Richter 13/Persönliche Fassung (Sebastian Walter)

Aus Die Offene Bibel

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Dies ist eine individuell verantwortete Textfassung. Sie ist Teil der Offenen Bibel, stammt aber in dieser Version nicht vom Gesamt-Team.

Persönliche Fassung

1 Wieder taten die Kinder Israels,
was böse war in den Augen GOTTes.
Da gab sie GOTT in die Hand der Philister
für 40 Jahre.

2 Es gab einen Mann aus Zora aus dem Clan der Daniten und sein Name war Manoach. Seine
Frau war unfruchtbar,
sie gebar nicht.
3 Da erschien ein Bote GOTTes der Frau.
Er sagte ihr:
„Siehe doch: Du bist unfruchtbar und gebarst nicht,
Doch du wirst empfangen und einen Sohn gebären!
4 Hab nun Acht:
Trinke nicht Wein und Bier
Und iss nicht irgendetwas Unreines,
5 Denn siehe, du wirst ja empfangen und einen Sohn gebären.
Ein Schermesser soll nicht kommen an sein Haupt,
Denn ein Nasiräer Gottes wird er sein von Mutterleib an
Und dieser ist's, der Israel retten wird aus der Hand der Philister.“
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Analyse

Die Samson-Saga ist recht häufig mindestens als lyrische Prosa analysiert worden, gelegentlich sogar als Poesie im Vollsinn. Schon Meier 1856 glaubte, in der Saga ließen sich mindestens noch bruchstückhafte Reste eines „Cyklus romanzenartiger Gedichte“ erkennen (S. 99). Zapletal 1906 ließ sich davon inspirieren, glaubte aber abweichend, v.a. die wörtliche Reden von Figuren seien nach wie vor deutlich erkennbar in Versrede abgefasst (S. 21). Meiers Ansicht reiner wieder aufgefrischt haben dagegen Albright in seinem „Yahweh and the Gods of Canaan“ (S. 22f.; erneut in seinem Vorwort zu Burney 1970, S. 22f.) und ähnlich schon von Blenkinsopp 1963, für den die „äußerst rhythmische Erzählweise [von Ri 14-16 im Gegensatz zu Ri 13] noch einen poetischen Ursprung“ verrate (S. 70), der durch spätere Bearbeitungen aber teilweise verschüttet ging (S. 71). Alle vier halten die Saga in ihrer heutigen Form also nur eingeschränkt für Poesie – weil das ursprüngliche Poem später entstellt worden war (Meier, Albright, Blenkinsopp), weil nur die wörtlichen Reden als Poesie formuliert worden waren (Zapletal) oder weil der Zyklus von verschiedenen Autoren stammte, von denen nicht alle gedichtet hätten (Blenkinsopp).
Neuerdings hat man dies noch stärker gemacht. Niditch 2008 etwa denkt in ihrem Kommentar, wie vielen Erzählzyklen im Richterbuch eigne auch diesem Zyklus immerhin durchgehend ein besonders „de-enjambierter“ Stil, bei dem die Klauselgrenzen also in besonders hohem Maße mit Kolon-Grenzen übereinstimmten (S. 20), was allerdings nicht notwendig von poetischem Stil, sondern von „mündlichem Erzählstil“ zeuge. Am stärksten schließlich haben diese These Prenner und Kim gemacht. Karl Prenner nämlich nimmt in seiner Dissertation „Der Sonnenheld Samson“ doppelt merkwürdig Schedls „Logotechnik“ und die antike Astrologie zum Fundament für seine These, beim Samson-Zyklus handle es sich durchweg um poetische „Kunstprosa“ (vgl. auch Prenner 1981, S. 262). Viel ernster zu nehmen ist die Dissertation „The Structure of the Samson Cycle“ von Jichan Kim, deren theoretische Basis die Annahmen zur „narrativen Poesie“ der Kampen-Schule ist: Hiervon ausgehend kommt er am Ende zum Schluss, dass auch die Samson-Saga in ihrer heutigen Form „must be described as ‚narrative poetry,‘ or ‚poetic narrative‘“ (1993 S. 426).
Kims Versuch ist ohne Zweifel der rundeste und theoretisch stärkste von den oben genannten; auch seine Analyse ist aber von Groß 1995, S. 100f. und Dietrich 2014, S. 226 als „gewaltsam“, „willkürlich“ und „unakzeptabel“ zurückgewiesen worden. Wir haben wir also einen schönen Testfall vor uns: Einen überschaubaren Zyklus von mehreren Erzählungen, der entweder gar nicht (Groß, Dietrich), von vornherein nur teilweise (Zapletal, Blenkinsopp) oder mittlerweile nur noch bruchstückhaft (Meier, Albright) oder vollständig (Prenner, Kim, Niditch) entweder Poesie im Vollsinn (Meier, Zapletal, Albright, Blenkinsopp), „narrative Poesie“ (Kim), „Kunstprosa“ (Prenner) oder „oraler Epos“ (Niditch) ist. Ich habe daher u.a. diesen Zyklus ausgewählt, um die kolometrischen Grundannahmen dieser Übersetzung zu überprüfen und abzusichern und präsentiere daher im Folgenden eine gründlichere Analyse des Zyklus. Zu fragen ist im Folgenden: Ist die Samsonsaga (1) bündiger und (2) im Nah- und Fernbereich dichter als „reine Prosa“ der Bibel?

...

Kriterien aus der Literatur:

  • K1 Kolongrenze = Satzgrenze
  • K2 starker disjunktiver Akzent am Ende
  • K3 vor starken disjunktiven Akzenten kein weiterer starker disjunktiver Akzent in einem Kolon
  • K4 Minima + Maxima: (4a) (3/)5-12(/15) Silben, (4b) 3-5 Units, (4c) 2-(3/)4/5(/6) Hebungen, (4d) 2-3 disjunktive Akzente
  • K5 keine großen Längen-Unterschiede

D: Disjunktivphrase, A: Akzente, U: Unit, S: Silben („JHWH“ rechne ich zweisilbig)
B-R: Buber/Rosenzweig; F: FOX; K: Kim; N: Niditch; P: Prenner; Z: Zapletal

...


1
a wajjōsīpū |D2 banē Jißrā`ēl |D1s
b la´ßōt harā´ |D1 ba´ēnē JHWH |D0b
c wajjittinēm JHWH |D2 bajād-Palištīm |D1
d `arba´īm šānāh. |D0a

Analyse:

B-R: ab|c|d; F+N: ab|cd; P: a|b|c|d
K behandelt den Vers nicht, da er dem Zyklus fast sicher erst später angefügt wurde.

a: D: 2; A: 3; U: 3; S: 9
b: D: 2; A: 4; U: 4; S: 9
c: D: 2; A: 3; U: 4; S: 11
d: D: 1; A: 2; U: 2; S: 5

Kolon ab hätte zu viele Disjunktivphrasen, zu viele Hebungen, zu viele Units und zu viele Silben, um ein poetischer Vers sein zu können (zu K4a-d), hätte eine Zaqef-Phrase in diesem Athnach-Kolon (zu K3) und der Längenunterschied zwischen diesem und dem nächsten Kolon wäre zu groß (zu K5). K2 hilft hier nicht. K1 ist ungewiss: Zur Frage, ob nach dem Satzkriterium Infinitivsätze als „Satz“ gewertet werden müssen, hat m.W. keiner der Vertreter von K1 bisher etwas geäußert. Nach K3+4 jedenfalls müsste man gliedern in a|b statt ab.

Für cd statt c|d sprechen K1, K2* und K5 (nach van Grol; sein „strophic theme“ wäre also „grob 4 Hebungen“); K3 greift nicht. Für c|d statt cd dagegen sprechen K4a und K4b, außerdem die meisten Spielformen von K4c. K4d lässt beide Optionen zu.
* Genauer zu K2: cd ist akzenttechnisch eine Tebir-Tifcha-Silluq-Phrase. In solchen kann Tifcha ein sog. „virtuelles Zaqef“ und dann Tebir ein „virtuelles Paschta“ sein, wonach dann Tifcha eine eigene Intonationsphrase terminieren würde; wegen der Syntax von cd ist das hier aber nicht der Fall. Es ist dies so häufig anzutreffen, dass dies bei derartigen TTS-Phrasen im Folgenden nicht mehr eigens gesagt werden wird.

Der Parallelismus schließlich spricht am meisten für a|b|c|d: a + c lassen sich analysieren als dann grammatisch parallele V+S-Sätze, die auch lautlich durch Anlaut mit wajj- und lautlich + grammatisch durch Endung auf ba- anlautende Constructus-Phrasen, deren regiertes Glied jeweils ein Ortsname ist. b + d sind dann jeweils M(odifier) dieser V+S-Sätze. Bis dahin lässt K2 sowohl ab und cd als auch a|b und c|d zu. Darüber hinaus geht aber auch b darin mit a + c parallel, dass auch die zweite Disjunktivphrase dieses Kolons eine auf ba- anlautende Constructus-Phrase ist, deren erstes Glied außerdem auch noch wie das in Kolon a auf -nē auslautet und deren zweites Glied ebenso wie das in Kolon a auf J- anlautet. Am dichtesten ist V. 1 also mit der Kolometrie a|b|c|d.

Sehr viel spricht danach immerhin für a|b statt ab. Die Frage nach c|d vs. cd ist schwieriger; hier stehen K1, K2 und K5 gegen K4a, K4b und teilweise K4c. Die Parallelismusanalyse lässt dann die erste Option vorziehen.


2
a wajihj `īš `eḥād miṢṣōrāh |D2
b mimmišpaḥt haDdānī |D1
c wašemō Mānōḥ |D0b
d wa`ištō ´aqarā |D1
e lō` jaladā |D0a

Analyse:

B-R: abc|de; F: ab|c|de; K: a|b|c|d|e; N: ab|c|d|e; P: ...

a: D: 1; A: 4; U: 4; S: 8
b: D: 1; A: 2; U: 2; S: 6
c: D: 1; A: 2; U: 2; S: 5
d: D: 1; A: 2; U: 2; S: 6
e: D: 1; A: 2; U: 2; S: 4

Ein komplizierter Vers. Zunächst zu ab vs. a|b: Kim macht dies fest am Parallelismus miṢṣōrāh || mimmišpaḥt haDdānī, da beide Glieder mit der Präp. mi- beginnen und mit einem Namen enden. Dagegen spricht K1. Dagegen spricht auch K2, wenn man Tifcha als virtuelles Zaqef analysiert. K3 ist nach beiden Analysen irrelevant, K5 ebenfalls, da sich weder a noch ab gut zu den anderen Kola fügt. Dafür sprechen neben dem Parallelismen aber außerdem noch K4b und die meisten Spielformen von K4a und K4c. Gegeneinander stehen damit Parallelismus + K4abc vs. K1 und wohl K2. K1 entfällt, wenn man als Enjambement ansieht, was dann vorzuziehen ist.

Ist das richtig, hat sich auch die Frage nach ab|c vs. abc erledigt, wogegen ja K4abc noch stärker sprechen und womit B-R ohnehin allein stehen.

Bei der Frage de vs. d|e greifen nur zwei Kriterien: K4a spricht nach den meisten Spielformen für de, nachdem der ursprüngliche Text von e wohl nur vier Silben hatte (s. auf der Kommentarseite). Dagegen K5 spricht for d|e; ebenso der Parallelismus „sie war unfruchtbar“ || „sie hatte nicht geboren“.

Kommentar:

Man muss sich danach fragen, warum der Autor `eḥād („ein Mann“ statt „[n'] Mann“) nicht einfach ausgespart hat wie in Ri 17,1; 1 Sam 9,1. Offenbar war Regelmäßigkeit bei der Formulierung des Verses für ihn kein leitendes Prinzip. Sollte stattdessen durch das unnötige und poetisch sogar störende Wort der „Mann-Teil“ dieses Verses zusätzlich gelängt werden, damit umso auffälliger wird, dass im kürzeren „Frau-Teil“ ausschließlich von der Unfruchtbarkeit der Frau und sonst gar nichts über sie – nicht einmal ihr Name! – berichtet wird? Durch die Lautung wird das zusätzlich unterstrichen: e hat das selbe Vokalmuster, auf das d endet:

wa-`išt-ō ´aqarā („und-die_Frau-von_ihm war_unfruchtbar“)
lō` jaladā („sie gebar nicht“)

Von der doppelten Erwähnung ihrer Unfruchtbarkeit abgesehen erhält die Frau eine ganze Silbe im Gegensatz zu den 19, mit denen Manoach vorgestellt wird.
Das selbe wäre dann sicher auch der Grund für die Länge der ersten Intonationsphrase, in der ungewöhnlicherweise in der ersten Disjunktivphrase (=a) gleich vier Wörter stehen und in der wegen der Kürze von c der erste starke Akzent acht Wörter auf sich warten lässt. Man müsste sich den ersten Satz dann atemlos vorgelesen denken, den zweiten und dritten dann dagegen betont lakonisch:

Es gab einen Mann aus Zora aus dem Clan der Daniten und sein Name war Manoach.
Und seine Frau war unfruchtbar.
Sie gebar nicht.


3
a wajjerrā mal`ak-JHWH |D1 `el-ha`iššāh |D0b
b wajjō`mer `elēhā |D2s
c hinnēh-nā` (d) `att-´aqārāh |D2 (e) walō` jaladt |D1s
f waharīt |D1 (g) wajaladt bēn |D0a

Analyse:

B-R: ab|c|de|fg; F: a|b|c|de|fg; K: a|b|cd|e|f|g; N: a|b|cd|e|f|g; P: ...; Z: ...cd|e|fg

a: D: 2; A: 3; U: 4; S: 11
b: D: 1; A: 2; U: 2; S: 6
c: D: 0; A: 1; U: 1; S: 3
d: D: 1; A: 1; U: 2; S: 4
e: D: 1; A: 2; U: 2; S: 4
f: D: 1; A: 1; U: 1; S: 3
g: D: 1; A: 2; U: 2; S: 4

ab vs. a|b: Hier wollen B-R über die Athnach-Phrase hinweg b zu a rechnen. Das liegt so fern, dass dies keines weiteren Kommentars bedarf.

a und b sind dann deutlich parallel: „Der Engel erschien“ entspricht „er sprach“; „zur Frau“ entspricht „zu ihr“.

cd vs. c|d: hinnēh („siehe“)-Sätze sind eine häufige Ausnahme bei K1; K1 spricht also für die zweite Variante. K2 spricht ebenfalls dafür; der hinnēh („siehe“)-Satz hat nicht nur keinen starken, sondern gar keinen disjunktiven Akzent am Ende. K3 greift nicht; K4a, K4b, K4c und K4d und K5 sprechen ebenfalls für c|d.

Demnach muss dann weiter abgewogen werden zwischen cde vs. cd|e. Ersteres wird zwar von keinem der obigen vertreten, aber in V. 2 haben B-R und F die beiden klar damit parallelen Kola de als ein Kolon genommen. K1 greift nicht, wenn man als Konjunktivsatz analysiert. Die Masoreten haben das offensichtlich getan, daher spricht K2 für cde. K3 greift nicht. Manche Spielformen von K4a sprechen gegen alleiniges e, K4b, K4c und K4d lässt beides zu. K5 spricht ebenfalls für cde; van Grols „strophic theme“ wären dann „grob 3 Akzente“.

fg vs. f|g: K1 greift nicht: Analysiert man als als Konjunktivsatz, ist beides zulässig. K2 spricht für fg: Tifcha kann kein virtuelles Zaqef sein, da direkt davor schon Zaqef steht. K3 greift nicht. Die meisten Spielformen von K4a sprechen für fg; K4b, K4c, K4d und K5 ebenso.

Auch hier gehen dann deutlich cde und fg parallel; die Konjunktivphrase „Du bist unfruchtbar und gebarst nicht“ steht offensichtlich im antithetischen Parallelismus zur Konjunktivphrase „du wirst empfangen und einen Sohn gebären“.
cde steht außerdem im distanten Parallelismus zu 2de: „Siehe, du bist unfruchtbar und gebarst nicht“ ist fast eine wörtliche Wiederholung von „sie war unfruchtbar, sie gebar nicht“.


Kommentar:

Dass „sie war unfruchtbar, sie gebar nicht“ in V. 2 zwei äußerst kurze Kola ohne Konjunktion sind, das mit diesen Kola parallele Kolon in V. 3 dagegen wie das folgende Kolon ein langer Konjunktivsatz, soll offenbar die in V. 3 angekündigte Fülle im Gegensatz zur Kargheit der in V. 2 geschilderten Situation unterstreichen.


4
a wa´attāh |D2 hiššamirī |D1s
b `al-tištī |D1 jajn wašekar |D0b
c wa`al-to`kilī |D1 koll-ṭamē` |D0a

Analyse:

B-R, F, K, N: a|b|c; P: ...
Z korrigiert den Text und kann daher unberücksichtigt bleiben.

a: D: 2; A: 3; U: 2; S: 7
b: D: 2; A: 3; U: 4; S: 7
c: D: 2; A: 2; U: 4; S: 8

Unproblematischer Vers. Die Parallelismen von „achte!“, „trinke!“ und „iss!“ einerseits und „(a) trink nicht (b) Wein und Bier“ und „(a') iss nicht (b) irgendetwas Unreines“ sind auch offensichtlich.


5
a ki hinnak harāh |D3 (b) wajoladt ben |D2s
c umorāh |D2 lo`-ja´leh (d) ´al-ro`šō |D1s
e ki-nazīr `elōhīm |D2 (f) jihjē hanna´r |D1 (g) min-habbatn |D0b
h wahū` |D2s jaḥell |D2 lahōšī´ `et-Jißrā`ēl |D1 (i) mijjad Palištīm |D0a

Analyse: B-R: a|b|cd|e|fg|hi; F+N: ab|cd|efg|hi; K: a|b|cd|ef|g|h|i; P: ...; Z: a|b|c|d|e|fg|h|i

a: D: 1; A: 3; U: 2; S: 5
b: D: 1; A: 2; U: 2; S: 4
c: D: 1; A: 2; U: 2; S: 6
d: D: 1; A: 1; U: 1; S: 3
e: D: 1; A: 2; U: 2; S: 6
f: D: 1; A: 2; U: 2; S: 4
g: D: 1; A: 1; U: 1; S: 3
h: D: 3; A: 4; U: 4; S: 11
i: D: 1; A: 2; U: 2; S: 5

ab vs. a|b: K1 lässt beides zu, wenn ab Konjunktivsatz ist. Die Masoreten haben so analysiert, daher spricht K2 für ab. K3 greift nicht. K4a spricht nach den meisten Spielformen für ab, K4b und K4d sprechen ebenfalls für ab. K4c ist ungewiss (da es von der jeweiligen Spielform abhängt. Ley und Sievers etwa sprächen sich für a|b aus). K5 dagegen spricht für a|b, s. gleich.

cd vs. c|d: K1 und K2 sprechen für cd. K3 greift nicht. K4a spricht nach den meisten Spielformen ebenfalls für cd, K4b, K4c und K4d ebenso. Dieser Fall ist daher recht klar. Man muss danach hier von 3 Akzenten ausgehen, wonach eben K5 im vorigen Fall für a|b spricht.

efg vs. e|fg vs. ef|g: K1 und K2 sprechen für efg. K3 greift wieder nicht. Nach K4a wäre efg ungewöhnlich lang, für die meisten aber noch im Rahmen; ef|g wäre für die meisten dagegen nicht zulässig. K4b und K4d spricht für efg. K4c ließe jede Variante zu. K5 spärche für e|fg. Am Ende stehen damit die Varianten efg vs. e|fg; K1, K2, K4b und K4d sprechen für ersteres, K5 und leicht K4a für letzteres.

hi vs. h|i: K1 und K2 sprechen für hi. Hier wird das erste Mal K3 relevant – und taugt nichts: dass wahū` allein steht, kommt nicht in Frage. Der starke Akzent hier ist auch leicht erklärlich – wahū` steht überhaupt erst aus Fokusgründen: „Dieser ist's, [der X tun wird]!“. K5, K4a, K4d und für die meisten auch K4c allerdings sprechen für h|i. Nach K4b schließlich wäre beides nicht zulässig.
Kim begründet seine Entscheidung für h|i mit dem Parallelismus „Israel“ || „Philister“, aber tatsächlich ist Parallelismus ein stärkeres Argument für hi: Geht man mit F und N von ab|cd|efg|hi aus, wird in jedem Kolon auf den Knaben referiert (ab: „Sohn“, cd: „sein [Kopf]“, efg: „der Knabe“, hi: „und dieser“). cd, efg und hi gehen darüber hinaus darin parallel, dass anders als in ab in jeder Zeile ein Yiqtol-Verb steht (cd: „er soll nicht emporsteigen“, efg: „er wird sein“; hi: „er wird retten“), und v.a. darin, jede Zeile mit einer Präpositionalphrase endet, die von einem Körperteil spricht (cd: „auf seinen Kopf“; efg: „von Mutterleib [an]“; hi: „aus der Hand der Philister“). Das ist so auffällig, dass es klar den Ausschlag für hi und gegen h|i gibt.

Kommentar: Am besten erklärt man sich die letzte Schwierigkeit damit, dass durch die Überlänge von hi zusätzlich hervorgehoben wird, wie unpassend die aktuelle Lage Israels ist.
Hingewiesen sei hier außerdem wie auf der Kapitelseite noch einmal auf den distanten Parallelismus von 5ab mit 3fg: „du wirst empfangen und einen Sohn gebären“ dort, „denn siehe, du [wirst] empfangen und [wirst] einen Sohn gebären“ hier. Das macht die Grobstruktur des Textes umso klarer; genauerhin nämlich, dass mit 5ab der erste Teil der Anweisung des Engels an sein Ziel kommt:

(a1) Du wirst empfangen und einen Sohn gebären.
(b1) Hab nun Acht:
Trink nicht Wein und Bier
Und iss nicht irgendetwas Unreines,
(a2) Denn siehe, du wirst empfangen und einen Sohn gebären.
(b2) Ein Schermesser soll nicht kommen auf sein Haupt,
(c) Denn ein Nasiräer Gottes wird er sein von Mutterleib an
und dieser ist's, der Israel retten wird aus der Hand der Philister.

(b1) ist Grund für (a2), für (c) dagegen ist dann nur (b2) der Grund, was über diese Grobstruktur hinaus auch dadurch betont wird, dass (b2) und (c) durch den Parallelismus der Yiqtol-Verben und die Körperteil-Präpositionalphrasen am Kolonende eng zusammengeschlossen werden und durch (a2) von (b1) getrennt sind. Strukturell gesehen ist es also offensichtlich, dass die Abstinenz der Mutter ihren Grund nicht im Nasiräertums Samsons hat und umgekehrt, sondern nur Basis ihrer Schwangerschaft ist. Erst die Frau wird dies in V. 7 anders deuten (s. näher auf der Kapitelseite).

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Kriterien aus der Literatur:

  • K1 ganzer Satz
  • K2 starker disjunktiver Akzent am Ende
  • K3 vor starken disjunktiven Akzenten kein weiterer starker disjunktiver Akzent in einem Kolon
  • K4 Minima + Maxima: (4a) (3/)5-12(/15) Silben, (4b) 3-5 Units, (4c) 2-(3/)4/5(/6) Hebungen, (4d) 2-3 disjunktive Akzente
  • K5 In der Länge nur ein Akzent Differenz bei benachbarten Kola

D: ; A: ; U: ; S:


zitierte Literatur

{Sebastian Walter}