Richter 13/Persönliche Fassung (Sebastian Walter)

Aus Die Offene Bibel

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Dies ist eine individuell verantwortete Textfassung. Sie ist Teil der Offenen Bibel, stammt aber in dieser Version nicht vom Gesamt-Team.

Persönliche Fassung

1 Wieder taten die Kinder Israels,
was böse war in den Augen GOTTes.
Da gab sie GOTT in die Hand der Philister
für 40 Jahre.

2 Es gab einen Mann aus Zora
aus dem Clan der Daniten
mit Namen Manoach. Seine
Frau war unfruchtbar,
gebar nicht.
3 Da erschien ein Bote GOTTes der Frau.
Er sagte ihr:
„Siehe doch: Du bist unfruchtbar und gebarst nicht,
Doch du wirst empfangen und einen Sohn gebären!
4 Hab nun Acht:
Trinke nicht Wein und Bier
Und iss nicht irgendetwas Unreines,
5 Denn siehe, du wirst ja empfangen und einen Sohn gebären.
Ein Schermesser soll nicht kommen an sein Haupt,
Denn ein Nasiräer Gottes wird er sein von Mutterleib an
Und dieser ist's, der Israel retten wird aus der Hand der Philister.“


6 Dann kam die Frau
und sagte Folgendes zu ihrem Mann:
„Ein Gesandter Gottes kam zu mir,
Und sein Anblick war dem Anblick eines Botenengels Gottes gleich: sehr furchtbar.
Ich fragte ihn, woher er sei,
aber selbst seinen Namen erzählte er mir nicht.
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Analyse

Die Samson-Saga ist recht häufig mindestens als lyrische Prosa analysiert worden, gelegentlich sogar als Poesie im Vollsinn. Schon Meier 1856 glaubte, in der Saga ließen sich mindestens noch bruchstückhafte Reste eines „Cyklus romanzenartiger Gedichte“ erkennen (S. 99), während Jongeneel 1868 Ri 13-16 insgesamt zum „Epos“ erklärte, einer Mischform zwischen Poesie und Prosa. Zapletal 1906 ließ sich v.a. von Meier inspirieren, glaubte aber abweichend, v.a. die wörtliche Reden von Figuren seien nach wie vor deutlich erkennbar in Versrede abgefasst (S. 21). Meiers Ansicht reiner wieder aufgefrischt haben dagegen Albright in seinem „Yahweh and the Gods of Canaan“ (S. 22f.; erneut in seinem Vorwort zu Burney 1970, S. 22f.) und ähnlich schon kurz zuvor Blenkinsopp 1963, für den die „äußerst rhythmische Erzählweise [von Ri 14-16 im Gegensatz zu Ri 13] noch einen poetischen Ursprung“ verrate (S. 70), der durch spätere Bearbeitungen aber teilweise verschüttet ging (S. 71). Alle fünf halten die Saga in ihrer heutigen Form also nur eingeschränkt für Poesie – weil das ursprüngliche Poem später entstellt worden war (Meier, Albright, Blenkinsopp), weil nur die wörtlichen Reden als Poesie formuliert worden waren (Zapletal), weil der Zyklus nicht „reine Poesie“, sondern „epische Poesie“ war (Jongeneel) oder weil der Zyklus von verschiedenen Autoren stammte, von denen nicht alle poetisch gedichtet hätten (Blenkinsopp).
Neuerdings hat man dies wieder stärker gemacht. Niditch 2008 etwa denkt in ihrem Kommentar ähnlich wie Jongeneel, wie vielen Erzählzyklen im Richterbuch eigne auch diesem Zyklus immerhin durchgehend ein besonders „de-enjambierter“ Stil, bei dem die Klauselgrenzen also in besonders hohem Maße mit Kolon-Grenzen übereinstimmten (S. 20), was allerdings nicht notwendig von poetischem Stil, sondern von „mündlichem Erzählstil“ zeuge. Am stärksten schließlich haben diese These Prenner und Kim gemacht. Karl Prenner nämlich nimmt in seiner Dissertation „Der Sonnenheld Samson“ doppelt merkwürdig Schedls „Logotechnik“ und die antike Astrologie zum Fundament für seine These, beim Samson-Zyklus handle es sich durchweg um poetische „Kunstprosa“ (vgl. auch Prenner 1981, S. 262). Viel ernster zu nehmen ist die Dissertation „The Structure of the Samson Cycle“ von Jichan Kim, deren theoretische Basis die Annahmen zur „narrativen Poesie“ der Kampen-Schule sind. Von diesen ausgehend kommt er am Ende zum Schluss, dass auch die Samson-Saga in ihrer heutigen Form „must be described as ‚narrative poetry,‘ or ‚poetic narrative‘“ (1993 S. 426).
Kims Versuch ist ohne Zweifel der theoretisch stärkste von den oben genannten; auch seine Analyse ist aber von Groß 1995, S. 100f. und Dietrich 2014, S. 226 als „gewaltsam“, „willkürlich“ und „unakzeptabel“ zurückgewiesen worden. Wir haben also einen schönen Testfall vor uns: Einen überschaubaren Zyklus von mehreren Erzählungen, der entweder gar nicht (Groß, Dietrich), von vornherein nur teilweise (Zapletal, Blenkinsopp) oder mittlerweile nur noch bruchstückhaft (Meier, Albright) oder vollständig (Prenner, Kim, Niditch) entweder Poesie im Vollsinn (Meier, Zapletal, Albright, Blenkinsopp), „narrative Poesie“ (Kim), „Kunstprosa“ (Prenner) oder „oraler Epos / epische Poesie“ (Jongeneel, Niditch) ist. Ich habe daher u.a. diesen Zyklus ausgewählt, um die kolometrischen Grundannahmen dieser Übersetzung zu überprüfen und abzusichern und präsentiere daher im Folgenden eine gründlichere Analyse des Zyklus. Zu fragen ist im Folgenden: Ist die Samsonsaga (1) bündiger und (2) im Nah- und Fernbereich dichter als „reine Prosa“ der Bibel?

...

Kriterien aus der Literatur:

  • K1 Kolongrenze = Satzgrenze
  • K2 starker disjunktiver Akzent am Ende
  • K3 vor starken disjunktiven Akzenten kein weiterer starker disjunktiver Akzent in einem Kolon
  • K4 Minima + Maxima: (4a) (3/)5-12(/15) Silben, (4b) 3-5 Units, (4c) 2-(3/)4/5(/6) Hebungen, (4d) 2-3 disjunktive Akzente
  • K5 van Grol: nur eine Hebung Differenz zur regulativen Hebungszahl einer Strophe
  • K6: Parallelismen: (6a) Laut-Parallelismus, (6b) lautliche Integrität, (6c) grammatischer Parallelismus, (6d) semantischer Parallelismus

fett: (Mehrheitsvariante des) Kriterium(s) spricht dafür
normal: (Mehrheitsvariante des) Kriterium(s) lässt mehrere Varianten zu oder spricht nicht dagegen
gestrichen: (Mehrheitsvariante des) Kriterium(s) spricht dagegen.

D: Disjunktivphrase, A: Akzente, U: Unit, S: Silben („JHWH“ rechne ich zweisilbig)
B-R: Buber/Rosenzweig; F: FOX; J: Jongeneel; K: Kim; N: Niditch; P: Prenner; Z: Zapletal

Überschrift Überschrift
K1:
K2:
K3
K4a:
K4b:
K4c:
K4d:
K5:
K6a:
K6b:
K6c:
K6d
K1:
K2:
K3
K4a:
K4b:
K4c:
K4d:
K5:
K6a:
K6b:
K6c:
K6d:

...


1
a wajjōsīpū |D2 banē Jißrā`ēl |D1s
b la´ßōt harā´ |D1 ba´ēnē JHWH |D0b
c wajjittinēm JHWH |D2 bajād-Palištīm |D1
d `arba´īm šānāh. |D0a

Analyse:

B-R: ab|c|d; F+N: ab|cd; J+P: a|b|c|d
K behandelt den Vers nicht, da er dem Zyklus fast sicher erst später angefügt wurde.

a: D: 2; A: 3; U: 3; S: 9
b: D: 2; A: 4; U: 4; S: 9
c: D: 2; A: 3; U: 4; S: 11
d: D: 1; A: 2; U: 2; S: 5

ab a/b
(K1)a
K2: Athnach
K3: Zaqef
K4a: 18 Silben
K4b: 7 Units
K4c: 7 Hebungen
K4d: 4 Trenner
K5: 7:4 Hebungen
K6 s.u.
(K1)
K2: Zaqef – Athnach
K3
K4a: 9+9 Silben
K4b: 3+4 Units
K4c: 3+4 Hebungen
K4d: 2+2 Trenner
K5: „ungefähr 3 Hebungen“, s.u.
K6, s.u.
-7 +7
aK1 ist ungewiss: Zur Frage, ob nach dem Satzkriterium Infinitivsätze als „Satz“ gewertet werden müssen, hat m.W. keiner der Vertreter von K1 bisher etwas geäußert. Da in den Psalmen häufig Infinitivsätze kolonbildend sind, wird man davon auszugehen haben, dass das Kriterium auch bei Infinitivsätzen greift und K1 also für a/b spricht; so aber wie gesagt bisher keiner der Vertreter:innen explizit. (Zurück zu v.1)
cd c/d
K1
K2: Silluq
K3
K4a: 16 Silben
K4b: 6 Units
K4c: 5 Hebungen
K4d: 3 Trenner
K5: 3/4/6
K6, s.u.
K1
K2: Tifcha
K3
K4a: 11+5 Silben
K4b: 4+2 Units
K4c: 3+2 Hebungen
K4d: 2+1 Trenner
K5: 3/4/4/2 = „ungefähr 3“
K6, s.u.
-5 / +3: K1, K2, K4d -2 / +5: K4a, K4b, K4c, K5, K6


Der Parallelismus spricht am meisten für a|b|c|d: a + c lassen sich analysieren als dann grammatisch parallele V+S-Sätze, die auch lautlich durch Anlaut mit wajj- und lautlich + grammatisch durch Endung auf mit ba- anlautenden Constructus-Phrasen, deren regiertes Glied jeweils ein Ortsname ist. b + d sind dann jeweils M(odifier) dieser V+S-Sätze. Bis dahin lässt K6 sowohl ab und cd als auch a|b und c|d zu (nicht aber a|b und cd): Im einen Fall wäre ab|cd ein zweigliedriger Paar-Parallelismus, im anderen ein viergliedriger Kreuz-Parallelismus. Darüber hinaus geht aber auch b darin mit a + c parallel, dass auch die zweite Disjunktivphrase dieses Kolons eine auf ba- anlautende Constructus-Phrase ist, deren erstes Glied außerdem auch noch wie das in Kolon a auf -nē auslautet und deren zweites Glied ebenso wie das in Kolon a auf J- anlautet. Am dichtesten ist V. 1 also mit der Kolometrie a|b|c|d.

Fast alles spricht danach immerhin für a/b statt ab. Die Frage nach cd vs. c/d ist schwieriger; hier stehen K1, K2 und K4d gegen K4abc und K5. Die Parallelismusanalyse lässt dann eher die zweite Option vorziehen. Schon der erste Vers geht damit mit mindestens zwei Kriterien nicht konform.


2
a wajihj `īš `eḥād miṢṣōrāh |D2
b mimmišpaḥt haDdānī |D1
c wašemō Mānōḥ |D0b
d wa`ištō ´aqarā |D1
e lō` jaladā |D0a

Analyse:

B-R: abc|de; F: ab|c|de; J: a|bc|de; K: a|b|c|d|e; N: ab|c|d|e; P: ...

a: D: 1; A: 4; U: 4; S: 8
b: D: 1; A: 2; U: 2; S: 6
c: D: 1; A: 2; U: 2; S: 5
d: D: 1; A: 2; U: 2; S: 6
e: D: 1; A: 2; U: 2; S: 4

ab a/b
K1
K2: Tifcha = virtuelles Zaqef
K3
K4a: 14 Silben
K4b: 6 Units
K4c: 6 Hebungen
K4d: 2 Trenner
K5: 6 Hebungen passt zu keiner der folgenden Optionen.
K6a
K6c
K6d
K1
K2: Tebir = virtuelles Paschta
K3
K4a: 8+6 Silben
K4b: 4+2 Units
K4c: 4+2 Hebungen
K4d: 1+1 Trenner
K5: „ungefähr 3 Hebungen“
K6a: miṢṣōrāh // mimmišpaḥt haDdānī
K6c: miṢṣōrāh // mimmišpaḥt haDdānī (Namen)
K6d
-6 / +3: K1, K2, K4d -3 / +6: K4a, K4b, K4c, K5, K6a, K6c

Danach hat sich auch die Frage nach abc vs. ab|c erledigt, wogegen ja K4abc noch stärker sprechen und womit B-R ohnehin allein stehen.

de d/e
K1
K2
K3: Tifcha = virtuelles Zaqef
K4a: 10 Silben
K4b: 4 Units
K4c: 4 Hebungen
K4d: 2 Trenner
K5: „ungefähr 3 Hebungen“
K6a
K6c
K6d
K1b
K2: Tifcha = virtuelles Zaqef, da kein Konjunktivsatz.
K3 Tifcha = virtuelles Zaqef – Silluq.
K4a: 6+4 Silben
K4b: 2+2 Units
K4c: 2+2 Hebungen
K4d: 1+1 Trenner
K5: „ungefähr 3 Hebungen“
K6a: wa`ištō ´aqarā // lō` jaladā
K6bc: ´aqarā // jaladā
K6d: ´aqarā // lō` jaladā
-5 / +3: K4a, K4b, K4d -3 / +5: K1, K3, K6a, K6c, K6d

2de steht außerdem im distanten Parallelismus zu 3cde: „sie war unfruchtbar, sie gebar nicht“ wird fast wörtl. wiederholt durch „Siehe, du bist unfruchtbar und gebarst nicht“.

bDa ursprünglich wohl kein Konjunktivsatz, s. auf der Kommentarseite. (Zurück zu v.2)

Kommentar:

Man muss sich bei den ersten beiden Kola fragen, warum der Autor `eḥād („ein Mann“ statt „[n'] Mann“) nicht einfach ausgespart hat wie in Ri 17,1; 1 Sam 9,1. Offenbar war Regelmäßigkeit bei der Formulierung des Verses für ihn kein leitendes Prinzip. Sollte stattdessen durch das unnötige und poetisch sogar störende Wort der „Mann-Teil“ dieses Verses zusätzlich gelängt werden, damit umso auffälliger wird, dass im kürzeren „Frau-Teil“ ausschließlich von der Unfruchtbarkeit der Frau und sonst gar nichts über sie – nicht einmal ihr Name! – berichtet wird? Das wird zusätzlich erstes dadurch unterstrichen, dass in allen drei Kola zuvor ein Name vorkommt und in Kolon c sogar das Wort „Name“ fällt. Zweitens durch die Lautung: Die semantisch parallelen Ausdrücke für die Unfruchtbarkeit in Kolon d und e enden auf das selbe Vokalmuster, wodurch die „Frau“ (-`išt-) dann isoliert davor in Kolon d steht: Von der doppelten Erwähnung ihrer Unfruchtbarkeit abgesehen erhält sie eine ganze Silbe im Gegensatz zu den 19, mit denen Manoach vorgestellt wird.
Das selbe wäre dann sicher auch der Grund für die Länge der ersten Intonationsphrase, in der ungewöhnlicherweise in der ersten Disjunktivphrase (=a) gleich vier Wörter stehen und in der wegen der Kürze von c der erste starke Akzent acht Wörter auf sich warten lässt, weshalb ebenso ungewöhnlich sowohl a als auch b an der Oberfläche mit einem schwachen Akzent enden. Man müsste sich den ersten Satz dann atemlos vorgelesen denken, den zweiten und dritten dann dagegen betont lakonisch:

Es gab einen Mann aus Zora aus dem Clan der Daniten und sein Name war Manoach.
Und seine Frau war unfruchtbar.
Sie gebar nicht.

Ist das richtig, ließen sich mit dieser poetischen Strategie alle je drei Kriterienbrüche erklären, die gegen die Optionen a/b und d/e sprechen.


3
a wajjerrā mal`ak-JHWH |D1 `el-ha`iššāh |D0b
b wajjō`mer `elēhā |D2s
c hinnēh-nā` (d) `att-´aqārāh |D2 (e) walō` jaladt |D1s
f waharīt |D1 (g) wajaladt bēn |D0a

Analyse:

B-R: ab|c|de|fg; F: a|b|c|de|fg; J: a|bcd|efg; K: a|b|cd|e|f|g; N: a|b|cd|e|f|g; P: ...; Z: ...cd|e|fg

a: D: 2; A: 3; U: 4; S: 11
b: D: 1; A: 2; U: 2; S: 6
c: D: 0; A: 1; U: 1; S: 3
d: D: 1; A: 1; U: 2; S: 4
e: D: 1; A: 2; U: 2; S: 4
f: D: 1; A: 1; U: 1; S: 3
g: D: 1; A: 2; U: 2; S: 4

ab a/b
K1
K2: Zaqef
K3: Athnach!
K4a: 17 Silben
K4b: 6 Units
K4c: 5 Hebungen
K4d: 3 Trenner
K5: „ungefähr 4 Hebungen“
K6a
K6c
K6d
K1
K2: Athnach – Zaqef
K3
K4a: 11+6 Silben
K4b: 4+2 Units
K4c: 3+2 Hebungen
K4d: 2+1 Trenner
K5: „ungefähr 3 Hebungen“
K6a: wajjerrā mal`ak-JHWH `el-ha`iššāh // wajjō`mer `elēhā
K6c: wajjerrā // wajjō`mer; `el-ha`iššāh // `elēhā
K6c: `el-ha`iššāh // `elēhā

-7 / +1: K4d -1 / +7: K1, K3, K4a, K4b, K6a, K6d, K6c
cd c/d
K1: hinnēh-Satzc
K2
K3
K4a: 7 Silben
K4b: 3 Units
K4c: 2 Hebungen
K4d: 1 Trenner
K5: „ungefähr 3 Hebungen“
K6a
K6c
K6d
K1
K2
K3
K4a: 3+4 Silben
K4b: 1+2 Units
K4c: 1+1 Hebungen
K4d:0 (!) + 1 Trenner
K5
K6a: hinnēh-nā` // `att-´aqārāh
K6c
K6d
-3 / +5: K1, K4a, K4b, K4c, K5 -7 / +1: K6a
chinnēh-Ausrufe sind eine häufige Ausnahme vom Satzkriterium; verhält es sich hier wie üblich in der Poesie, spricht in diesem Fall das Kriterium für ab statt a/b. (Zurück zu v.3)

Demnach muss dann weiter abgewogen werden zwischen cde vs. cd|e. Ersteres wird zwar von keinem der obigen vertreten, aber in V. 2 haben B-R und F die beiden klar damit parallelen Kola de als ein Kolon genommen.

cde cd/e
K1
K2
K3: Zaqef
K4a: 11 Silben
K4b: 5 Units
K4c: 4 Hebungen
K4d: 2 Trenner
K5: 4 Hebungen
K6a: e: jaladt // g: jaladt
K6c: de // fg = Konjunktivsatz
K6d: ´aqārāh walō` jaladt // waharīt wajaladt bēn
K1: Auch möglich, falls Konjunktivsatz.
K2:
K3
K4a: 7+4 Silben
K4b: 3+2 Units
K4c: 2+2 Hebungen
K4d: 1+1 Trenner
K5: 2+2 Hebungen
K6a: d: `att-´aqārāh // e: walō` jaladt
K6c: Nominal- + Verbalsatz
K6d: ´aqārāh // lō` jaladt
-1 / +4: K3, K4a, K4b, K4d -4 / +1: K6c

Zudem wie gesagt distanter Parallelismus zu 2cd: „sie war unfruchtbar, sie gebar nicht“ fast wörtl. wiederholt durch „Siehe, du bist unfruchtbar und gebarst nicht“.

fg f/g
K1: Konjunktivsatz laut Masoreten.
K2: Silluq
K3
K4a: 7 Silben
K4b: 3 Units
K4c: 3 Hebungen
K4d: 2 Trenner
K5: „ungefähr 3 Hebungen“
K6a: e: jaladt // g: jaladt
K6c: de // fg = Konjunktivsatz
K6d: ´aqārāh walō` jaladt // waharīt wajaladt bēn
K1
K2: Tifcha
K3
K4a: 3+4 Silben
K4b: 1+2 Units
K4c: 1+2 Hebungen
K4d: 1+1 Trenner
K5
K6a
K6c: waharīt // wajaladt
K6d: waharīt // wajaladt bēn
+8 -8

Kommentar:

Dass danach „sie war unfruchtbar, sie gebar nicht“ in V. 2 zwei äußerst kurze Kola ohne Konjunktion sind, das mit diesen Kola parallele Kolon in V. 3 dagegen wie das folgende Kolon ein langer Konjunktivsatz, soll offenbar die in V. 3 angekündigte Fülle im Gegensatz zur Kargheit der in V. 2 geschilderten Situation unterstreichen.


4
a wa´attāh |D2 hiššamirī |D1s
b `al-tištī |D1 jajn wašekar |D0b
c wa`al-to`kilī |D1 koll-ṭamē` |D0a

Analyse:

B-R, F, J, K, N: a|b|c; P: ...
Z korrigiert den Text und kann daher unberücksichtigt bleiben.

a: D: 2; A: 3; U: 2; S: 7
b: D: 2; A: 3; U: 4; S: 7
c: D: 2; A: 2; U: 4; S: 8

Ununmstrittener Vers. Zu K1, K2, K3, K5 und K4 s.o.
K6a: a/b/c: hiššamirī // `al-tištī // wa`al-to`kilī
K6c: a/b/c: hiššamirī // tištī // to`kilī
Zusätzlich b/c: V-O // V-O; `al-tištī// wa`al-to`kilī
K6d: b/c: tištī // to`kilī; jajn wašekar // koll-ṭamē`


5
a ki hinnak harāh |D3 (b) wajoladt ben |D2s
c umorāh |D2 lo`-ja´leh (d) ´al-ro`šō |D1s
e ki-nazīr `ēlōhīm |D2 (f) jihjē hanna´r |D1 (g) min-habbatn |D0b
h wahū` |D2s jaḥell |D2 lahōšī´ `et-Jißrā`ēl |D1 (i) mijjad Palištīm |D0a

Analyse: B-R: a|b|cd|e|fg|hi; F+J+N: ab|cd|efg|hi; K: a|b|cd|ef|g|h|i; P: ...; Z: a|b|c|d|e|fg|h|i

a: D: 1; A: 3; U: 2; S: 5
b: D: 1; A: 2; U: 2; S: 4
c: D: 1; A: 2; U: 2; S: 6
d: D: 1; A: 1; U: 1; S: 3
e: D: 1; A: 2; U: 2; S: 6
f: D: 1; A: 2; U: 2; S: 4
g: D: 1; A: 1; U: 1; S: 3
h: D: 3; A: 4; U: 4; S: 11
i: D: 1; A: 2; U: 2; S: 5

ab a/b
K1, falls Konjunktivsatz. So die Masoreten.
K2: Rebia
K3
K4a: 9 Silben
K4b: 4 Units
K4c: 5 Hebungen
K4d: 2 Trenner
K5: „ungefähr 4 Hebungen“
K6a
K6b
K6c
K6d
K1
K2: Geresch
K3
K4a: 5+4 Silben
K4b: 2+2 Units
K4c: 3+2 Hebungen
K4d: 1+1 Trenner
K5, da efg 5 Hebungen.
K6a
K6b: hinnak harāh
K6c
K6d: harāh // wajoladt ben
-2 / + 5: K1, K2, K4a, K4b, K4d, K5 -6 / +2: K6b, K6d

Zudem distanter Parallelismus zu 3fg.

cd c/d
K1
K2: Zaqef
K3
K4a: 9 Silben
K4b: 3 Units
K4c: 3 Hebungen
K4d: 2 Trenner
K5, s.o.
K6a, c, d: s.u.
K6b
K1
K2: c: Paschta
K3
K4a: 6+3 Silben
K4b: 2+1 Units
K4c: 2+1 Hebungen
K4d: 1+1 Trenner
K5
K6a: umorāh // ´al-ro`šō; ja´leh // ´al-ro`šō: Lautfolge vertauscht, um Gegensatz zu verstärken. Aber s.u.
K6b
K6c, d, s.u.
+8: K1, K2, K4a, K4b, K4c, K4d, K5, K6c -8
efg e/fg
K1
K2: Athnach
K3
K4a: 13 Silben
K4b: 5 Units
K4c: 5 Hebungen
K4d: 3 Trenner
K5: „ungefähr 4 Hebungen“
K6a, c, d: s.u.
K6b
K1
K2: e: Tebir
K3
K4a: 6+7 Silben
K4b: 2+3 Units
K4c: 2+3 Hebungen
K4d: 1+2 Trenner
K5: „ungefähr 2 Hebungen“
K6a, c, d: s.u.
K6b
-1 / +6: K1, K2, K4d, K6a, K6c, K6d - +6 / +1: K4a
efg ef/g
K1
K2: Athnach
K3
K4a: 13 Silben
K4b: 5 Units
K4c: 5 Hebungen
K4d: 3 Trenner
K5, s.o.
K6a, c, d: s.u.
K6b
K1
K2: f: Tifcha
K3
K4a: 10+3 Silben
K4b: 4+1 Units
K4c: 4+1 Hebungen
K4d: 2+1 Trenner
K5
K6a, c, d: s.u.
K6b:

-1 / +9: K1, K2, K4b, K4c, K4d, K5, K6a, K6c, K6d -10
hi h/i
K1
K2: Silluq
K3: Rebia
K4a: 16 Silben
K4b: 6 Units
K4c: 6 Hebungen
K4d: 4 Trenner
K5
K6a, c: s.u.
K6b
K6d: s.u.
K1
K2: Tifcha
K3: Rebia
K4a: 11+5 Silben
K4b: 4+2 Units
K4c: 4+2 Hebungen
K4d: 3+1 Trenner
K5: „ungefähr 3 Hebungen“
K6a, c: s.u.
K6b
K6d: „Israel“ // Philister
-4 / +4: K1, K2, K6a, K6c -4 / +4: K4a, K4b, K4c, K5


Hier wird das erste Mal K3 relevant – und taugt nichts: dass wahū` allein steht, kommt nicht in Frage. Der starke Akzent hier ist auch leicht erklärlich – wahū` steht überhaupt erst aus Fokusgründen: „Dieser ist's, [der X tun wird]!“.
Kim begründet seine Entscheidung für h/i mit dem Parallelismus „Israel“ || „Philister“, aber tatsächlich ist Parallelismus ein stärkeres Argument für hi: Geht man mit F und N von ab|cd|efg|hi aus, wird in jedem Kolon auf den Knaben referiert (ab: „Sohn“, cd: „sein [Kopf]“, efg: „der Knabe“, hi: „und dieser“). cd, efg und hi gehen darüber hinaus darin parallel, dass diese Satzteile jeweils dem Verb vorangestellt sind, dass dieses Verb in jeder Zeile ein Yiqtol-Verb ist (cd: „er soll nicht emporsteigen“, efg: „er wird sein“; hi: „er wird retten“) und v.a. darin, jede Zeile mit einer Präpositionalphrase endet, die von einem Körperteil spricht (cd: „auf seinen Kopf“; efg: „von Mutterleib [an]“; hi: „aus der Hand der Philister“). Das ist so auffällig, dass es sehr stark für hi und gegen h|i spricht. Eine Abwägung wird dann gerade dadurch schwierig: Hauptsächlich spricht nämlich gegen hi, dass es zu lang ist – gemessen an der Silbenzahl (4a), der Hebungszahl (4b), der Phrasenzahl (4c) und in Relation zu den Kola zuvor (5).

Kommentar: Am besten erklärt man sich die letzte Schwierigkeit damit, dass durch die Überlänge von hi zusätzlich hervorgehoben werden soll, wie unpassend die aktuelle Lage Israels ist. Ist das richtig, lassen sich mit dieser poetischen Strategie alle vier Kriterien, die gegen diese Kolometrie sprechen, erklären.
Hingewiesen sei hier außerdem wie auf der Kapitelseite noch einmal auf den distanten Parallelismus von 5ab mit 3fg: „du wirst empfangen und einen Sohn gebären“ dort, „denn siehe, du [wirst] empfangen und [wirst] einen Sohn gebären“ hier. Das macht die Grobstruktur des Textes umso klarer; genauerhin nämlich, dass mit 5ab der erste Teil der Anweisung des Engels an sein Ziel kommt:

(a1) Du wirst empfangen und einen Sohn gebären.
(b1) Hab nun Acht:
Trink nicht Wein und Bier
Und iss nicht irgendetwas Unreines,
(a2) Denn siehe, du wirst empfangen und einen Sohn gebären.
(b2) Ein Schermesser soll nicht kommen auf sein Haupt,
(c) Denn ein Nasiräer Gottes wird er sein von Mutterleib an
und dieser ist's, der Israel retten wird aus der Hand der Philister.

(a2) ist der Grund für (b1), für (c) dagegen ist dann nur (b2) der Grund, was über diese Grobstruktur hinaus auch dadurch betont wird, dass (b2) und (c) durch den Parallelismus der Yiqtol-Verben und die Körperteil-Präpositionalphrasen am Kolonende eng zusammengeschlossen werden und durch (a2) von (b1) getrennt sind. Strukturell gesehen ist es also offensichtlich, dass die Abstinenz der Mutter ihren Grund nicht im Nasiräertums Samsons hat und umgekehrt, sondern nur Basis ihrer Schwangerschaft ist. Erst die Frau wird dies in V. 7 anders deuten (s. näher auf der Kapitelseite).


6
a wattabō` ha`iššāh |D2s
b wattō`mer la`īšāh |D2 (c) le`mor |D1s
d `īš ha`ēlōhīm |D2 bā` `elajj |D1s
e umar`ehu |D1s kamar`ēh |D2 mal`ak ha`ēlōhīm |D1 (f) nōrā` ma`ōd |D0b
g waša`iltīhu |D2 `ē-mizzēh hū` |D1s
h wa`et-šēmō |D1 lō`-higgīd lī |D0a

Analyse:

B-R, F, J: abc|d|e|f|g|h; N: a|bc|d|ef|g|h; K: a|b|c|d|e|f|g|h

a: D: 1; A: 2; U: 2; S:6
b: D: 1; A: 3; U: 2; S:6
c: D: 1; A: 1; U: 1; S:2
d: D: 2; A: 4; U: 4; S:8
e: D: 3; A: 4; U: 4; S:13
f: D: 1; A: 2; U: 2; S:4
g: D: 2; A: 3; U: 3; S:9
h: D: 2; A: 3; U: 3; S:8

bc b/c
K1d
K2: Zaqef
K3
K4a: 8 Silben
K4b: 3 Units
K4c: 4 Hebungen
K4d: 2 Trenner
K5:
K6a: a/bc, s.u.
K6b: la`īšāh le`mor
K6c: a/bc: s.u.
K6d
K1
K2: Paschta
K3
K4a: 6+2 Silben
K4b: 2+1 Units
K4c: 3+1 Hebungen
K4d: 1+1 Trenner
K5:
K6a: zusätzlich la`īšāh // le`mor
K6b
K6c
K6d: wattō`mer // le`mor
-1 / +8: K1, K2, K4a, K4b, K4c, K4d, K6b, K6c -8 / +1: K6a
dle`mor-Sätze sind eine weitere häufige Ausnahme vom Satz-Kriterium. (Zurück zu v.6)
abc a/bc
K1: falls Disjunktivsatz
K2: Zaqef
K3: Rebia
K4a: 14 Silben
K4b: 5 Units
K4c: 5 Hebungen
K4d: 3 Trenner
K5: „ungefähr 5 Hebungen“
K6a
K6b: wattabō` ha`iššāh + wattō`mer la`īšāh
K6c: a/c = VS / SV: DEF (Lunn)
K6d: a/c: wattabō` // bā`; b/c: `īš
K1: falls zwei Sätze
K2: Rebia - Zaqef
K3
K4a: 6+8 Silben
K4b: 2+3 Units
K4c: 2+4 Hebungen
K4d: 1+2 Trenner
K5: „ungefähr 3 Hebungen“, nur dies passt zu g und h
K6a: wattabō` // wattō`mer; ha`iššāh // la`īšāh
K6b
K6c: a/b = VS
K6d: `iššāh // `īš
-4 / +3: K4b, K4d, K6b -3 / +4: K3, K4a, K5, K6a

d ist unbestritten ein Kolon. Zu K1, K2, K3, K4a-d s.o; K5 passt zu beiden Optionen.
K6a b/c: `īš
K6d: a/d: wattabō` // bā`; b/d: `īš; d/e: `īš ha`ēlōhīm // mal`ak ha`ēlōhīm

ef e/f
K1
K2: Athnach
K3: Rebia
K4a: 17 Silben
K4b: 6 Units
K4c: 6 Hebungen
K4d: 4 Trenner
K5
K6a
K6b: 4 von 6 Worten mit Silbe -ma-; jedes Wort Alef. Bei e/f hätte f keine Integrität.
K6c
K6d
K1
K2
K3: Rebia
K4a: 13+4 Silben
K4b: 4+2 Units
K4c: 4+2 Hebungen
K4d: 3+1 Trenner
K5
K6a: umar`ehu kamar`ēh mal`ak // nōrā` ma`ōd
K6b
K6c
K6de
-6 / +3: K1, K2, K6b -6/ +4: K4b, K4c, K5, K6a
eKim begründet seine Entscheidung für e|f mit dem Parallelismus von mar`ēh („Anblick“) und nōrā` („furchtbar“), weil hier angeblich das Wortpaar ra`ah („sehen“) || jarah („fürchten“) verwendet werde. Bei den von ihm zitierten Stellen (Jes 41,5; Sach 9,5; Ps 40,3 und Ps 52,8) werden beide Wörter aber ja offensichtlich wegen ihres Gleichklangs zusammen verwendet. Einen solchen Gleichklang gibt es hier nicht. (Zurück zu v.6)

g und h sind wieder unbestritten je ein Kolon. Jeweils zu K1, K2, K3, K4a-d s.o., zu K5 ebenso.
g:
K6b: -īhu + -ēh hū`
g + h:
K6d: waša`iltīhu // higgīd lī; `ē-mizzēh hū` // `et-šēmō

Kommentar:

abc vs. a/bc ist auf Basis der Kriterien kaum entscheidbar. Immerhin die auf Basis der Kriterien ebenfalls nicht klare Frage nach ef vs. e/f könnte man erklären: K4a, K4b, K4c, K4d und K5 sind Längenkriterien. Soll durch die Überlänge von ef der Enthusiasmus von Manoachs Frau unterstrichen werden, fielen damit von den entgegenstehenden sechs Kriterien gleich fünf weg, und das sechste (K3) spricht ebenso gegen die Alternative. Sehr viel dafür spricht allerdings auch dann nicht; es wäre dann jedenfalls kein besonders poetisches Kolon. Aber auch das kann ja gut zu ihrem Überschwang passen.


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zitierte Literatur

{Sebastian Walter}