-53 sollte beibehalten werden, da sie eine chiastische Doppelstruktur hat: V 52: V - S / V - S; V 53: S - V / S - V (Zurück zu v.53)
beW.: „füllt“; häufig freier übertragen mit „sättigen“, was aber hier ein Wortspiel vernichtet: ἐνέπλησεν („füllen“) (53a) bildet einen Gegensatz mit κενούς („leer, mit leeren Händen“ (BA 870)) (53b) und ist etymologisch verwandt mit πλουτοῦντας („reich seiende, Reiche“), außerdem ist eines der Wortbildungsmorpheme (ἐν- („ein-, hinein-“)) das Gegensätzliche zu ἐξ- in ἐξαπέστειλεν („fortsenden“) (53b). Eine rein an diesen Wortspielen orientierte Übertragung würde ungefähr lauten: „in Hungernde füllt er Gutes hinein / und Befüllte schickt er ungefüllt hinaus“, was natürlich keine gute Übersetzung ist und auch dem Wortsinn gar nicht gerecht wird. Ich bin bisher zu noch keiner Lösung gekommen, wie dieser Vers gleichzeitig kommunikativ und inhaltlich und stilistisch äquivalent übertragen werden könnte. (Zurück zu v.53)
bf„Mit leeren Händen“ nach BA 870 (Zurück zu v.53)
bgSchwierige Stelle. V 54b besteht aus einem Infinitiv und einem Akkusativ und lautete wörtlich übersetzt etwa „sich erinnern/denken an Huld“ (zu „Huld“ s.o.). Die Hauptschwierigkeit ist, wie dieser Teilvers mit dem vorigen zusammenhängt. Syntaktisch sinnvolle Vorschläge in der Exegese sind v.a. die Deutung als kausaler Infinitiv („Er hat sich Israels angenommen, weil er an seine Huld gedacht hat“) oder als weiterführender Infinitiv („Er hat sich Israels angenommen, wobei er an seine Huld gedacht hat“).

Sinnvoller jedoch: μνησθῆναι gedenken steht in der LXX häufig als Übersetzung von זָכַר. Dies זָכַר hat, wenn Gott das Subjekt ist, oft die Sonderbedeutung „sich gnädig zuwenden“ (vgl. z.B. TWAT I, S. 513f) und bezeichnet z.B. Gottes gnädige Gewährung eines Kindersegens an Kinderlose (Gen 30,22; 1Sam 1,11.19; vgl. ebd.). Dahin, dass das Verb auch hier so zu verstehen ist, weist erstens das Substantiv ἔλεος Huld, in dem ähnliches zum Ausdruck kommt wie im hebräischen זָכַר; zweitens folgt direkt auf den Teilvers die Rede davon, dass er sich auch Israels „erbarmt“ habe; drittens ist V. 54a parallel zu V. 48a, in dem - wie bereits gesagt - vermutlich auf die selbe Heilstat wie in V. 54a Bezug genommen wird, nämlich auf die, dass Gott Maria mit dem Messias „geschwängert“ hat, und gerade in diesem Kontext ist im AT häufiger die Rede von der זָכַר(/μνησθῆναι)-Tätigkeit Gottes.

Wenn erst erkannt ist, dass V 54b wohl vom selben spricht wie V 54a, ist der Rest relativ einfach: Der Infinitiv ist dann als epexegetischer Infinitiv zu deuten (daher Anschluss mit Doppelpunkt, vgl. ähnlich Culy et al. 2010, S. 46) und der Akkusativ entweder als accusativus respectus (daher die Alternative „was seine Huld angeht“) oder, wesentlich besser, als adverbialer Akkusativ (daher die Alternativen „huldvoll, mit Huld“). (zu v.54)
bhEin weiterer grammatischer Zweifelsfall: Es ist fraglich, wie V 54b, 55a und 55b sich zueinander verhalten. Vorgeschlagen wurde,
  1. dass V 55a Parenthese ist und V 55b nicht mehr, sondern dativus commodi zu 54b („Gott hat sich erbarmt - wie er ja auch schon unseren Vätern verheißen hat - zugunsten von Abraham und seinen Nachkommen.“) - dies ist heute die Mehrheitsmeinung,
  2. dass V 55a eine Art „Nachsatz“ ist, V 55b zu diesem Nachsatz gehört und „verheißen hat“ näher bestimmt („Gott hat sich erbarmt - wie er ja auch schon unseren Väter zugunsten von Abraham und seinen Nachfahren auf ewig verheißen hat“), oder
  3. dass V 55b inkongruente Apposition zu V 55a ist („Gott hat sich erbarmt - wie er unseren Vätern (d.h. Abraham und seinen Nachkommen auf ewig) verheißen hat“).

Möglichkeit (3) ist eher unwahrscheinlich, da inkongruente Appositionen auch im Griechischen recht selten sind; Möglichkeit (2) würde den Übersetzer zwingen, ein Objekt von Gottes Erbarmen zu ergänzen (z.B. „Gott hat sich [ihm (=Israel, seinem Knecht] erbarmt...“). Vorzuziehen ist daher Möglichkeit (1).

Der Sinn ist dann, dass mit Mariens Empfängnis des Messias die Verheißung Gottes an Abraham in Erfüllung geht, dass er sich ihm und seinen Nachfahren gegenüber gemäß seiner Bundestreue verhalten würde. (Zurück zu v.54)
biwörtl.: „gesagt hat“. Semitismus; im Hebräischen steht auch für „verheißen“ das gewöhnliche „sagen“ (vgl. Grosvenor/Zerwick 1993, S. 174). (Zurück zu v.55)