Exodus 20: Unterschied zwischen den Versionen

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{{L|5}} Du darfst dich vor ihnen nicht verneigen und dich ihnen nicht unterwerfen lassen.<br />
 
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Denn ich, (/|der Herr|/Unser Gott/ER/), dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott. Wer mich hasst, für dessen Verbrechen bestrafe ich noch seine Nachkommen bis zur dritten, nein, bis zur vierten Generation; {{L|6}} aber meine Güte erweise ich bis zur tausendsten Generation an denen, die mich lieben und meinen Geboten folgen.<ref>Missverständlicher Satz, der zusammen mit [[Numeri 14 |Num 14]] gelesen werden muss: Dort handelt Gott explizit nach dem Prinzip „4 Generationen Strafe, 1000 Generationen Güte“ – und ''vergibt'' daher den Schuldigen. „4 Generationen Strafe, 1000 Generationen Güte“ heißt also wahrscheinlich nur: „Weitaus bereiter zur Vergebung als zur Strafe“.</ref><br />
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Denn ich, (/euer HERR/ICH/), dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott. Wer mich hasst, für dessen Verbrechen bestrafe ich noch seine Nachkommen bis zur dritten, nein, bis zur vierten Generation; {{L|6}} aber meine Güte erweise ich bis zur tausendsten Generation an denen, die mich lieben und meinen Geboten folgen.<ref>Missverständlicher Satz, der zusammen mit [[Numeri 14 |Num 14]] gelesen werden muss: Dort handelt Gott explizit nach dem Prinzip „4 Generationen Strafe, 1000 Generationen Güte“ – und ''vergibt'' daher den Schuldigen. „4 Generationen Strafe, 1000 Generationen Güte“ heißt also wahrscheinlich nur: „Weitaus bereiter zur Vergebung als zur Strafe“.</ref><br />
  
{{L|7}} Du darfst dich nicht unheilvoll (/|zum Herrn|/zu Unserem Gott/zu IHM/), deinem Gott, bekennen, denn (/|Dein GOTT|/Unser Gott/ER/) wird denjenigen nicht freisprechen, der sich unheilvoll zu ihm bekennt.<br />
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{{L|7}} Du darfst dich nicht unheilvoll (/zu eurem HERRN/zu MIR/), deinem Gott, bekennen, denn (/euer HERR/ER/) wird denjenigen nicht freisprechen, der sich unheilvoll zu ihm bekennt.<br />
  
{{L|8}} Vergiss nicht, den Sabbat-Tag als heiligen Tag zu begehen! {{L|9}} Sechs Tage lang darfst du arbeiten und deinen Geschäften nachgehen, {{L|10}} aber der siebte Tag ist der Sabbat; er gehört (/|Dem Herrn|/Unserem Gott/IHM/), deinem Gott. Da darfst du keinem Geschäft nachgehen: Du nicht, dein Sohn und deine Tochter nicht, dein Knecht und deine Magd und dein Vieh und dein bei dir angestellter Immigrant aus deinem Ort nicht! {{L|11}} Denn sechs Tage lang hat (/|Dein Gott|/Unser Gott/ER/) den Himmel und die Erde, das Meer und alles, was darauf und darin ist, gemacht, aber am siebten Tag hat er sich ausgeruht. Deshalb hat (/|Dein Gott|/Unser Gott/ER/) den Sabbat-Tag gesegnet und ihn zum heiligen Tag erklärt.<br />
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{{L|8}} Vergiss nicht, den Sabbat-Tag als heiligen Tag zu begehen! {{L|9}} Sechs Tage lang darfst du arbeiten und deinen Geschäften nachgehen, {{L|10}} aber der siebte Tag ist der Sabbat; er gehört (/eurem HERRN/IHM/), deinem Gott. Da darfst du keinem Geschäft nachgehen: Du nicht, dein Sohn und deine Tochter nicht, dein Knecht und deine Magd und dein Vieh und dein bei dir angestellter Immigrant aus deinem Ort nicht! {{L|11}} Denn sechs Tage lang hat (/euer GOTT/ER/) den Himmel und die Erde, das Meer und alles, was darauf und darin ist, gemacht, aber am siebten Tag hat er sich ausgeruht. Deshalb hat (/euer GOTT/ER/) den Sabbat-Tag gesegnet und ihn zum heiligen Tag erklärt.<br />
  
{{L|12}} Sei respektvoll und gehorsam gegenüber deinem Vater und deiner Mutter. Dann wirst du lange leben können auf dem Land, dass (/|Der Herr|/Unser Gott/ER/), dein Gott, dir geben wird.<br />
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{{L|12}} Sei respektvoll und gehorsam gegenüber deinem Vater und deiner Mutter. Dann wirst du lange leben können auf dem Land, dass (/euer HERR/ER/), dein Gott, dir geben wird.<br />
  
 
{{L|13}} Du darfst weder Mord noch Totschlag begehen.<br />
 
{{L|13}} Du darfst weder Mord noch Totschlag begehen.<br />

Version vom 28. August 2023, 15:00 Uhr

Syntax ungeprüft

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Status: Studienfassung zu prüfen – Eine erste Übersetzung aus dem Urtext ist komplett, aber noch nicht mit den Übersetzungskriterien abgeglichen und nach den Standards der Qualitätssicherung abgesichert worden und sollte weiter verbessert und geprüft werden. Auf der Diskussionsseite ist Platz für Verbesserungsvorschläge, konstruktive Anmerkungen und zum Dokumentieren der Arbeit am Urtext.
Folgt-später.png
Status: Lesefassung folgt später – Bevor eine Lesefassung erstellt werden kann, muss noch an der Studienfassung gearbeitet werden. Siehe Übersetzungskriterien und Qualitätssicherung Wir bitten um Geduld.

Lesefassung (Exodus 20)

1 Dann sprach Gott alle diese Worte:

2 „Ich bin ⸂euer Herr⸃, dein Gott, der dich aus deinem Sklavenhaus, aus dem Land der Ägypter, geführt hat.

3 Du darfst in meiner Gegenwart keine anderen Götter haben.
4 Du darfst dir kein Kultbild anderer Götter machen: Keinerlei Darstellung von etwas am Himmel droben, auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde.
5 Du darfst dich vor ihnen nicht verneigen und dich ihnen nicht unterwerfen lassen.

Denn ich, ⸂euer Herr⸃, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott. Wer mich hasst, für dessen Verbrechen bestrafe ich noch seine Nachkommen bis zur dritten, nein, bis zur vierten Generation; 6 aber meine Güte erweise ich bis zur tausendsten Generation an denen, die mich lieben und meinen Geboten folgen.a

7 Du darfst dich nicht unheilvoll zu ⸂eurem Herrn⸃, deinem Gott, bekennen, denn ⸂euer Herr⸃ wird denjenigen nicht freisprechen, der sich unheilvoll zu ihm bekennt.

8 Vergiss nicht, den Sabbat-Tag als heiligen Tag zu begehen! 9 Sechs Tage lang darfst du arbeiten und deinen Geschäften nachgehen, 10 aber der siebte Tag ist der Sabbat; er gehört ⸂eurem Herrn⸃, deinem Gott. Da darfst du keinem Geschäft nachgehen: Du nicht, dein Sohn und deine Tochter nicht, dein Knecht und deine Magd und dein Vieh und dein bei dir angestellter Immigrant aus deinem Ort nicht! 11 Denn sechs Tage lang hat ⸂euer Gott⸃ den Himmel und die Erde, das Meer und alles, was darauf und darin ist, gemacht, aber am siebten Tag hat er sich ausgeruht. Deshalb hat ⸂euer Gott⸃ den Sabbat-Tag gesegnet und ihn zum heiligen Tag erklärt.

12 Sei respektvoll und gehorsam gegenüber deinem Vater und deiner Mutter. Dann wirst du lange leben können auf dem Land, dass ⸂euer Herr⸃, dein Gott, dir geben wird.

13 Du darfst weder Mord noch Totschlag begehen.

14 Du darfst keine Ehe brechen.

15 Du darfst nicht stehlen.

16 Du darfst vor Gericht nicht falsch gegen deinen Mitmenschen aussagen.

17 Du darfst dir das Haus deines Mitmenschen nicht aneignen wollen.

Du darfst den Ehepartner deines Mitmenschen oder seinen Knecht oder seine Magd oder sein Rind oder seinen Esel oder irgendetwas, das deinem Mitmenschen gehört, nicht entführen wollen.“ 18 19 20 21 22 23 24 25 26

Anmerkungen

aMissverständlicher Satz, der zusammen mit Num 14 gelesen werden muss: Dort handelt Gott explizit nach dem Prinzip „4 Generationen Strafe, 1000 Generationen Güte“ – und vergibt daher den Schuldigen. „4 Generationen Strafe, 1000 Generationen Güte“ heißt also wahrscheinlich nur: „Weitaus bereiter zur Vergebung als zur Strafe“. (Zurück zu Lesefassung v.6)

Studienfassung (Exodus 20)


1bDann sprach Gott alle diese Worte {wie folgt}:

2 „Ich [bin] JHWH, dein Gottc, der dich aus dem Land der Ägypter (Ägypten), dem Haus der Sklaven (Knechte; aus dem Sklavenhaus) herausgeführt hat.

3 Du sollst (darfst; [Deshalb] darfst du...) keine anderen Götter vor mir (neben mir, statt mir?, mir ins Angesicht?)d haben.e 4 Du sollst (darfst) dir (kein Bild=) kein Götterdarstellung machen: (und) (Jegliches=) Keinerlei Gestaltf [von etwas], das am (im) Himmel oben oder {das} auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde [ist]. 5 Du sollst (darfst) dich nicht vor ihneng niederwerfen und dazu bringen lassen, ihnen zu dienen,h
denn ich, JHWH, dein Gott, [bin] ein eifersüchtiger (leidenschaftlicher) Gott, [der für] die Schuld (Sünde) der (Väter=) Vorfahren (die=) ihre (Söhne=) Nachkommen heimsucht (bestraft) bis in die dritte und vierte [Generation] [bei denen, die] mich hasseni,j 6 aber (Huld=) liebende Treue (Liebe, Güte) tausenden [Generationen] [bei denen] erweist (tut), [die] mich lieben und meine Gebote befolgen. 7 Du sollst (darfst) den Namen JHWHs, deines Gottes, nicht unnütz (schändlich)k tragen ([auf den Lippen] tragen?),l denn JHWH wird [denjenigen] nicht für unschuldig erklären (vergeben, ungestraft lassen), der seinen Namen unnütz trägt ([auf den Lippen] trägt).l 8 (Denke/Erinnere dich an den Sabbat-Tag, ihn zu heiligen=) Denke (Erinnere dich) daran, den Sabbat-Tag zu heiligenm (Denke an den Sabbat, indem du ihn heiligst / um ihn [so] zu heiligen). 9 Sechs Tage [lang] darfst (sollst, kannst) du arbeitenn und alle deine Arbeit verrichten, 10 doch der siebte Tag [ist] [der]o Sabbat für JHWH,p deinen Gott. Du sollst [an diesem Tag] (darfst) keinerlei Arbeit verrichten – [weder] du noch dein Sohn und deine Tochter, noch dein Knecht (Sklave) und deine Magd (Sklavin) und dein Vieh (Tier) und dein Gast (Fremder), der [sich] in deinen [Stadt-]Toren [aufhält].q 11 Denn sechs Tage [lang] (in sechs Tagen) hat JHWH den Himmel und die Erde, das Meer und alles, was darin (in ihnen) [ist], gemacht, aber (dann; und) am siebten Tag geruht. Deshalb hat JHWH den Sabbat-Tag gesegnet und ihn als heilig erklärt (geheiligt). 12 Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit (deine Tage lang sein werden=) dein Leben lang sein wird auf dem Land (dem Grund), den JHWH, dein Gott, dir geben wird.r 13 Du sollst (darfst) nicht morden.s 14 Du sollst (darfst) nicht die Ehe brechen.t 15 Du sollst (darfst) nicht stehlen (kidnappen?u). 16 Du sollst (darfst) nicht aussagen gegen deinen (Nächsten=) Mitmenschenv [als] lügnerischer Zeuge ([mit] lügnerischem Zeugnis).w 17 Du sollst (darfst) nicht gierenx nach dem Haus deines (Nächsten=) Mitmenschen.v Du sollst (darfst) nicht gieren nach der Frau deines (Nächsten=) Mitmenschenv oder seinem Sklaven (Knecht) oder seiner Sklavin (Magd) oder seinem Rind oder seinem Esel oder irgendetwas, das (irgendjemandem, der) deinem (Nächsten=) Mitmenschenv [gehört].“


18 Und das ganze Volk sah den Donner, die Fackeln, den Hörnerschall und den rauchenden Berg. Als nun das Volk das sah, zitterten sie, blieben von ferne stehen 19 und sagten zu Mose: Rede du mit uns, dann wollen wir hören. Aber JHWH soll nicht mit uns reden, damit wir nicht sterben. 20 Da sagte Mose zum Volk: Fürchtet euch nicht! Denn um euch zu prüfen ist JHWH gekommen und damit die Furcht vor ihm auf eurem Gesicht sei, damit ihr nicht sündigt. 21 So blieb denn das Volk von ferne stehen. Mose aber näherte sich dem Wolkendunkel, wo JHWH war. 22 23 24 25 26


Anmerkungen

Der in Vv. 1-17 überlieferte Text ist als „Die Zehn Gebote“ bekannt und lässt sich in seiner historischen Wirkung kaum überschätzen. Ob allerdings im Exodusbuch hier wirklich „zehn Gebote“ erlassen werden, ist gar nicht so klar. Der Text ist doppelt überliefert und steht noch ein zweites Mal in Dtn 5,6-21. Es gibt einige Unterschiede auch im Wortlaut des Textes selbst. Doch dies ist nicht das Verwirrende; verwirrend sind vielmehr die Unterschiede in der Rahmung: „Zehn Worte“ (nie: „Gebote“) auf „zwei steinernen Tafeln“ sind der Text in Ex 20,1-17 // Dtn 5,6-21 nur im Buch Deuteronomium (Dtn 4,13; 5,22). Die natürlichste Bedeutung des Texts im Exodusbuch dagegen ist, dass Gott dem Mose laut Ex 24,12; 31,18 das in Ex 20,22-23,33 überlieferte Bundesbuch und vielleicht das nachgereichte Sabbatgebot in Ex 31,13-17 auf steinernen Tafeln überreicht, dass Mose diese Tafeln in Ex 32,15f.19f. zerbricht und dann in Ex 34,28 mit Ex 34,10-26 andere Worte noch einmal auf steinerne Tafeln schreibt, und dass erst diese als „zehn Worte“ bezeichnet werden. Für den Text in Ex 20,2-17 gilt beides nicht: Weder steht er auf den berühmten steinernen Tafeln noch wird er irgendwo als „zehn Gebote“ o.ä. bezeichnet. Hinzu kommt dann noch die Merkwürdigkeit, dass in Vv. 18-21 das um den Sinai versammelte Volk von der eben ergangenen Offenbarung gar keine Notiz zu nehmen scheint; als hätte Gott geschwiegen, wenden sie sich an Mose, dass bitte er für sie mit Gott sprechen solle.

In der neuen Auslegung werden beide Merkwürdigkeiten – dass Ex 20,2-17 nach der Logik des Texts gar nicht die „zehn Worte“ zu sein scheinen und dass das Volk so gar nicht auf die Offenbarung dieser Verse reagiert – meist texthistorisch erklärt. Die Rekonstruktion der Textgeschichte ist wieder äußerst umstritten, aber am plausibelsten ist die schon ältere von Hossfeld 1982 (auch Hossfeld 2005; ebenso z.B. Schmidt 1993, S. 29; Konkel 2008, S. 270): Ex 20,1-17 stand ursprünglich gar nicht im Exodus-Text, sondern an Ex 19,18 schlossen sich unmittelbar Vv. 18-21 als Einleitung des sehr alten Bundesbuches an. Die Autoren hinter Dtn 5 hätten aus Bundesbuch(, Ex 34) und Hos 4,2 eine Einleitung zu ihrer Gesetzessammlung in Dtn 12-26 verfasst, die sie als direkte Offenbarung Gottes an das Volk gestaltet hätten, um etwas von ähnlicher Würde zu konstruieren wie das Bundesbuch als von Gott selbst formuliertem Vertragstext. Als dann gegen Ende der biblischen Textgeschichte Gen-Num und Dtn-2 Kön zusammengefügt wurden, hätten die Redaktoren Ex und Dtn unter anderem dadurch aneinander angeglichen, indem sie den Text aus Dtn 5 leicht verändert nach Ex 20 kopiert hätten. Aber:

Auf den ersten Blick ist der Text in Ex 20 also recht sperrig. Aber man kann auch den Text, wie er jetzt vorliegt, gut verstehen: Nachdem Gott wie nie zuvor und auch danach nie wieder höchstselbst dem gesamten Volk auf dem Sinai erschienen ist, spricht er auch noch Face to Face zu seinem Volk, was ebenfalls einzig hier im Ersten Testament vorkommt. Doch die Israeliten – wieder: die nörgelnden und ungehorsamen Israeliten (s. Ex 14,11f.; 15,24; 16,2f..25-29; 17,2-7) – beachten diese unüberbietbare Offenbarung gar nicht, sondern schicken Mose als Unterhändler auf den Berg. Darauf überbietet sich Gott dann doch sogar noch einmal selbst, formuliert eigenhändig einen Vertragstext aus und fertigt darüber hinaus eigenhändig zwei Gesetzestafeln an (Ex 24,12). Aber wieder erweist sich Gottes erwähltes Volk als völlig unzulänglich, und bastelt sich just in dem Moment, da Mose die Tafeln in Empfang nehmen will, einen eigenen Götzen. Als Zeichen des Vertragsbruches zerbricht Mose in Ex 32,19f. die Tafeln mit dem Vertragstext, und erst nach langer Diskussion lässt sich Gott darauf ein, noch einen Vertrag mit Israel zu schließen – diesmal auf der Basis des Vertragstextes von Ex 34.
Was also ist im Exodusbuch dann der Text in 20,2-17? Lediglich Gottes erster Entwurf, der aber schon beim Hören zu viel ist für die Israeliten, der daher direkt in der Folge gleich zweimal revidiert wird und nur noch aus sozusagen archivarischem Interesse im Exodusbuch überliefert wird? Oder die unüberbietbare Formulierung des Vertrags zwischen Gott und Israel – das, was Gott eigentlich von seinem Volk verlangt? Und was bietet der Text in Ex 34,10-26? Bloß die klägliche Restmenge an Geboten, die allein Israel einzuhalten imstande ist? Oder die „Zehn Gebote letzter Hand“, die Krone der Gesetzeswerke im Exodusbuch? Beides werden wir uns zu Ex 34 noch einmal fragen müssen. Einstweilen genügt es, dass wir uns damit bescheiden, dass immerhin im Buch Deuteronomium die „zehn Worte“ mitnichten überholt werden, sondern dass vielmehr das gesamte deuteronomische Gesetzeswerk präsentiert wird als Auslegung dieser grundlegenden zehn Sätze Gottes.

bDie Offene Bibel folgt hier der Verszählung der BHS. Recht eigentlich ist das nicht gut zu rechtfertigen: Für Ex 20 und Dtn 5 gilt die Besonderheit, dass in tiberischen hebräischen Handschriften zwei Verszählungen gleichzeitig durch die masoretischen Akzente markiert werden. Die erste, „ṭa´ame ha-`eljon“ genannt („obere Akzente), teilt den Text in zehn Abschnitte, die offenbar der Zehnzahl der Sprüche entsprechen sollen. Die zweite (ṭa´ame ha-taḥton“, „untere Akzente) akzentuiert den Text, wie man gewöhnliche biblische Texte akzentuieren würde, und zieht daher z.B. die vier kurzen Sprüche gegen Ende zu einem Vers zusammen. In der lateinischen Tradition der Verszählung wurden aber beide zusammenaddiert, weshalb in westlichen Bibeln die zehn Sprüche erst in V. 17 enden.
Einer der Gründe für das Aufkommen der besonderen Akzentuierung war gewiss, dass unsicher ist, welche der nun folgenden Sätze jeweils zu den „zehn Sprüchen“ zusammengezogen werden müssen: Auch, wenn wir naheliegend davon ausgehen, dass jeder mindestens ein Ge- oder Verbot enthalten muss, finden wir insgesamt mindestens 12 davon, die irgendwie zu kombinieren sind (vgl. zur Problematik schön allgemeinverständlich z.B. Youngblood 1994). Einigkeit herrscht bei V. 7-16. Aber erstens ist V. 17 in Dtn 5 so gestaltet, dass man ihn dort als zwei Gebote auffassen muss. So zählen auch traditionell v.a. Katholiken und Lutheraner; so wird aber auch bereits durch die Einteilung des hebräischen Texts durch Freiräume („Petucha und Setuma“) gedeutet, die daher in Ex 20 nur auf 9 Abschnitte kommt. Zweitens und vor allem sind Vv. 2-6 umstritten: In der synagogalen Interpretation nimmt man heute V. 2 als eigenes Gebot und dann Vv. 3-6 als ein langes Gebot über die Verehrung fremder Götter. So gliedern auch Katholiken und Lutheraner, nehmen V. 2 dann aber als Prolog für alle zehn Sprüche. Ebenfalls in der synagogalen Interpretation verbreitet war die alternative Ansicht, Vv. 2-6 bildeten nur ein Gebot (und V. 17 dann eben zwei). Die Stuttgarter Handschrift Cod.Bibl.fol. 2 etwa, wo für gewöhnlich nach jedem hebräischen Vers der entsprechende Vers eines Targum steht, hat daher hier den Targum erst nach V. 6; so will neuerdings auch wieder DeRouchie 2013 gliedern. Orthodoxe, reformierte und anglikanische Kirchen sehen V. 2 ebenfalls als Prolog für die gesamten 10 Sprüche, teilen dann aber auf in die zwei Gebote V. 3 und Vv. 4-6. Adventisten schließlich zählen Vv. 2-3 als das erste und Vv. 4-6 als das zweite Gebot.
Links: Damaskus-Pentateuch. Oben: „Bei ‚Ich‘ gehört der Akzent Paschta zu den unteren Akzenten[, die erste Akzentreihe der oberen endet also mit V. 2, weil die untere weiter reicht].“
Unten erklärt Jacobson als: „[Erst] ‚Du sollst nicht machen‘ [in V. 4 ist] Versbeginn bei den unteren Akzenten“, heißt aber nur: „Merka gehört zur unteren Akzentreihe[, ergo das folgende Pazer zur oberen].“
Rechts: G20. Oben: „Bei ‚Ich‘ gehört der Akzent Tifcha zu den unteren Akzenten[, also endet die erste Akzentreihe der unteren Akzente mit V. 2, die der oberen also frühestens in V. 3].“
Das „Bei ‚du sollst nicht haben‘ [in V. 3] gehört Merka zu den unteren Akzenten“ müsste dann allerdings ein Fehler sein. Bei der nächsten Anmerkung ist G20 aber wieder auf der früheren Spur.
Genauer: Man nimmt heute gemeinhin an, die masoretischen Akzente sprächen für die erste synagogale Interpretation: V. 2 als erstes Gebot, Vv. 3-6 als zweites und V. 17 als ein Doppelgebot. Das ist so aber wahrscheinlich nicht richtig, was offenbar bisher noch niemandem aufgefallen ist. Welche Akzente jeweils zu den die Gebote markierenden ṭa´ame ha-`eljon gehören, ist nicht immer klar zu erkennen. Vgl. zur heute traditionellen Interpretation bes. ausführlich Japhet 1896, S. 157-166 (man ignoriere seine Ausführungen zum Rebia in V. 2; dieses ist nur ein Druckfehler in seiner Textausgabe). Breuer 1990 nun hat versucht, diese Interpretation noch weiter abzustützen, indem er erstens die Regel aufgestellt hat, zu den ṭa´ame ha-`eljon gehörten bei nebeneinanderstehenden Akzenten immer die Linken, und indem er auf den Damaskus-Pentateuch hingewiesen hat, wo vermerkt ist, dass der Silluq am Ende von V. 3 nicht zu dieser Reihe gehöre, wonach man also V. 3 bei der Gebotszählung nicht von V. 2 scheiden dürfe. Bei dieser Interpretation der Akzente sind ihm Jacobson o.J. und DeRouchie 2013 gefolgt; auch Dotan druckt die 10 Sprüche so in der Biblia Hebraica Leningradensia ab. Aber die Rechts-Links-Regel scheint falsch zu sein; man vergleiche rechts die Position der beiden Merkaim. Und neben den Anmerkungen im Damaskus-Pentateuch, die ähnlich übrigens auch im „Codex Hilleli“ und in EVR I Bibl 86 (Bild 88) stehen (die Randbemerkungen geben übrigens an, welche konjunktiven Akzente zu den unteren Akzenten gehören, nicht, wo jeweils ein Vers beginnt), scheint z.B. G20 eine alternative Tradition zu bezeugen, nach der die erste Akzentreihe der ṭa´ame ha-`eljon nicht in V. 2 endet. Nach dieser Tradition reichte wie bei den Adventisten das erste Gebot von V. 2 bis V. 3 und das zweite von V. 4 bis V. 6, wie wahrscheinlich auch schon JosAnt 3.91f und Philo, Dec 50f. und sicher Sifre Num 112 gegliedert haben. Damit lassen hebräische Handschriften zu: (1) Vv. 2-6 sind ein Gebot (Petucha und Setuma; Targum). (2) V. 2 ist Prolog oder ein Gebot und Vv. 3-6 sind ein weiteres (Akzente: Tradition 1; Judentum, Katholiken, Lutheraner). (3) Vv. 2-3 sind ein Gebot und Vv. 4-6 ein weiteres (Akzente: Tradition 2; Adventisten). Von den Handschriften her – die, wie man hier wunderbar deutlich sieht, aber ja auch nur bestimmte theologische Traditionen und Interpretationen festhalten, nicht „die richtige“ Interpretation – ist nur die Interpretation unmöglich, die nur V. 3 und Vv. 4-6 als zwei Gebote betrachtet.
Anm. d. ZL (S.W.): Übrigens irritiert mich sehr, wie in Ex 20 Sof Pasuq verwendet wird. In Dtn 5 folgt die SP-Setzung offenbar keiner Regel. Aber in Ex 20 finden wir 10x Sof Pasuq, und dies offenbar unabhängig von der oberen und unteren Akzentuierung. Möglicherweise wird durch Sof Pasuq also auch noch eine vierte (!) Zählweise festgehalten, bei der V. 6 als eigener Ausspruch herausgehoben werden sollte: (1) V. 2 („Ich bin dein Gott“)(2) Vv. 3-5 (Fremdgötter und Götterbilder)(3) V. 6 (1000 Generationen Gnade)(4-9) Vv. 7-16 (Name - Falschzeugnis)(10) V. 17 (Begehren). (Zurück zu v.1)
cNicht: „Ich, JHWH, bin dein Gott“ (so z.B. Jacob 1997; BigS) – jedenfalls nicht nach der masoretischen Akzentuierung: Apposition schlägt jede andere Wortfügung, wenn es darum geht, welche Wortverbindungen durch die Akzente zusammengezogen und welche getrennt werden. Bei „Ich, JHWH, bin dein Gott“, wo „JHWH“ Apposition zu „ich“ wäre, müsste der Trenner stattdessen nach „JHWH“ stehen, nicht wie hier nach „ich“.
Gott stellt sich also hier seinem Volk vor als „dein Gott JHWH, der dich aus Ägypten geführt hat“ (eine geprägte Wendung im Deuteronomium, bei der ebenfalls stets „dein Gott“ in Apposition zu „JHWH“ steht, s. die Parallelstellen) – ähnlich, wie er sich Mose zuvor als „JHWH, der Gott deiner Vorfahren“ vorgestellt hatte (Ex 3,6). Anders also dort ist JHWH aber hier kein „Gott der Vergangenheit“ mehr: Er ist ein Gott, der soeben heilsam an seinem Volk gehandelt hat und der auf dieser Basis die nun folgenden Vertragsbedingungen für einen Vasallenvertrag mit seinem Volk stellen kann.
Auch formal erinnert der Vers an die Eröffnung einen Vasallenvertrags, da diese ähnlich wie unser Abschnitt regelmäßig mit einer kurzen Selbsteinführung desjenigen begannen, der die Vertragsbedingungen bestimmen konnte. Köckert 2007, S. 44 und Coogan 2014, S. 52 etwa denken auch wirklich, der Vers sei bewusst antiken Vasallenverträgen nachempfunden worden. Eine weitere mögliche und noch nähere Parallele sind aber antike Gesetzessammlungen. Hammurapi beginnt seinen berühmten Codex bspw. mit „Ich bin Hammurapi, der Hirte...“; Ähnliches begegnet in den Gesetzessammlungen von Urnammu, von Lipit Ischtar und im Codex Eschnunna. Müsste man sich die Gestaltung der Einleitung erklären, sollte man besser an diese Parallelen denken (so hier z.B. auch Albertz 2015; Reicke 1973, S. 2 überschreibt den Vers gar mit „Die Autorität des Gesetzgebers“). Aber der Sinn des Verses erschließt sich ja auch ohne diese Parallelen ganz von selbst. (Zurück zu v.2)
dvor mir (neben mir, statt mir?, mir ins Angesicht?) - sehr unklarer Ausdruck. W. „vor/auf/gegen mein(em) Angesicht“; „Angesicht“ ist im Heb. aber sehr häufig derart bedeutungsentleert, dass Ausdrücke mit „Angesicht“ oft nur als umständlichere Präpositionen verwendet werden können (vgl. z.B. BrSynt §110k), daher z.B. „vor meinem Angesicht“ = „vor mir“. Dass grundsätzlich gefordert wird, keine anderen Götter neben JHWH zu verehren, ist klar. „Neben mir“ oder „außer mir“ ist daher mit gutem Recht die mit Abstand häufigste Übersetzung (so auch schon LXX, Syr und die Targumim), obwohl die häufige Wortfügung sonst nie in dieser Bed. verwendet wird. Will man sich an der gewöhnlichen Bedeutung der Wortfügung orientieren, übersetzt man daher besser wie unten unter (3).
Andere Deutungen, die daher vorgeschlagen wurden: (1) Markl 2007, S. 105 und Stoppel 2018, S. 68 haben die alte Deutung „mir zum Trotz“ (König 1917, S. 87) aufgefrischt; S. erklärt sie wie schon Propp 2006 witzig entsprechend dem Englischen „in your face“. Dagegen vgl. aber richtig Knieriem 1965, S. 25; Weinfeld 1991: Aus den drei von König zitierten Stellen Ijob 1,11; 6,28 und Jes 65,3 lässt sich diese Bed. nicht ableiten.
(2) Krebernik 1995, S. 31 und Köckert 2007, S. 50 nehmen an, der Ausdruck stamme aus der Formelsprache antiker Vasallenverträge, da es in einem assyrischen Vasallenvertrag Assurbanipals einen ähnlich schlecht verständlichen Ausdruck gibt: „ihr sollt keinen anderen König ina UGU-šú (w.: ‚auf ihm‘) suchen!“ „Auf ihm“ soll dann ein ungewöhnlicher Ausdrück für „an seiner Statt“ sein. Aber von nur einem assyrischen Beleg und einem hebräischen, die einander nicht einmal entsprechen, auf eine sprachübergreifende Formel zu schließen, ist viel zu gewagt. Propp 2006 will die selbe Bed. aus heb. Parallelstellen ableiten, aber bei keiner der von ihm zitierten Stellen macht das auch nur Sinn.
(3) Möglich scheint mir (S.W.) daher nur die Deutung von Knieriem 1965 und Dozeman 2009: „Vor meinem Gesicht“ = „vor meinen Augen“: Fremde Götter haben nichts in meinem Tempel oder vor meinem Zelt oder vor meinem heiligen Berg zu suchen. Aber genau dort werden die Israeliten in den nächsten Kapiteln ihre Götten erschaffen. Dann würde hier gar nicht allgemein die Fremdgötterei verboten, sondern nur der Mischkult. Das kann schon sein: Wir werden noch zwei weitere Male feststellen, dass der Dekalog laxer ist als andere Gebotssammlungen und mitnichten so allgemein und umfassend formuliert ist, wie man zunächst meint. (Zurück zu v.3)
eW. „Andere Götter dürfen vor mir nicht für dich sein“. Übersetzen wir „vor mir“ mit den alten Versionen als „außer mir, neben mir“ (s. vorige FN), lässt es die Formulierung sowohl zu, bei diesem Gebot an einen echten Monotheismus zu denken („Du sollst davon ausgehen, dass außer mir keine anderen Götter existieren“) als auch, wie meist angenommen wird, an „Monolatrie“, also die Verehrung allein von JHWH, obwohl gleichzeitig die Existenz anderer Götter anerkannt wird. Verwandte theologische Entwicklungen im Umfeld Altisraels (vgl. z.B. Baumann 2006) machen auch bei einer Übersetzung mit „neben mir“ wirklich die Monolatrie-Deutung weit wahrscheinlicher. (Zurück zu v.3)
fExodus verknüpft die beiden Ausdrücke mit Waw. In Dtn 5,8 stehen sie dagegen unverbunden hintereinander. Die Formulierung in Dtn könnte man als hebräische Constructus-Verbindung auflösen („Du sollst dir keine Götterdarstellungvon jeglicher Gestalt machen“). Hossfeld 1982 und Dohmen 1985 nehmen das an und gehen sogar so weit, dass sie glauben, das „keine Götterdarstellung und keinerlei Gestalt“ in Ex solle mit seinen zwei Objekten das Plural-Personalpronomen „sie“ in V. 5 auffangen, das sich dann auf diese beiden Worte bezöge statt auf die Fremdgötter wie in Dtn, und so V. 3 und Vv. 4-5 in zwei Gebote splitten. Aber das liegt ganz fern; dann würde mit „und keinerlei Gestalt“ ja jegliche bildliche Darstellung verboten, nicht nur die von Göttern. Besser nimmt man daher mit Childs 1974; Graupner 1987, S. 314 und Albertz 2015 an, dass das Waw hier ein sog. „explikatives Waw“ ist: „Du sollst dir keine Götterdarstellung machen, das heißt präziser: keinerlei Gestalt...“ Ist das richtig, bezieht sich das „vor ihnen“ auch in Ex zurück auf die Fremdgötter, wonach dann mit der „Götterdarstellung, jeglicher Gestalt“ ebenfalls konkret Darstellungen anderer Götter gemeint sein müssen. Vgl. so klar die Umformulierung von LAB 11,6: „Du sollst dir keine geschnitzten Götter machen und auch kein verabscheuungswürdiges Bild von [anzubetenden] Sonne und Mond.
Spätere Autoren haben daher dem Dekalog Dtn 4 vorangestellt (zu Dtn 4 als späterer Interpretation des Bilderverbots vgl. v.a. Holter 2003), wo auch die „Gestaltung“ von JHWH-Bildern verboten wird (Dtn 4,15f.) – aber in unserem Vers liegt dies noch nicht im Blick (richtig Obbink 1929; Houtman 2000; Dozeman 2009). (Zurück zu v.4)
gihnen, also den Göttern. S. die Parallelstellen, die nur eine Auswahl derer sind, die man nennen können hätte: „sich niederwerfen und dienen“ tut man nach biblischem Sprachgebrauch standardmäßig (vor) fremden Göttern (richtig z.B. Zimmerli 1950, S. 37f.; Schüngel-Straumann 1973, S. 80; Miller 2009, S. 14). Die Logik von Vv. 3-5a ist also: „(1) In meiner Gegenwart will ich keine anderen Götter sehen. (2) Fang gar nicht erst an, sie mit Kultbildern darzustellen. (3) Vor allem sollst du dich fremden Göttern nicht unterwerfen. Denn: ...“ (Zurück zu v.5)
htFN: sich dazu bringen lassen, ihnen zu dienen - so mit der hebräischen Vokalisierung, die auch durch 1QPhyl; 4QDtnn; 4QPhylb.j bezeugt wird. Die Üs. der großen Mehrheit, „du sollst ihnen nicht dienen“, vokalisiert entweder to´obdem um zu ta´abdem (so z.B. Albertz 2015) oder erklärt mit GKC §60b als irreguläre Wortbildung mit der selben Bed. wie ta´abdem (so z.B. BHQ Dtn). Aber dafür gibt es keinen Anlass; „sich zum Dienst bringen lassen“ passt hervorragend in einem Kontext, in dem dieser Dienst bewusst parallelisiert wird dem Sklavendienst in Ägypten. Mit dem heb. Text übersetzen daher z.B. auch Dohmen 2004 und Stoppel 2018, S. 68. Der Einwand von Propp 2006, dies erfordere noch ein Suffix, ist mir (S.W.) unverständlich; Hofal in dieser Bed. steht regelmäßig ohne Suffix. (Zurück zu v.5)
ihassen + lieben wird gelegentlich so erklärt, dass die Begriffe hier keine Emotionen bezeichneten, sondern beide Worte Begriffe aus dem altorientalischen Vasallenvertragswesen seien und Menschen beschrieben, die ihrem Vertragsherrn treu vs. untreu sind (vgl. z.B. Levinson 2006, S. 168; Köckert 2007, S. 52). Ich (S.W.) bin unsicher, ob das so richtig ist. Es stimmt zwar, dass Vasallen in solchen Verträgen häufig dazu aufgefordert werden, ihre Herren zu „lieben“. Dass das gleichbedeutend ist mit „Vasallentreue“, ist damit aber noch nicht gesagt, und die Forderung, dass sie ihre Herrn nicht „hassen“ sollen, ist in Verträgen nicht ähnlich gebräuchlich. Besser geht man daher nicht von Vertragsterminologie aus und erklärt die beiden Worte daher stattdessen doch z.B. mit Jacob 1997 und Dozeman 2009 so, dass Gott hier auf emotionale Begriffe aus den Bereichen von Liebe und Ehe zurückgreift: Für den „eifersüchtigen“ Gott teilt sich die Welt in solche, die ihn „lieben“ und solche, die ihn „hassen“. Andere gibt es nicht. Auch das Schwarz-Weiß-Denken ist eine der Sprachen der Liebe. (Zurück zu v.5)
jVieldiskutierter Vers, da Gott hier auf den ersten Blick die Sippenstrafe für Fremdgötterverehrung verhängt (vgl. zu dieser Deutung am klarsten Krašovec 1994). Es gibt in der Bibel Verse, aus denen eine ähnliche Vorstellung von einer generationenübergreifenden Strafe spricht. Diese sind dann aber regelmäßig Beteuerung der eigenen Unschuld, die von Leidenden gesprochen werden: „Ich leide unter der Schuld meiner Vorfahren[; ich selber bin aber doch ganz unschuldig!](Ps 79,8; Klg 5,7; ähnlich 2 Chr 29,6-9; ähnlich auch 2 Kön 22,13; ähnlich schließlich auch der Fluchspruch in Ps 109,8-15). Man darf sie daher nicht als dogmatische Thesen missverstehen. Dass Gott nüchtern betrachtet und de facto nicht so handelt, sagen eine ganze Reihe von Versen explizit; s. Dtn 7,9f. (fast direkt nach dem deuteronomischen Dekalog); Dtn 24,16; Jer 31,29f.; Ez 18,2-4.19f.. Auch davon unabhängig ist der Vers wahrscheinlich missverstanden, wenn man ihn als Androhung generationenübergreifenden Strafhandelns liest:
Wichtig für das rechte Verständnis des Verses ist es erstens, zu sehen, dass der Vers V. 2 wieder aufgreift: „Ich [bin] dein Gott JHWH, der...“ – „Ich, dein Gott JHWH, bin...“ (gut gesehen von Auffret 2014, S. 818). Wichtig ist es zweitens, zu sehen, dass der zweite Teil der Begründung gar nicht den vorangehenden Hauptsatz begründet (*„Verehre keine fremden Götter, denn meine Huld währt 1000 Generationen für jene, die mich lieben“). Vv. 5b-6 begründen also nicht nur 5a, sondern schließen und runden die in V. 2 begonnene Selbstvorstellung Gottes ab und begründen den ganzen Abschnitt Vv. 3-5b: „Ich, JHWH, will dein Gott sein, also bete nicht stattdessen zu anderen Göttern und verehre nicht stattdessen Götterbilder, denn ich, JHWH, bin ein eifersüchtiger und ein huldvoller Gott.“
Für dies letztere lies: „denn ich, JHWH, bin ein besserer Gott als diese“: Die Pointe beim letzten Teil ist natürlich das Verhältnis 4 Generationen Strafe vs. 1000 Generationen Huld. Gott greift den verbreiteten Volksglauben von der generationenübergreifenden Strafe auf – und transformiert ihn durch seine Ergänzung in V. 6 (ähnlich in Ex 34,6f. durch eine andere Ergänzung, s. gleich). Wie, das zeigt Num 14, wo dieses Prinzip angewendet wird (und nicht in einem Kontext von Fremdgötterverehrung angewendet wird, was das eben Gesagte bestätigt): Wieder einmal murren die Israeliten. Da erscheint JHWH, gerät in Eifer und droht, sein ganzes Volk zu vernichten (V. 12). Doch Mose beschwichtigt ihn, indem er in V. 18 unseren Teilvers (in der Version von Ex 34,6f.) zitiert – „Du gerätst doch nur langsam in Zorn, bist groß an Güte, vergibst Ungerechtigkeit und Gesetzesbruch, entschuldigst aber nicht die Schuldigen und suchst die Ungerechtigkeit der Väter heim an ihren Nachkommen der dritten, nein, der vierten Generation!“ – und in V. 19 fortfährt: „Darum vergib doch die Ungerechtigkeit dieses Volkes!“ – und das tut Gott; entsprechend seinem Wesen straft er die Übeltäter nicht bis zur vierten Generation, sondern vergibt ihnen (V. 20) und beschränkt daher seine Strafe auf die aktuelle Generation (Vv. 22f.).
„Ich strafe für vier Generationen, bin aber huldvoll für 1000 Generationen“ ist danach keine verquere göttliche Arithmetik, bei der Gott leider ganz übersieht, dass die 1000 Generationen Huld doch leere Worte sind, wenn gleichzeitig jede Missetat bis in die vierte Generation bestraft wird. Sondern es ist nur eine verquere Formulierung für „ich bin ein eifernder Gott. Aber meine Huld ist noch viel größer als mein Eifer. So einer bin ich, JHWH, euer Gott, der euch aus Ägypten geführt hat.“
Dennoch werden die Verse üblicherweise verstanden als Ausdruck für das generationenübergreifende Strafhandeln Gottes; seit Beginn der Bibelauslegung hat man es daher unternommen, die Verse zu entschärfen. Einige Beispiele (weitere z.B. bei Neudecker 2000; Weiss 2017):
(1) In der Mechilta de Rabbi Schimon ist die Meinung festgehalten, das Wort für „heimsuchen“ müsse man hier nur i.S.v. „bemerken“ nehmen, was rein sprachlich möglich wäre. Ähnlich noch Dohmen 2004: „der die Schuld der Väter bei ihren Kindern prüft“. Beides ist sprachlich möglich, aber der Satz ist ein Gemeinplatz in der Bibel, bei dem man daher nicht einfach einzelne Worte gegen den Strich deuten darf; s. die Parallelstellen; s. auch die Umformulierung in Dtn 4,23-26.
(2) Die häufigste Variante: Was hier gesagt wird, gilt nur, wenn sich auch die Kinder der Übeltäter ähnlich schuldig machen. Daher ergänzt z.B. der Targum Onkelos: „Ich räche die Sünden der Väter an ihren rebellischen Kindern; bis zur dritten und vierten Generation bei denen, die mich hassen, wenn die Kinder ihren Vätern im Sündigen nachtun.“ (fast ebenso TgN; b.San 27b; Raschi); ähnlich LAB 11,6: „Ich bin ein Gott, der die Sünden der bereits Gestorbenen an den lebenden Söhnen der Gottlosen vergilt, wenn auch diese auf den Wegen ihrer Eltern wandeln, bis ins dritte und vierte Geschlecht.“ – hier wird also sogar noch zusätzlich eingeschränkt, Kinder würden allenfalls dann für die Schuld ihrer Vorfahren bestraft, wenn diese schon vor ihrer Zeit aus ihrer Verantwortung entschlafen sind. Einige neuere Ausleger wollen dies zusätzlich damit abstützen, dass sie „bei denen, die ihn hassen/lieben“ nicht auf die Missetäter beziehen, sondern auf deren Kinder: „Ich suche die Schuld der Väter bei ihren Nachkommen heim, genauer gesagt bei jenen [Kindern], die mich hassen.“ So oder ähnlich z.B. schon Ambrosiaster, Quaestiones 14; z.B. auch Cassuto 1967; Schmid 1999, S. 33; Houtman 2000; Baker 2017, S. 54f. Das ergäbe ein ähnliches theologisches Modell wie (3), aber dass mit den „Hassenden“ die Missetäter selbst gemeint sind, ist nach dem Parallelstellen ziemlich klar.
(3) Richtiger übersetzen müsste man: „Spätestens in der vierten Generation“: Gott ist zwar ein gerechter Gott, der Missetaten durchaus bestraft – aber er ist auch ein langmütiger Gott, der den Familien von Missetätern bisweilen bis zur vierten Generation Zeit gibt, Buße zu tun. Spätestens dann aber wird er zur Tat schreiten, denn länger lebt ja kein Missetäter (Rabbi Juda [2. Jhd.] in der Mechilta de Rabbi Schimon; Ephräm der Syrer; ibn Ezra; Ramban). Das müsste man dann anders als Juda, Ephräm oder ähnlich z.B. Muffs 1992, S. 21f. wenigstens so verstehen, dass dann Gottes Strafe über sämtliche vier Generationen hereinbricht, die ja nun lange genug Zeit zur Buße hatten, und nicht so, dass nur später bestraft wird: Dass Gott Missetäter davonkommen lässt, aber ihre unschuldigen Urenkel bestraft, eignet sich weder gut für einen Aufweis der Gnade Gottes noch als Warnung vor Vergehen. Sprachlich wäre das möglich, konzeptuell harmonierte es aber ebenso wenig mit Dtn 7,9 etc. wie die traditionelle Interpretation, wenn auch Gott am Ende etwas besser da steht.
(4) Hieronymus, Ep 147,10: Das ist zwar so, wie man es für gewöhnlich versteht, schon richtig verstanden. Aber es ist nicht ernst gemeint, sondern soll nur eine leere Drohung sein.
(5+6) Köckert 2007, S. 51f.: 1000 Generationen Gnädigkeit sind doch viel länger als vier Generationen Strafe, der Text nimmt also zwar Sippenhaft an, will aber vor allem zum Ausdruck bringen, dass Gottes Huld viel größer ist als sein Eifer. Mit ähnlicher Schlagseite Houtman 2000: Nur vier Generationen zu bestrafen, das ist doch immerhin noch besser als Stellen wie 2 Sam 12,10 oder 1 Sam 2,31-33; 2 Sam 3,29, wo sogar noch ferne Generationen unter der Schuld von Missetätern zu leiden haben. Ähnlich schon Augustinus, Enchiridion 47: Dass Gott sein Strafhandeln maximal bis zur vierten Generation ausdehnt, ist doch schon Gnade! Aber beides ist doch nur zynisch – der vierten Generation hilft das wenig. (Zurück zu v.5)
kunnütz (schändlich) - w. „zu Nichtigem/Schändlichem“. (Zurück zu v.7)
ltragen, Heb. naśa`, hält man meist für eine Abkürzung des Ausdrucks „etwas auf den Lippen tragen“, der sich aber sonst nur noch einmal in Ps 16,4 findet. Gemeint wäre dann, dass der Name „nicht unnütz/schändlich ausgesprochen werden darf“ (so z.B. Houtman 2000; Markl 2007, S. 111; Miller 2009, S. 68; Albertz 2015), was man dann wiederum schon in der Antike mit Abstand am häufigsten konkret auf ein verkehrtes Schwören bei Gott bezogen hat. Die Annahme einer geprägten Wendung nur auf der Basis der einen Belegstelle Ps 16,4 und die noch weiterführende Annahme, diese Wendung sei hier auch noch abgekürzt, ist äußerst gewagt. Besser sollte man auf Jes 3,7 und wohl Ex 23,1 verweisen, wo anscheinend wirklich alleiniges naśa` i.S.v. „sprechen“ verwendet wird. Was genau man sich unter einem „den Namen Gottes zu Nichtigem/Schändlichem sprechen“ vorzustellen hat, ist dann aber immer noch unklar; dass wirklich etwas wie Schwüre beim Gottesnamen gemeint sind, ist allenfalls ein educated guess. Neuere Ausleger beschränken sich in der Auslegung daher oft darauf, verschiedene Gelegenheiten aufzuzählen, bei denen man den Gottesnamen aussprechen und damit falsch handeln könnte: Bei Schwüren, aber auch bei Gelübden, bei Flüchen, in der Zauberei, ... (s. z.B. Dozeman 2009; Baker 2017, S. 64f.; Rom-Shiloni 2019, S. 141). Nota bene: Die Präzisierung „zu Nichtigem/Schändlichem“ setzt voraus, dass das strenge Verbot, den Gottesnamen überhaupt auszusprechen, noch nicht galt. Selbst die alten jüdischen Ausleger dachten zumeist nicht hieran, anders als viele aktuelle populärtheologische Auslegungen.
Skulptur des ägyptischen Generals Haremhab; hier dargestellt als Schreiber. Auf seinem Arm das Symbol des Gottes Amun. Ägypten, 13. Jhd. v. Chr. CC0 via TheMet
Unabhängig davon findet neuerdings in der Auslegung eine alternative Deutung immer mehr Anhänger: Der entsprechende akkadische Ausdruck „našû einen Namen“ heißt „(als Zeichen der Zugehörigkeit) einen Namen als Brandmal tragen“ (CAD 11, S. 86). Bei der im CAD verzeichneten Belegstelle wird dies von einer gebrandmarkten Kuh gesagt; der entsprechende Brauch ist aber im ganzen Umland Israels und der westlichen Antike auch bei Menschen sehr breit bezeugt: Besonders Sklaven eines Besitzers, Soldaten eines Königs oder Diener eines Gottes trugen den Namen oder das Symbol ihres Herrn als Branding, als Tattoo oder als Narbendekoration auf der Haut, meist entweder auf dem Arm oder auf der Stirn (für Beispiele s. z.B. ThWNT VII s.v. stigma, Stolper 1998; Huehnergard/Liebowitz 2013; für Beispiele speziell für den Namen oder das Symbol JHWHs vgl. z.B. Jacobs 2014, S. 7-16 und s. zu Sebastians PF von Gen 4,15). Auch von Judäern ist dies belegt; so im Elephantine-Brief B33: „Peṭosiri ..., ein Sklave, brandmarkte seine rechte Hand auf Aramäisch [mit] einem Brandmal, das lautete: ‚gehört Mibtahiah‘.(Üs. nach Porten 1996, S. 200). Noch Pseudo-Phokylides muss um die Zeitenwende dazu mahnen, die Brandmarkung von Sklaven doch bitte zu unterlassen (225) und Philo berichtet noch zur selben Zeit in SpecLeg I 58 vom entsprechenden Brauch beim „Götzendienst“. Bar-Ilan 1989, 2018; Block 2011 und v.a. Imes 2018 in Buchlänge haben daher vorgeschlagen, den Ausdruck auch hier entsprechend zu deuten: Gott soll der einzige Gott der Israeliten sein, entsprechend sollen diese – wahrscheinlich metaphorisch – seinen Namen tragen, und dies nur nicht laššaw`: „ohne Effekt“ oder gar so, dass sie gleichzeitig freveln – und hieraus folgen dann glatt alle weiteren Ge- und Verbote im folgenden Text. Diese Deutung ist besser: so gelesen ist der Ausdruck klar und fügt sich das Gebot besser zum Vorangehenden und baut eine Brücke zum Folgenden. (zu v.7)
mtFN: Casus pendens. So übersetzen sehr merkwürdig aber nur H-R und TEX; fast alle anderen: „Denke an den Sabbat, dass du ihn heiligst“, was man sogar im Deutschen als Casus pendens erkennt. Will man die Wortstellung des Heb. nachahmen, kann man übersetzen wie : „Gedenke des Sabbats: Halte ihn heilig“. (Zurück zu v.8)
narbeiten - Heb. ´abad, das übliche Wort für „arbeiten“. Gleichzeitig aber dasselbe Wort, das auch in V. 5 i.S.v. „dienen“ verwendet wird und wovon auch das Wort für „Sklave“ in „Sklavenhaus“ (V. 2) abgeleitet ist: Nachdem Gott Israel aus dem Sklavenhaus befreit hat, verhindert er mit seinen Vorgaben, dass sich Israel anderen göttlichen Herrn als Sklaven unterwerfen und zu Sklaven ihrer Arbeit werden können: Israel hat frei zu sein, grundsätzlich und speziell in Bezug auf andere Götter und die Arbeit (gut Crüsemann 1983, S. 58). (Zurück zu v.9)
otFN: „Sabbat“ schillert zwischen Eigenname und Klassennomen; es gibt daher mehrere Stellen wie diese, bei denen man einen Artikel vermisst und im Dt. ergänzen muss (vgl. Grund 2011, S. 94). Die Üs. „ein Ruhetag“ in manchen Üss. ist falsch; sie geht noch von der alten Meinung aus, „Sabbat“ leite sich ab vom Verb šabbat („aufhören“, also: „Aufhör-Tag“ = „Ruhetag“) statt vom akkadischen šabattu („Vollmond“, s. zur Etymologie bes. Rechenmacher 1996; Grund 2011, S. 43-49). (Zurück zu v.10)
pSabbat für JHWH, d.h. er ist „JHWH geheiligt“, „gehört nicht mehr dir, sondern JHWH“.
Anm. d. ZL (S.W.): Aber der Fokus liegt hier klar auf „für JHWH“, nicht auf „Sabbat“. Ich möchte daher vorschlagen, „Sabbat“ als Apposition zum „siebten Tag“ aufzulösen (zur Artikellosigkeit s. vorige FN): „Der siebte Tag, der Sabbat, [ist/sei] für JHWH“: er gehört JHWH. Im Heb. ist das Prädikat dann nur l-JHWH, wie man auch beim auf die Haut geschriebenen Gottesnamen l-JHWH geschrieben hätte. Eine Neben-Pointe ist dann: „Gehörst du mir, gehört auch dein Sabbat mir“. So hat m.W. aber bisher niemand aufgelöst.
Spekulation d. ZL (S.W.): Ist das richtig, fällt auf, dass „Sabbat“ hier alle drei Male präzisiert wird: In Vv. 8.11 durch die Formulierung „Sabbat-Tag“ und die jeweilige Ergänzung, dass es der siebte Tag nach den sechs Tagen nicht-Sabbat ist, und in V. 10 durch die besagte Apposition „der siebte Tag, der Sabbat“. Man ist sich heute in der Forschung recht einig, dass der alte Ruhetag alle sieben Tage (s. Ex 23,10-12; 34,21 und der alte Vollmond-Sabbat (s. bes. 2 Kön 4,23; Jes 1,13; Hos 2,13; Am 8,5) erst in der exilischen oder früh-nachexilischen Zeit zusammengeführt wurden, wonach erst der je siebte Tag zum arbeitsfreien Sabbat wurde (vgl. einführend Sabbat (AT) (WiBiLex); dort weitere Lit.). Man ist sich auch einig, dass der Dekalog – oder, falls wirklich eine Kurzform des Dekalogs schon älter sein sollte, mindestens die erste Vollform des Sabbatgebots – nicht wesentlich später entstanden sein dürfte. Es ist dann gut möglich, dass das doppelte „der Sabbat-Tag ... am siebten Tag“ und das „der siebte Tag – gemeint ist der Sabbat“ gezielt dazu dienten, die Identität von siebtem Tag und Sabbat überhaupt erst zu etablieren (vgl. ähnlich z.B. Köckert 2007, S. 69f.). Dann wäre dies der Witz der priesterschriftlichen Variante des Sabbatgebots in Ex: Anders als in der Dtn-Version würde bewusst nicht dazu aufgefordert, „die Heiligung des Sabbats zu achten“, sondern sich daran „zu erinnern“, und der Sabbat würde nicht mit dem einstigen Frondienst in Ägypten begründet, sondern als ältester und bereits mit der Schöpfung in Gen 2,1-3 eingeführter Feiertag vorgestellt, um damit diesen neuen heiligen Tag als ältestmögliche Tradition darzustellen. (Zurück zu v.10)
qFremder in deinen Toren - Also der in deinem Ort wohnende Immigrant, der oft als Tagelöhner für dich arbeitet, weil er selbst keinen Landbesitz hat. (Zurück zu v.10)
rGut Meynet 2013, S. 11: Erwartet hätte man erstens „Ehre deine Eltern, damit ihre Tage lang sein werden“ und zweitens „damit deine Tage lang sein werden auf dem Land, dass sie dir geben werden“. Beide naheliegenden Zusammenhänge werden hier aufgebrochen: Du selbst bist es, dessen Tage sich so verlängern werden, und Gott ist es, der dir das Land gibt, auf dem du deine langen Tage verbringen darfst. Man darf sich danach wahrscheinlich nicht fragen, was eigentlich der logische Zusammenhang von Elternehrung und langem Leben ist: Die überraschende Formulierung soll gerade zum Ausdruck bringen, dass dies die Frucht der Treue zu diesem Gebot Gottes ist. Vgl. LAB 11,9, wo dies durch eine Ergänzung ausdrücklich gemacht wird: Gott ist es, der dich dann derart segnen wird (Liebe deinen Vater und deine Mutter, und du sollst sie fürchten, und dann wird dir dein Licht aufsteigen. Und ich werde dem Himmel Befehl geben, und er wird dir seinen Regen gewähren, und die Erde wird ihre Frucht schnell bringen. Und du wirst viele Tage leben...“, Üs.: Dietzfelbinger). Verwandt ist die Erklärung von Cassuto 1967: Langes Leben folgt nicht speziell aus der Ehrung der Eltern, sondern Gott lohnt grundsätzlich gutes Handeln wie insbesondere die Treue gegenüber seinen Geboten mit langem Leben (s. Ex 23,24-26; Dtn 6,1f.; 11,8f.; 22,6f.; 1 Kön 3,14; Ps 41,2f.; dagegen Dtn 4,26f.; 30,16-20).
Will man bei dieser Deutung nicht mitgehen, bieten sich verschiedene Optionen an, den Zusammenhang doch „logischer“ zu erklären: (1) Sir 3,8f. (In Wort und Tat ehre deinen Vater, damit von ihm Segen auf dich kommt! Der Segen des Vaters schafft den Wurzelgrund, der Fluch der Mutter jedoch rupft die Pflanze aus.“; der zweite Satz ist wahrscheinlich Entfaltung der Rede vom „lange leben auf dem Land“ in unserem V.) legt nahe, dass es der Segen der Eltern ist, der langes Leben verleiht (zum lebensverlängernden Segen s. Dtn 30,16-20). (2) Vorstellen könnte man sich mit Bekhor Schor, Köckert 2007, S. 75 und Miller 2009, S. 203f. auch noch etwas wie: Wenn du deine Eltern ehrst, werden wahrscheinlicher auch deine Kinder dich ehren und so wirst du lange leben können – vgl. insb. Sir 3,5: „Wer den Vater ehrt, wird selbst durch die eigenen Kinder erfreut werden.“ Diesen Konnex gibt es auch häufiger in der griechischen Spruchweisheit (z.B. Sprüche der sieben Weisen, Spruch 8: „Welche Gefälligkeit du den Eltern erweist, solche kannst du auch selbst im Alter von deinen Kindern erwarten.“; Pseudo-Isocrates, Ad Dem 14a: „Verhalte dich so gegenüber deinen Eltern, wie du dir wünschst, dass deine Kinder sich dir gegenüber verhalten.(3) Die Erklärung von Jacob 1997 und Houtman 2000, Ehrung der Eltern sei Bedingung für einen gesunden Volkskörper, der dann als Kollektiv lang im Land Israel existieren kann (ähnlich schon ibn Ezra), scheint mir (S.W.) arg kompliziert. (4) Markl 2007, S. 118 deutet anscheinend so: Auf das Verfluchen der Eltern und den Ungehorsam ihnen gegenüber steht die Todesstrafe (Lev 20,9; Dtn 21,18f.); „lange leben“ heißt also nur: „nicht vorzeitig zur Strafe getötet werden“. Aber „lange leben“ ist doch wohl etwas anderes als „nicht früh getötet werden“?
Wie aber „ehrt“ man eigentlich seine Eltern? – Besonders zwei Deutungen bieten sich an:
(1) Die aussagekräftigste Parallele in der Bibel ist Mal 1,6f.: „Ein Sohn muss den Vater ehren und ein Sklave den Herrn. Wenn ich, Gott, Vater bin, wo werde ich geehrt? Und wenn ich Herr bin, wo werde ich gefürchtet? ... Ihr bringt unreines Brot als Opfer auf meinem Altar dar und sprecht dann auch noch: ‚Hm? Wo sollen wir dich denn verunreinigt haben?!‘, und gleichzeitig: ‚Ich verachte JHWHs Altar!‘“. JHWH als Vater zu „ehren“ hieße demnach, ihm durch Wort und Tat nicht den gebührenden Respekt zukommen zu lassen. Ähnlich ist wahrscheinlich auch Lev 19,3 zu verstehen: „Ihr sollt vor euren Eltern Furcht/Ehrfurcht haben!“ Was das in Bezug auf die eigenen Eltern konkreter bedeuten kann, lässt sich dann ex negativo bestimmen: Es gibt viele Stellen in der Bibel, die sagen, wie man sich gegenüber den eigenen Eltern nicht verhalten soll und die gut mit diesen beiden Stellen und unserem Vers harmonieren. Dazu gehört es insbesondere, die eigenen Eltern zu verachten (Dtn 27,16; Spr 23,22; 30,17; Ez 22,7; Mi 7,6) und sie zu verfluchen oder zu verspotten (Ex 21,15.17; Lev 20,9; Spr 20,20; 30,11; Sir 3,16. Vgl. noch Sir 3,13: Dies gilt auch, wenn sie bereits dement sind). Außerdem beziehen Eph 6,1-3 und 4QInstrb 2 III 15-19 das Gebot konkreter auf die Pflicht, seinen Eltern zu gehorchen (s. auch Dtn 21,18-21; Spr 1,8; 23,22; 30,17; Mi 7,6; Sir 3,1; Tob 4,4), was an diesen Stellen übrigens zumeist die Pflicht erwachsener Kinder ist, nicht von minderjährigen. Nicht direkt zur Pflicht der „Ehrung“ gehört es wahrscheinlich, die Eltern nicht zu berauben (Spr 28,24) oder gar handgreiflich gegen sie zu werden (Spr 19,26), aber dies versteht sich danach ja von selbst.
(2) Im Alten Israel gab es keine Altersvorsorge und keine Pflegeheime; versorgt und gepflegt wurden alte Eltern von ihren Kindern (s. z.B. Tob 4,3f.; Talmud, b.Jeb 65b). Vor allem im Talmud, b.Qid 31b, wird unser Ausdruck so verstanden: „Die Weisen lehren: Was heißt ... ‚(die Eltern) ehren‘? – Sie mit Essen und Trinken versorgen, sie bekleiden und bedecken, sie ausführen und zurückbringen“ So deuten unseren Vers z.B. auch Lang 2015, S. 32; Zink 2016, S. 43f. und Trimm 2017, S. 249. Näher liegt vom Wort her aber Deutung (1).
tFN: Ptz., verwendet als Futurum instans (vgl. GKC §116p). (Zurück zu v.12)
smorden - nicht: „töten“; heb. raṣah steht speziell für das „gewalttätige ... Töten“ (ThWAT VII, Sp. 654), allerdings nicht notwendig auch für das „schuldhafte“ (ebd.), sondern auch für den versehentlichen Totschlag (Dtn 4,41f.; Jos 20,3). Wieder ist der Deklaog laxer als z.B. Gen 9,6, wo das Blutvergießen schlechthin mit der Todesstrafe belegt wird. (Zurück zu v.13)
tWichtig: Ehebruch ist im polygamen Israel nicht schon jeder Verkehr außerhalb der eigenen Ehe. Geschlechtsverkehr zwischen einem verheirateten Mann und einer unverheirateten Frau z.B. ist kein „Ehebruch“, sondern hat nur zur Folge, dass der Mann dann auch noch diese Frau heiraten muss (Ex 22,15f.; Dtn 22,28f.). Gemeint ist hier also nur der Einbruch in eine andere Ehe (vgl. z.B. Köckert 2007, S. 78; Coogan 2014, S. 84; Baker 2017, S. 113f.). (Zurück zu v.14)
ukidnappen - so Mechilta; b.San 85b; Raschi, Ramban; kürzlich auch wieder Coogan 2014, S. 85, da ihm sonst die Überschneidungen dieses Gebots mit dem letzten zu groß wären. Vgl. Ex 21,16; Dtn 24,7, wo zwar das selbe Verb verwendet wird, aber natürlich anders als hier noch präzisiert wird, dass von „gestohlenen“ Menschen die Rede ist. Dass dies auch hier gemeint ist, liegt äußerst fern. S. noch zum letzten Gebot. (Zurück zu v.15)
vDer Nächste, heb. re´, von ra´ah („zusammensein, Umgang haben mit“), ist jeweils der, mit dem man „Umgang hat“ (Jacob 1997; Dohmen 2004; Albertz 2015) und daher nicht auf bestimmte Gruppen von Menschen wie den „Volksgenossen“ (Cassuto 1967; Childs 1974; Baker 2017, S. 136) oder gar nur den „Vollbürger aus dem eigenen Volk“ (Childs 1974; Crüsemann 1983, S. 63; Houtman 2000) eingeschränkt: In Ex 11,2 etwa sind auch Ägypter „Nächste“ von Israeliten. Die Pointe des Gleichnisses vom barmherzigen Samariter (Lk 10,25-37) ist es ebenfalls, dass nicht nur Volksgenossen und erst recht nicht nur höhergestellte Volksgenossen „Nächste“ sind. Am besten übersetzt man daher mit etwas wie „Mitmensch“. Köckert 2007, S. 81 verbindet den Ausdruck klug mit der Philosophie von Kant: Der „Nächste“ ist jeweils das Gegenüber, „an dem die eigene Freiheit ihre Grenze findet“. (Zurück zu v.16 / zu v.17)
wZeuge - Gemeint ist mit dem Wort speziell derjenige, der vor Gericht aussagt. Inbegriffen ist allerdings auch der, den man heute als „Ankläger“ oder „Verteidiger“ bezeichnen würde (vgl. Wells 2004, S. 44-48); am treffendsten ist daher zu übersetzen: „Du sollst vor Gericht nicht lügen“. Ein drittes Mal ist der Dekalog hier laxer als z.B. Lev 19,11, wonach man grundsätzlich nicht lügen darf, oder Ex 23,7, wonach man nicht einmal in die Nähe von Lügen kommen soll. (Zurück zu v.16)
xgieren - trad. „begehren“. So sollte man nicht mehr übersetzen, da das Gebot in der populären Auslegung oft ungut und unzutreffend dahin konkretisiert wurde, sich in die Frau eines anderen zu verlieben oder einen anderen um seine Habe zu beneiden. Das kann das heb. Wort ḥamad selten zwar auch bedeuten (Jes 53,2: „Hässliche Menschen attraktiv finden“; Spr 1,29: „Lust daran haben, andere zu verspotten“; Hld 2,3: „Gefallen daran finden, im Schatten eines Baums zu sitzen“). Sonst steht das Verb aber stets dafür, etwas haben zu wollen, oft konkret als Vorstufe des Raubs (z.B. Ex 34,24; Dtn 7,25; Jos 7,21; Spr 12,12; Am 2,7; Mi 2,2). Das ist hier weit wahrscheinlicher gemeint, da ja kaum verboten wird, z.B. das Rind eines Mitmenschen prachtvoll zu finden (richtig z.B. Houtman 2000; Dohmen 2004; Köckert 2007, S. 83). Schüngel-Straumann 1973, S. 57; Crüsemann 1983, S. 76f.; Coogan 2014, S. 90; Albertz 2015, S. 70 glauben gar, das Verb stehe gar nicht für das „Gieren“, sondern synekdochisch bereits für den Raub. Aber dann hätte Coogan recht und das Gebot wäre wirklich identisch mit den Verboten von Diebstahl und Ehebruch und setzte nur schon eine Stufe früher an. (Zurück zu v.17)