K |
|||
Zeile 15: | Zeile 15: | ||
JHWH, mein Gott,<ref>'''Textkritik''' - Die auffällige Aneinanderreihung dreier Gottesbezeichnungen (2x ''JHWH'', 1x ''mein-Gott'') hat in der Textüberlieferung für etwas Verwirrung gesorgt: In einigen heb. Handschriften fehlt eines der beiden ''JHWH'', in einer Handschrift der LXX finden sich drei davon. 11QPs<sup>a</sup> hat statt „mein Gott“ die Variante „unser Gott“, 4QPs<sup>d</sup> die Variante „Gott“. Ursprünglich ist sicher die Variante im Fließtext.</ref> [du bist] ([ist]) sehr groß! | JHWH, mein Gott,<ref>'''Textkritik''' - Die auffällige Aneinanderreihung dreier Gottesbezeichnungen (2x ''JHWH'', 1x ''mein-Gott'') hat in der Textüberlieferung für etwas Verwirrung gesorgt: In einigen heb. Handschriften fehlt eines der beiden ''JHWH'', in einer Handschrift der LXX finden sich drei davon. 11QPs<sup>a</sup> hat statt „mein Gott“ die Variante „unser Gott“, 4QPs<sup>d</sup> die Variante „Gott“. Ursprünglich ist sicher die Variante im Fließtext.</ref> [du bist] ([ist]) sehr groß! | ||
Du bist bekleidet (hast dich bekleidet) mit Majestät und Herrlichkeit (majestätischer Herrlichkeit/Pracht),<ref>''Majestät und Herrlichkeit'' - Zwei häufigere Züge bei der Beschreibung Gottes: „Bei ihm“ ist Majestät und Herrlichkeit und er selbst ist majestätisch und herrlich (vgl. [[1Chronik 16#s27 |1 Chr 16,27]]; [[Psalm 96#s6 |96,6]]; [[Psalm 111#s3 |111,3]]; [[Psalm 145#s5 |145,5]]), daher kann auch einzig er einzelnen Menschen diese Eigenschaften gewähren (vgl. [[Psalm 21#s5 |Ps 21,5]]; [[Psalm 45#s2 |45,2f.]]; sarkastisch in [[Ijob 40#s10 |Ijob 40,10]]). Das zweite Wort, ''hadar'', kann auch konkret den Schmuck bezeichnen; entsprechend ist es auch in [[Ijob 40#s10 |Ijob 40,10]]; [[Sprichwörter 31#s25 |Spr 31,25]]; [[Jesaja 63#s1 |Jes 63,1]]; [[Ezechiel 16#s14 |Ez 16,14]] (vgl. ähnlich [[Psalm 93#s1 |Ps 93,1]]) etwas, womit man sich „kleiden“ kann.</ref> | Du bist bekleidet (hast dich bekleidet) mit Majestät und Herrlichkeit (majestätischer Herrlichkeit/Pracht),<ref>''Majestät und Herrlichkeit'' - Zwei häufigere Züge bei der Beschreibung Gottes: „Bei ihm“ ist Majestät und Herrlichkeit und er selbst ist majestätisch und herrlich (vgl. [[1Chronik 16#s27 |1 Chr 16,27]]; [[Psalm 96#s6 |96,6]]; [[Psalm 111#s3 |111,3]]; [[Psalm 145#s5 |145,5]]), daher kann auch einzig er einzelnen Menschen diese Eigenschaften gewähren (vgl. [[Psalm 21#s5 |Ps 21,5]]; [[Psalm 45#s2 |45,2f.]]; sarkastisch in [[Ijob 40#s10 |Ijob 40,10]]). Das zweite Wort, ''hadar'', kann auch konkret den Schmuck bezeichnen; entsprechend ist es auch in [[Ijob 40#s10 |Ijob 40,10]]; [[Sprichwörter 31#s25 |Spr 31,25]]; [[Jesaja 63#s1 |Jes 63,1]]; [[Ezechiel 16#s14 |Ez 16,14]] (vgl. ähnlich [[Psalm 93#s1 |Ps 93,1]]) etwas, womit man sich „kleiden“ kann.</ref> | ||
− | {{S|2}} _[Bist] mit Licht wie mit einem Mantel umhüllt (verhüllt, ein Eingehüllter),<ref name="Reim1">''Mit Licht umhüllt'' + ''Himmel ausgespannt'' - Binnenreim der beiden Partizipien: '''''`oteh'''-´or'' + '''''noteh''' schamajim''.</ref><ref>''mit Licht umhüllt'' - Ps 104 hat viele Anklänge an die Schöpfungserzählung in [[Genesis 1]]; die Rede vom „sich mit Licht umhüllen“ spielt daher wohl auf die auch dort geschilderte Schöpfung des Lichts an.</ref> {{par|Ijob|36|30}}{{par|Habakuk|3|4}}{{par|Offenbarung|12|1}} | + | {{S|2}} _[Bist] mit Licht wie mit einem Mantel umhüllt (verhüllt, ein Eingehüllter),<ref name="Reim1">''Mit Licht umhüllt'' + ''Himmel ausgespannt'' - Binnenreim der beiden Partizipien: '''''`oteh'''-´or'' + '''''noteh''' schamajim''.</ref><ref>''mit Licht umhüllt'' - Ps 104 hat viele Anklänge an die Schöpfungserzählung in [[Genesis 1]]; die Rede vom „sich mit Licht umhüllen“ spielt daher wohl auf die auch dort geschilderte Schöpfung des Lichts an.</ref> {{par|Ijob|36|30}}{{par|Habakuk|3|4}}{{par|Offenbarung|12|1}}</poem> |
− | [ | + | |
+ | |||
+ | <poem>[Oh, du]<ref name="Partizip">''[Oh, du]'' - rein funktionale Übersetzung: Die folgenden Verben stehen im Partizip und es ist nicht einmal offensichtlich, dass Gott hier tatsächlich ''angesprochen'' ist. Derartige Aneinanderreihungen von Partizipien finden sich aber häufig in hymnischen Psalmen; ihre Funktion ist es, Wesenszüge Gottes aufzuzählen, um ihn damit zu preisen (vgl. z.B. Sebyold 1990, S. 114).</ref> [bists], der den Himmel wie eine Zeltdecke ausspannte<ref>''Himmel wie eine Zeltdecke ausspannte'' - Nach biblischer Vorstellung ist der Himmel ein festes Gebilde (vgl. z.B. [[Ijob 37#s18 |Ijob 37,18]]; [[Ezechiel 1#s22 |Ez 1,22]]), das „ausgebreitet“ oder „ausgespannt“ (vgl. [[Ijob 9#s8 |Ijob 9,8]]; [[Jesaja 42#s5 |42,5]]; [[Jesaja 44#s24 |44,24]]) wurde, um die Wasser über der Erde vom Überfluten der Erde zurückzuhalten (vgl. z.B. [[Ijob 37#s11 |Ijob 37,11]]). Sehr häufig ist er außerdem vorgestellt als die „Wohnstatt Gottes“. Beides wird hier kombiniert zur Vorstellung des Himmels als dem „Zelt Gottes“, das nach seinem ausgespannt-Werden dann in V. 3 noch weiter ausgebaut wird.</ref> (bist ausspannend), <ref name="Reim1" /> {{par|Jesaja|40|22}} | ||
{{S|3}} _[Bist] der, der bälkte (zimmerte) im (mit) Wasser ein Obergemach<ref>''imWasser bälkte'' - D.h. JHWH hat im Himmel sein Obergemach errichtet, indem er ''im'' oder ''mit'' Wasser - nämlich dem, aus dem der Himmel besteht und das vom Firmament davon zurückgehalten wird, die Erde zu überfluten - seine Wohnung „zimmert“. Die Rede vom Himmel als „Obergemach“ ist schön und sehr treffend - impliziert sie doch, dass Gott zu diesem Obergemach auch ein „Erdgeschoss“ hat, was den Rest des Psalms vorbereitet.</ref> {{par|Amos|9|6}} | {{S|3}} _[Bist] der, der bälkte (zimmerte) im (mit) Wasser ein Obergemach<ref>''imWasser bälkte'' - D.h. JHWH hat im Himmel sein Obergemach errichtet, indem er ''im'' oder ''mit'' Wasser - nämlich dem, aus dem der Himmel besteht und das vom Firmament davon zurückgehalten wird, die Erde zu überfluten - seine Wohnung „zimmert“. Die Rede vom Himmel als „Obergemach“ ist schön und sehr treffend - impliziert sie doch, dass Gott zu diesem Obergemach auch ein „Erdgeschoss“ hat, was den Rest des Psalms vorbereitet.</ref> {{par|Amos|9|6}} | ||
[Bist] der, der dort<ref>''Dort'' - nämlich im himmlischen Obergemach.</ref> Wolken [als] seinen Wagen (sein Fahrzeug) [hat],<ref>''Wolken [als] seinen Wagen'' - Eine alte Vorstellung; auch der altorientalische Gott Baal wird häufig als „Wolkenreiter“ bezeichnet (vgl. z.B. DDD, S. 704).</ref> {{par|Deuteronomium|33|26}}{{par|2 Samuel|22|12 |13}}{{par|Psalm|18|12|13}}{{par|Psalm|68|5}}{{par|Jesaja|19|1}} | [Bist] der, der dort<ref>''Dort'' - nämlich im himmlischen Obergemach.</ref> Wolken [als] seinen Wagen (sein Fahrzeug) [hat],<ref>''Wolken [als] seinen Wagen'' - Eine alte Vorstellung; auch der altorientalische Gott Baal wird häufig als „Wolkenreiter“ bezeichnet (vgl. z.B. DDD, S. 704).</ref> {{par|Deuteronomium|33|26}}{{par|2 Samuel|22|12 |13}}{{par|Psalm|18|12|13}}{{par|Psalm|68|5}}{{par|Jesaja|19|1}} | ||
Zeile 42: | Zeile 44: | ||
<poem> | <poem> | ||
− | {{S|10}} | + | {{S|10}} [Oh, du]<ref name="Partizip" /> [bist] der, der entsendet aus Quellen in Wadis: |
− | + | _[Sie]<ref>''[sie]'' - Gemeint sind immer noch die „Wasser“; diesmal speziell jene, die aus den Bergquellen sprudeln. LXX erwähnt daher diese „Wasser“ hier noch einmal explizit (was sicher schöner wäre; Kissane 1954 und Loretz 1979 betrachten dies daher auch als ursprünglich).</ref> sollen (müssen) zwischen [den]<ref>'''Textkritik''': + ''[den]'' nach 4QPs<sup>d</sup>, LXX: Die Rede ist von den Bergen aus V. 8.</ref> Bergen fließen (gehen), | |
− | {{S|11}} | + | {{S|11}} Sollen (müssen) alle wilden Tiere (alle Tiere dessen vom Berge)<ref>'''Textkritik''' / '''tFN''': ''alle wilden Tiere'' ist w. „alles Getier des Feldes“. In der alten Handschrift 4QPs<sup>d</sup> findet sich stattdessen „alles Getier Ws (=JHWHs)“; statt „Feldes“ haben die Schreiber dieser Handschrift das Wort also offenbar für den ebenso geschriebenen Gottesnamen ''schaddaj'' („der vom Berge“) gehalten und durch das verbreitetere JHWH ersetzt (vgl. Nebe 1981). Alle „Tiere dessen vom Berge“ wäre ein sehr ungewöhnlicher Ausdruck, machte aber hier Sinn, da gerade die Rede von den Bergen und von der aboluten Souveränität Gottes z.B. auch über die Tiere die Rede ist. Dennoch ist sicher mit allen Exegeten „Feld“ für die angezielte Bedeutung zu halten.</ref> tränken, |
+ | _Es sollen<ref>''sollen'' - Assonanz der beiden ersten Worte in 11a und 11b: ''jischqu'' und ''jischb<sup>e</sup>ru''.</ref> [selbst]<ref>''[Selbst]'' - Fokuspartikel wie „nur“, „selbst“ usw. werden im Heb. oft nicht gesetzt, wo das Dt. sie setzen würde; im Dt. muss man sie sich daher dazudenken. Ähnlich z.B. [[Rut 1#s17 |Rut 1,17]]; [[Psalm 9#s21 |Ps 9,21]]; [[Psalm 13#s3 |Ps 13,3]]; [[Obadja #s5 |Ob 5]].[[Obadja #6 |Ob 6]]. Die Wildesel sind deshalb ein Sonderfall, weil diese in den 30er Jahren ausgestorbenen Tiere Einzelgänger in der israelitischen Wüste waren (s. [[Ijob 24#s5 |Ijob 24,5]]; [[Jesaja 32#14 |Jes 32,14]]; [[Jeremia 2#s24 |Jer 2,24]]; [[Hosea 8#s9 |Hos 8,9]]) und im Alten Orient daher für ungezügelte Freiheit stehen konnten (Mustafa 1983, S. 64 und vgl. Krüger 2010, S. 168-70).</ref> die Wildesel ihren Durst brechen<ref>''brechen'' - d.h. „stillen“; das Idiom „den Durst brechen“ als „dem Durst seinen Stachel nehmen“, d.h. „ihn stillen“ findet ich auch im Lateinischen (''frangere sitim'') und im Arabischen (vgl. Driver 1943, S. 19). Der in der Bibel einmalige Ausdruck wird gestützt durch die Handschrift 2QPs; 4QPs<sup>d</sup> allerdings hat statt ''jšbrw'' die Konsonanten „jškjrw“ („sie betranken sich“); Syr setzt voraus: ''jßb`w'' („sie wurden satt“; dem folgen deClaissé-Walford/Jacobson/Tanner 2014, S. 771).</ref> können (sollen/müssen stillen). | ||
{{S|12}} | {{S|12}} |
Version vom 22. Juli 2017, 17:08 Uhr
Syntax ungeprüft
Lesefassung (Psalm 104)
(kommt später)Studienfassung (Psalm 104)
1 ([Von (für, nach Art von) David])〈a〉
Preise, meine Seele, JHWH!〈b〉
JHWH, mein Gott,〈c〉 [du bist] ([ist]) sehr groß!
Du bist bekleidet (hast dich bekleidet) mit Majestät und Herrlichkeit (majestätischer Herrlichkeit/Pracht),〈d〉
2 _[Bist] mit Licht wie mit einem Mantel umhüllt (verhüllt, ein Eingehüllter),〈e〉〈f〉 ℘℘℘
[Oh, du]〈g〉 [bists], der den Himmel wie eine Zeltdecke ausspannte〈h〉 (bist ausspannend), 〈e〉 ℘
3 _[Bist] der, der bälkte (zimmerte) im (mit) Wasser ein Obergemach〈i〉 ℘
[Bist] der, der dort〈j〉 Wolken [als] seinen Wagen (sein Fahrzeug) [hat],〈k〉 ℘℘℘℘℘
[Bist] der, der sich fortbewegt (bist [dich] fortbewegend) auf den Flügeln des Windes〈l〉,〈m〉 ℘℘℘℘℘℘
4 [Bists], der macht (bist machend) zu seinen Boten Winde〈n〉〈l〉 (seine Boten zu Winden),〈o〉
Zu seinen Dienern (Seine Diener [sind]) flammendes Feuer〈l〉 (Flamme [und] Feuer),〈p〉 ℘℘℘℘
5 [Bists,] der gründete (bist gründend, er gründete)〈q〉 die Erde auf ihre Fundamente,〈r〉 ℘℘℘℘℘℘
Damit sie nicht wanken wird auf immer und ewig. ℘
6 Das Urmeer bedecktest du wie mit einem〈s〉 Gewand〈t〉.〈u〉 ℘
Auf (über)〈u〉 den Bergen sollten Wasser stehen (sich stellen):
7 Vor deinem Schelten mussten (sollten) sie fliehen,〈l〉
Vor dem Klang deines Donnerns (deiner donnernden Stimme) mussten (sollten) sie fortlaufen, ℘℘℘℘℘
8 Mussten (sollten) hinaufziehen [auf] Berge,
Mussten (sollten) hinabsteigen [in] Täler〈v〉
Zum Ort, den du ihnen gegründet hast. ℘
9 [Die] Grenze, [die] du gesetzt hast, dürfen sie nicht übertreten,
Dürfen nicht zurückkehren, um die Erde zu bedecken (dürfen die Erde nicht wieder bedecken). ℘℘℘
10 [Oh, du]〈g〉 [bist] der, der entsendet aus Quellen in Wadis:
[Sie]〈w〉 sollen (müssen) zwischen [den]〈x〉 Bergen fließen (gehen),
11 Sollen (müssen) alle wilden Tiere (alle Tiere dessen vom Berge)〈y〉 tränken,
Es sollen〈z〉 [selbst]〈aa〉 die Wildesel ihren Durst brechen〈ab〉 können (sollen/müssen stillen).
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
Anmerkungen
a | Textkritik: Die in Psalmen häufige, den angeblichen Verfasser angebende Überschrift „von David“ findet sich nicht in allen Überlieferungen des Textes – u.a. nicht Grundtext der BHS / BHQ –, dafür aber gerade in den sehr alten Textzeugen 11QPsa, LXX, Aq und evt. (vgl. Flint 1997, S. 96) in 4QPse. Das ist eine sehr starke Bezeugung; Goldingay 2008, S. 178 etwa sieht diese Überschrift daher als ursprünglich an. Die unterschiedliche Überlieferung lässt sich aber leichter erklären als Ergänzung (statt Streichung) zwecks einer Angleichung der sog. „anonymen“ Psalmen an die häufigeren Psalmen mit Autorenangabe. LXX allein hat wohl aus diesem Grund bei 13 anonymen Psalmen eine solche Angabe, wo der Codex Leningradensis sie nicht hat. (Zurück zu v.1) |
b | Preise, meine Seele, JHWH - Eine Selbtermunterung zum Gebet; ähnliches findet sich z.B. auch in Ps 34,2; Ps 42,5.11; 43,5; 103,1.22; 116,7; 145,21. Zur wohl dahinterstehenden Vorstellung vgl. am besten Ps 77,2 („Meine Seele weigerte sich, sich trösten zu lassen“); 131,2 („Ich habe meine Seele besänftigt und beruhigt“): Wie jeder Beter weiß, hat das Herz manchmal seine eigene Dynamik und ist nicht von vornherein dazu bereit(et), beten zu können - daher muss der Beter bewusst Einfluss auf die Stimmung seines Herzens nehmen. Das selbe Motiv findet sich übrigens auch in deutschen Kirchenliedern; man vergleiche etwa Paul Gerhards Lieder „Du meine Seele, singe“ und „Auf, auf, mein Herz, mit Freuden / nimm wahr, was heut geschieht“. (Zurück zu v.1) |
c | Textkritik - Die auffällige Aneinanderreihung dreier Gottesbezeichnungen (2x JHWH, 1x mein-Gott) hat in der Textüberlieferung für etwas Verwirrung gesorgt: In einigen heb. Handschriften fehlt eines der beiden JHWH, in einer Handschrift der LXX finden sich drei davon. 11QPsa hat statt „mein Gott“ die Variante „unser Gott“, 4QPsd die Variante „Gott“. Ursprünglich ist sicher die Variante im Fließtext. (Zurück zu v.1) |
d | Majestät und Herrlichkeit - Zwei häufigere Züge bei der Beschreibung Gottes: „Bei ihm“ ist Majestät und Herrlichkeit und er selbst ist majestätisch und herrlich (vgl. 1 Chr 16,27; 96,6; 111,3; 145,5), daher kann auch einzig er einzelnen Menschen diese Eigenschaften gewähren (vgl. Ps 21,5; 45,2f.; sarkastisch in Ijob 40,10). Das zweite Wort, hadar, kann auch konkret den Schmuck bezeichnen; entsprechend ist es auch in Ijob 40,10; Spr 31,25; Jes 63,1; Ez 16,14 (vgl. ähnlich Ps 93,1) etwas, womit man sich „kleiden“ kann. (Zurück zu v.1) |
e | Mit Licht umhüllt + Himmel ausgespannt - Binnenreim der beiden Partizipien: `oteh-´or + noteh schamajim. (zu v.2) |
f | mit Licht umhüllt - Ps 104 hat viele Anklänge an die Schöpfungserzählung in Genesis 1; die Rede vom „sich mit Licht umhüllen“ spielt daher wohl auf die auch dort geschilderte Schöpfung des Lichts an. (Zurück zu v.2) |
g | [Oh, du] - rein funktionale Übersetzung: Die folgenden Verben stehen im Partizip und es ist nicht einmal offensichtlich, dass Gott hier tatsächlich angesprochen ist. Derartige Aneinanderreihungen von Partizipien finden sich aber häufig in hymnischen Psalmen; ihre Funktion ist es, Wesenszüge Gottes aufzuzählen, um ihn damit zu preisen (vgl. z.B. Sebyold 1990, S. 114). (Zurück zu v.2 / zu v.10) |
h | Himmel wie eine Zeltdecke ausspannte - Nach biblischer Vorstellung ist der Himmel ein festes Gebilde (vgl. z.B. Ijob 37,18; Ez 1,22), das „ausgebreitet“ oder „ausgespannt“ (vgl. Ijob 9,8; 42,5; 44,24) wurde, um die Wasser über der Erde vom Überfluten der Erde zurückzuhalten (vgl. z.B. Ijob 37,11). Sehr häufig ist er außerdem vorgestellt als die „Wohnstatt Gottes“. Beides wird hier kombiniert zur Vorstellung des Himmels als dem „Zelt Gottes“, das nach seinem ausgespannt-Werden dann in V. 3 noch weiter ausgebaut wird. (Zurück zu v.2) |
i | imWasser bälkte - D.h. JHWH hat im Himmel sein Obergemach errichtet, indem er im oder mit Wasser - nämlich dem, aus dem der Himmel besteht und das vom Firmament davon zurückgehalten wird, die Erde zu überfluten - seine Wohnung „zimmert“. Die Rede vom Himmel als „Obergemach“ ist schön und sehr treffend - impliziert sie doch, dass Gott zu diesem Obergemach auch ein „Erdgeschoss“ hat, was den Rest des Psalms vorbereitet. (Zurück zu v.3) |
j | Dort - nämlich im himmlischen Obergemach. (Zurück zu v.3) |
k | Wolken [als] seinen Wagen - Eine alte Vorstellung; auch der altorientalische Gott Baal wird häufig als „Wolkenreiter“ bezeichnet (vgl. z.B. DDD, S. 704). (Zurück zu v.3) |
l | Wind (Vv. 3f.); Feuer (V. 4); fliehendes Wasser (Vv. 6f.) - man beachte, wie hier der Wind als etwas Reitbares (s. nächste FN), das Feuer etwas Dienstbares und das Wasser etwas zur Flucht Fähiges ist - die Natur wird durchgehend personifiziert oder wenigens „semi-personal“ (Andersen 1972, S. 720) gedacht. Von einer „Entmythisierung der Natur“ kann ins Ps 104 nicht die Rede sein. (Zurück zu v.3 / zu v.4 / zu v.7) |
m | In der Bibel scheinen die Winde personifiziert durch die geflügelten Cheruben gedacht zu sein (vgl. Offb 7,1 („Danach sah ich vier Engel, die auf den vier Ecken der Erde standen und die vier Winde der Erde festhielten...“)), auf denen Gott gelegentlich auch reitet (vgl. Ps 18,11 („Er ritt auf einem Cherub und flog und schwebte auf den Flügeln des Windes“) und die anderen Parallelstellen). Die beiden Zeilen sprechen also von zwei unterschiedlichen Fortbewegungsmitteln: JHWH ist sowohl Wolken- als auch Wind-/Cherubenreiter. (Zurück zu v.3) |
n | Winde - Das selbe Wort findet sich in der Zeile zuvor im Sg., hier im Pl. Eine solche Sg-Pl-Variation ist ein häufigeres Stilmittel in der heb. Lyrik (ad loc. vgl. Yona 2005, S. 157). (Zurück zu v.4) |
o | Zu seinen Boten Winde (seine Boten zu Winden) - Diese und die nächste Zeile lässt sich auf vier verschiedene Weisen verstehen; wegen V. 3 ist die wahrscheinlichste Deutung die vierte.
|
p | tFN: zu Dienern flammendes Feuer (Flamme [und] Feuer) - Etwas schwierige Stelle. Der heb. Text wirkt auf den ersten Blick so, als müsste er klar wie im Fließtext übersetzt werden. Im Heb. wäre dann aber zu erwarten, dass Diener, flammend und Feuer alle im selben Numerus und Genus stünden. Hier allerdings ist „Diener“ Maskulin Plural, „Feuer“ Feminin Singular und „flammend“ Maskulin Singular (4QPsa verändert daher das letzte Wort nach Feminin). Gunkel 1926, S. 454; Herkenne 1936, S. 334 und Kraus 1966, S. 708 wollen daher korrigieren von „flammendes Feuer“ zu „Flamme und Feuer“, so dass das vorangehende Pluralpartizip „Diener“ sich auf beide beziehen würde und damit Plural und auch Maskulin sein könnte. Vermutlich ist dies aber gar nicht nötig: ´esch findet sich bisweilen auch als maskulines Nomen und gehört damit zu jenen, die beide Genera haben können. Es könnte also auch hier als maskulines Nomen aufgefasst werden, womit sich das „flammend“ problemlos auf es beziehen könnte. In der heb. Grammatik findet sich außerdem häufig der Fall, dass ein „kollektives“ Nomen (wie z.B. „Menschenmasse“, in dessen Wortsinn es liegt, dass mehrere Menschen damit bezeichnet werden) trotz grammatischem Singular ein Pluralprädikat erhält (vgl. z.B. JM §148a), was dann hier das Plural von „Diener“ erklären würde. (Zurück zu v.4) |
q | Textkritik: [Bists,] der gründete (er gründete) - Im MT und ähnlich bei 4QPsI_jasad („Er gründete“) in der Verbform Qatal; in 4QPsd, nach einigen LXX-Handschriften, Hier, Tg und einigen MT-Handschriften aber als Partizip jo(w)sed („[bists,] der gründete“). Im ursprünglichen Text wären beide Varianten gleich geschrieben worden; 4QPsI hätte dann durch nicht-Einfügung des w und MT durch die Vokalisierung vereindeutigt zur Variante 1, die anderen Versionen durch Einfügung des w, durch Vokalisierung oder durch Übersetzung zu Variante 2. Der Wechsel von der zweiten Pers. in V. 2 zur dritten hier (und dann in V. 7 wieder zurück zur zweiten Pers.) ist so schwer erklärlich und so überflüssig , dass die zweite Deutung des ursprünglichen Textes viel besser passt. So auch viele Exegeten (z.B. Clifford 1981, S. 87; deClaissé-Walford/Jacobson/Tanner 2014, S. 771; Kraus 1966, S. 225; anders aber z.B. Hossfeld/Zenger 2008, S. 70 und Krüger 2010, S. 33). (Zurück zu v.5) |
r | Fundamente - Gemeint sind die Säulen, auf denen nach biblischer Vorstellung die Erde über dem Urmeer aufruht; s. die Grafik rechts und vgl. z.B. noch Ijob 38,6; Ps 24,2. Dass die Erde „wankt“, ist ein häufigeres Motiv in der Bibel; vgl. z.B. Ps 46,2; 60,2; 82,5; Jes 24,19 (Zurück zu v.5) |
s | wie mit einem - W. „wie mit dem“; Vergliche sind im Heb. oft determiniert, wo sie das im Dt. nicht wären. Vgl. ähnlich z.B. P 33,7; Ob 4. (Zurück zu v.6) |
t | Das Urmeer bedecktest du wie mit einem Gewand - nämlich eben mit dem Himmel, der wie ein Zelttuch über die Welt gebreitet ist (vgl. Ijob 38,9: „Als ich Wolken zu seinem (=des Meeres) Gewand machte...“). Ganz recht B-R: „Der Urwirbel, wie mit einem Kleid bedecktest du ihn“. Textkritik: Die verschiedenen alternativen Übersetzungsvarianten, die sich in fast allen Übersetzungen und Kommentaren finden, basieren sämtlich auf Korrekturen des heb. Textes, die aber nicht nötig sind (nämlich statt kisito („du bedecktest es“) meist kisita(h) („du bedecktest sie“, also die Erde; vgl. hierzu am besten Seidl 1984, S. 46f.), kisata(h) („es (=das Urmeer) bedeckte sie (=die Erde)“) oder kesuto („es (= das Urmeer) war seine (=JHWHs) Bedeckung“). Wie in Gen 1 ist also auch hier das Urmeer anders als Himmel und Erde keine der Schöpfungen Gottes, sondern seinem Schaffen schon vorgegeben (vgl. 2 Pet 3,5). (Zurück zu v.6) |
u | tFN: V. 6. Unsere Aufteilung von V. 6 und die Übersetzung des ersten Wortes von 6b mit „auf“ statt „über“ ist ungewöhnlich. Für gewöhnlich zieht man 6a und 6b zu einer Doppelzeile zusammen und übersetzt: „Mit dem Urmeer bedecktest du [die Erde] wie mit einem Gewand / Über den Bergen standen die Wasser“, die beiden Zeilen würden dann beide aussagen, dass Gott zu Beginn der Schöpfung die Erde und selbst die Berge komplett von Wasser bedeckt sein lassen habe. Dagegen spricht aber, dass dafür erstens eine Korrektur des heb. Textes in 6a nötig ist (s. vorige FN), dass zweitens 6a klar zu 2b-5 zu ziehen ist, da 5a.6a eine sehr deutliche Inclusio mit 2b.3a bilden: Gott spannt den Himmel wie eine Zeltdecke aus (2b) und bedeckt das Urmeer wie mit einem Gewand (6a); er bälkt den Himmel im (oberen) Wasser als sein Obergemach (3a) und gründet die Erde auf ihren Fundamenten (gemeint sind die Säulen der Erde im unteren Wasser, s. die Grafik oben). Drittens ist die nätürlichste Bedeutung von V. 8, dass die Wasser auf die Berge hinaufziehen sollen (s. dort), also in V. 6 eher nicht schon über den Bergen stehen. Viertens verwenden 6a und 6b unterschiedliche Verbformen, berichten also offenbar von unterschiedlichen zeitlichen Abschnitten im Handeln Gottes. V. 6 ist dann besser so aufzulösen: 6a ist wegen der Inclusio zu 1b-5 zu ziehen; 1b-6a berichten dann von der Errichtung der kosmischen Grundarchitektur. 6b-8 leiten dann mit Yiqtol-Verben ein, zu beschreiben, wie die Wasser, mit denen Strophe 1 schloss, dem Willen Gottes gemäß zu handeln hatten (vgl. Weber 2003, S. 182): Sie sollten auf den Bergen stehen (6b), darum sollten sie vor seinem Befehl (7) unter anderem auch dort hin (8a) fliehen, um von dort aus dann als Gebirgsbäche in die Täler fließen zu können (10). (zu v.6) |
v | hinaufziehen [auf] Berge, hinabsteigen [in] Täler - Gott verlagert also die Wasser von der „ganzen Erde“ an zwei Orte, nämlich auf die Berge, von wo sie dann als Gebirtsbäche wieder hinabfließen, und ins in „den Tälern“ gelegene Meer (vgl. Ehrlich 1905, S. 247; Sutcliffe 1952). Dass hier von zwei verschiedenen Zielorten die Rede ist, macht die alte Handschrift 2QPs deutlich, indem sie einfügt: „zu[ jede]m Ort“. tFN: Die häufige Übersetzung „Es hoben sich Berge, es senkten sich Täler“ ist klar falsch. „Täler“ ist im Heb. feminin, das Verb „sie stiegen hinab“ / „es senkten sich“ aber maskulin. Subjekt sind also sicher die Wasser (vgl. Spieckermann 1989, S. 22 FN 5). (Zurück zu v.8) |
w | [sie] - Gemeint sind immer noch die „Wasser“; diesmal speziell jene, die aus den Bergquellen sprudeln. LXX erwähnt daher diese „Wasser“ hier noch einmal explizit (was sicher schöner wäre; Kissane 1954 und Loretz 1979 betrachten dies daher auch als ursprünglich). (Zurück zu v.10) |
x | Textkritik: + [den] nach 4QPsd, LXX: Die Rede ist von den Bergen aus V. 8. (Zurück zu v.10) |
y | Textkritik / tFN: alle wilden Tiere ist w. „alles Getier des Feldes“. In der alten Handschrift 4QPsd findet sich stattdessen „alles Getier Ws (=JHWHs)“; statt „Feldes“ haben die Schreiber dieser Handschrift das Wort also offenbar für den ebenso geschriebenen Gottesnamen schaddaj („der vom Berge“) gehalten und durch das verbreitetere JHWH ersetzt (vgl. Nebe 1981). Alle „Tiere dessen vom Berge“ wäre ein sehr ungewöhnlicher Ausdruck, machte aber hier Sinn, da gerade die Rede von den Bergen und von der aboluten Souveränität Gottes z.B. auch über die Tiere die Rede ist. Dennoch ist sicher mit allen Exegeten „Feld“ für die angezielte Bedeutung zu halten. (Zurück zu v.11) |
z | sollen - Assonanz der beiden ersten Worte in 11a und 11b: jischqu und jischberu. (Zurück zu v.11) |
aa | [Selbst] - Fokuspartikel wie „nur“, „selbst“ usw. werden im Heb. oft nicht gesetzt, wo das Dt. sie setzen würde; im Dt. muss man sie sich daher dazudenken. Ähnlich z.B. Rut 1,17; Ps 9,21; Ps 13,3; Ob 5.Ob 6. Die Wildesel sind deshalb ein Sonderfall, weil diese in den 30er Jahren ausgestorbenen Tiere Einzelgänger in der israelitischen Wüste waren (s. Ijob 24,5; Jes 32,14; Jer 2,24; Hos 8,9) und im Alten Orient daher für ungezügelte Freiheit stehen konnten (Mustafa 1983, S. 64 und vgl. Krüger 2010, S. 168-70). (Zurück zu v.11) |
ab | brechen - d.h. „stillen“; das Idiom „den Durst brechen“ als „dem Durst seinen Stachel nehmen“, d.h. „ihn stillen“ findet ich auch im Lateinischen (frangere sitim) und im Arabischen (vgl. Driver 1943, S. 19). Der in der Bibel einmalige Ausdruck wird gestützt durch die Handschrift 2QPs; 4QPsd allerdings hat statt jšbrw die Konsonanten „jškjrw“ („sie betranken sich“); Syr setzt voraus: jßb`w („sie wurden satt“; dem folgen deClaissé-Walford/Jacobson/Tanner 2014, S. 771). (Zurück zu v.11) |