JHWH/Religionsgeschichte

Aus Die Offene Bibel

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Siehe auch: JHWH

Vorbiblische Zeit[Bearbeiten]

Gleichwohl JHWH in der Bibel dargestellt wird als Bundesgott Israels, kann historisch als gesichert gelten, dass JHWHs Ursprung keineswegs im westsemitischen Kulturraum liegt. Die erste Erwähnung JHWHs in diesem Kulturraum neben der Bibel ist die moabitische „Victory Stela“ / „Mesha Stela“ aus dem 9. Jh. v. Chr., auf der JHWH als die offizielle Nationalgottheit Israels angegeben wird. Die Tatsache, dass kein früherer Beleg der Verehrung JHWHs im westsemitischen Kultraum vorweisbar ist, legt die Vermutung nahe, dass der ursprüngliche JHWH-Kult anderswo verortet werden muss. Und diese Vermutung kann gestützt werden: Eine Reihe von Texten legt nahe, dass es vor den Israeliten die Völker von Edom und Midian waren, die JHWH verehrten. In den Amarna-Korrespondenzen gibt es zwei ägyptische Texte aus dem 14. bis 13. Jh. v. Chr., die JHWH erwähnen. Allerdings hat er hier nichts mit den Israeliten zu tun; stattdessen wird hier geschrieben von „Yahu im Land der Shoshu-Beduinen“. Man geht davon aus, dass dies auf den Raum Edom und Midian bezogen werden muss:

“By the 14th century BCE, before the cult of Yahweh had reached Israel, groups of Edomite and Midianite nomads worshipped Yahweh as their god.“a.

Das stimmt auch überein mit einigen älteren Passagen aus der Bibel, z.B. (1) Ri 5,4, (2) Dtn 33,2 und (3) Hab 3,3 (zitiert nach ):

(1) „Herr, als du auszogst aus Seir, / als du vom Grünland Edoms heranschrittest, / da bebte die Erde, die Himmel ergossen sich, / ja, aus den Wolken ergoss sich das Wasser.“
(2) „Der Herr kam hervor aus dem Sinai, / er leuchtete vor ihnen auf aus Seir, / er strahlte aus dem Gebirge Paran, / er trat heraus aus Tausenden von Heiligen.“
(3) „Gott kommt von Teman her, / der Heilige kommt vom Gebirge Paran.“

Als Erklärungsmodell für diesen Import des JHWH-Kultes wurde daher schon früh die sogenannte „Keniten-Hypothese“ gebildet. In ihrer ursprünglichen Form besagte sie mehr oder weniger, dass Moses in einen Midianitischen Klan einheiratete - was ja biblisch gestützt ist. Hier lernte er entweder den Gott JHWH oder auch nur seinen Namen kennen und führte ihn in das israelische Pantheon ein. Gestützt wird diese Hypothese u.a. durch die Rolle Jethros in Exodus. Diese Hypothese hat aber einige Schwächen, weshalb z.B. Dennis McCarthy die Keniten-Hypothese schon 1978 für „erledigt“ erklärt.

Van der Toorn reagiert 1999 in der zweiten Ausgabe des Dictionary of Deities and Demons mit einer modifizierten Keniten-Hypothese auf diese Schwächen. Rein historisch gesehen sollte die Rolle Moses beim Import des JHWH-Kultes nicht überschätzt werden. Aller Wahrscheinlichkeit nach kamen die Israeliten im Gesamt innerhalb der Grenzen Palästinas durch wandernde Midianiter und Keniten in Kontakt mit JHWH und übernahmen von diesen zumindest den Namen, wenn nicht gar den Kult.b

JHWH als der Gott Israels[Bearbeiten]

Ab wann JHWH in Israel verehrt wurde, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Als spätester Zeitpunkt ist von der Zeit der Könige auszugehen. Aus früherer Zeit gibt es nur wenige Hinweise. Viele Wissenschaftler vermuten, dass der Gott der Bibel in der Ära der Patriarchen noch ausschließlich als El verehrt wurde und frühestens ab Mose auch unter dem Namen JHWH. Damit ergäbe sich eine Datierung zwischen dem 14. und dem 9. Jh. v. Chr.

In der neueren wissenschaftlichen Literatur begegnet außerdem die Position, dass Abraham, Isaak und Jakob sogar zu jeweils unterschiedlichen Göttern beteten. Lemaire etwa nimmt die Zuordnung vor, dass der Klan um Abraham einen Gott verehrte, der mal mit El Shaddai, mal mit El Elyon bezeichnet wurde; die Bene-Jacob dagegen beteten wahrscheinlich zu Baal und / oder El Berit und die Gruppe um Isaac zu El Olam und El Roi.c.
Was als relativ gesichert gelten kann, ist, dass JHWH zwar schon kurz vor 1000 v. Chr. von den Israeliten verehrt wurde, seine Erhebung zum Nationalgott aber wohl erst nach dem Beginn der Königszeit anzusetzen ist. Ebenfalls als relativ wahrscheinlich kann gelten, dass man selbst nach der Erhebung JHWHs zum Nationalgott noch nicht von einer Alleinverehrung ausgehen darf; auch zu dieser Zeit wurden neben JHWH andere Gottheiten wie etwa Baal oder Ashera verehrt.

Die These des „Poly-Jahwismus“[Bearbeiten]

In der wissenschaftlichen Diskussion wird kontrovers diskutiert, ob es sich bei „JHWH“ wirklich durchgehend um einen Eigennamen im klassischen Sinne des Wortes handelt, mit dem auf eine einzige, einheitliche Gottheit referiert wurde. McCarter berichtet von einer im semitischen Kulturraum gut belegten Konstruktion: „GN von ON“ (Gottes-Name von Orts-Name). Beispielsweise sind überliefert: „Hadad in Sikan“ und „Ashtarte von Kition“.d Es handelt sich hier um ein ungewöhnliches Phänomen: Einzelne Gottheiten werden „aufgesplittet" in mehrere individuelle, lokal gebundene Ausprägungen. „Hadad“ oder „Ashtarte“ werden so von einem „gewöhnlichen“ Eigennamen zu einem „Typus“, unter den dann als individuelle Varianten die „lokalen Ausprägungen" fallen. Hadad oder Ashtarte werden so zu einer Wortart irgendwo zwischen Eigenname und Klassennomen. Für dieses sprachliche Phänomen ist (allerdings gemünzt auf el) sogar eine eigene linguistische Bezeichnung vorgeschlagen worden: „Title phrase“e. Ähnliches gilt - zumindest für den Zeitraum zwischen dem Beginn der Königszeit und der Josianischen Kultzentralisation - möglicherweise auch für JHWH; so sind etwa die Ausdrücke „Yahweh aus Samaria“, „Yahweh von Teman“, „Yahweh von Hebron“ und „Yahweh von Zion“ überliefert. Van der Toorn hält es daher für gerechtfertigt, von „local forms of Yahweh“ auszugehen.f; und McCarter schreibt:

„At the time of the Israelite monarchy, therefore, the various local manifestations of Yahweh were often quite distinct in the manner of their conceptualization and worship. It is not surprising, then, to discover that there was a tendency [...] for the local Yahwehs to become semi-independent, almost as if they were distinct deities.“g

Albertz schreibt ausführlicher:

„Mit der Dezentralität des Großkultes Israels, in den Jahwe, vermittelt durch die Exodusgruppe, einrückte, ist eine religionsgeschichtliche Entwicklung eingeleitet, die H.Donner „Polyjahwismus" genannt hat und die später von den deuteronomischen Erneuerern heftig bekämpft werden wird: eine lokale Differenzierung Jahwes, die ihm entsprechend den verschiedenen aufgenommenen und entwickelten lokalen Kulttraditionen an den einzelnen Heiligtümern eine unterschiedliche Gestalt verleiht. So wie auch die Götter El und Baal an verschiedenen Orten in unterschiedlicher Ausprägung verehrt wurden (vgl. El-Bethel, El-´Olam in Beerscheba, Baal-Berit in Sichem, Baal-Hermon etc.), so gewann auch Jahwe als „Jahwe Zebaoth in Silo“ (1.Sam 1,3), „Jahwe in Hebron“ (2.Sam 15.7) oder, wenn auch etwas später in einer Inschrift aus Kuntillet ´Ajrud, als jhwh smrn („Jahwe von Samaria") lokal unterschiedliche Gestalt. Neben seiner übergreifenden Funktion als „Nationalgott“ (Gott Israels) nahm Jahwe Züge eines Ortsgottes an, der an bestimmten Heiligtümern durchaus unterschiedlich verehrt wurde und für bestimmte Regionen auf besondere Weise zuständig war. Damit war regionalen Sonderentwicklungen der Jahwereligion das Tor geöffnet, die später schwerwiegende Folgen zeitigen sollte.“h

So gesehen könnte also Cunninghams Rede von der „hybriden Natur des Gottesnamens“ sogar treffender sein, als er dies ursprünglich intendierte.i. Van der Toorn jedenfalls zieht das Fazit: „The religious situation in early Israel, therefore, was not merely one of polytheism, but also of poly-Yahwism.“j Allerdings muss deutlich darauf hingewiesen werden, dass diese These vom Polyjahwismus eine unter vielen Positionen ist und durchaus auch einige ernstzunehmende Kritiker hat. Wie so oft besteht auch hier kein Forschungskonsens.

Fußnoten[Bearbeiten]

aLemma „Yahweh“ 1999, S. 910 (Zurück zum Text: a)
bLemma „Yahweh“ 1999, S. 912 f. (Zurück zum Text: b)
cVgl. Lemaire 2007, S. 15 f. (Zurück zum Text: c)
dMcCarter 1987, S. 140 (Zurück zum Text: d)
evgl. Op den Brouw 1994 (Zurück zum Text: e)
fvgl. Lemma „Yahweh“ 1999, S. 919 (Zurück zum Text: f)
gMcCarter 1987, S. 141 f. (Zurück zum Text: g)
hAlbertz 1992, S. 128. (Zurück zum Text: h)
iCunningham 1995, S. 424 (Zurück zum Text: i)
jLemma „Yahweh“ 1999, S. 919. (Zurück zum Text: j)

Literaturliste[Bearbeiten]

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