Die Tücken der Leichten Sprache

Aus Die Offene Bibel

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Meine gebildeten Freunde und ich[Bearbeiten]

Leichte Sprache macht klug.
Die Idee kommt von denen, die Leichte Sprache brauchen. Sie brauchen kurze Sätze mit nur einer Aussage und keine Spezialwörter. Aber da streiken meine gebildeten Freunde. Sie haben wunderbare Texte geschrieben und zugestimmt, dass diese Texte in Leichte Sprache übertragen werden. Aber das Ergebnis gefällt ihnen nicht. Die ganze schöne Arbeit ist auf wenige Aussagen zusammengeschrumpft. Abgesehen davon, können Fachleute sich gut mit Fachbegriffen verständigen. Das vereinfacht ihren Austausch. Aber auch diese Fachbegriffe sind auf einmal weg. Ärgerlich.
Jetzt würde ich sie gerne auf die Feinheiten und die Qualität von Leichter Sprache aufmerksam machen. Das geht natürlich nur, wenn es sowas wie eine Qualitätssicherung gibt. Und die gibt es. Aber die ist nicht einheitlich. Eigentlich waren es mal die Menschen der Aktion People First, die sagen konnten, was verständlich ist und was nicht. Sie hatten die Leichte Sprache ja erfunden. Aber sie wurden von den gebildeten Menschen nicht ernst genommen. Lange Geschichte.
Mittlerweile kann man Leichte Sprache studieren und es gibt Büros für Leichte Sprache, in denen die Texte geprüft werden.

Wie gründet man ein Büro für Leichte Sprache?[Bearbeiten]

Bis Leichte Sprache zu einem Fachbegriff wurde, haben meine gebildeten Freunde konsequent von "leichter Sprache" geschrieben. Da konnte unsereins erklären, wie sie wollte: solange es nicht im Duden steht, spielt es keine Rolle. Mittlerweile gibt es einen Duden "Leichte Sprache". Jetzt wird alles anders.
Das Prüfen von Texten, die in Leichte Sprache übertragen wurden, geschieht durch Menschen mit Lernbehinderung, also Menschen, die selbst solche Texte konsumieren. Sie werden quasi ausgeliehen von ihren Arbeitgebern, den Werkstätten für Menschen mit Behinderung. Es gibt vielleicht auch Büros für Leichte Sprache, in denen Menschen mit Behinderung so bezahlt werden, wie alle anderen. Das wäre mein Ziel, wenn ich ein Büro für Leichte Sprache gründen könnte.
Für Tipps bin ich dankbar.

Von der Studienfassung zur Leichten Sprache[Bearbeiten]

Wir haben bei der Offenen Bibel das Ziel, eine Bibel in Leichter Sprache zu erstellen, die in ständigem Austausch mit der Studienfassung bleibt. Denn auch das Verständnis der Bibel bleibt fraglich und fluide. Exegeten und Exegetinnen forschen an Texten und mit Hilfe der Archäologie, tauschen sich aus und widersprechen einander.
Wir sind manche Texte der Bibel gewohnt. Zum Beispiel: das Vaterunser. Es wäre Blödsinn, das Vaterunser in Leichte Sprache zu übertragen und Gottesdienstbesucher*inn*en zu geben, wenn diese mit dem Vaterunser bereits vertraut sind. Auch ich erschließe mein Verständnis manche Texte durch stetiges Nutzen derselben und durch den Austausch mit anderen. Ein Mensch mit Lernbehinderung würde das Vaterunser auf einmal schiwerig finden, wenn es nicht mehr vertraut ist.

Merke:
Auch schwere Texte können gut sein.


Stolperstein Poesie[Bearbeiten]

Die Bibel steckt voll wunderbarer Bilder. Auch wir gebildeten Menschen müssen acht geben, dass wir die Botschaft der Bibel nihct gründlich missverstehen, weil wir eine schnelle Antwort auf verstörende Botschaften haben.
Menschen mit Lernbehinderung haben als Regel für die Leichte Sprache festgelegt:

Weglassen, was zu schwer ist.
Und dabei darauf achten,
dass nichts Wichtiges verloren geht.

Wir können also bei unserer Arbeit nicht alles so formulieren, wie es wissenschaftlich korrekt wäre. Die Frage bei unserer Arbeit muss immer sein: Ist das die Botschaft.
Die ständige Offenlegung unserer Arbeitsprozesse macht manches mühsam, aber es hilft, zu wahrhaft guten Ergebnissen zu kommen, die alle zufrieden stellen. Diese Ergebnisse sind immer vorläufig. Denn schon bald kann jemand mit einem guten Hinweis kommen und es gibt wieder Änderungen.
Für die poetischen Texte der Bibel suchen wir nach entsprechender Poesie in Leichter Sprache.

Der Gottesname[Bearbeiten]

Alle Exegeten und Exegetinnen sind im Umgang mit dem Gottesnamen, wie Mose ihn am Dornbusch erfahren hat, sehr behutsam. In Leichter Sprache ist eine Umschreibung kaum möglich, ohne zu viel Bedeutung zu verlieren. Das bringt uns zur Wiederentdeckung eine wichtigen Funkton biblischer Texte:

Die Bibel ist ein Buch für die Gemeinde[Bearbeiten]

Wir lesen heute in einer vollen Schriftkultur. Würde jemand in der Straßenbahn seine Zeitung laut lesen, wären seine Mitfahrenden minimal amüsiert und maximal gestört. Aber früher war das üblich. Noch früher las jemand für alle vor. Man sprach über das Gehörte. Sogar im Theater waren Zwischenrufe üblich.
Wir sind heute ein volle Schriftkultur. Sie Welt ist voller Bedeutung und transportiert diese in Bildern und Texten verschiedenster Formen. Und obwohl uns alles möglich ist, ist doch der Zugang zur Bildung faktisch nur wenigen möglich.
Wir könnten in unseren Gemeinden die Bibel wieder standardmäßig in dialogischer Form lesen.
Menschen mit Lernbehinderung brauchen die Lektüre in Gemeinschaft. Sie stellen Fragen und können einen ganz schön ins Schwitzen bringen. Dagegen ist das Lesen von Bibeltexten im Sonntagsgottesdienst ein Kinderspiel. Aber nach dem Sonntagsgottesdienst wissen die wenigstens der Gemeindemitglieder, was sie gehört haben.
Die Bibellektüre bedarf der Gemeinde.
So gesehen können wir anhand der Leichten Sprache und ihrer Kultur etwas wiederentdecken, was uns in der Liturgie verloren gegangen ist: die Gemeinschaft und den Diskurs.

Bitte widersprechen Sie mir[Bearbeiten]

Nur so kann ich lernen.


Dorothee Janssen dorothee.janssen@bistum-essen.de

Perspektiven aus dem Vorangegangenen?[Bearbeiten]

Leichte Sprache macht klug. Auch uns gebildete Freundinnen und Freunde. Denn wenn ich den Glauben auch mit einfachen Worten vermitteln kann, habe ich ihn erfasst. Wenn ich etwas mit einfachen Worten erklären kann, habe ich es verstanden.

Manche Fachwörter müssen wir auch in den Texten behalten, damit die Kommunikation mit anderen Menschen gelingt. Wir gebildete Freundinnen und Freunde müssen sie erklären und so unser Wissen teilen, damit wir miteinander sprechen und einander verstehen lernen. Bei meiner Arbeit habe ich dazu auf der Website ein Tool, das wir Akkordeon nennen. Ich füge es zwischen den Abschnitten ein. Mit dem Hinweis "Klicken und nachlesen" stehen da untereinander Fragen wie: "Was heißt Prophet?", die man anklicken kann, um das entsprechende Fachwort erklärt zu bekommen. Die Erklärungen werden also nur auf Wunsch geöffnet. Ich bin gespannt, wie das ankommt.

Wenn unsere Medienlandschaft sich verändert, das geschriebene Wort nicht mehr so wichtig ist (versuch mal Bücher antiquarisch loszuwerden...), sollten wir unsere Texte zu gesprochenem Wort machen. Mit einer Vorlesefunktion, einem Audiotrack zu einer Seite oder mit einem Video. Was wäre die Kommunikation mit meiner tauben Freundin ohne Videos!

--Ilga Bliek (Diskussion) 15:21, 27. Mär. 2023 (CEST)