Benutzer:Sebastian Walter/סוּף

Aus Die Offene Bibel

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Prolegomena[Bearbeiten]

סוּף heißt „Schilf“ - das ist die einmütige Meinung der Lexikographen, die man daher angeführt findet in BDB, Fürst/Davidson, Ges18, KBL3, König, Siegfried/Stade, ThWAT, Tregelles, Zorell u.a. Dennoch ist es sehr sicher falsch:

(1) סוּף kommt nur an vier Stellen vor: Ex 2,3.5; Jes 19,6 und Jon 2,6. In Jon 2,6 aber wird es verwendet von einem X, das Jona am Meeresgrund vorfindet. Man ist deswegen dazu übergegangen, zusätzlich die Bedeutung „Wasserpflanze“ oder „Seegras“ zu listen (Fürst/Davidson, Ges18, KBL3, König,Siegfried/Stade, Tregelles): סוּף solle zwar „Schilf“ bezeichnen, dabei aber in der Bedeutung doch noch so weit sein, dass es auch noch „Seetang“ bedeuten könne - und das, obwohl es im Hebräischen bereits ein Wort für „Schilf“ gibt, nämlich das sich vom protosemitischen *ḳanay herleitende קָנֶה (vgl. Kogan 2011, S. 201).
(2) Dass סוּף eine botanische Bedeutung habe, ist von den wenigsten Alten angenommen worden. Bei Jon 2,6 z.B. halten es Ms Hunt 206, Tg. Ps.Jon; TgOnk, Midrasch Jona, Aquila, Theodotion, VUL, Eliezer, Rashi und Ben Eli für eine Abkürzung des Begriffs יָם סוּף (das ein Gewässer bezeichnet, als das gemeinhin das Rote Meer, der Suez-Kanal oder der Golf von Aqaba identifiziert wird), LXX, (Sym) und AltLat dagegen halten es entweder für eine Nebenform von סוׁף („Ende“) oder punktieren es so. Keiner der genannten identifiziert סוּף als Wasserpflanze.
(3) סוּף findet sich nur viermal allein; sonst kommt es vor in der Kombination יָם סוּף. Früher wurde dies gemeinhin übersetzt mit „Schilfmeer“, was aber keinen Sinn macht, da keines der Gewässer, als die יָם סוּף i.d.R. identifiziert wird, von Schilf bewachsen wird (vgl. Batto 1983, S. 27f.; Knauf 1988, S. 145 u.a.).
(4) Die Bedeutungszuordnung סוּף = „Schilf“ stützt sich meist auf die etymologische Herleitung vom ägyptischen ṭwfy / čwfy.

(4.1) Diese Herleitung ist aber wohl nur sozusagen „aus Versehen“ entstanden. Als ihr „Erfinder“ gilt Brugsch-Bey in seinem 1875 herausgegebenen discours über „L´exode et les monuments égyptiens.“a. Brugsch selbst ging aber vom Umgekehrten aus: „Die Ägypter nun wussten so gut um die Bedeutung des hebräischen Wortes, dass sie dieses Fremdwort Suph häufig anstatt ihres eigenen Wortes Athu verwendeten, um damit nicht nur den Namen der Schilf-Stadt zu bezeichnen, sondern auch das Schilf-Meer, das yam suph [...].“ (S. 15; meine Übersetzung. Vgl. z.B. auch Müller 1893, S. 101; s. auch Huddleston, Lemma „Red Sea“ in ABD 4, S. 633-642).
(4.2) Unabhängig davon ist aber ohnehin eine direkte etymologische Abhängigkeit zwischen ṭwfy / čwfy und סוּף phonologisch gar nicht möglich, da aus ägyptisch aw weder hebräisch וּ werden würde noch umgekehrt (vgl. Ward 1976, S. 346f.).
(4.3) Noch dazu ist das ägyptische Wort erst im Neuägyptischen belegt, so dass die Vermutung einer etymologischen Abhängigkeit gleich noch mal so schwierig wird.

Aus all diesen Gründen ist es sehr unwahrscheinlich, dass סוּף „Schilf“ bedeutet. Einige Exegeten haben es daher unternommen, nach einer anderen Etymologie und einer anderen Bedeutung zu suchen.
Sowohl Copisarow 1962 als auch Ward 1974 gehen dabei von einer hypothetischen gemeinsemitischen Wurzel *sp aus, die entweder „Ende, Sumpf“b oder „Schale, Becken“c bedeute.
סוּף selbst soll dann entweder allgemein „Ende“ bedeuten (Snaith) oder speziell „Ende, Zerstörung“ (Batto) oder „Ende, Sumpf“ (Copisarow, Ward; ähnlich McQuitty 1986, S. 138; Overstreet 2003, S. 85).
Diese Entscheidung zwischen diesen Vorschlägen ist keine, die man komparativisch beantworten könnte; nun müssen wir uns die einzelnen Stellen ansehen.

Ex 2,3.5[Bearbeiten]

Ex 2,3.5 berichtet davon, wie Mose in seinem Schilfkörbchen vor dem Kindsmord gerettet wurde. ELB übersetzt: „Und als sie ihn nicht länger verbergen konnte, nahm sie für ihn ein Kästchen aus Schilfrohr und verklebte es mit Asphalt und Pech, legte das Kind hinein und setzte es in das Schilf am Ufer des Nil. [...] Und die Tochter des Pharao ging hinab, um am Nil zu baden, während ihre Dienerinnen am Ufer des Nil hin und her gingen. Und sie sah das Kästchen mitten im Schilf und sandte ihre Magd hin und ließ es holen.“

Was man an diesen beiden Versen erkennen kann, ist, dass סוּף offenbar eine Verbindung zu Wasser hat: Man findet es am שְׂפַת des Nils. KBL3 schlägt dafür neben „Lippe“ auch „Ufer“ und „Rand“ vor. Das Körbchen befindet sich also im X am Rande des Nils. „Ende, Zerstörung“ macht keinen Sinn für dieses X. „Ende“ passt auch relativ schlecht, denn was sollte das schon bedeuten - „das Ende am Ufer des Nils“? - „Das Ufer am Nilufer“? Am Besten würde hier der Vorschlag „Sumpf“ passen; es würde sich dann wohl auf den Uferschlamm des Nils beziehen.
So wird diese und die folgende Stelle auch schon im Midrasch Exodus Rabba kommentiert: „R. Samuel bar Nachman sagte: Es ist hierunter ein Sumpf zu verstehen verg. Jes 19,6 [...].“d; auch LXX: ἕλος „Schlamm, sumpfiger Boden“.

Jon 2,6[Bearbeiten]

Jon 2 berichtet von Jonas katabasis hinunter bis zum Meeresgrund. Die Stelle heißt: „Es umgab mich das Wasser / Die Urflut umschloss mich / und Schilf umwand mein Haupt/nahm meinen Kopf gefangen. // Ich stieg hinab zum Fundament der Berge / ja, die Riegel der Unterwelt waren bereits hinter mir...“.

Wieder steht סוּף im direkten Zusammenhang mit Wasser und mit Boden. Wenn wir wieder erwägen, welcher der Vorschläge am meisten Sinn macht, fällt wieder das generelle „Ende“ heraus, „Zerstörung“ macht ebenso wenig Sinn (obwohl Batto das denkt; vgl. Batto 1983, S. 34). Auch hier scheint also wieder „Sumpf“ die stimmigste Übersetzung zu sein, diesmal bezieht es sich wohl auf den Schlamm am Meeresgrund.
Das ist auch die Übersetzung, die die griechische Qumran-Version 8HevXIIgr 2,41 bietet: ἕλος περιέσχεν τὴν κεφαλήν μου - „Schlamm/sumpfiger Boden umgab meinen Kopf.“ (Barthélemy 1963, S. 170); Syr spricht vom „Meeresgrund“ (s. hier); zudem gäbe es hierzu (wie zum Rest des Psalms) deutliche Parallelstellen, vgl. z.B. Ps 69,15f („Rette mich aus dem Schlamm, damit ich nicht versinke! Ich will gerettet werden [...] aus der Tiefe des Wassers, damit mich die Wassersfluten nicht überströmen, damit mich die Wasser nicht verschlingen und damit die Grube nicht ihren Rachen über mir schließe!“).

Vielleicht dürfen wir bei diesen beiden Stellen sogar an Motive aus der kanaanäischen Mythenwelt denken: In der Ugaritischen Mythologie ist Mot („Tod“) der Gott der Unterwelt, die dort hmry „schlammig, Schlamm-Stadt“ heißt. Nach Philo von Byblos bedeutet sogar der Name von Mot selbst „Schlamm“. Ebenso wird im Hebräischen Tod und Unterwelt häufig als Schlamm oder schlammige Grube dargestellt (vgl. z.B. ISBE S. 382); von Mot - dessen gewaltiger Appetit und weit geöffneter Rachen in der Ugaritischen Mythologie sprichwörtlich war - könnte außerdem die hebräische Rede vom „Rachen der Unterwelt“ und dem „Verschlingen der Unterwelt“ geprägt sein (vgl. auch dazu Ps 69,15f. u.ö.; z.B. auch Baumgarten 1981, S. 112).

Jes 19,6[Bearbeiten]

Diese Stelle ist schwieriger, da das Tris legomenon סוּף hier verwendet wird im Zhg. mit dem Dis legomenon קמל. Ich werde dieser Vorbemerkung zwar dennoch einige Anmerkungen zur Stelle folgen lassen, denke aber, dass man diese Stelle bei der Erwägung zwischen den verschiedenen Bedeutungsvorschlägen für סוּף besser unberücksichtigt lassen sollte.

Die Stelle steht im größeren Zusammenhang eines Unheilsorakels gegen Ägypten. übersetzt ähnlich den meisten Übersetzungen: „Das Wasser im Meer versiegt, der Fluss trocknet aus. Die Kanäle Ägyptens verbreiten üble Gerüche, seicht und trocken sind die Arme des Nil, Binsen und Schilfrohr verwelken.“

Auch hier fällt wieder auf (1) der enge Zusammenhang mit dem Wasser und (2), dass סוּף wieder mit etwas am Rande des Nils stehenden in Zusammenhang gebracht wird, nämlich קָנֶה („Schilf“).

Die Schwierigkeit des Verses liegt vor allem am Ausdruck (קמל), welches nur zwei Mal in der Bibel steht, nämlich Jes 19,6 und Jes 33,9. Traditionell wird es mit „verwelken“ übersetzt, aber z.B. KBL3 meldet Bedenken an. Zu Recht, denn in Jes 33,9 wird es von einem Landstrich verwendet („Der Libanon verwelkt“), was z.B. dazu bewegt hat, zu ergänzen: „Die Bäume des Libanon verwelken“.
Die ganze Textstelle Jes 33,9 geht etwa so: „Das Land ermattet und klagt. Der Libanon schämt sich und qml. Die Scharon-Ebene ist zur Steppe geworden, entlaubt sind Baschan und Karmel.“
Sowohl in Jes 19,6 als auch in Jes 33,9 kommt also (קמל im Zusammenhang mit einem Vorgang des Vertrocknens; sollte „Sumpf“ oder „Schlamm“ die tatsächliche Bedeutung von סוּף sein, würde es außerdem beide Male von Land ausgesagt. Es liegt daher eigentlich näher, dass auch qml etwas mit „Vertrocknen“ zu tun hat.e

Sehen wir also wieder zu, was am meisten Sinn macht: „Binsen und Ende/Zerstörung/Sumpf/Schlamm verwelken/vertrocknen.“ Nichts davon macht Sinn, wenn man unter קמל „verwelken“ versteht. Aber auch, wenn man darunter „vertrocken“ verstehen sollte, machte „Zerstörung“ keinen Sinn und „Ende“ wirkt ebenfalls nicht sehr stimmig. Am Besten passte wieder „Sumpf“, wieder bezogen auf den Uferschlamm des Nils; allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die Spekulation, qml bedeute „vertrocken“, richtig ist. Daher nochmal: Es ist wohl sicherer, diese Stelle bei der Entscheidung außen vor zu lassen.

Wörterbucheintrag[Bearbeiten]

  • Schlamm
    verwendet vom Schlamm am Ufer oder Grund eines Gewässers.
    vgl. Arab. sap „Sumpf“; Sam. sp „Sumpf“; s. auch ExR + LXX zu Ex 2,3.5; 8HevXIIgr 2,41 + Syr zu Jon 2,6.


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aso z.B. in Erman´s „Das Verhältniss der Aegyptischen zu den semitischen Sprachen“ von 1892: „ṭwf [...] Papyrus: סוּף Schilf (Brugsch). - Das hebr. Wort ist entlehnt“ (S. 122) (Zurück zu )
bCopisarow; vgl. Aram swp „Ende“; Arab. sap „Sumpf“; Sam. sp „Sumpf“ und Syr saupa „Ende“ (Zurück zu )
cWard; vgl. Akk sappu „Schale, Becken“; Hebr. sap „Schale, Becken“; Phön. sp „Schale, Becken“; Ug. sp „Schale“ (vgl. auch Halayka 2008, S. 298f.) (Zurück zu )
dzitiert nach Wünsche 1882, S. 17 (Zurück zu )
evielleicht kann man es in Zusammenhang bringen mit dem Akkadischen qamû „vertrocknet“ (vgl. CAD XIII, S. 76)? (Zurück zu )