Psalm 13: Unterschied zwischen den Versionen

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<ref>''in meine Seele'' - dazu s. vorige FN.</ref> legen,<br />
 
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: Wobei ([Bis wann (wie lange)] [wird sein/muss ich legen])<ref>''Wobei Kummer in meinem Herzen ist (Wie lange wird sein/muss ich legen Kummer in meinem Herz)'' - Beide Auflösungen sind hier gleichermaßen möglich; die eingeklammerte erfordert allerdings die Ergänzung (->Brachylogie) von „Wird sein“ und „muss ich legen“ aus dem vorigen Sticho, was aber nicht problematisch ist. Dass dieser Sticho der einzige in Vv. 2f ist, in dem das einleitende „Bis wann“ fehlt, ist aber so auffällig, dass die primäre Übersetzung doch etwas wahrscheinlicher ist.</ref> Kummer in meinem Herzen [ist] [sogar] am Tag (täglich?, den ganzen Tag?, Tag [und Nacht]? {am Tag}?)<ref>''[sogar] am Tag (täglich?, den ganzen Tag?, Tag [und Nacht]?, <s>am Tag</s>?)'' - Deutung umstritten; s. [http://www.offene-bibel.de/wiki/index.php5?title=Kommentar:Psalm_13#note_d Anmerkung d]. Vermutlich ist das „am Tag“ steigernd zu verstehen: Während die übliche Zeit, zu der man Kummer besonders intensiv „im Herzen“ empfindet, eigentlich die Nacht ist (so schon Olshausen 1853, S. 75), ist der Kummer des Psalmisten besonders groß - so groß ist er, dass er ''sogar'' noch am Tag seinen Kummer gar nicht verdrängen kann (Barthélemy 1982, S. 54; Janowski 2001, S. 26; mit „[sogar]“ übersetzen auch Wöhrle 2011 und Zenger 1987; vielleicht aus diesem Grund auch Deissler 1989, S. 62: „am hellen Tag“).</ref>?<br />
 
: Wobei ([Bis wann (wie lange)] [wird sein/muss ich legen])<ref>''Wobei Kummer in meinem Herzen ist (Wie lange wird sein/muss ich legen Kummer in meinem Herz)'' - Beide Auflösungen sind hier gleichermaßen möglich; die eingeklammerte erfordert allerdings die Ergänzung (->Brachylogie) von „Wird sein“ und „muss ich legen“ aus dem vorigen Sticho, was aber nicht problematisch ist. Dass dieser Sticho der einzige in Vv. 2f ist, in dem das einleitende „Bis wann“ fehlt, ist aber so auffällig, dass die primäre Übersetzung doch etwas wahrscheinlicher ist.</ref> Kummer in meinem Herzen [ist] [sogar] am Tag (täglich?, den ganzen Tag?, Tag [und Nacht]? {am Tag}?)<ref>''[sogar] am Tag (täglich?, den ganzen Tag?, Tag [und Nacht]?, <s>am Tag</s>?)'' - Deutung umstritten; s. [http://www.offene-bibel.de/wiki/index.php5?title=Kommentar:Psalm_13#note_d Anmerkung d]. Vermutlich ist das „am Tag“ steigernd zu verstehen: Während die übliche Zeit, zu der man Kummer besonders intensiv „im Herzen“ empfindet, eigentlich die Nacht ist (so schon Olshausen 1853, S. 75), ist der Kummer des Psalmisten besonders groß - so groß ist er, dass er ''sogar'' noch am Tag seinen Kummer gar nicht verdrängen kann (Barthélemy 1982, S. 54; Janowski 2001, S. 26; mit „[sogar]“ übersetzen auch Wöhrle 2011 und Zenger 1987; vielleicht aus diesem Grund auch Deissler 1989, S. 62: „am hellen Tag“).</ref>?<br />
: Bis wann (Wie lange)<ref name="Bis wann" /> wird (darf) sich mein Feind gegen mich erheben?
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: Bis wann (Wie lange)<ref name="Bis wann" /> wird (darf) sich mein Feind (meine Feinde)
{{S|4}} Schau her, antworte mir, JHWH, mein Gott! Lasse meine Augen leuchten<ref>Die Wendung „die Augen leuchten lassen“ drückt „am Leben lassen“ aus.</ref>, dass ich nicht entschlafe des Todes<ref>Die Formulierung „des Todes entschlafen“ ist unter Angabe von Ps 13,4 im Handwörterbuch von W. Gesenius (17.Auflage) entnommen.</ref>!
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<ref name="Gesamtdeutung">''Mein Feind (meine Feinde)'' + ''Lass meine Augen leuchten'' - An der Deutung dieser beiden Ausdrücke hängt die Deutung des gesamten Psalms. „Mein Feind“ - im Hebräischen Singular - ließe sich auch deuten als sog. „kollektiver Singular“ (so z.B. Andersen 1972, S. 129), müsste dann treffender als Plural „Meine Feinde“ übersetzt werden und würde dann wie „Meine Bedränger“ in V. 5 die vielen Feinde des Psalmisten meinen. Oder aber „Mein Feind“ steht bewusst im Singular und ist ein Schimpfwort für den Tod, den Erzfeind des Menschen (so Craigie 1983, S. 142; Dahood 1965, S. 76; Zenger 1987, S. 80f).<br />
{{S|5}} Dass nicht sagen kann mein Feind: Ich habe ihn besiegt (überwunden)! Meine Bedränger werden jubeln, wenn (dass) ich wanke.
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Die Frage nach der Bedeutung von „Lass meine Augen leuchten“ ist etwas komplexer: Im Hebräischen gibt es zwei Idiome, die sich hier nahelegen: (1) Die „Augen“ sind in der israelitischen Vorstellung eine Art „Barometer der Lebenskraft“ (Andersen 1972, S. 129): Ist ein Mensch alt, krank, schwach oder traurig, hören seine Augen auf, zu „leuchten“ (s. [[Deuteronomium 34#s7 |Dtn 34,7]]; [[Ijob 17#s7 |Ijob 17,7]]; [[Psalm 6#s8 |Ps 6,8]]; [[Psalm 38#s11 |38,11]]; [[Klagelieder 5#s17 |Klg 5,17]]). Gesundet er oder erholt er sich, leuchten seine Augen dagegen wieder auf (s. [[1Samuel 14#s27 |1Sam 14,27]].[[1Samuel 14#s29 |1Sam 14,29]]; [[Esra 9#s8 |Esra 9,8]]; [[Psalm 19#s9 |Ps 19,9]]). (2) Ein weiteres häufiges Idiom ist die Rede davon, dass Gott sein Gesicht „über jemandem leuchten“ lässt; eine geprägte Wendung dafür, dass er gnädig an jemandem handelt (s. [[Numeri 6#s25 |Num 6,25]]; [[Psalm 31#s17 |Ps 31,17]]; [[Psalm 67#s2 |67,2]]; [[Psalm 80#s4 |80,4]].[[Psalm 80#s8 |8]].[[Psalm 80#s20 |20]]; [[Psalm 119#s135 |119,135]] (vgl. Vv. 134.136); [[Daniel 9#s17 |Dan 9,17]]).
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Dass wir hier Idiom (1) vor uns haben, ist ganz deutlich. Einige denken aber - geleitet davon, dass in V. 2 vom „Verbergen des Gesichts Gottes“ die Rede ist, weil auch hier das Verb „leuchten“ verwendet wird und weil auch „schau her, rette mich!“ in etwa die selbe Bedeutung hat (dazu s. dort) -, dass Idiom (2) mindestens mitgemeint sei (so bes. Janowski 2001, S. 35f; z.B. auch Craigie 1983, S. 142; Kraus 1961, S. 101f; NIDOTTE, S. 325). - Dass der ''Grund'' für das Wieder-gesunden des Psalmisten ein Gnadenerweis Gottes wäre, steht außer Frage. Fraglich ist aber, ob „Lass meine Augen leuchten“ wirklich gleichzeitig als Synonym zu „Lass dein Gesicht über mir leuchten“ - d.h. allgemein: „Erbarme dich meiner“ - gelesen werden kann, oder ob es hier „nur“ ein Synonym für „Lass mich gesunden“ ist.<br />
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Abhängig von der Deutung der beiden Ausdrücke lassen sich also zwei Gesamtbedeutungen für den Psalm konstruieren - ich kursiviere die Unterschiede:
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# Gott ist dem Psalmisten nicht mehr gnädig (V. 2), darum ''schwebt er in Todesgefahr'': er wird ''von seinem Erzfeind - dem Tod'' - bedroht und sucht verzweifelt nach einer Rettung (V. 3). Mit letzter Kraft und zum wiederholten Male ruft er zum Herrn um Rettung (4a): ''Er soll ihn wieder gesunden lassen'' (4b), da ja sonst ''sein Erzfeind - der Tod'' - über ihn triumphiert (4c.5a).
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# Gott ist dem Psalmisten nicht mehr gnädig (V. 2), darum ''ist Unheil über ihn hereingebrochen'': ''Seine Gegner sind ihm überlegen'' und er sucht verzweifelt nach einer Rettung (V. 3). Mit letzter Kraft und zum wiederholten Male ruft er zum Herrn um Rettung (4a): ''Er soll ihm wieder gnädig sein'' (4b), da sonst ''seine Gegner endgültig über ihn triumphieren (4c.5)''.
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Es ist fast unmöglich, zu entscheiden, welche der beiden Deutungen hier vorzuziehen ist. Etwas mehr in Richtung von Deutung (1) scheint aber zu weisen, dass erst dann der Singular von „mein Feind/meine Feinde“ wirklich motiviert wäre, während im Falle von Deutung (2) unerklärlich bliebe, warum der Psalmist zweimal von „den Feinden“ im Singular und einmal im Plural spricht. Der „Feind“ ist daher wohl besser als Ausdruck für den Tod zu lesen und „Lass meine Augen leuchten“ als Idiom für „Lass mich wieder gesunden / Rette mich vor dem Tod“.</ref>
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gegen mich erheben?
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{{S|4}} Schau her, antworte mir, JHWH, mein Gott! Lasse meine Augen leuchten<ref name="Gesamtdeutung" />, dass ich nicht entschlafe des Todes<ref>Die Formulierung „des Todes entschlafen“ ist unter Angabe von Ps 13,4 im Handwörterbuch von W. Gesenius (17.Auflage) entnommen.</ref>!
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{{S|5}} Dass nicht sagen kann mein Feind (meine Feinde)<ref name="Gesamtdeutung" />: Ich habe ihn besiegt (überwunden)! Meine Bedränger werden jubeln, wenn (dass) ich wanke.
 
{{S|6}} Und ich vertraue auf deine Gnade (Güte) und es jauchzt mein Herz über deine Hilfe, singen will ich JHWH, denn (ja) er tut (vollbringt) an mir [Gutes].
 
{{S|6}} Und ich vertraue auf deine Gnade (Güte) und es jauchzt mein Herz über deine Hilfe, singen will ich JHWH, denn (ja) er tut (vollbringt) an mir [Gutes].
  

Version vom 14. Oktober 2014, 00:45 Uhr

Syntax ungeprüft

SF ungeprüft.png
Status: Studienfassung zu prüfen – Eine erste Übersetzung aus dem Urtext ist komplett, aber noch nicht mit den Übersetzungskriterien abgeglichen und nach den Standards der Qualitätssicherung abgesichert worden und sollte weiter verbessert und geprüft werden. Auf der Diskussionsseite ist Platz für Verbesserungsvorschläge, konstruktive Anmerkungen und zum Dokumentieren der Arbeit am Urtext.
Folgt-später.png
Status: Lesefassung folgt später – Bevor eine Lesefassung erstellt werden kann, muss noch an der Studienfassung gearbeitet werden. Siehe Übersetzungskriterien und Qualitätssicherung Wir bitten um Geduld.

Lesefassung (Psalm 13)

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2
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6

Anmerkungen

Studienfassung (Psalm 13)

1 Für den den Chorleiter (Dirigenten, Singenden, Musizierenden).a
Ein Psalm (begleitetes Lied) von (für, über, nach Art von) David.


2 Bis wann (wie lange) b, JHWH, wirst (willst) du mich [so] gänzlich (für immer, fortwährend) c vergessen d?

Bis wann (Wie lange)b wirst (willst) du dein Gesicht vor mir verbergene?

3 Bis wann (Wie lange)b muss (werde) ich Pläne (Auflehnung?, Schmerzen?, Kummer?, Sorgen?) f in meine Seele g legen,

Wobei ([Bis wann (wie lange)] [wird sein/muss ich legen])h Kummer in meinem Herzen [ist] [sogar] am Tag (täglich?, den ganzen Tag?, Tag [und Nacht]? {am Tag}?)i?
Bis wann (Wie lange)b wird (darf) sich mein Feind (meine Feinde)

j gegen mich erheben?


4 Schau her, antworte mir, JHWH, mein Gott! Lasse meine Augen leuchtenj, dass ich nicht entschlafe des Todesk! 5 Dass nicht sagen kann mein Feind (meine Feinde)j: Ich habe ihn besiegt (überwunden)! Meine Bedränger werden jubeln, wenn (dass) ich wanke. 6 Und ich vertraue auf deine Gnade (Güte) und es jauchzt mein Herz über deine Hilfe, singen will ich JHWH, denn (ja) er tut (vollbringt) an mir [Gutes].

Anmerkungen

aGenaue Bedeutung unklar. Die gewählte Übersetzung ist mehr oder weniger Konvention, obwohl es nicht an alternativen Übersetzungsvorschlägen mangelt. (Zurück zu v.1)
bBis wann (wie lange) - Einige Exegeten denken, dass mit „bis wann“ eingeleitete rhetorische Fragen sich in der Bibel besonders in „vorwurfsvoller Rede“ fänden und daher als eine ungeduldigere Variante zum üblichen „Wie lange noch“ aufzufassen sei (so z.B. Gerstenberger 1991, S. 84; Herkenne 1936, S. 75f.; Zenger 1987, S. 75). Auf einige Stellen mag das auch passen, aber vgl. zum vorwurfsvollen „Bis wann“ vs. „Wie lange“ z.B. Jos 18,3; Ijob 18,2 vs. Ps 82,2; 94,8 und zum wohl eher „vorwurfslosen“ und unserem Vers ähnlicheren „Bis wann“ vs. „Wie lange“ z.B. Jer 47,6; Hab 1,2 vs. Ps 6,4; 74,10; 80,5; 90,13; 94,3 - „Bis wann“ und „Wie lange“ sind daher wohl doch eher schlicht gleichbedeutende Ausdrucksvarianten, die beide sowohl vorwurfsvollen als auch vorwurfslosen Unterton haben können. (zu v.2 / zu v.3)
c[so] gänzlich (für immer, fortwährend) - Deutung umstritten; s. die Anmerkung zum Text a. Nach unserem Verständnis hat das Wort superlativische Funktion und soll das „vergessen“ noch zusätzlich steigern; vgl. bes. Ehrlich 1905, S. 25; Thomas 1956; so auch ALB; ; H-R; HER05; Kissane 1953, S. 52; LUT; MEN; NeÜ; Nötscher 1959, S. 34; SLT; STAD; TUR; van Ess; Zenger 1987, S. 73; ZÜR. (Zurück zu v.2)
dvergessen ist nicht wörtlich zu verstehen - als hätte Gott ein schlechtes Gedächtnis. Ähnlich, wie die Rede davon, dass Israel Gott oder seine Gebote „vergisst“, fast stets meint, dass es sich von Gott und seinen Geboten abgewandt hat, meint auch die Rede von Gottes „Vergessen“ ein aktives sich-Abwenden Gottes (s. noch 1Sam 1,11; Ps 10,12; 42,10; 44,25; Jes 49,14; Klg 5,20): Gott entzieht jenem, den er „vergisst“, seine Huld und lässt so zu (vielleicht sogar: sorgt dafür), dass ihm Schlimmes zustößt; vgl. gut Janowski 2001, S. 27f; Wöhrle 2011, S. 228.230. (Zurück zu v.2)
edein Gesicht vor mir verbergen - Die Rede davon, dass Gott „sein Angesicht vor jemandem verbirgt“, hat exakt die selbe Bedeutung wie die, dass er jemanden „vergisst“ (s. vorige FN): Gott verbirgt sein Gesicht vor jemandem = Gott schaut jemanden nicht mehr gnädig an (und lässt so zu, dass Unheil über ihn hereinbricht); vgl. FN u zu Ps 30,8; ad loc. gut auch Kraus 1961, S. 100; Nötscher 1959, S. 34f; Prinsloo 2013, S. 793. (Zurück zu v.2)
fPläne (Auflehnung?, Schmerzen?, Kummer?, Sorgen?) - Bedeutung umstritten; vgl. Anmerkung zum Text b. Am Besten ist der Sticho nach der alten Erklärung von Baethgen 1892, S. 34 zu verstehen, „der Sänger mach[e] sich Pläne, wie er den Gefahren[, die in V. 3c genannt werden,] entrinne.“
Gelegentlich wurde eingewandt, dass „Pläne“ nicht zu nefesch (hier traditionell - und ungenau - übersetzt mit: „Seele“) passen würde, weil nefesch nicht den Verstand des Menschen, sondern seine Emotionen bezeichne (zu nefesch als Sitz der Emotionen vgl. z.B. Wolff 1973, S. 33). Das greift nicht: Wenn - was in der Tat richtig ist - nefesch den Menschen in seinem Streben und Sehnen beschreibt, heißt das ja nur, dass „Wie lange muss ich noch Pläne in meine nefesch legen?“ nicht nach dem rationalen Überdenken möglicher Auswege aus der Notsituation fragt, sondern nach dem Streben nach einem solchen Ausweg; sinngemäß also: „Wie lange muss ich mich noch nach einem Ausweg sehnen?“ Recht gut daher Zenger 1987, S. 73: „Bis wann muß ich mit Gedanken quälen meine Seele?“ (Zurück zu v.3)
gin meine Seele - dazu s. vorige FN. (Zurück zu v.3)
hWobei Kummer in meinem Herzen ist (Wie lange wird sein/muss ich legen Kummer in meinem Herz) - Beide Auflösungen sind hier gleichermaßen möglich; die eingeklammerte erfordert allerdings die Ergänzung (->Brachylogie) von „Wird sein“ und „muss ich legen“ aus dem vorigen Sticho, was aber nicht problematisch ist. Dass dieser Sticho der einzige in Vv. 2f ist, in dem das einleitende „Bis wann“ fehlt, ist aber so auffällig, dass die primäre Übersetzung doch etwas wahrscheinlicher ist. (Zurück zu v.3)
i[sogar] am Tag (täglich?, den ganzen Tag?, Tag [und Nacht]?, am Tag?) - Deutung umstritten; s. Anmerkung d. Vermutlich ist das „am Tag“ steigernd zu verstehen: Während die übliche Zeit, zu der man Kummer besonders intensiv „im Herzen“ empfindet, eigentlich die Nacht ist (so schon Olshausen 1853, S. 75), ist der Kummer des Psalmisten besonders groß - so groß ist er, dass er sogar noch am Tag seinen Kummer gar nicht verdrängen kann (Barthélemy 1982, S. 54; Janowski 2001, S. 26; mit „[sogar]“ übersetzen auch Wöhrle 2011 und Zenger 1987; vielleicht aus diesem Grund auch Deissler 1989, S. 62: „am hellen Tag“). (Zurück zu v.3)
jMein Feind (meine Feinde) + Lass meine Augen leuchten - An der Deutung dieser beiden Ausdrücke hängt die Deutung des gesamten Psalms. „Mein Feind“ - im Hebräischen Singular - ließe sich auch deuten als sog. „kollektiver Singular“ (so z.B. Andersen 1972, S. 129), müsste dann treffender als Plural „Meine Feinde“ übersetzt werden und würde dann wie „Meine Bedränger“ in V. 5 die vielen Feinde des Psalmisten meinen. Oder aber „Mein Feind“ steht bewusst im Singular und ist ein Schimpfwort für den Tod, den Erzfeind des Menschen (so Craigie 1983, S. 142; Dahood 1965, S. 76; Zenger 1987, S. 80f).

Die Frage nach der Bedeutung von „Lass meine Augen leuchten“ ist etwas komplexer: Im Hebräischen gibt es zwei Idiome, die sich hier nahelegen: (1) Die „Augen“ sind in der israelitischen Vorstellung eine Art „Barometer der Lebenskraft“ (Andersen 1972, S. 129): Ist ein Mensch alt, krank, schwach oder traurig, hören seine Augen auf, zu „leuchten“ (s. Dtn 34,7; Ijob 17,7; Ps 6,8; 38,11; Klg 5,17). Gesundet er oder erholt er sich, leuchten seine Augen dagegen wieder auf (s. 1Sam 14,27.1Sam 14,29; Esra 9,8; Ps 19,9). (2) Ein weiteres häufiges Idiom ist die Rede davon, dass Gott sein Gesicht „über jemandem leuchten“ lässt; eine geprägte Wendung dafür, dass er gnädig an jemandem handelt (s. Num 6,25; Ps 31,17; 67,2; 80,4.8.20; 119,135 (vgl. Vv. 134.136); Dan 9,17).

Dass wir hier Idiom (1) vor uns haben, ist ganz deutlich. Einige denken aber - geleitet davon, dass in V. 2 vom „Verbergen des Gesichts Gottes“ die Rede ist, weil auch hier das Verb „leuchten“ verwendet wird und weil auch „schau her, rette mich!“ in etwa die selbe Bedeutung hat (dazu s. dort) -, dass Idiom (2) mindestens mitgemeint sei (so bes. Janowski 2001, S. 35f; z.B. auch Craigie 1983, S. 142; Kraus 1961, S. 101f; NIDOTTE, S. 325). - Dass der Grund für das Wieder-gesunden des Psalmisten ein Gnadenerweis Gottes wäre, steht außer Frage. Fraglich ist aber, ob „Lass meine Augen leuchten“ wirklich gleichzeitig als Synonym zu „Lass dein Gesicht über mir leuchten“ - d.h. allgemein: „Erbarme dich meiner“ - gelesen werden kann, oder ob es hier „nur“ ein Synonym für „Lass mich gesunden“ ist.
Abhängig von der Deutung der beiden Ausdrücke lassen sich also zwei Gesamtbedeutungen für den Psalm konstruieren - ich kursiviere die Unterschiede:

  1. Gott ist dem Psalmisten nicht mehr gnädig (V. 2), darum schwebt er in Todesgefahr: er wird von seinem Erzfeind - dem Tod - bedroht und sucht verzweifelt nach einer Rettung (V. 3). Mit letzter Kraft und zum wiederholten Male ruft er zum Herrn um Rettung (4a): Er soll ihn wieder gesunden lassen (4b), da ja sonst sein Erzfeind - der Tod - über ihn triumphiert (4c.5a).
  2. Gott ist dem Psalmisten nicht mehr gnädig (V. 2), darum ist Unheil über ihn hereingebrochen: Seine Gegner sind ihm überlegen und er sucht verzweifelt nach einer Rettung (V. 3). Mit letzter Kraft und zum wiederholten Male ruft er zum Herrn um Rettung (4a): Er soll ihm wieder gnädig sein (4b), da sonst seine Gegner endgültig über ihn triumphieren (4c.5).
Es ist fast unmöglich, zu entscheiden, welche der beiden Deutungen hier vorzuziehen ist. Etwas mehr in Richtung von Deutung (1) scheint aber zu weisen, dass erst dann der Singular von „mein Feind/meine Feinde“ wirklich motiviert wäre, während im Falle von Deutung (2) unerklärlich bliebe, warum der Psalmist zweimal von „den Feinden“ im Singular und einmal im Plural spricht. Der „Feind“ ist daher wohl besser als Ausdruck für den Tod zu lesen und „Lass meine Augen leuchten“ als Idiom für „Lass mich wieder gesunden / Rette mich vor dem Tod“. (Zurück zu v.3 / zu v.4 / zu v.5)
kDie Formulierung „des Todes entschlafen“ ist unter Angabe von Ps 13,4 im Handwörterbuch von W. Gesenius (17.Auflage) entnommen. (Zurück zu v.4)