צֶּלֶם

Aus Die Offene Bibel

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Prolegomena[Bearbeiten]

Seit gesehen worden ist, dass צֶּלֶם nicht vom protosemitischen ṣlm „schwarz sein“ (vgl. Kogan 2011, S. 198) herzuleiten ist, sondern in Zusammenhang zu bringen ist mit Kognaten im Akkadischen, Arabischen, Aramäischen, Phönizischen, Samaritanischen, Syrischen und Ugaritischen mit der Bedeutung „Statue, Götterbild“, ist die Grundbedeutung des Wortes sehr klar: auch צֶּלֶם bedeutet „Statue, Götzenbild“.
Einige Stellen - nämlich Gen 1,26f.; Gen 5,3; Gen 9,6; Ez 16,17; Ez 23,14; Ps 39,7 und Ps 73,20 - haben aber dazu geführt, dass in den Lexika neben dieser Bedeutung noch eine Vielzahl weiterer Bedeutungen unter diesem Eintrag gelistet werden:

  • (Ab)Bild (GesThes 3; KBL3; Zorell): Gen 1,26; Gen 1,27; Gen 5,3; Gen 9,6
  • Modell; Ebenbild (SS) - Gen 1,26f.; Gen 5,3; Gen 9,6
  • Schattenbild (Delitzsch 1886, S. 141; König; SS) - Ps 39,7; Ps 73,20
  • Zeichnung (König; SS) - Ez 23,14
  • Ähnlichkeit; etwas Ähnliches (BDB) - Gen 1,26; Gen 1,27; Gen 5,3
  • bloßer Schein (BDB) - Ps 39,7; Ps 73,20
  • Gestalt (König) - Ps 73,20

Das ist nicht nötig. Zunächst einmal ist „Statue, Götzenbild“ höchstwahrscheinlich tatsächlich die „wörtliche“ Übersetzung dieses Wortes ins Deutsche; die Funktion von צֶּלֶם wird derart aber verschleiert. צֶּלֶם bezeichnet eine Statue nicht in ihrer „Statuenhaftigkeit“, sondern in ihrer Wirkmächtigkeit als magisch-religiöse Entität (vgl. z.B. Schellenberg 2011, S. 89-91). Bei den meisten Stellen lässt sich das auch direkt einsichtig machen; i.d.R. steht צֶּלֶם nämlich für Götzenbilder. Solche Götzenbilder sind aber in altorientalischer Vorstellung nicht einfach bildliche Darstellungen dieser Götzen (das lässt sich allein schon daran erkennen, dass bisweilen auch unbehauene Steine als „Götterbild“ bezeichnet werden konnten (vgl. z.B. Curtis 1992)). Vielmehr sind diese Götterstatuen eine Art „Machtzentrum“, in denen der durch sie „dargestellte“ Gott präsent ist:

„Das [...] Kult-Bild [...] ist vielmehr als Körper zu charakterisieren, in dem sich die Gottheit [...] wirkungskräftig niedergelassen hat. Deshalb ist die äußere Gestalt des B.es für seinen religiösen Wert von sekundärer Bedeutung. Ungestaltete, primitive Fomren (Aschera, Denkmal) können im Kult von größerem Wert sein als kostbare Kunstwerke. [...] Als realer Repräsentant der Gottheit genießt das Götter-B. entsprechende Verehrung.“ (Bernhardt 1962, S. 249)

Eine weitere faszinierende Stelle, an der dies gut demonstriert werden kann, ist 1Sam 5f: In 1Sam 5 wird berichtet, wie Gott den Philistern als Strafe dafür, dass sie die Bundeslade entwendet haben, Mäuseplage und Beulenpest sendet. In 1Sam 6,5.11 tragen daher ihre Wahrsager und Priester den Philistern auf, Figurinen von Mäusen und Beulen aus Gold zu schmieden und diese zusammen mit der Lade nach Bet-Schemesch zu schicken, auf dass Mäuse und Beulenpest wieder von den Philistern weichen möge.
Eine funktional äquivalente Übersetzung von צֶּלֶם wäre daher eher „Idol, Fetisch, Verkörperung, (irdischer) Widerpart.“

Entsprechend dieser Bedeutung lassen sich auch die „problematischen“ Stellen ganz problemlos verstehen (Die einzige Ausnahme ist Ps 39,7, wo צֶּלֶם sehr wahrscheinlich analysiert werden muss als צֵל („Schatten“) + enklitisches Mem (so z.B. Chamberlain 1995, S. 440)):

  • In Ez 16,17 ist die Rede von צֶּלֶם aus Gold, mit denen „Hurerei“ getrieben wird. זָנָה („huren“) ist aber gerade in Ezechiel eine häufige Metapher für das Abfallen von Gott und die Hinwendung zu anderen Göttern; so dass auch hier צֶּלֶם sehr wahrscheinlich als Götzenbild verstanden werden muss.
  • Ebenfalls um Hurerei geht es in Ez 23, wo in Ez 23,14 צֶּלֶם von leicht bekleideten babylonischen Helden an den Wänden die Rede ist. Die Darstellungen nackter und leichtbekleideter Männerfiguren ist im alten Orient gut belegt; die Beschreibung in Ez 23,14f. passt entweder auf das ikonographische Motiv des Götterkriegs, auf dem nackte Götter dargestellt werden, oder aber auf das des Kampfes zwischen nackten Heroen und Tieren (vgl. Asher-Greve/Sweeney 2006, S. 143ff.; für das letztere Motiv lassen sich hier einige Beispiele betrachten). Bei beiden Motiven handelt es sich nicht um frühe Fälle pornographischer Darstellungen - Geschlechtsorgane sind dort i.d.R. entweder ganz ausgespart oder stark verkleinert dargestellt -, sondern wieder schlicht um Götzenbilder; unabhängig davon, dass Ohola und Oholiba durch diese Darstellungen zur Hurerei veranlasst werden. Ohnehin ist ja Ez 23 allegorisch zu verstehen (Ohola steht für Samarien; Oholiba für Jerusalem), so dass auch hier wohl wieder das selbe Motiv wie in Ez 16,17 verdichtet ist.
  • Ps 73,20 übersetzt ELB: „Wie einen Traum nach dem Erwachen, so verachtest du, Herr, beim Aufstehen ihr Bild [צֶּלֶם].“ Ps 73 handelt überwiegend von den „gottlosen Frevlern“, so dass auch hier צֶּלֶם problemlos als „Götzenbild“ verstanden werden kann.
  • In Gen 5,3 wird Adams Sohn Seth als צֶּלֶם Adams bezeichnet. Im Hintergrund von Gen 5,3 steht eine ganz ähnliche Vorstellung die oben beschriebene. Ebenso, wie im Götzenbild die Gottheit „anwest“, so „wesen“ auch in ihren Nachfahren die Eltern an (vgl. z.B. Hasler 1964, S. 947). Das lässt sich gut demonstrieren an der Stelle 1Sam 4,22: Die Frau des Pinhas liegt dort dem Tode nahe auf dem Kindbett. Da sprechen die umstehenden Frauen zu ihr: „Sei ohne Sorge, denn du hast einen Sohn geboren...“ - es ist ganz egal, ob sie sterben wird; in ihrem Sohn lebt sie fort. Oder: Eine Hochzeitsformel in der Bibel heißt: „Mögest du zu tausendmal Zehntausend werden!“ (Gen 24,60). Entsprechend muss Gen 5,3 verstanden werden etwa als „als seine Verkörperung zeugte Adam Seth.“
  • Dass auch in Gen 1,26f. und Gen 9,6 kein anderes Verständnis vonnöten ist, zeigt ein Vergleich mit dem Neuen Testament, wo die Rede vom Menschen als „Bild Gottes“ auf Jesus übertragen wird, insofern Christus „als Ebenbild des unsichtbaren Gottes die Erscheinung, die Sichtbarwerdung Gottes selbst [ist]“ (Schlink 1969, S. 97). Ebenso kann in Gen 1,26f. und Gen 9,6 auch der Mensch verstanden werden. „Ich will Menschen machen als mein mir ähnliches צֶּלֶם; sie sollen herrschen [...] über die ganze Erde [...]“ hieße dann: Der Mensch ist Gottes Widerpart auf Erden.a Der Mensch ist Gottes „Stellvertreter“ - und entsprechend ist werden diese Stellen ja auch schon lange v.a. in der kirchlichen Exegese verstanden. So z.B. auch schon Clines 1968, S. 88: „According to Genesis 1:26f. man is set on earth in order to be the representative there of the absent God who is nevertheless present by His image.“


aVerwandt mit dieser Vorstellung ist z.B. die ägyptische Vorstellung, dass der König als „Bild Gottes“ Wohnstatt eines Gottes ist; vgl. z.B. Clines 1968, S. 81f. Häufig geht diese Vorstellung darüber hinaus auch noch einher mit der Rede davon, dass der betreffende König auch „Sohn“ dieses Gottes ist (vgl. oben); so z.B. auf der Totenstele von Amenophis III.: „Du bist mein geliebter Sohn, der aus meinen Gliedern hervorgegangen ist, mein Abbild, das ich auf Erden eingesetzt habe!“ (zitiert nach Zenger 1983, S. 86f.). (Zurück zum Text: a)

Wörterbucheintrag[Bearbeiten]

  • Götzenbild, Idol, Fetisch
  • Widerpart, Verkörperung


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