Gen 1-2,3/Persönliche Fassung (Sebastian Walter)

Aus Die Offene Bibel

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Dies ist eine individuell verantwortete Textfassung. Sie ist Teil der Offenen Bibel, stammt aber in dieser Version nicht vom Gesamt-Team.

Persönliche Fassung

I. Die Urgeschichte


1. Die Schöpfung der Welt


Die Schöpfung. Kirchenfenster, Chapel of St. Timothy and St. Titus, 1992. (c) csl.edu

1 Am Anfang von Gottes Schöpfunga von Himmel und Erdeb
2 da war die Erde Nicht und Nichts:b
Dunkelheitb lag über der Oberfläche des Wassers
aber Hauch Gottesc wehte über der Oberfläche der Gewässer,d b
3 und Gott sprach:
„Helles soll sein!“
Und Helles ward.
4 Gott sah, dass das Helle gut war,
und Gott schied dieses Helle von der Dunkelheit.
5 Gott nannte das Helle „Tag“
und die Dunkelheit nannte er „Nacht“.
Es ward Abend und es ward Morgen:eb Ein „Tag“.


6 Dann sprach Gott:
„Ein Gewölbe soll mitten in den Gewässern sein
und Scheidewand zwischen Gewässern und Gewässern sein!“
7 Gott machte also dieses Gewölbe
und schied so die Gewässer unterhalb des Gewölbes
von den Gewässern oberhalb des Gewölbes:
Es ward so.
8 Gott nannte das Gewölbe „Himmel“.
Es ward Abend und es ward Morgen: Ein zweiter Tag.


9 Dann sprach Gott:
„Die Gewässer unter dem Himmel sollen sich an einem Ort sammeln
und Trockenes soll sichtbar werden!“
Es ward so:
Die Gewässer unter dem Himmel sammelten sich in ihre Becken
und Trockenes ward sichtbar.f
10 Gott nannte das Trockene „Erde“
und die Wasserbecken nannte er „Meere“.g
Gott sah, dass es gut war.
11 Dann sprach Gott:
„Die Erde soll Grünesb grünen lassen:
Samenb samendes Getreideb
und verschiedenste Arten von Frucht tragenden Fruchtbäumen,b
deren Früchte ihren Samen in sich haben!“
Es ward so:
12 Die Erde ließ Grünes grünen:
Verschiedenste Arten von Samen samendem Getreide
und verschiedenste Arten von Frucht tragenden Fruchtbäumen,
deren Früchte ihren Samen in sich haben.
Gott sah, dass es gut war.
13 Es ward Abend und es ward Morgen: Ein dritter Tag.


14 Dann sprach Gott:
„Lichter sollen am Himmelsgewölbe sein,
um den Tag von der Nacht zu scheiden!
Sie sollen Zeichen sein für Festzeiten und für Jahr und Tag,h
15 und sie sollen Lichter am Himmelsgewölbe sein,
um über der Erde zu leuchten!“i
Es ward so:
16 Gott machte die beiden großen Lichter:
Das größere Licht zur Herrschaft über den Tag
und das kleinere Licht zur Herrschaft über die Nacht,
außerdem die Sterne.
17 Gott setzte sie an das Himmelsgewölbe,
damit sie über der Erde leuchteten
18 und damit sie über Tag und Nacht herrschten
und so das Helle von der Dunkelheit schieden.
Gott sah, dass es gut war.
19 Es ward Abend und es ward Morgen: ein vierter Tag.


20 Dann sprach Gott:
„Im Wasser soll sich ein Getümmelb von lebendigen Lebewesenb tümmeln
und über der Erde soll am Himmelsgewölbe Geflügel flügeln!“
21 Also schuf Gott die großen Seeungeheuer,
all die verschiedenen lebendigen, sich tümmelnden Lebewesen, die im Wasser schlängeln,
und all das verschiedene gefiederte Geflügel.
Gott sah, dass es gut war,
22 und er segnete sie:
„Seid fruchtbar und vermehrt euchj
und füllt das Gewässer in den Meeren,
und das Geflügel sollen sich über der Erde vermehren!“
23 Es ward Abend und es ward Morgen: ein fünfter Tag.


24 Dann sprach Gott:
„Die Erde soll verschiedenste Arten von lebendigen Lebewesen hervorbringen:
Verschiedenste Arten von Vieh, von Geschlängelb und von Wild der Erde!“k
Es ward so:
25 Gott machte verschiedenste Arten von Wild der Erde,
verschiedenste Arten von Vieh
und verschiedenste Arten von all dem Geschlängel des Erdbodens.
Gott sah, dass es gut war.
26 Dann sprach Gott:
„Lasst unsl den Menschen machen als uns ähnliches Abbild!mb
Sie sollen herrschen über die Fische des Meeres und das Geflügel des Himmels
und über das Vieh und über alles Wild der Erden
und über all das Geschlängel, das auf der Erde schlängelt!“
27 Und so schuf Gott den Menschen als sein Abbild,
Als Gottes Abbild schuf er ihn,
männlich und weiblich schuf er sie.o
28 Dann segnete Gott sie;
Gott sprach zu ihnen:
„Seid fruchtbar und vermehrt euch,j
Füllt die Erde und unterwerft sie!
Herrscht über die Fische im Meer und das Geflügel am Himmel
und über alle Lebewesen, die auf der Erde schlängeln!“
29 Weiterhin sagte er:
„Hiermit gebe ich euch all das Getreide, das Samen samt,
das auf all der Erdoberfläche ist,
und alle Bäume, an denen Baumfrüchte sind, die Samen samen!
Sie sollen eure Nahrung sein!
30 Auch für all das Wild der Erde,
für all das Geflügel des Himmels,
für alles, was auf der Erde schlängelt –
für alles, was Lebenp in sich hat –
sollen alle grünen Pflanzenb Nahrung sein!“
Es ward so.
31 Gott sah, dass alles, was er gemacht hatte, sehr gut war.
Es ward Abend und es ward Morgen: Der sechste Tag.


2,1 Vollendet waren Himmel und Erde und alles darauf,
2,2 und so vollendete Gott am sechsten Tagq sein Werk, das er gemacht hatte
und ruhte sich am siebten Tag aus von all seinem Werk, das er gemacht hatte.
2,3 Gott segnete den siebten Tag und erklärte ihn als heilig,
da er sich an ihm ausgeruht hatte von all seinem Werk, das Gott machend geschaffen hatte.r


Die Bibel beginnt in Genesis 1-2,3 mit einer Kosmogonie, einem „Schöpfungs-Mythos“: Die Existenz des Kosmos wird erzählend damit erklärt, dass alles von Gott geschaffen worden sei. Dass Gen 1-2,3 ein Mythos ist, war im alten Judentum schon überraschend früh klar; einige jüdische Geschichtswerke wie das „Liber Antiquitatum Biblicarum“ oder Josippons „Jüdische Geschichte“ z.B. setzen ihren Bericht daher erst mit Gen 5 ein; ebenso die „Chronik“ des christlichen Historikers Eusebius, der dies auch damit begründet, dass man über die Zeit, über die in Gen 1-4 berichtet wird, „nichts wissen könne“. Im Laufe der christlichen Auslegung ging dieses Wissen jedoch verloren; in Werken wie den deutschen Historienbibeln oder der französischen Bible Historiale zum Beispiel wurden auch diese ersten Kapitel der Bibel stattdessen als realgeschichtliche Berichte aufgefasst. Kreationistische Christ:innen glauben das noch heute; überwiegend hat sich aber auch in der christlichen Theologie die Überzeugung duchgesetzt, dass „das eigentliche Interesse der biblischen Schöpfungstexte ... kein kosmologisches oder gar metaphysisches [ist]“ (EKD: Weltentstehung, Evolutionstheorie und Schöpfungsglaube in der Schule), sondern eben ein mythisches, dass sie also nicht von wirklichen Geschehnissen berichten, sondern die Wirklichkeit deuten wollen.

Wir kennen ähnliche Kosmogonien aus dem ganzen Alten Orient. Gen 1 besonders nahe stehen zum Beispiel der Atrahasis- und der Enuma Elisch-Epos aus Babylon, wo auch jeweils die Welt von Göttern aus einem Urstoff wie hier dem „Ur-Meer“ geschaffen wird. Üblicherweise wird in diesen verwandten Kosmogien die Welt aber von einer Gemeinschaft mehrerer Göttinnen und Götter geschaffen. Darauf spielt in diesem Text vielleicht noch der sonst schwer erklärliche Plural in V. 26 an: Es braucht keine vielen Götter, weil der biblische Gott selbst schon in sich vielfältig ist (s. dort).

Gen 1 ist ein relativ junger Text. Ein älterer Text unter anderem über die Erschaffung der Welt folgt gleich im nächsten Erzählabschnitt: Gott schafft dort Welt und Lebewesen durch körperliche Arbeit, macht dabei aber einen Fehler nach dem anderen, wodurch nach und nach auch durch seine Schuld die Welt immer mehr verdirbt. Vor allem gegen dieses sehr vermenschlichende Gottesbild schreibt Gen 1 an: Gott schafft die Welt allein durch sein Wort, und was derart geschaffen wird, ist gut; das Gesamt der Welt sogar „sehr gut“.

Zu diesem Gesamt der sehr guten Welt gehört besonders auch die Dimension von Raum und Zeit, auf denen daher ein weiterer Fokus des Texts liegt: Gott schafft erstens die Welt, indem er den Raum sortiert und einen Bereich nach dem anderen voneinander scheidet. Er erschafft sie außerdem in einem bestimmten Zeitraum: Die Schöpfung der Welt geschieht im Verlauf von sieben Tagen einer Woche. Das erste Schöpfungswerk sind Tag und Nacht, den letzten Tag verbringt Gott damit, sich auszuruhen, womit er gleichzeitig den siebten Tag jeder Woche zum Feiertag macht. In der Mitte der Schöpfungswoche schließlich – am vierten Tag – schafft Gott die Himmelskörper, an denen sich der Verlauf der Zeit und besonders der Zeitpunkt religiöser Feste ablesen lassen sollen. Die Einrichtung der Welt ist damit auf zwei Blöcke zwischen diese „Zeit“-Abschnitte aufgeteilt: Am zweiten Tag schafft Gott aus dem schon existierenden Urmeer den Himmel, am dritten Tag die Erde mit ihren Pflanzen. Der zweite Block widmet sich der Schöpfung der Tiere: Am fünften Tag werden die Meere und der Himmel mit Fischen und Vögeln bevölkert, am sechsten Tag das Land mit Landtieren und Menschen, die danach zu den Herren der Tiere ernannt werden. Am Ende existiert damit nicht nur eine sehr gute Welt, sondern auch eine sehr gute Ordnung der Welt: Die Welt hat mehrere Bereiche, und das ist gut; die verschiedenen Gattungen von Lebewesen gehören in jeweils ihren Bereich, und das ist gut, und es gibt einen ordnungsgemäßen Ablauf der Zeit, zu dem besonders die Untergliederung des Jahres in einzelne Festzeiten gehört und die Feingliederung der Zeit in einzelne Wochen, die am siebten Tag ebenfalls jeweils durch einen Festtag beschlossen werden.

Die einzelnen Unterabschnitte sind nicht exakt parallel gebaut; allein schon, weil Gott an manchen Tagen mehrere Dinge erschafft. Unter anderem hat diese „unrein parallele“ Gestaltung aber zur Folge, dass dennoch die Zahl sieben auch sonst die Erzählung bestimmen kann: Sieben Mal steht „Gott sprach“, sieben Mal „so geschah es“, sieben Mal „Es war (sehr) gut“; das Wort „schöpfen“ wird sieben Mal verwendet, „Erde“ 3x7 Mal, „Gott“ 5x7 Mal; der erste Vers hat im Hebräischen sieben Worte, der zweite 2x7. Man behalte dies auch deshalb im Hinterkopf, weil in Gen 4,19-24 ein ähnliches Zahlenspiel begegnen wird.


Einleitung <= | => Gen 2,4-24


(Sebastian Walter unter Verwendung von Texten der Offenen Bibel)

alit.: Schöpfung - Wortspiel: Das hebräische Wort für „schaffen“ (bara`) bedeutet auch „spalten, schneiden“. Das ist es auch, was Gott im Wesentlichen an Tag 2-4 tut: Verschiedene Bereiche der Welt voneinander zu scheiden.
theol.: „Spaltend“ zu schaffen ist ihm deshalb möglich, weil Gott in Gen 1 auf das finstere Urmeer als bereits Vorhandenes zurückgreifen kann (Janowski 2010, S. 31). Dass Gott die Welt „aus Nichts“ geschaffen, also eine Creatio ex nihilo vollbracht habe, findet sich immerhin in katholischen und orthodoxen Bibeln zwar auch (2 Makk 7,28); hinter dem älteren Text Gen 1 steht aber noch eine andere Vorstellung. (Zurück zu Lesefassung v.1)
blit.: Klangspiel: Im Hebräischen gibt es eine Gruppe von Wörtern, die mit zwei Konsonanten statt dem viel häufigeren Muster Konsonant – Vokal( – Konsonant) enden. Diese Wörter begegnen in Gen 1 extrem gehäuft; es ist offensichtlich, dass sie hier als eine Art „Urwörter“ für die „Urelemente“ der Welt erscheinen sollen. Genauer gehört zu diesem Ensemble von Wörtern, die sodann das Ensemble der Welt konstituieren (nur jeweils das erste Wort hat eine Fußnote): „Himmel und Erde“: šamajm und `arṣ; „Nicht und Nichts“: tuhw wa-buhw; „Dunkelheit“: hušk; „Gewässer“: majm; „Abend“ und „Morgen“: ´arb und buqr; „Grünes“: daš`; „Getreide“: ´iśb; „Samen“: zar`; „Frucht“: pirj; „Getümmel“: šarṣ; „Lebewesen“: na; „Geschlängel“: ra; „Abbild“: ṣalm; „Pflanzen“: jarq.
lit. + theol.: Auffällig ist, dass nur an Tag 4 kein einziges Wort mit diesem Wortbildungsmuster neu eingeführt wird, und sogar auf eine Benennung verzichtet wird, die eines eingeführt hätte – „Sonne“ nämlich heißt im Hebräischen ša. Stattdessen stehen hier nur Wörter mit langem Endvokal: Die „Lichter“ heißen ma`ōrōt, die „Sterne“ heißen kōkabīm. Auch die „großen Seeungeheuer“ in V. 21, die von „all den sich tümmelnden lebendigen Lebewesen, die sich im Wasser schlängeln“ unterschieden werden, fallen aus diesem Muster heraus; sie heißen tannīnīm gadulīm. Alle vier sind mythische Wesen: Die Himmelskörper wurden auch in Israel als Götter verehrt, die Seeungeheuer erscheinen in mehreren altorientalischen Mythen als Gegner Gottes. Auch diese werden hier als Geschöpfe Gottes dargestellt, aber dass sie derart aus diesem Muster von Gen 1 herausfallen, dass Sonne, Mond und Seeungeheuer alle das Prädikat „die großen“ erhalten und dass von Sonne und Mond auch noch eigens gesagt wird, dass sie „über Tag und Nacht herrschten“, zeigt, dass diese mythischen Vorstellungen auch noch im Hintergrund von Gen 1 walten. (Zurück zu Lesefassung v.1 / zu Lesefassung v.2 / zu Lesefassung v.5 / zu Lesefassung v.11 / zu Lesefassung v.20 / zu Lesefassung v.24 / zu Lesefassung v.26 / zu Lesefassung v.30)
cbed.: Die Bedeutung des „Hauchs Gottes“ hier ist umstritten:
(1) In der neueren Forschung versteht man darunter neben Finsternis und Urflut meist ein weiteres Element des Chaos zu Urbeginn: einen „Ur-Sturm“. Das allerdings wäre merkwürdig: Aus der Urflut macht Gott im Folgenden durch mehrfache Teilung Himmel und Meere, aus der Finsternis macht er durch Teilung Nacht und Tag. Nur aus dem Sturm würde er dann nichts schaffen.
(2) Vgl. daher besser Ps 33,6.9: „Durch das Wort GOTTES wurde der Himmel gemacht, durch den Hauch seiner Nase ihr ganzes Heer: Denn er sprach und es ward, er befahl und es entstand.“; Jdt 16,14Alle Kreaturen sollen dir dienen, denn du sprachst und sie entstanden. Du sandtest deinen Hauch aus und sie wurden erbaut, denn es gibt nichts, was deiner Stimme wiederstehen könnte.“ Gottes Sprechen wird noch häufiger als Sturmwind dargestellt: Ex 15,8.10; 2 Sam 22,16 = Ps 18,16; Ijob 4,9; Sir 43,16f.. In Ps 148,8 heißt sogar Gott selbst: „Du Sturmwind, der Sein Wort vollzieht“. Wahrscheinlicher ist daher hier „der Hauch Gottes wehte über der Oberfläche des Wassers“ Teil der ersten Redeeinleitung „und Gott sprach“ (Steck 1981, S. 235-237; Di Lella 1985, S. 130; Robson 2006, S. 237). S. dazu noch einmal genauer zu V. 26. Ähnlich übrigens wohl schon Rabbi Jochanan im Talmud, wo er in b.Meg 21b auch in Gen 1,1-2 einen „Ausspruch Gottes“ entdeckt und dazu ebenfalls auf Ps 33,6 verweist. (Zurück zu Lesefassung v.2)
dlit.: Himmel ... Gewässer - Klangspiel im Hebräischen: „Der Himmel“ heißt ha-šamajm, „die Gewässer“ dagegen heißen ha-majm. Auch in der sprachlichen Gestaltung kommt so zum Ausdruck, wie ordentlich Gott die Welt sortiert. (Zurück zu Lesefassung v.2)
ebed.: Es ward Abend und es ward Morgen - Nota bene: Nicht „Es ward Nacht und es ward wieder Tag“. Nach Gen 1,5 existiert bereits der gesamte zeitliche Ablauf Morgen – Tag – Abend – Nacht, der dann insgesamt als „Tag“ bezeichnet werden kann. (Zurück zu Lesefassung v.5)
ftxt.: Dieser Satz fehlt im MT, wird aber bezeugt von 4QGenk, LXX, VL und Jub 2,6. Für ursprünglich halten ihn z.B. auch DJD XII, S. 76 und Hendel 1998. (Zurück zu Lesefassung v.9)
glit.: Gewässer ... Meere - Klangspiel im Hebräischen wie in V. 2: Das „Gewässer“ heißt majm (geschrieben: mjm), „Meere“ heißen jammim (geschrieben: jmjm). (Zurück zu Lesefassung v.10)
hbed.: Festzeiten, Jahr und Tag - An ihnen soll sich also grundsätzlich die Zeit ablesen lassen („Jahr und Tag“). Außerdem sollen sie anzeigen, wann heilige Zeiten sind, also die religiösen Feste des alten Judentums. (Zurück zu Lesefassung v.14)
ilit.: Klangspiel im Hebräischen: „leuchten“ (`ir) und „Erde“ (`arṣ) haben zu Beginn die selben Konsonanten; davor sind Präposition + Artikel / Vorsilbe („über der“: ´al ha-; „um ...-en“: laha-) beinahe Anagramme: laha-`ir ´al ha-`arṣ. Wieder sieht man schon an der sprachlichen Gestaltung, wie natürlich und harmonisch Gottes Einrichtung der Welt ist. (Zurück zu Lesefassung v.15)
jlit.: seid fruchtbar und vermehrt euch - Klangspiel im Hebräischen: pru wa-rbu. In der nächsten Zeile ist dies noch erweitert um das sich reimende mil`u („füllt“), in V. 28 außerdem um kibšu („unterwerft“) und rdu („herrscht“).
bed. + theol.: Die letzten beiden Worte versteht man heute gerne „sanft“: Wie ein guter Landwirt sollen die Menschen sich um die Erde „kümmern“ und wie ein guter Hirte die Tiere „hegen“. Zu den verwendeten Worten passt das nicht, beide beschreiben sonst i.d.R. gewaltsame Kriegshandlungen. Es fehlt in der Aufzählung der zu beherrschenden Tiere auch gerade das Vieh. Dieses „sanfte“ Verständnis geht also wahrscheinlich nicht an. Es ist aber auch gar nicht nötig, schon diese Worte umzudeuten; auch, wenn man sie „gewaltvoll“ deutet, ergibt sich aus ihnen schöpfungstheologisch die selbe Folge. Richtig heißt es im EKD-Text 41 („Zur Verantwortung für das Tier als Mitgeschöpf“): „Die Sonderstellung des Menschen unter seinen Mitgeschöpfen schließt die Aufgabe ein, in besonderer Weise Verantwortung wahrzunehmen. Allein der Mensch kann die Folgen seines Handelns für Mitmensch und Mitgeschöpf erkennen und daraus Folgerungen ziehen; allein der Mensch kann darum auch an der Schöpfung schuldig werden. (Zurück zu Lesefassung v.22 / zu Lesefassung v.28)
klit.: Strukturspiel: Ab V. 24 wird auf mehrere Weisen die Vielfalt des Lebens auf der Erde hervorgehoben:
(1) Auffällig ist zunächst natürlich die Häufung von „verschiedenste Arten von“ und von „all(e)“.
(2) Die Reptilien werden fünf Mal genannt, und dabei jedes Mal unterschiedlich bezeichnet: „Geschlängel“ (V. 24) – „all das Geschlängel des Erdbodens“ (V. 25) – „all das Geschlängel, das auf der Erde schlängelt“ (V. 26) – „alle Lebewesen, die auf der Erde schlängeln“ (V. 28) – „alles auf der Erde Schlängelnde“ (V. 30).
(3) Und schließlich wird von Vv. 24-26 die Liste der Landtiere stets variiert: „Vieh, Reptilien, wilde Tiere“ (V. 24) – „wilde Tiere, Vieh, Reptilien“ (V. 25) – „Vieh, wilde Tiere, Reptilien“ (V. 26). (Zurück zu Lesefassung v.24)
lbed. + theol.: Die Bedeutung des Plurals „uns“ ist unklar. Vier mögliche Deutungen:
(1) Gott berät sich mit seinem „Hauch“ aus V. 2. In der Theologie des Ersten Testaments wird dieser noch nicht so klar als „Geist Gottes“ von Gott unterschieden wie später im Zweiten Testament und in frühjüdischen Schriften, klar ist aber an mehreren Stellen, dass Gott nicht mit diesem „Hauch“ identisch ist, aber durch ihn wirkt (z.B. Ijob 33,4; Ps 104,30 und die schon oben zitierten Verse Ex 15,8.10; 2 Sam 22,16 = Ps 18,16; Jdt 16,14; Ijob 4,9; Ps 33,6.9). Es gibt in der hebräischen Bibel noch eine ganze Reihe anderer „Wesensweisen“ Gottes, die von ihm selbst zu unterscheiden sind und in denen er dennoch präsent ist und auf der Erde wirkt: Sein „Name“ etwa, seine „Glorie“, seine „Altäre“ und ähnliches. Wie dieser Hauch an der Schöpfung des Menschen beteiligt sein könnte, sieht man in Gen 2: Gott „haucht dem Menschen sein Hauchen ein“. So deutet z.B. Clines 1998.
(2) Im Deutschen und Englischen gibt es einen sog. „Plural deliberationis“, mit dem ein Mensch im Plural zu sich selbst spricht („Dann wollen wir mal!“; „Let's go!“). Die meisten neueren Ausleger halten auch diesen hebräischen Plural für einen solchen. So effektiv schon der Midrasch: „Laut Rabbi Ami beriet sich Gott mit seinem Herzen.“ Die einzige möglicherweise gute Parallele für diesen Sprachgebrauch im Hebräischen ist aber Hld 1,11, und zu diesem V. s. dort: Auch dort ist das nicht der Fall. Das selbe Phänomen wie hier begegnet auch in Gen 11,27 und gleich noch mal in Gen 3,22, wo es sicher kein Plural deliberationis ist.
(3) Die meisten alten jüdischen Ausleger glaubten daher stattdessen, Gott berate sich in Gen 1 mit der bereits geschaffenen Welt, wonach beide gemeinsam den Menschen schufen (ebenfalls im Midrasch; z.B. auch Rikam und Rambam). Wie Himmel und Erde an der Schöpfung des Menschen mitgewirkt haben könnten, sieht man dann ebenfalls in Gen 2.
(4) Die alten Christen dagegen sahen hier bereits die Trinität angedeutet: Gott berate sich hier mit seinem Sohn Jesus. Auf dem Konzil von Sirmium wurde dies 351 n. Chr. sogar dogmatisch festgeschrieben: Wer die Stelle nicht so verstehe, könne kein Christ sein. Das war definitiv nicht das Anliegen der Autoren von Gen 1. (Zurück zu Lesefassung v.26)
mtheol.: Abbild - Heb. ṣalm. Das Wort wird meist verwendet, um Götter-Statuen zu bezeichnen. Solche Götter-Statuen waren im Alten Orient aber nie nur bildliche Darstellungen von Göttern, sondern Wohnstätten derselben: In ihnen waren Götter auf der Erde präsent und durch sie wirkten sie ebenso auf der Erde, wie Gott im Ersten Testament auch durch seinen „Hauch“, seinen „Namen“, seine „Glorie“, seine „Boten“ usw. auf der Erde wirkte. Dies ist also nach Gen 1 die Rolle des Menschen: Repräsentant Gottes zu sein, durch den dieser auf der Erde wirkt – zum Beispiel in der Form, dass er über alle anderen Lebewesen herrscht.
Liest man das Wort zusammen mit der anderen Schwierigkeit in diesem Vers und mit V. 7 des nächsten Kapitels, ergibt sich insgesamt ein klares Bild: Gott ist seit Urbeginn auf Erden präsent in und mit seinem „Hauch“, der später als sein „Geist“ ausgelegt werden wird. Mit diesem berät er sich in Gen 1,26 darüber, den Menschen als sein „Abbild“ schaffen zu wollen, und erst, indem er dann diesem Abbild seinen „Hauch“ einhaucht, wird es auch wirklich zum Repräsentanten Gottes auf Erden. (Zurück zu Lesefassung v.26)
ntxt.: Die Übersetzung folgt nicht MT („über all die Erde“ = kol ha`arṣ), sondern Syr („über alles Wild der Erde“ < kol ḥajjat ha`arṣ). Das Fehlen des zweiten Wortes ist vermutlich ein Schreibfehler durch Augensprung von ḥ(ajjat) direkt zu h(a`arṣ). Für ursprünglich halten den Wortlaut von Syr auch Ball 1896; BHK; BHS. (Zurück zu Lesefassung v.26)
otheol.: Hier sei noch einmal daran erinnert, was oben zum Wort für „schaffen“ / „Schöpfung“ gesagt wurde – dass es auch mit „teilen“ / „Teilung“ übersetzt werden könnte. Viele alte jüdische Ausleger haben diese Zeile denn auch genau so verstanden: Hier würde die Teilung von Mann und Frau berichtet, die ausführlicher in Gen 2 geschildert werden wird. (Zurück zu Lesefassung v.27)
pbed.: Leben - Schlüsselwort in der Bibel, hebräisch napš. napš kann sowohl das sein, was ein Lebewesen zum Lebewesen macht („Leben“) als auch wie in V. 24 diese „Lebewesen“ selbst bezeichnen. Was hier gemeint ist, ist also gar nicht ausgemacht: Entweder wird noch einmal zusammenfassend gesagt: „alle Lebewesen“. Oder Wild, Vögel und „Geschlängel“ werden hier abschließend noch einmal charakterisiert: Getreide trägt seinen Samen an sich und vermehrt sich so, Bäume tragen Früchte mit Samen in sich und vermehren sich so – und Wild, Vögel und Geschlängel tragen gleich ihre Nachkommen in sich und vermehren sich so. (Zurück zu Lesefassung v.30)
qtxt.: Die Übersetzung folgt nicht MT („am siebten Tag“), sondern LXX, Syr, Jub 2,16 und dem Midrasch („am sechsten Tag“). Für ursprünglich halten diesen Wortlaut z.B. auch Ball 1896 und Hendel 1998. (Zurück zu Lesefassung v.2,2)
rlit.: Zwei Strukturspiele schließen Gen 1,1-2,3 ab:

Erstens:

Gott erklärte als vollendet am sechsten Tag sein Werk, das er gemacht hatte,
und ruhte sich aus am siebten Tag von seinem ganzen Werk, das er gemacht hatte.
Gott segnete den siebten Tag und erklärte ihn als heilig, da er sich ausgeruht hatte an ihm von seinem ganzen Werk, das Gott geschaffen hatte, indem er es machte.
Zweitens schlägt die letzte Zeile mit dem Ausdruck „das Gott geschaffen hatte, indem er es machte“ (`ašer-bara` `elohim la´śot) noch einmal die Brücke zum ersten Vers: „Am Anfang von Gottes Schöpfung“ (bare`šit bara` `elohim). Das wird sogar noch dadurch forciert, dass alle Laute der Relativpartikel `ašer in bare`šit vorkommen. Mit Gottes Ruhetag ist die Schöpfung endlich und endgültig abgeschlossen. (Zurück zu Lesefassung v.2,3)

Dieser Text ist wie die Offene Bibel insgesamt frei kopierbar (CC-BY-SA 3.0). Bearbeitungen müssen unter derselben Lizenz stehen und folgende Quellenangabe enthalten: „‹Neuer Autorenname› unter Verwendung von Texten von Sebastian Walter und der Offenen Bibel“ Dieser Text darf in den offiziellen Fassungen der Offenen Bibel (z.B. Studienfassung, Lesefassung, Fassung in Leichter Sprache) verwendet werden. Dann genügt für diese Fassungen sowie für abgeleitete Texte die Quellenangabe „Offene Bibel“.