Markus 14

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Lesefassung (Markus 14)

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22 Nach dem Essen und nachdem Jesus ein Brot genommen und Gott dafür gepriesen hatte, zerbrach er es, gab die Stücke seinen Jüngern und sagte: „Nehmt! Dieses Brot bin ich.“ 23 Und nachdem er seinen Becher genommen und Gott auch für den Wein gedankt hatte, gab er ihn seinen Jüngern und alle tranken daraus. 24 Und Jesus sagte: „Dieser Wein ist mein für viele vergossenes Bundesblut.a25


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Anmerkungen

aBundesblut - Ein Begriff aus dem jüdischen Kultwesen (s. Ex 24,8; Sach 9,11). Das Blut eines Lammes diente im Tempelkult dazu, einen „Bund“ zwischen Gott und Menschen zu besiegeln und die Menschen mit Gott zu versöhnen. Diese Funktion spricht Jesus hier seinem Tod zu. S. ähnlich auch Joh 1,29; Röm 3,25f; Heb 9,13-15. (Zurück zu Lesefassung v.24)

Studienfassung (Markus 14)

1 Das Pascha-Fest und [das Fest der] ungesäuerten Brote waren {aber} in zwei Tagen.b Da suchten die Hohepriester und die Schriftgelehrtenc [einen Weg], wie sie ihn mit einer List ergreifen und töten könnten, 2 denn sie sagten (sagten sich): „Nicht während des Festesd), sonst wird es einen Aufruhr der Volksgemeinde geben.“e


3 Und als er in Bethanien im Haus Simons des Leprakrankenf war – als er [bei Tisch] lagg – kam eine Frauh, die ein Alabastergefäß voll kostbaren, reinem Nardenparfumsi [bei sich] hatte. Nachdem sie das Alabastergefäß zerbrochen hattej, goss sie [das Öl] herab auf seinen Kopf. 4 Einige aber waren {untereinander} verärgert (voller Empörung) [und sagten] zueinander: „Für was ist diese Verschwendung des Parfums geschehen? 5 Man hätte nämlich dieses Parfum für mehr als 300 Denarek (teurer als für 300 Denare) verkaufen und [den Erlös] den Armen geben können.l“ Und sie machten ihr Vorwürfe. 6 Jesus aber sprach: „Lasst sie! Was macht ihr ihr Beschwerden?m Sie hat ein gutes Werkn an mir getan – 7 undo die Armen habt ihr immer bei euch und sooft (falls) ihr wollt, könnt ihr ihnen (immer)p wohltun (Gutes tun); mich aber habt ihr nicht immer. 8 Was sie [tun] konnte (was sie hatte)q, hat sie getan: Sie hat es vorweggenommen, meinen Leib für das Begräbnis einzubalsamierenr. 9 Amen, ich sage euchs, wo auch immer diese Freuden-Botschaft (dieses Evangelium)t auf der ganzen Welt verkündet wird, wird auch von dem, was diese getan hat, gesprochen werden - zur Erinnerung an sie.“


10 Und Judas Iskariot, einer der Zwölf, ging zu den Hohepriestern, um ihn an sie auszuliefern. 11 Und sie freuten sich, als sie [das] hörten, und versprachen, ihm Geld zu geben. Und er suchte [einen Weg], wie er ihn zur rechten Zeitu ausliefern könnte.


12 Und am ersten Tag [des Festes] der ungesäuerten [Brote],v als sie das Pascha[lamm] opferten (an dem man das Pascha[lamm] zu opfern pflegte)w, fragtenx ihn seine Jünger: „Wo willst du, [dass] wir {fortgehend} vorbereiten, damit du das Pascha essen kann?“ 13 Und er sandtex zwei seiner Jüngery und sagte zu ihnen: „Geht in die Stadt, und es wird ein Mann auf euch zutretenz, der einen Krug Wasser trägt. Folgt ihm, 14 und wo auch immer er hineingeht, sagt zu dem Hausherrn {dass}: ‚Der Lehrer sagt: ‚Wo ist mein Gästezimmer, wo ich das Pascha[mahl] mit meinen Jüngern essen kann?‘‘!aa 15 Und dieser wird euch ein großes Zimmer im Obergeschoss zeigen, möbliert und vorbereitet. Dort bereitet für uns vor!ab16 Und die Jünger gingen hinaus und kamen in die Stadt, und sie fanden [alles so] vor, wie er [es] ihnen gesagt hatte, und sie bereiteten das Pascha[mahl] vor.


17 Und als [es] Abend geworden war (wurde), kamx er mit den Zwölf. 18 Und während sie [bei Tisch] lagenac und aßen,ad sagte Jesus: „Amen, ich sage euch:s Einer von euch, der mit mir isst,ae wird mich ausliefernaf.“ 19 Das machte sie bestürzt (traurig) und einer nach dem anderen sagte zu ihm: „Doch nicht etwa ich?“ 20 Da sagte er zu ihnen: „Einer der Zwölf, der [das Brot] mit mir in die (eine)ag Schüssel tunkt.ah 21 Denn der Menschensohnai gehtaj zwar, wie über ihn geschrieben stehtak, aber wehe jenem Menschen, durch den der Menschensohn ausgeliefert wird! [Es wäre] besser für ihn, wenn jener Mensch nicht geboren worden wäre.“


22 Und als er beiad ihrem Essen ein Brot genommen und [Gott] gedankt hatte,al hatte, brach er [es]am, gab [es] ihnen und sagte: „Nehmt, diesan ist mein Leib!“ao 23 Und nachdem er einen Becher (Kelch)ap genommen und [Gott] gedanktaq hatte, gab er [ihn] ihnen und sie alle tranken aus diesem.ar 24 Und er sagte zu ihnen: „Dies ist mein Blut des (neuen)as Bundes, für vieleat vergossen.au 25 Amen, ich sage euch:s Ich werde nicht wieder vom Gewächs des Weinstocks trinken bis zu jenem Tag, an dem ich [von] ihm erneut (ihn als neuen)av im Reich Gottes trinken werde.“


26 Und nachdem sie [ein Loblied]aw gesungen hatten, gingen sie hinaus zum Ölberg. 27 Da sagtex Jesus zu ihnen: „Ihr werdet euch alle ärgern ax, weil geschrieben steht: ‚Ich werde den Hirten schlagen (erschlagen), und die Schafe werden zerstreut werden.‘ 28 Doch nachdem ich auferweckt sein werde, werde ich euch nach Galiläa vorausgehen.“ 29 Daraufhin sagte Petrus zu ihm: „Wenn sich [auch] alle ärgern werden, doch ich nicht!“ 30 Und Jesus sagtex zu ihm: „Amen s, ich sage dir: Du wirst mich heute, in dieser Nacht, bevor der Hahn zweimal krähtay, dreimal verleugnen.az31 Aber er sagte vehement (mit Nachdruck): „[Selbst] wenn ich zusammen mit dir sterben müsste, werde ich dich [bestimmt] nicht (niemals)ba verleugnen!“ Und genauso redeten auch alle [anderen].


32 Und sie gingenx zu einem Grundstück, dessen Name „Getsemani“ [war], und er sagtex zu seinen Jüngern: „Setzt euch hier hin, bis ich gebetet habe!“ 33 Dann nahmx er Petrus und Jakobus und Johannes mit sich, und er begann, aufgeregt (entsetzt) und verängstigt (beunruhigt) zu sein, 34 und er sagtex zu ihnen: „Meine Seele ist zu Tode betrübtbb; bleibt hier und wacht (bleibt wach)!“ 35 Und er ging ein wenig voraus und fiel (warf sich) auf die Erde, und er betete, dass – wenn es möglich ist – die Stunde an ihm vorübergeht, 36 und er sagte: „Abba, Vater, alles [ist] dir möglich. Nimm diesen Kelchbc von mir weg! Doch nicht, wie ich will, sondern wie du [willst]!“ 37 Und er kamx und stellte fest (fand)x, dass sie schlafen, und er sagtex zu Petrus: „Simon, schläfst du? Konntest du nicht eine einzige Stunde wachen? 38 Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet! Der Geist [ist] zwar willig, aber das Fleisch [ist] schwach.“ 39 Und erneut ging er los, betete und sprach dasselbe Wort. 40 Und erneut ging er und stellte fest, dass sie schliefen, denn ihre Augen waren müde (beschwert), und sie wussten nicht, was sie ihm antworten sollten. 41 Und das dritte [Mal] kamx er und sagtex zu ihnen: „Schlaft weiter und ruht euch aus! Es reicht. Die Stunde ist gekommen, siehe!, der Sohn des Menschen wird in die Hände der Sünder ausgeliefert. 42 Erhebt euch, lasst uns aufbrechen! Siehe!, der mich verrät, ist genaht.“


43 Und prompt, noch während er redete, kamx Judas, einer der zwölf, und mit ihm eine Menschenmenge mit Schwertern und Keulen (Hölzern), von den Oberpriestern und den Schriftgelehrten und den Ältesten. 44 Aber derjenige, der ihn auslieferte, gab ihnen eine Andeutung, indem er sagte: „Wen auch immer ich liebhaben sollte, der ist es. Ergreift ihn und führt ihn sicher ab!“ 45 Und als er kam, ging er sofort zu ihm und sagtex: „Rabbi!“, und er küsste ihn. 46 Aber sie legten die Hände an ihn, und sie ergriffen ihn. 47 Aber einer ((jemand von denen, die dabeistanden)) zog das Schwert und schlug den Knecht des Oberpriesters, und er trennte dessen Ohr ab. 48 Und Jesus antwortete und sagte zu ihnen: „Wie gegen einen Räuber seid ihr mit Schwertern und Keulen ausgezogen, um mich festzunehmen? 49 Tag für Tag war ich bei euch und lehrte im Tempel, und ihr habt mich nicht ergriffen, doch [nur], damit die Schriften erfüllt werden.“ 50 Und es verließen ihn alle und flohen. 51 Und ein gewisser junger Mann folgte ihm, bekleidet mit einem Hemd über [seinem] nackten [Körper], und sie ergreifen ihn. 52 Aber er ließ das Hemd zurück und floh nackt.


53 Und sie brachten (führten ab) Jesus zum Hohen Priester, und alle obersten (führenden, Hohen) Priesterbd und die Ältesten und die Schriftgelehrten kamenx zusammen (versammelten sich). 54 Und Petrus folgte (war gefolgt)be ihm in einiger Entfernung (von weitem) bis nach drinnen (hinein) in den Innenhof (Palast) des Hohen Priesters, und [dort] saß er (setzte er sich)bf bei den Dienern und wärmte sich am Licht (Feuer)bg. 55 Die obersten (führenden, Hohen) Priester {aber} und der ganze Hohe Rat (Sanhedrin) suchten nach einer Zeugenaussage gegen Jesus, um ihn zu töten, aber (und) sie fanden keine, 56 denn viele machten Falschaussagen gegen ihn, aber (und) ihre Aussagen waren nicht übereinstimmend (gleich). 57 Und einige standen auf und sagten falsch gegen ihn aus: 58 {dass} „Wir haben gehört, wie (dass) er sagte: {dass} Ich werde diesen von Handbh erbauten Tempel abreißen und innerhalb von drei Tagen einen anderen, nicht von Hand erbauten errichten!“bi 59 Aber (und) nicht einmal (auch nicht) darin (so) war ihr Zeugnis (Aussage) übereinstimmend (gleich). 60 Da (und) stand der Hohe Priester auf, [trat]bj in die Mitte undbk fragte (befragte, verhörte) Jesus, {indem er sagte}bl: „Entgegnest (antwortest) du gar nichts [auf das], was diese gegen dich aussagen?“ („Entgegnest du nichts? Was sagen diese gegen dich aus?“) 61 Er aber schwieg [weiter]bm und antwortete gar nichts. Wieder fragte (befragte, verhörte) ihn der Hohepriester und sagte [zu] ihm: „Bist du der Messias (Gesalbte, Christus, versprochene Retter), der Sohn des Gepriesenen (Hochgelobten, zu Preisenden)?“ 62 Da (aber) sagte Jesus: „Ich bin [es], und ihr werdet den Menschensohn (Sohn des Menschen) sehen, wie er an der rechten [Seite] des Allmächtigen (der Macht)bn sitzt und mit den Wolken des Himmels kommtbo.“bp 63 Da (aber) zerriss der Hohe Priester seine Kleiderbq undbr rief (sagte)x: „Wozu (was) brauchenbs wir noch Zeugen? 64 Ihr habt die Gotteslästerung gehört. Was ist eure Meinung?“ Und (aber) sie alle verurteilten ihn, des Todes schuldigbt zu seinbu. 65 Und einige begannen ihn anzuspucken und sein Gesicht zu verhüllen und ihn mit den Fäustenbv zu schlagen und [zu] ihm zu sagen: „Prophezeie [doch]!“, und [auch] die Diener empfingen ihn [mit] (verpassten ihm)bw Schlägen. 66 Und während Petrus unten im Hof war, kamx eine der Mägde des Oberpriesters, 67 und als sie sah, dass Petrus sich wärmte, sah sie ihn an und sagtex: „Auch du warst bei dem Nazarener Jesus!“ 68 Aber er leugnete [es] und sagte: „Weder weiß ich noch verstehe ich, was du sagst.“ Und er ging nach draußen in den Vorhof, und ein Hahn krähte. 69 Und als die Magd ihn sah, begann sie erneut zu denen zu sagen, die dabeistanden: „Dieser gehört zubx ihnen!“ 70 Aber er leugnete [es] wieder, und kurz danach sagten diejenigen, die dabeistanden, erneut zu Petrus: „Wahrhaftig, du gehörst zuby ihnen, denn du bist auch ein Galiläerbz.“ 71 Aber er begann sich zu verfluchen und zu schwören: „Ich kenne diesen Menschen nicht, den ihr meint (sagt).“ 72 Und prompt krähte zum zweiten Mal ein Hahn. Da erinnerte sich Petrus an das Wort, als Jesus zu ihm gesagt hatte: „Bevor der Hahn zweimal kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.“ Und er brach zusammen und begann zu weinen.

Anmerkungen

Vv. 1-11: Vergleicht man Mk 14,3 mit Mt 26,6f, fällt auf, (1) dass in Mt die Aussage fehlt, dass Jesus liegend isst, (2) dass Mt die auffällige Genitivreihung zur Beschreibung des Öls stark ausgedünnt hat und (3) dass bei Mt das Gefäß nicht zerbrochen wird - drei Details, die den verschwenderischen Charakter des letzten Abendmahls unterstreichen: (1) zeigt, dass das Abendmahl in einem wohlhabenden Haushalt stattfand, (2) unterstreicht den hohen Wert des Öls und damit ebenso wie (3) die große Verschwendung der namenlosen Frau - Jesus lässt es sich beim letzten Abendmahl noch einmal „richtig gut gehen“. Dies wirkt befremdlich - auch auf „einige“ Anwesende, weshalb diese postwendend die Frau anfahren (Vv. 4f) - doch Jesus verteidigt sie. Und nicht nur das, sondern er wertet ihre Tat sogar so positiv, dass er prophezeit, dass einst auf der ganzen Welt davon berichtet wird - zur Erinnerung an sie (nicht an ihn) (Vv. 6-9)!
Gerahmt wird diese Erzählung davon, dass die Hohepriester und die Schriftgelehrten nach einem Weg suchen, wie sie Jesus zu einem geeigneten Zeitpunkt töten können, und vom Verrat des Judas. Sowohl im Rahmen als auch im Zentrum ist also erstens von Zeit die Rede und zweitens von Jesu Tod - und dies ist der Schlüssel zum Verständnis dieses schwierigen Abschnitts: Jesus lässt es sich noch einmal „richtig gut gehen“, ja - aber das ist auch in Ordnung so, denn noch ist die Zeit, in der „die Hochzeitsgäste nicht fasten können, da der Bräutigam noch in ihrer Mitte ist“ (Mk 2,19, vgl. Lohfink 2011, S. 341f.). Und die Frau verhält sich äußerst verschwenderisch, ja - aber in diesem Kontext ist auch das in Ordnung so und sogar noch wichtiger als die Armenfürsorge, denn noch ist die Zeit, in der der Bräutigam in ihrer Mitte ist - gerade noch. Und angesichts dieses „gerade noch“ verhält sie sich ganz korrekt: Angesichts Jesu bevorstehendem Tod wird ihre „Verschwendung“ richtig und wichtig und die Frau erweist sich als fähig zur Erkenntnis des kairos, des „richtigen Zeitpunkts“ (Barton 1991, S. 233; ähnlich Story 2009, S. 20).
Die Rahmung durch die Vv. 1f.10f. betont dann noch einen weiteren Aspekt: Nicht nur verhält sich die Frau hier ganz korrekt - sie tut dies auch noch im völligen Kontrast zu den religiösen Eliten (Vv. 1f) und zu Judas, „einem der Zwölf“ca (Vv. 10f.) und wird auf diese Weise dargestellt als „Paradigma wahrer Nachfolge“ (Schüssler Fiorenza 1988, S. 393; vgl. auch Beavis 1988, S. 8; Miller 2002, S. 186). Sie ist eine, die im rechten Moment die Zeichen der Zeit richtig deutet und daher alles auf eine Karte setzt, indem sie eine riesige Summe ihres Geldes auf die Parfumierung Jesu „verschwendet“ (im Gegensatz zu Judas, der für seine falsche Tat sogar Geld kassiert).


Die Betonung des Timings in der vorangehenden Perikope erlaubt Markus gleich noch einen Seitenhieb auf Hohepriester, Schriftgelehrte und Judas: Ganz entgegen ihren Absichten werden sie Jesus eben doch an einem Fest gefangennehmen: Am Paschafest, einem der höchsten Feiertage im Judentum. Die Funktion von Vv. 12-16 ist es dabei vermutlich, den Grund für dieses Scheitern aufzuzeigen: Jesus plant zu geschickt und hat sich einen Plan erdacht, wie er sich den Autoritäten entziehen kann, bis er mit seinen Jüngern noch das Letzte Abendmahl gefeiert hat, und Absprachen mit einem Jerusalemer Hausbesitzer getroffen. Erst während dem Schlachten des Lamms im Tempelbezirk gibt er daher zweien seiner Jünger den Ort des Abendmahl bekannt - mehr oder weniger jedenfalls: Sie sollen in die Stadt gehen, wo sie bereits von einem Wasserträger erwartet werden werden (V. 13), dem sie fraglos zu jenem Haus folgen sollen, in „welches auch immer“ er hineingehen wird (V. 14). Dem Herrn dieses Hauses müssen sie dann auch noch zunächst ein Passwort geben („Der Lehrer fragt etc.“, V. 14) - und erst dann können sie das Mahl vorbereiten (so gut ausgelegt von Evans 2001, S. 374).


Vv. 17-21 handeln vom Verrat des Judas; hier soll noch einmal die Schwere seines Verrats unterstrichen werden: Erstens durch die sogar doppelte redundante Formulierung in Vv. 18.20 („Einer von euch“ + „der mit mir isst“; „einer der Zwölf“ + „der mit mir in die Schüssel tunkt“) - der Verrat wird von einem aus dem engsten Freundeskreis Jesu begangen -; zweitens durch die auffällige Formulierung von V. 21 („Der Menschensohn geht... Wehe dem Menschen, durch den der Menschensohn ausgeliefert wird! Es wäre besser für ihn, wenn jener Mensch niemals geboren wäre!“) - ein gewöhnlicher Mensch vergeht sich hier am „Menschensohn“. Völlig einleuchtend ist daher das Drohwort in V. 21, dessen Logik zu sein scheint: Es ist zwar der Wille Gottes, dass der Menschensohn stirbt („wie geschrieben steht“, s. FN ai)cb und Judas ist so nicht mehr als sein Werkzeug - aber dennoch: Ob der Schwere seines Vergehens trifft ihn so große Schuld, dass er besser niemals geboren worden wäre.
En passant erreicht auch die bei Markus übliche negative Darstellung der Jünger ihren Höhepunkt: Das „doch nicht etwa ich?“ muss sicher so verstanden werden, dass keiner der Jünger sich wirklich sicher ist, ob nicht er es ist, der den Menschensohn ausliefern wird - „jeder der Mahlteilnehmer ist sozusagen potentiell ein Judas“ (Weidemann 2013, S. 79).


Vv. 22-25: Wegen der Zentralität dieser Verse im Christentum und auch, weil sich in der Erforschung dieser Stelle in den letzten Jahren einiges getan hat, sind hier etwas längere Anmerkungen angebracht. Neu ist in der Forschung (1) die Erkenntnis, dass es zur Zeit Jesu sehr wahrscheinlich noch überhaupt keine Pascha-„liturgie“ gab, die während des Paschamahl abgehalten wurde (vgl. z.B. Kulp 2005 und die dort gesammelte Literatur; auch Schlund 2005, S. 398f). Neu ist (2) die Erkenntnis, dass man für die Zeit Jesu nicht zwischen jüdischer und griechischer Mahlkultur trennen darf, da die jüdische Kultur insgesamt eine hellenistische Kultur war. Daher: „Die Eucharistie war nicht wie ein Gastmahl - sie war ein Gastmahl.“ (McGowan 2010, S. 186). Schließlich ist (3) die Erkenntnis neu, dass die sogenannten „Einsetzungsworte“ sehr wahrscheinlich nicht als „Einsetzungsworte“ aufgefasst wurden: In den ersten zwei Jahrhunderten wurden sie im Gottesdienst überhaupt nicht zitiert.cc Gelegentlich wurde daher der Alternativbegriff „Gabeworte“ vorgeschlagen, den wir daher auch hier verwenden werden.
Den Ablauf des Letzten Abendmahls, das Mk hier als Paschamahl schildert (s. dazu den Exkurs zur Zeitrechnung), haben wir uns also als ein etwas ausgebautes hellenistisches Gastmahl vorzustellen: Es begann mit einer im Sitzen eingenommenen Vorspeiße, nach der sich die Tischgesellschaft geschlossen in den Speißesaal begab, wo der „Vorsitzende“ der Gesellschaft wie üblich im Judentum die Mahlzeit eröffnete, indem er ein Gebet (dazu s. FN aj) über dem Brot sprach, dieses brach und an die ganze Gesellschaft weiterreichte. Darauf folgte die im Liegen eingenommene Hauptmahlzeit, die sich von einem Gastmahl wohl hauptsächlich darin unterschied, dass auch das zuvor geschlachtete Lamm, Bitterkräuter und ungesäuerte Brote aufgetischt wurden (vgl. Kulp 2005, S. 112).cd Im Anschluss folgte ein Gebet über dem Wein, woraufhin normalerweise jeder für sich aus seinem eigenen Becher getrunken hätte, doch s. gleich. Darauf hätte normalerweise noch ein längerer Umtrunk gefolgt, der bei Jesus jedoch weggefallen zu sein scheint. Markus oder seine Quelle haben diese Reihenfolge außerdem abgewandelt, indem sie offenbar die Brothandlung an den Schluss der Hauptmahlzeit vor die Becherhandlung verschoben hat - vermutlich, weil dies die Struktur des Abendmahls in seiner Gemeinde war (s. FN ab).

Ein paar Worte noch zur Becherhandlung. Wir folgen hier einem Deutungsvorschlag von Klinghardt 2012; Klinghardt 2012b und Heilmann/Wick 2013, der so neu ist, dass er in noch keinem Kommentar berücksichtigt wurde, aber viel zum Verständnis des Abendmahls beitragen kann. Wie die Becherhandlung gewöhnlicherweise abgelaufen wäre, haben wir eben gesehen. Jesus weicht von diesem Usus ab, indem er seinen Becher an die Jünger weitergibt. Weiterhin ist aber auszugehen von Lk 22,20: Das Partizip ausgegossen steht dort im Nominativ und kann sich daher nicht auf das Blut beziehen (das im Dativ steht), sondern muss sich auf den Becher beziehen. Nach Lukas Darstellung reicht Jesus also nicht nur seinen Becher an seine Jünger weiter, sondern leert zuvor auch noch einen Teil des Weines aus. Wenn wir nicht von vornherein davon ausgehen wollen, dass Lukas hier grammatisch falsch formuliert hätte oder dass Lukas von einer anderen Becherhandlung ausgeht als Markus und Matthäus, müssen wir zunächst einmal davon ausgehen, dass hinter dem ausgegossen in Mk und Mt die selbe Vorstellung steht.
Beide Handlungen sind (abgesehen von einem möglichen Beleg für das Ausleeren in 4 Makk 3,16) für den jüdischen Kulturraum nicht belegt, sind aber gewöhnliche Bräuche beim hellenistischen Gastmahl: Die „Libation“ und der „geweihte Becher“. Bei der Libation weiht der Vorsitzende des Gastmahls seinen Becher einem Gott, opfert ihm dann einen Teil des Inhalts, indem er ihn auf den Boden oder in den Herd gießt, und trinkt den Rest; die übrigen Gäste folgen seinem Beispiel. Der geweihte Becher dagegen wird nicht geleert, sondern von einem Gast zum nächsten weitergereicht, damit jeder einen Schluck davon nehmen kann.ce Manchmal wurden diese beiden Bräuche wohl auch miteinander kombiniert (vgl. z.B. Smith 2002, S. 30; Tolles 1943, S. 86f), und eine solche Kombination haben wir uns auch für das Letzte Abendmahl zu denken.
Wichtig ist dann die Bedeutung der Handlung am Brot einerseits und der Doppelhandlung am Becher andererseits. Sinn des Teilens und Essens des „be-beteten“ Brotes ist unter anderem die Vermittlung von „Anteil an der fürsorgenden Güte Gottes [... und] die Gemeinschaft miteinander [...] vor Gott und unter seinem Segen“ (Hofius 2000, S. 284). Das selbe gilt für den Doppelbrauch von Libation und geweihtem Becher: Von beiden Bräuchen erhoffte man sich - sozusagen im Gegenzug für das Weinopfer - eine Segnung. Durch die Libation, bei der aus dem selben Kelch das Opfer vorgenommen und getrunken wurde, wurde außerdem im Trinken eine Gemeinschaft zwischen dem einzelnen Trinker und der Gottheit hergestellt; durch das Kreisen des geweihten Bechers die Gemeinschaft untereinander vor der Gottheit, der der Becher geweiht war (vgl. Tolles 1943, S. 108-111). Beide Handlungen haben den selben Sinn: Hinwendung zu Gott und Vermittlung von Gottes Segen einerseits; Herstellung von Gemeinschaft mit Gott und untereinander andererseits.cf

Während dieser Handlungen spricht Jesus also seine Gabeworte. „Dies ist mein Leib“, sagt er, und: „Dies ist mein Blut“. Das „dies“ bezieht sich wahrscheinlich auf die Gaben selbst; nicht auf die Handlungen (s. FN al) - aber die Handlungen spielen auf jeden Fall mit hinein: „Dies ist mein Leib“ spricht Jesus über dem gebrochenen, zu verspeißenden und segensvermittelnden Brot; „dies ist mein Blut“ über dem vergossenen, zu trinkenden und segensvermittelnden Wein.
soma, „Leib“, ist ein sogenannter „anthropologischer Ganzheitsbegriff“, der nicht wie im Deutschen nur auf den „Körper“ bezogen werden darf. „Dies ist mein Leib“ meint: „Dieses Brot bin ich selbst. Das bin ich mit meiner Geschichte und meinem Leben“ (Lohfink 2011, S. 360). Dieses sein „Selbst, seine Geschichte und sein Leben“ deutet Jesus mithilfe des segensvermittelnden Brotes, das er dann an seine Jünger verteilt, und macht dieses so zum Symbol für seine „Proexistenz“. Ähnlich beim „vergossenen Blut“, das sich klar auf Jesu bevorstehenden Tod bezieht: Jesus deutet seinen Tod mithilfe des segensvermittelnden Weines, den er dann ebenfalls an seine Jünger verteilt, und macht diesen so zum Symbol für Jesu „Pro-exitus“, wie man entsprechend formulieren könnte. Diese „Pro“-Bedeutung wird bei Markus noch zusätzlich unterstrichen durch das „für viele“. „Dies ist mein Leib“ und „dies ist mein Blut“ meint: Ich habe für euch und für viele gelebt und werde für euch und für viele sterben.


bZu den Zeitangaben s. den Exkurs zur Zeitrechnung. Das „Pascha“ war die jährliche jüdische Feier des Auszugs aus Ägypten (vgl. näher Passa (AT) (WiBiLex), zur heutigen Gestalt des Paschafestes gut Böckler 2006: Das Geburtstagsfest des Volkes), das „Fest der ungesäuerten Brote“ ursprünglich ein Frühlingsfest, das direkt an das Paschafest anschloss, eine Woche dauerte und für das charakteristisch war, dass man während dieser Zeit nur Brot ohne Sauerteig (eine Art Hefe) essen durfte (vgl. näher Mazzen / Mazzotfest (WiBiLex). (Zurück zu v.1)
cdie Hohepriester und die Schriftgelehrten - „Die Hohepriester“ sind die Priester unter den Mitgliedern des Sanhedrins (=die höchste jüdische Gerichtsinstanz). Die Bezeichnung „die Hohepriester“ fungiert daher im NT oft als Wechselbegriff für den Jerusalemer Sanhedrin selbst; v.a., wenn sie - wie hier - zusammen mit den „Schriftgelehrten“ oder auch den „Ältesten“ oder den „Pharisäern“ genannt werden. (Zurück zu v.1)
doder: vor den Festgängern – so Jeremias 1960, S. 65-67; dagegen aber z.B. gut Marcus 2009, S. 933. (Zurück zu v.2)
eDa das Pascha-Lamm zu Jesu Zeit nur im Tempel geschlachtet werden und das Pascha-Fest nur in Jerusalem gefeiert werden durfte, war Jerusalem um diese Zeit von gläubigen Juden überfüllt. Es sind einige Tumulte überliefert, die während der Festzeit wegen dieser Pilgermassen ausgebrochen sind; die Sorge der Hohepriester ist also erklärlich. (Zurück zu v.2)
fSimons des Leprakranken - Die Identität dieses Simon ist ungeklärt. Das biblische „Lepra“ meint nicht die selbe Krankheit wie unser heutiges Wort „Lepra“. Ob eine bestimmte andere Krankheit damit gemeint war oder ob der Begriff eine Sammelbezeichnung für verschiedene Hautkrankheiten war, ist ebenfalls noch unklar. Entscheidend ist aber ohnehin nicht, welche Krankheit genau gemeint ist, sondern die Tatsache, dass derartige Hautkrankheiten den Kranken „unrein“ machten und der Aufenthalt Jesu in seinem Haus klar den Normen seiner Zeit widerspricht (vgl. z.B. van Iersel 1998, S. 416; Marcus 2009, S. 933). Jesu Feiern im Haus von Leprösen liegt also auf einer Linie mit seinem Feiern mit Zöllnern und Sündern. (Zurück zu v.3)
g[bei Tisch] lag – in besonders wohlhabenden Haushalten pflegte man zur Zeit Jesu zu speisen, indem man sich um einen niedrigen Tisch herum auf Liegen niederlegte, mit einem Arm abstützte und mit dem anderen aß. (Zurück zu v.3)
hKeiner der drei Synoptiker identifiziert diese Frau. Johannes dagegen berichtet, es sei Maria, die Schwester Marthas, gewesen, verortet aber auch die ganze Szene in das Haus der beiden Schwestern. Ephräm der Syrer war es, der die namenlose Frau im 4. Jh. mit Maria Magdalena und gleichzeitig mit Maria, der Schwester Marthas, gleichgesetzt hat. Papst Gregor I baut das 591 noch weiter aus und identifiziert auch ihre Sünde: Sie ist eine Prostituierte.
Für keines von beidem gibt es einen Anhaltspunkt in den biblischen Texten; dennoch ist es diese Vorstellung - die von der Prostituierten Maria Magdalena, die Jesus reuig mit Öl einreibt - die den meisten Christen beim Lesen der Szene so präsent ist, dass die katholische Kirche es 1969 anlässlich einer Kalenderreform für nötig hielt, sie offiziell für falsch zu erklären. (Zurück zu v.3)
iAlabastergefäß voll kostbarem, reinem Nardenparfums - W.: „Ein Alabastergefäß des Parfums der Narde der pistikäs des Werts“; die Reihung von vier Genitiven soll auch stilistisch die exorbitante Kostbarkeit des Parfums zum Ausdruck bringen (France 2002, S. 551).
Die Bedeutung von pistikäs ist umstritten. Am verbreitetsten sind die Deutungen, (1) dass „Narde der pistikäs“ der Ausdruck für die Behennuß/Pistazie sei (so schon Lightfoot 1859, S. 446; z.B. auch Black 1967, S. 224; Cranfield 1959, S. 45; Gnilka 1979, S. 221) -> „Pistazienparfum“, und (2), dass das Wort pistikäs von pistis („Treue“) abzuleiten sei (so schon Theophylakt, vgl. Lücking 1993, S. 50; z.B. auch Evans 2001, S. 360; Gundry 2000, S. 812; Spicq 1978b, S. 696) -> „Parfum aus echter Narde / echtes/reines Nardenparfum“.
Daneben lassen sich noch viele weitere Deutungen finden; weil eine Lösung der Frage nicht in Aussicht liegt, wählen wir Deutung (2), da sie häufiger in Üss. gewählt wird. (Zurück zu v.3)
jzerbrochen hatte - Häufig liest man in der Exegese, Alabastergefäße wären so hergestellt worden, dass man sie aufbrechen musste, um an den Inhalt zu kommen. Das ist nicht sehr wahrscheinlich; erstens musste der Inhalt ja auch irgendwie in die Gefäße gelangen (so auch France 2002, S. 552); zweitens war Alabaster nicht billig, so dass eine solche Verfertigungsweise recht merkwürdig gewesen wäre, drittens weisen die archäologischen Funde von Alabastergefäßen nicht in die Richtung, dass sie so verfertigt worden wären (so auch Marcus 2009, S. 934; einige Beispiele lassen sich hier betrachten). Vermutlich soll also auch das Zerbrechen nur noch zusätzlich die Verschwendung der Frau unterstreichen: Nicht nur braucht sie die ganze Menge ihres sehr teuren Parfums auf, sondern auch das ebenfalls teure Gefäß macht sie damit unbrauchbar (vgl. Klostermann 1950, S. 142f: „Wenn das Zerbrechen des Flaschenhalses bei der Vewendung nicht einfach das Übliche ist (Billerbeck II 48 f.), so will die Frau in überschwenglicher Verehrung von dem Salböl nichts zurückbehalten, vielleicht auch eine weiter Verwendung des Fläschchens nach diesem Gebrauch unmöglich machen.“). (Zurück zu v.3)
k300 Denare - Mehr als das Jahreseinkommen eines durchschnittlichen Arbeiters. M. Pea 8,8 nennt 200 Denare als jährliches Existenzminimum (vgl. Dschulnigg 2007, S. 357; s. die Üs. bei Open Mishnah); umgerechnet auf heutige Verhältnisse hätte das Parfum also (laut dt. Steuersystem) einen Wert von fast 13.000 €. (Zurück zu v.5)
lMan hätte dieses Parfum verkaufen können - W. „Dieses Salböl konnte verkauft werden.“ (Zurück zu v.5)
mWas macht ihr ihr Beschwerden? – Gr. Idiom, die Bed. ist etwa „Was lasst ihr sie nicht in Frieden?“ (s. noch Lk 11,7; 18,5; Gal 6,17). (Zurück zu v.6)
ngutes Werk - kalon ergon, wie im Dt. ein Terminus technicus für Wohltätigkeit. Im Judentum wurden auch gute Taten an Toten zu solchen „guten Werken“ gerechnet; schon hier wird also auf V. 8 vorausverwiesen (vgl. z.B. Dschulnigg 2007, S. 357). (Zurück zu v.6)
ound - W. „denn“; der Satz ist die Rechtfertigung dafür, warum es in Ordnung ist, etwas Gutes an Jesus zu tun, wenn dies gleichzeitig verhindert, etwas Gutes für die Armen zu tun. (Zurück zu v.7)
pTextkritik: (immer) - so viele Handschriften. Ob dies dritte immer aus stilistischen Gründen zum Urtext hinzugefügt wurde (=> Symmetrie) oder aus dem Urtext gestrichen wurde (=> redundante Wortwdh.), lässt sich nicht entscheiden. Die überwältigende Mehrheit übersetzt es nicht. Sinnvoll wäre es im Kontext allemal: Das Entscheidende an dieser Aussage Jesu ist, dass der aktuelle Zeitpunkt eine absolute Ausnahmesituation ist (s. Anmerkungen). (Zurück zu v.7)
qkonnte (hatte) - W. „Was sie hatte“, hier (wie auch sonst manchmal) i.S.v. „vermögen, können“. Mit dieser Wortwahl soll vermutlich angespielt werden auf Jesu Aussage über das letzte Scherflein der Witwe in Mk 12,44: Mk 13 - die Markus-apokalypse - wird gerahmt von zwei Erzählungen von Frauen, die paradigmatisch für den richtigen Gebrauch von Geld (am Ende der Zeit) sind (vgl. z.B. van Iersel 1998, S. 417; Marcus 2009, S. 941). (Zurück zu v.8)
reinzubalsamieren - Hier wird das Verb myrizo statt chrio („salben“) verwendet. Viele denken, die Parfumierung der Frau habe auf einer zweiten Bedeutungsebene den Sinn, dass Jesus hier zum Messias gesalbt werden sollte (wie z.B. David in 1 Sam 16,13; so z.B. Guijarro/Rodriguez 2011; Park 2012). Doch dafür wäre sehr wahrscheinlich eben chrio statt katacheo („herabgießen“) und murizo („einbalsamieren“) verwendet worden (Marcus 2009, S. 396; vgl. ähnlich Lücking 1993, S. 110) und außerdem wohl elaion („Öl“) statt muron („Parfum“). Aus diesem Grund muss man die Salbung zunächst wohl doch „nur“ als „schlichte Wohltat beim Mahl“ verstehen (vgl. Ps 23,5; Jos.Ant 19,239: „[...Er] erschien [...] dort mit gesalbtem Haar, als käme er von einem Trinkgelage [...].“) - und was sie auf der tieferen Ebene bedeutet, sagt Jesus in diesem Vers ja selbst. (Zurück zu v.8)
sAmen, ich sage euch - ein sog. „nicht-responsorisches Amen“: Durch „Amen, ich sage euch“ eingeleitete Sätze finden sich in der Bibel ausschließlich bei Jesus und dienen v.a. dazu, den folgenden Satz zu markieren als ein(e) mit Vollmacht geäußerte(s) Voraussage / Urteil (BB: „Damit verbürgt er sich dafür, dass seine Worte wahr sind und Gültigkeit haben.“). In V. 25 außerdem verstärkt durch die Konstruktion ou me + Aorist; die stärkstmögliche Verneinung zukünftiger Geschehnisse im Griechischen. Am sinnvollsten übersetzt daher Zink: „Was ich sage, ist wahr: ...“ (Zurück zu v.9 / zu v.18 / zu v.25 / zu v.30)
tdieses Evangelium – „Evangelium“ ist hier noch keine Gattungsbezeichnung für eine Textsorte, sondern ein stehender Begriff für die frohe (!) Botschaft über Leiden und Tod Jesu, die die Kirche in der ganzen Welt verkündigen muss (zur Stelle vgl. gut Schillebeeckx 1975, S. 97). „Dieses Evangelium“ bezieht sich also zurück auf das, was durch das „Sie hat es vorweggenommen, mich für mein Begräbnis einzubalsamieren“ angesprochen ist, nämlich den Tod Jesu - und dieser ist eine „frohe Botschaft“.
Richtig daher die Paraphrase von Zink: „Wo immer Menschen einander sagen werden, daß ich starb, um der Welt das Leben zu schenken, da wird man erwähnen, was sie eben getan hat.“ (Zurück zu v.9)
uzur rechten Zeit - sehr oft: „bei günstiger Gelegenheit“. Im Gr. steht hier aber eukairos, die „gute rechte-Zeit“, und da sowohl in Vv. 1f. als auch Vv. 3-9 die Zeit das Thema ist, liegt eine andere Übersetzung als „zur rechten Zeit“ sehr fern. Richtig daher MSG: „He started looking for just the right moment to hand im over“. (Zurück zu v.11)
vZur Zeitangabe s. den Exkurs zur Zeitrechnung. (Zurück zu v.12)
wals sie das Pascha[lamm] opferten (an dem man das Pascha[lamm] zu opfern pflegte) (V. 12) + Geht in die Stadt - Weil das Verb ethuon sich sowohl personal („als sie (sc. die Jünger) opferten“) als auch impersonal („an welchem man zu opfern pflegte“) deuten lässt, lassen sich zwei mögliche Situationen der Perikope rekonstruieren: (1) Jesus und seine Jünger sind gerade im Tempelbezirk, wo nach Vorschrift Jesus als der Vorsteher des Paschamahls das Lamm schlachtet, das dann am Abend verspeist werden wird. In dieser Situation fragen die Jünger Jesus, wo sie das Mahl vorbereiten sollen, und er gibt ihnen daher die Anweisung, [aus dem Tempelbezirk hinaus] in die Stadt zu gehen. (2) Jesus und seine Jünger befinden sich zum Zeitpunkt, zu dem „man“ üblicherweise das Paschalamm schlachtet, noch in Bethanien oder auf dem Weg von Bethanien nach Jerusalem, als die Jünger Jesus ihre Frage stellen, und also weist er sie an, [von Bethanien/vom Weg aus] in die Stadt zu gehen.
Nach V. 15 ist der Speisesaal bereits vorbereitet, weshalb der größte Teil der noch zu leistenden Vorbereitungen im Braten des Lammes besteht. Weil nach Sitte Jesus es war, der dieses Lamm zu schlachten hatte, würde Rekonstruktion (2) bedeuten, dass Jesus die Jünger ohne ein Lamm zum Kochen schickt. Das macht nicht viel Sinn; wahrscheinlicher ist daher Rekonstruktion (1). So z.B. auch Casey 2004, S. 203f.; Evans 2001, S. 373. Für Rekonstuktion (2) dagegen z.B. France 2002, S. 564; Gundry 2000, S. 820; Marcus 2009, S. 944. (Zurück zu v.12)
xHistorisches Präsens. (Zurück zu v.12 / zu v.13 / zu v.17 / zu v.27 / zu v.30 / zu v.32 / zu v.33 / zu v.34 / zu v.37 / zu v.41 / zu v.43 / zu v.45 / zu v.53 / zu v.63 / zu v.66 / zu v.67)
yzwei seiner Jünger - Offenbar keine Mitglieder des Zwölferkreises, s. V. 17. Für das Abendmahl muss dann die Anwesenheit von noch mehr Gästen als nur Jesus und dem Zwölferkreis vorausgesetzt werden (so auch Casey 2004, S. 227f.; Evans 2001, S. 374), und aus diesem Grund muss in V. 15 die Größe des Oberzimmers betont werden. Casey und Evans setzen außerdem die Anwesenheit von Frauen als Selbstverständlichkeit voraus - der Text selbst jedenfalls schweigt sich darüber aus. Vgl. auch Heininger 2005, S. 12 zu Mk 15,40f: Wo sonst blieben die „vielen Frauen“, die Jesus nach Jerusalem gefolgt waren? (Zurück zu v.13)
zauf euch zutreten - nicht: „Ihr werdet treffen“ (so viele Üss.), LSJ S. 178: „move from a place to meet a person“ - die Initiative liegt beim Wasserträger. S. die Anmerkungen. (Zurück zu v.13)
aaDa man zu Jesu Zeit das Paschamahl in Jerusalem zu sich nehmen sollte (s. FN d), war es üblich, die Gastfreundlichkeit von Einheimischen in Anspruch zu nehmen und das Paschamahl in deren Haus zu sich zu nehmen. (Zurück zu v.14)
abvorbereitet ... dort bereitet vor - nämlich Möblierung etc. ist vorbereitet, das Essen aber noch nicht (vgl. z.B. Evans 2001, S. 375). (Zurück zu v.15)
ac[bei Tisch] lagen - S. FN f: Jesus feiert sein Letztes Abendmahl nach dem Muster eines Abendmahls wohlhabender Menschen. Das Liegen ist nicht auf das Datum zurückzuführen, s. die Anmerkungen. (Zurück zu v.18)
adWährend sie [bei Tisch] lagen und aßen (Als sie sich zu Tisch legen und essen wollten) (V. 18) + Und als er bei ihrem Essen ein Brot genommen und [Gott] gedankt hatte (V. 22) - Zu Jesu Zeit liefen ein griechisches Gastmahl, ein jüdisches Festmahl und später auch ein Passamahl alle nach dem selben Muster ab: Nach einer im Sitzen eingenommenen Vorspeiße ging man in den Speißesaal, um dort im Liegen den Hauptgang einzunehmen, an den sich danach noch ein längerer Umtrunk anschloss. Das Gebet über dem Brot und das Brotbrechen leitete den Hauptgang ein, das Gebet über dem Kelch war die Brücke zwischen Hauptgang und Umtrunk. Diese Abfolge müssen wir uns auch für das Letzte Abendmahl denken (Lk 22,20; 1 Kor 11,25: „Der Becher nach dem Essen“). (Zurück zu v.18 / zu v.22)
aeder mit mir isst - Vermutlich ein Zitat von Ps 41,9, wo ein unschuldig Leidender sich darüber beklagt, dass seine Feinde ihn töten wollten und auch sein Freund, dem er vertraute und der mit ihm Brot aß, ihn verderben wolle. Das Präsens ist daher besser gnomisch zu verstehen: Nicht „einer, der aktuell mit uns am Tisch sitzt“, sondern „einer meiner üblichen Tischgenossen“.
Miteinander zu essen, Tisch und Schüssel zu teilen (s. V. 20), ist ein Symbol für Freundschaft und Verbundenheit; dass es „einer von euch“ ist, „einer der Zwölf“, „einer, der mit mir isst“ und „einer, der mit mir in die selbe Schüssel tunkt“, macht den Verrat noch verwerflicher, als er ohnehin schon ist.
Zur Verwendung des Artikels vgl. Zerwick §192. (Zurück zu v.18)
afausliefern - Leitwort im Mk-Evangelium; stets im Sinne von „feindlichen Institutionen ausliefern“ verwendet (s. Mk 9,31; 10,33; 13,9.11f; 14,11.21.42.44; 15,1.10.15). Vermutlich auf die Verfolgungssituation der ursprünglichen Leser des Markus zurückzuführen, in der Jesusanhänger dazu gezwungen wurden, andere Christen an die Behörden auszuliefern - die Botschaft ist dann die: Auch Jesus und seine Jünger haben schon dieses Schicksal mit euch geteilt. (Zurück zu v.18)
agTextkritik: die (eine) - Einige Handschriften haben hier ein zusätzliches „eine“. Ob die Handschriften damit den Ausdruck verschärfen („in die selbe Schüssel“) und an die vorigen „eins, eine“ („einer von euch...“, „einer nach dem anderen...“, „einer der Zwölf...“) anpassen oder aus stilistischen Gründen wegen derselben „eins, eine“ dieses vierte „eine“ streichen wollten, lässt sich nicht entscheiden (so auch Wilckens 2014). Tendenziell für den längeren Text sprechen sich z.B. Cranfield 1959, S. 424; Gundry 2000, S. 837 und Marcus 2009, S. 950 aus; so auch H-R; . Die meisten Üs. aber übersetzen den kürzeren Text, so daher auch wir. (Zurück zu v.20)
ahin die Schüssel tunkt - der Satz meint das selbe wie das vorige „der mit mir isst“: „Einer meiner (üblichen) Tischgenossen“. Zum Eintunken von Speißen in eine Schüssel s. z.B. Rut 2,14; nicht gemeint ist hier Charoset (das Fruchtmus, das zu den vorgeschriebenen Speißen eines Passaseders gehört); auch dieses wurde vermutlich erst einige Jahrzehnte nach Jesu Tod eingeführt (s. Anmerkungen und vgl. Kulp 2005, S. 113). (Zurück zu v.20)
aiMenschensohn - Ein weiteres Leitwort bei Markus. Außer in Mk 2,10.28 verwendet Jesus dieses „biographische Ich-Idiom“ (Schenk 1997) ausschließlich, wenn er von seiner Rolle in Gottes Heilsplan spricht, also der, dass er - der Menschensohn - von den Menschen verworfen, ausgeliefert und getötet werden müsse, dann aber in großer Macht und Herrlichkeit wiederkehren werde. Vgl. besonders gut Danove 2003, S. 23-25. (Zurück zu v.21)
ajgeht - In jüd. Schriften verbreiteter Euphemismus für „Sterben“ (vgl. gut z.B. Marcus 2009, S. 951). Bes. häufig bei Joh zu finden, s. z.B. Joh 7,33; 8,21f; 13,3. (Zurück zu v.21)
akwie geschrieben steht - Übliche Formel, um auszudrücken, dass etwas den Prophezeiungen des AT und damit dem Willen Gottes, der sich aus diesen Prophezeiungen herauslesen lässt, entspricht (vgl. z.B. Donner 1994); bei Mk s.. z.B. noch Mk 1,2; 9,12f; 11,17; 14,27. Auf welche Stelle unser Vers sich bezieht, ist aber (wie öfters) ungewiss. (Zurück zu v.21)
al[Gott] gedankt - Nicht: „[das Brot] gesegnet“. Nach späteren rabbinischen Texten betete man vor dem Hauptgang über dem Brot und nach dem Hauptgang über dem Wein eine sogenannte Berakah; über dem Brot z.B.: „[Gepriesen bist du, Herr unser Gott, König des Alls], der du das Brot der Erde hervorbringst“ (m.Ber. 6,1). Ein ähnliches Gebet müssen wir uns auch bei Jesus denken; die Didache z.B. empfiehlt daher als Eucharistiegebet eine „christianisierte“ Form einer solchen Berakah: „Wir danken dir, unser Vater, für das Leben und die Erkenntnis, die du uns kundgetan hast durch Jesus, deinen Knecht. Dir sei die Herrlichkeit in Ewigkeit!“ (Did 9,3). Dass Lk 22,19 und 1 Kor 11,24 statt hier „danken“ statt „segnen“ stehen haben, ist nicht bedeutsam; eine Berakah ist ein Dankgebet und „Gepriesen bist du, der du / denn du...“ meint nur „Danke dafür, dass...“. (Zurück zu v.22)
amnachdem er [Gott] gepriesen hatte, brach er [es] - Die üblichen jüdischen Gesten zur Eröffnung einer Hauptmahlzeit (vgl. z.B. gut Hofius 1988, S. 379). Markus scheint diese Handlung ans Ende der Hauptmahlzeit verschoben zu haben (s. dazu FN ab). (Zurück zu v.22)
antFN: dies - Immer wieder wiederholt worden ist in letzter Zeit die Analyse von Luz, das Neutrum „dies“ könne sich nicht auf das Maskulinum „Brot“ beziehen und müsse daher die Handlung des Brotbrechens und -verteilens meinen (so z.B. Heininger 2005, S. 44; Niemand 2002, S. 97; Luz 2002, S. 4f; Schröter 2006, S. 128; Trummer 2001, S. 136f). Das ist falsch. Im Griechischen richten sich Demonstrativpronomen sogar häufiger im Genus nach der Subjektsergänzung (hier also das Neutrum „Leib“) als nicht (vgl. HvS §263e; z.St. auch Söding 2002, S. 55; Weidemann 2013, S. 84f). Dass mit „dies“ also nicht das Brot, sondern die Handlung bezeichnet wird, ist grammatisch möglich, aber keinesfalls notwendig und auch nicht sehr wahrscheinlich. (Zurück zu v.22)
aoHierzu s. die Anmerkungen. (Zurück zu v.22)
apBecher (Kelch) - Eher „Becher“ als „Kelch“. Das Wort ist bis vor Kurzem intensiver im anglophonen Sprachraum diskutiert worden, da dort in der kath. Kirche bis zur Revision des Römischen Messbuchs die Übersetzung „cup“ („Becher“) in Gebrauch war, nach der Revision aber durch „chalice“ („Kelch“) abgelöst wurde. Im Griechischen steht hier poterion, womit allgemein Trinkgefäße bezeichnet wurden; die Entsprechung von „Kelch“ wäre tendenziell eher kylix. Das Missale übersetzt dennoch „Kelch“, um so der Übersetzungsentscheidung von Hieronymus in der Vulgata zu folgen (calix). Calix aber wurde zu Hieronymus Zeit allgemein für Trinkgefäße verwendet (daher übersetzt er z.B. auch in Mt 10,42 poterion mit calix, wo klar ein Becher gemeint ist), weshalb auch in der VUL beide Deutungen möglich sind. In den dt. Üss. sind beide Varianten gebräuchlich. (Zurück zu v.23)
aq[Gott] gedankt - hierzu s. FN aj. m.Ber 6,1 empfiehlt als Berakah über dem Weinbecher „[Gepriesen bist du, Herr unser Gott, König des Alls], der du die Frucht des Weinstocks geschaffen hast“; die christianisierte Berakah der Didache lautet „Wir danken dir, unser Vater, für den heiligen Weinstocks Davids, deines Knechtes, den du uns kundgetan hast durch Jesus, deinen Knecht. Dir sei die Herrlichkeit in Ewigkeit!“ (Did 9,2). (Zurück zu v.23)
arHierzu und zum nächsten Vers s. die Anmerkungen (Zurück zu v.23)
asTextkritik: neuen - Nicht wenige Handschriften haben hier ein zusätzliches „neue“ - zweifellos eine Angleichung an Lk 22,20; 1 Kor 11,25 und damit sekundär (so z.B. auch TCNT). (Zurück zu v.24)
atviele - dient vermutlich zum Ausdruck des Zahlenverhältnisses: Einer vergießt sein Blut für viele. S. genauer unten.
Auch dieses Wort wird aktuell sehr heftig diskutiert, daher auch hierzu eine etwas längere Erklärung der Diskussion und zur Rechtfertigung der Übersetzung. Hintergrund der Diskussion ist der, dass in der kath. Liturgie in Deutschland lange Zeit die Formulierung „das für euch und für alle vergossen wird“ gebräuchlich war. In einem Brief der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung von 2006 wurde stattdessen die Übersetzung „für viele“ vorgeschrieben, und vor allem infolge eines Folgebriefes von Benedikt XVI. an die deutschen Bischöfe entbrannte ein heftiger und leider seltenst sachlich geführter Streit, der mittlerweile nur noch oberflächlich etwas mit der Übersetzung selbst zu tun hat.

Beide Parteien berufen sich auf Jes 53,12. Weil auch dort von jemandem die Rede sei, der für die Sünden anderer stirbt und wegen den gemeinsamen Vokabeln „vergossen“ und eben „viele“ sei klar, dass Mk hier die Jes-Stelle zitiert. Die einen leiten daraus ab, dass das „viele“ in Jesaja wie oft im Hebräischen als „alle“ verstanden werden müsse und dass dies demnach auch die Bedeutung des „viele“ bei Mk sei; die anderen erkennen zwar die Bedeutung „alle“ in Jesaja (und meistens auch Markus!) an, fordern aber dennoch eine „wörtliche“ Übersetzung in Mk, damit der Bezug zu Jes erkennbar sei und keine Deutung in die Mk-Übersetzung eingetragen werde.
Beide Argumentationen sind sehr problematisch. Zunächst wurde zu ntl Zeiten nicht der heb. Jes-Text verwendet, sondern entweder die LXX-Übersetzung oder ein Targum. Die LXX-Übersetzung lautet aber nicht „Weil er sein Leben in den Tod ausgegossen hat“, sondern „weil er seine Seele in den Tod auslieferte“, die von TgJ „Weil er sein Leben dem Tod übergab“. Der einzige Bezug im Vokabular ist damit das „viele“, und auf dieser Basis von einem „Zitat“ zu sprechen, geht durchaus nicht an (so z.B. richtig Chilton 1994, S. 87; Dunn 2003, S. 815f.; Schröter 2006, S. 129; übrigens sogar Benedikt, obwohl er im Folgenden dann doch mit dem Jes-Text argumentiert). Sodann motivisch: Der Gottesknecht im Jes-Text wurde im frühen 1. Jahrhundert überhaupt nicht als Paradigma eines Menschen aufgefasst, der die Sünden anderer Menschen auf sich nimmt - weder in jüdischen noch in christlichen Texten. Im NT z.B. wird Jes 52,13-53,12 insgesamt sieben Mal zitiert - und nur im spätesten Text, 1 Pet 2,22-25, ist er Paradigma dieses Motivs (vgl. z.B. Zager 1996, S. 180f). Aus diesem Grund kommen heute immer mehr Wissenschaftler von der Vorstellung ab, dass das Gottesknechtslied ein Vorbild für die ntl Texte gewesen sei (vgl. z.B. Versnel 2005, S. 215 und die dort zusammengetragene Literatur). Und weiter: Gerade, wenn wir dennoch davon ausgingen, dass hier ein Jes-Zitat vorläge, gingen beide Argumentationen am Text vorbei, denn der Zweck des „Viele“ wäre dann wie in Jes nicht die Identifikation einer Zielgruppe der „Leistung“ von Gottesknecht und Jesus, sondern der Ausdruck eines Zahlenverhältnisses: Einer nimmt die Verfehlungen von Vielen auf sich / legt für viele Fürsprache ein / vergießt sein Blut für viele; s. ähnlich z.B. 1 Kor 10,17: „Weil es ein Brot ist, sind wir - wir viele - ein Leib.“ So ist das „viele“ hier wahrscheinlich auch unabhängig von der Jes-Stelle zu verstehen.

Und schließlich: Selbst dann, wenn die Übersetzung „alle“ sich hier ebenso gut rechtfertigen ließe wie „viele“: Nur von den wenigsten Üss. wird sie gewählt (z.B. GN, KAM); daher nach Kriterium 1b auch von uns nicht. Welche Übersetzung die sinnvollste für eine Messliturgie ist, ist natürlich eine andere Frage. (Zurück zu v.24)
auZum Gesamtsinn des Verses s. die Anmerkungen. Die Formulierung lässt sich am leichtesten genetisch erklären. Die Vorstellung, dass ein Mensch „für andere“ sterben könne, stammt ursprünglich aus dem hellenistischen Kulturraum und ist dort gerade in der ntl. Zeit außerordentlich populär (s. bes. das von Versnel 2005 auf S. 230-244 zusammengetragene Material): Zürnte eine Gottheit einer Person/einem Volk/ ..., konnte ein Mensch ersatzweise für diese Person/dieses Volk/... sterben und so die Gottheit beschwichtigen (vgl. gut z.B. Breytenbach 2003). Relativ rein lässt sich dieser Gedanke z.B. auch in den johanneischen Schriften betrachten (s. z.B. Joh 10,11.15; 15,13; 1 Joh 3,16. Bei unserer Stelle ist diese Vorstellung aber verschmolzen mit einer weiteren Vorstellung; diesmal aus dem jüdischen Kulturraum: Wenn Gott einer Person zürnt, liegt das nach jüd. Vorstellung an den Sünden dieser Person, die wie eine Trennwand zwischen die Person und Gott treten. Eingerissen werden muss diese Trennwand durch en Opfer - durch die Darbringung von Opferblut -, dessen Effekt die Errichtung eines „Bundes“ zwischen Gott und dem Opfernden ist (s. Ex 24,8; Sach 9,11; vgl. z.B. Willi-Plein 1993, S. 97f. S. bes. die Variante von Ex 24,8 im etwa zeitgleich zum Mk entstandenen TgO: „Da nahm Mose das Blut und sprengte es auf den Altar, um für das Volk Sühnung zu schaffen...“). Kombiniert lauten die beiden Vorstellungen dann: Jemand, der für jemanden stirbt, wird so zum „Opfer“ für diesen zum Zwecke der Sühnung seiner Sünden (vgl. gut Merklein 1986, S. 71). Diese „Vorstellungskombination“ wird z.B. auch in Joh 1,29; Röm 3,25f und Heb 9,13-15 auf Jesus übertragen; außerhalb des NT findet sich die Vorstellung z.B. auch in 4 Makk 17,21f. und j.Sanh. 11,5. (Zurück zu v.24)
av[von] ihm erneut (ihn als neuen) - Beide Positionen werden in der Forschung vertreten; für die erste z.B. Gundry 2000, S. 834; Marcus 2009, S. 959; für die zweite z.B. France 2002, S. 572; NSS. „Ihn als neuen“ soll dann vom „neuen [Wein]“ sprechen und dieser widerum ein Symbol für das „messianische Bankett“ sein, das nach dem endgültigen Anbruch des Reiches Gottes stattfinden wird. tirosh, „neuer Wein“, ist im AT aber meist als durchaus innerweltliches, aktuell vorhandenes Getränk gedacht und daher schlicht als „Most“ zu übersetzen, und auch syntaktisch ist diese Auflösung ganz unwahrscheinlich. Der Satz ist vielmehr als Todesprophetie aufzufassen: Hiermit trinkt Jesus seinen letzten Becher Wein, doch schon bald - nämlich im Reich Gottes, das Jesus für die näheste Zukunft erwartete - wird er von Neuem mit dem Trinken beginnen. (Zurück zu v.25)
awGemeint sind möglicherweise Ps 115-118 (France, 574) (Zurück zu v.26)
axärgern – Entweder im Sinne von a) "Jesus ablehnen" (so NGÜ, NL, HFA), oder im Sinne von b) "sündigen" (so EU). Im Kontext (v. 30) ist a) wahrscheinlicher. (Zurück zu v.27)
aybevor der Hahn zweimal kräht: Das könnte eine Zeitangabe sein. (Carson: ca. 1:30 Uhr, Brown: vor dem Morgengrauen – Kommentare prüfen!) (Zurück zu v.30)
azdreimal verleugnen: Dies geschieht in V. 72. (Zurück zu v.30)
bastärkstmögliche Verneinung (Zurück zu v.31)
bbMeine Seele ist zu Tode betrübt – d.h. er ist so traurig, dass es sich wie sterben anfühlt (Zurück zu v.34)
bcKelch: Hier ist nicht nur der bevorstehende Tod und das Leiden gemeint (V. 24). Im AT wird dieses Bild für das kommende Gericht Gottes verwendet (Jer 25,15; Hes 23,31-34 uvm.). (Zurück zu v.36)
bdoberste Priester Auf Griechisch ebenfalls „Hohe Priester“. (Zurück zu v.53)
beZÜR, , Menge übersetzen den Aorist kontextgerecht als Plusquamperfekt. (Zurück zu v.54)
bfAufgelöstes „war“+attr. Ptz., das wohl so verstanden werden muss, dass Petrus schon saß - und sich nicht eben erst setzte. Es scheint ein Zeitsprung stattgefunden zu haben. Darum wird der Aor. im ersten Satzteil gelegentlich als Plqpf. übersetzt. (Zurück zu v.54)
bgDa man sich an Licht nicht wärmen kann, steht es hier metonymisch für Feuer (vgl. Louw/Nida 2,5; a.dt.Ü.). (Zurück zu v.54)
bhD.h. „von Menschen/menschlichen Händen“. (Zurück zu v.58)
biZumindest in der uns überlieferten fraglichen Situation in Joh 2,19 sagt Jesus aber nicht, dass er den Tempel abreißen würde, sondern er fordert die jüdischen Führer dazu auf, spielt aber in Wirklichkeit auf seinen eigenen Körper an (2,21-22). Vielleicht stellt diese Verdrehung die gemachte Falschaussage dar. (Zurück zu v.58)
bjSo NSS nach BA. Vgl. a.dt.Ü. (Zurück zu v.60)
bkAttr. Ptz. mit Und-Kombination aufgelöst. (Zurück zu v.60)
bl (Zurück zu v.60)
bmDas hier verwendete Imperfekt drückt eine wiederholte oder fortgesetzte Handlung aus. (Zurück zu v.61)
bnEine jüdische Bezeichnung Gottes, um das Aussprechen eines Gottesnamens oder -titels zu vermeiden (TWNT δύναμις C.I.c). Der Platz an der rechten Seite des Gastgebers gilt im Orient als Ehrenplatz. (Zurück zu v.62)
boDas Reiten auf Wolken war eine Handlung, die im vorderen Orient nur Göttern zugeschrieben wurde. (Zurück zu v.62)
bpAcP. Oder: „werdet ihn sitzen und kommen sehen“. Beide beschriebenen Handlungen stellen Jesus nicht nur als den versprochenen Retter (Messias), sondern auch als göttlich dar. Durch dieses Bekenntnis hat Jesus die falschen Zeugenaussagen unnötig gemacht und den jüdischen Führern einen Beweis gegeben, um ihn wegen Blasphemie anzuklagen, worauf nach dem Gesetz die Todesstrafe stand. (Zurück zu v.62)
bqAls Zeichen des Entsetzens oder der Trauer riss man seine Kleider mit einem Ruck am Kragen ein. Es war vorgeschrieben, wenn man eine Gotteslästerung mitbekam (Mischna, Sanhedrin 7.5; vgl. NSS). (Zurück zu v.63)
brAttr. Ptz. mit Und-Kombination aufgelöst. (Zurück zu v.63)
bsWörtlich „Bedarf haben“, idiomatisch für „brauchen“. (Zurück zu v.63)
btD.h. „schuldig zu sein und den Tod zu verdienen“ (LN 88.313) (Zurück zu v.64)
buAcI. Anders aufgelöst: „Und sie alle urteilten, dass er des Todes schuldig war.“ (Zurück zu v.64)
bvAls Teil der Bedeutung des Verbs ergänzt. (Zurück zu v.65)
bwDie Deutung des Wortes „empfangen“ ist hier nicht ganz klar. Es handelt sich entweder um einen umgangssprachlichen Ausdruck für „schlagen“, oder sie nahmen ihn tatsächlich von den Soldaten in Empfang (NSS). (Zurück zu v.65)
bxgehört zu W. ist von (Zurück zu v.69)
bygehörst zu W. bist von (Zurück zu v.70)
bzandere Handschriften haben zusätzlich: „und du deine Sprache ist ähnlich“ (Zurück zu v.70)
ca... Der Verrat des Judas ist letztlich die höchste Steigerungsform des fortwährenden Jüngerunverständnisses, das das ganze Mk-Evanelium durchzieht. (Zurück zum Text: ca)
cbS. auch die Formulierung „durch den der Menschensohn ausgeliefert wird“ - das gr. Äquivalent von „durch“ drückt nicht den Handelnden selbst aus, sondern das Medium, durch das eine Handlung vollbracht wird (vgl. gut Marcus 2009, S. 952) (Zurück zum Text: cb)
ccMittlerweile sind eine ganze Reihe Eucharistiegebete ohne Einsetzungsworte bekannt: Did 9,5; 10,1-6; AcJoh 85; 109; AcThom 49f; 133; 158; das sog. „Papyrus Strasbourg“ Gk 254; Didask 7,25; die noch heute gebräuchliche Anaphora von Addai und Mari. Das erste überlieferte Eucharistiegebet mit Zitierung der Einsetzungsworte findet sich in der ca. 200-250 n.Chr. entstandenen Traditio Apostolica (4,9f), aber auch dort werden sie noch „nur“ als letzter Abschnitt eines heilsgeschichtlichen Abrisses des Lebens Jesu zitiert und auch aus der Zeit danach finden sich Eucharistiegebete ohne die Einsetzungsworte; z.B. in Cyrill von Jerusalems „Mystischen Katechesen“ aus dem 4. Jh. (vgl. z.B. Baldovin 2013, S. 193f). (Zurück zum Text: cc)
cdDas Singen in V. 26 dagegen ist nichts Besonderes. Bei jedem griechischen Symposium wurden religiöse Lieder gesungen; u.a. z.B. ein die abschließende Becherhandlung (s. u.) begleitender „Paian“. Ein solcher könnte gut auch hier gemeint sein, denn ob zu Jesu Zeit bereits die Psalmen 114/115-118 zum Abschluss des Pascha-Hauptgangs gesungen wurde, wissen wir nicht. (Zurück zum Text: cd)
ceBeim griechischen Gastmahl gingen mehrere solcher geweihter Becher um, die verschiedenen Göttern geweiht waren, und eines der Probleme Pauli mit der Eucharistie der Korinther scheint gewesen zu sein, dass sie den „Jesus-becher“ einfach zusätzlich zu den anderen Gottheiten geweihten Bechern getrunken haben (s. 1 Kor 10,21). (Zurück zum Text: ce)
cfMan beachte, wie sehr schon in der bloßen Handlng die spätere theologische Ausdeutung der Eucharistie vorgezeichnet ist. Vgl. z.B. folgenden Ausschnitt aus dem Eucharistiegebet der Traditio Apostolica: „Seines Todes und seiner Auferstehung eingedenk bringen wir dir das Brot und den Kelch dar. ... Auch bitten wir dich, deinen Heiligen Geist auf die Gaben deiner Kirche herabzusenden. ... Gib allen Heiligen, die sie empfangen, Erfüllung mit Heiligem Geist...“ - Die eucharistischen Gaben werden Gott als Opfer dargebracht; gleichwohl aber konsumiert. Und im Gegenzug sendet Gott seinen Geist auf die Gaben - und über den Umweg des Gabenkonsums auch auf die Gemeinde - herab und schenkt ihnen so durch die „Geist-Erfüllung“ Gemeinschaft mit sich und untereinander. (Zurück zum Text: cf)