Diese Darstellung der wichtigsten Thesen zur frühen Religionsgeschichte des Gottes JHWH stammt von Benutzer:Sebastian Walter und wurde von ihm ursprünglich auf der Seite JHWH eingestellt. Aus Gründen der Übersichtlichkeit haben wir entschieden, sie hierhin zu verschieben. --Olaf 12:39, 20. Jan. 2012 (CET)
Etwas mehr Vorsicht?[Bearbeiten]
Im WibiLex-Artikel zu JHWH steht: „Die Herkunft der Jahweverehrung liegt in der dunklen Vorgeschichte des Volkes Israel verborgen.“ Aus diesem Grund schlage ich vor, dass wir bei der Darstellung der Thesen sprachlich deutlich vorsichtiger formulieren. Vor allem die Verbundung von „wahrscheinlich“ mit „keinesfalls“ scheint mir missverständlich. --Olaf 13:03, 20. Jan. 2012 (CET)
Das fände ich auch wohltuend. Ich wollte dieselbe Anmerkung machen. Historisch ist ja nichts gesichert, und es hängt bei der Interpretation sehr viel von der vertretenen Hermeneutik und archäologischen Schule ab. Wie eine als gesichert vertretene, doch kontroverse These in die Hose gehen kann, sehen wir am Beispiel der archäologischen Kopenhagener Schule (Minimalisten), die noch vor einigen Jahrzehnten so siegessicher aufgetreten sind, dass manche von ihnen meinten, gar keine echten Argumente mehr zu benötigen. Oder zumindest scheint sich der Diskurs häufig auf dem Niveau bewegt zu haben (im Ernst!). Jetzt ist der Minimalismus im Aussterben.
Wie wäre es (im Hauptartikel) mit einer Unterscheidung nach „Der Gott JHWH in der hebräischen Bibel“ (o.ä., vllt. ganz vorne, könnte den Abschnitt Ex 3,14 kurz integrieren, wenn der Hauptteil der Exegese in den Kommentar kommt (?)) sowie einem mit religionsgeschichtlichen Hypothesen/außerbiblischer Evidenz, der dem ersten Absatz jetzt entspricht. Wie soll „vorbiblisch“ (Überschrift) zu verstehen sein? Wenn schon vom Königtum die Rede ist, sind wir ja schon in biblischer Zeit.
Vielen Dank, Sebastian, für die (sicher aufwändige) Recherche! --Ben 16:19, 20. Jan. 2012 (CET)
Sind die Änderungen, die ich jetzt gemacht habe, so OK? --Olaf 19:42, 22. Jan. 2012 (CET)
Patriarchenzeit[Bearbeiten]
Die Aussagen zur Patriarchenzeit würde ich anders formulieren, denn zur Datierung der Patriarchen gibt es ja auch wieder etliche Theorien – bis hin zu der These, dass es die Patriarchen nie gab. --Olaf 13:24, 20. Jan. 2012 (CET)
Den Seitentitel habe ich nach Bens berechtigtem Einwand auf „JHWH/Religionsgeschichte“ geändert. Und sind die sprachlichen Änderungen, die ich im Artikel gemacht habe, so OK? --Olaf 19:42, 22. Jan. 2012 (CET)
These von Cross[Bearbeiten]
Bei der These von Cross, dass zeitweise verschiedene Lokalgottheiten verehrt wurden, fällt mir auf, dass seine Argumentation nicht so recht zu dem passt, was W.Rösel in seiner Monographie „Adonaj – warum Gott ‚Herr‘ genannt wird“ schreibt, und was ich auch an anderer Stelle gelesen habe. Demnach ist das Wort Baal als nicht als Gottesname zu verstehen, sondern (entsprechend seiner allgemeinen Wortbedeutung „Herr“) als Ehrentitel parallel zu Adonai. W.Rösel erwähnt, dass im Fall des Gottes Marduk der Name völlig durch den Titel Baal verdrängt wurde. Wenn aber Baal ein Ehrentitel ist, dann kann der natürlich auch für verschiedene Gottheiten verwendet werden, von denen man jeweils gerade aussagen will, dass man sie für den Hauptgott hält. Bei lokalen Unterschieden in der Verehrung JHWHs kann es sich aber um ein völlig anderes Phänomen handeln. Jedenfalls ist damit noch nicht belegt, dass die Menschen damals an die Existenz mehrerer JHWH-Gottheiten geglaubt haben. (Wenn etliche Kirchen „Unsere liebe Frau von XY“ heißen, dann spricht man deshalb ja auch nicht gleich von Polytheismus.) --Olaf 13:24, 20. Jan. 2012 (CET)
Zudem kommen wir damit auch schon wieder in den Schützengräben von Datierung und Literarkritik an. Bevor man eine Stelle „alt“ nennen kann, um verschiedene Lokale JHWH-Kulte nachzuweisen, muss man ja erstmal seine Datierungsmethodik offen legen. Sonst könnte man sich in Tautologien verheddern. (Ich meine jetzt den zitierten Autor, nicht Sebastian.) Ich will nicht sagen, dass das hier der Fall ist (dazu fehlt mir die Grundlage), aber ich sehe an diesem Beispiel, dass wir in Lexikon und Kommentar sehr sorgfältig darauf achten müssen, entweder streng nach Methoden und hermeneutischen Zugängen zu unterscheiden, oder sie in unsere Überlegungen gleichmäßig und ausgewogen zu integrieren. Ich glaube, dem Geiste unseres Projekt entspräche es, wenn wir allgemein einen methodisch sauberen, sehr ausgewogenen Überblick lieferten, aber uns mit Schlüssen – zumindest in so spekulativen Feldern – vornehm zurückhielten.
Die momentane Recherche finde ich spannend, und ebenso, zu beobachten, wie hier ein hochwertiger Lexikonartikel entsteht! Vielleicht kann ich mich demnächst ja noch selbst etwas beteiligen. Meinen Respekt euch beiden für eure Arbeit. :-) --Ben 16:19, 20. Jan. 2012 (CET)
Ich kann gerade nicht viel schreiben - ich habe eine Sehnenscheidenentzündung (heißt das so?) an der linken Hand. Aber zur Erklärung: Cross habe ich nur zitiert, um weitere Beispiele für diesen Konstruktionstypus anführen zu können. Wirklich entwickelt hat diese These McCarter. Das Problem bei ihm ist, dass er zwar sagt, der Konstruktionstyp sei gut belegt, aber nicht genug Belege bringt, als dass man dieses Phänomen anhand seiner Belege schon demonstrieren könnte.
McCarter nun entwickelt diese These anhand von Inschriften von Kuntillet ´Ajrud; und dass diese aus der Zeit der Monarchie stammen, ist sicher. Alt genug sind die Textquellen also. Eine weiterer großer Vertreter wäre dann noch - den gibt es bei uns aber nicht in der Bib - Albertz in seiner Religionsgeschichte, der ebenfalls Belege für diese These anführt. Und auch Zevit hat einscheinend etwas in diese Richtung geschrieben (bei ihr konnte ich aber noch nicht mal rausfinden, in welchem Buch). Und van der Toorn hat diese These dann als Faktum in das Lexikon schlechthin zu diesem Thema aufgenommen. Das ist nicht so hypothetisch, wie ihr anscheinend glaubt.
Jetzt, wo ich von Olaf den Hinweis auf die Wortart "Baal" lese, klingelt es auch bei mir. Das hab ich auch schon mal gelesen. Vielleicht sind die Beispiele also nicht ideal und müssten rausgenommen werden - an der Stichhaltigkeit der Argumentation McCarters ändert das aber nichts. Au, meine Hand :-P - --Sebastian Walter 17:03, 20. Jan. 2012 (CET)
Tut mir Leid zu hören, dass du eine Sehnenscheidenentzündung hast! Gute Besserung!
Ich gebe dir mal ein Beispiel zur Hermeneutik (ich spreche da für mich selbst. Ich weiß nicht, ob Olaf mir folgen würde): Für die historisch-kritische Hermeneutik (zumindest der zitierten Ausleger, soweit sie zu deinem Schluss kommen) sind in diesem Fall (ich spreche jetzt auch allgemein von der historischen Erforschung des Gottesnamens) mindestens zwei Axiome relevant, die einfach vorausgesetzt werden:
- Der jüdisch-christliche Monotheismus lässt sich wie jede andere Religion religionsgeschichtlich erforschen. Das bedeutet, dass historische Unwägbarkeiten wie etwa ein übernatürliches Handeln Gottes von Vornherein ausgeschlossen werden (oder in der Forschung zumindest so behandelt werden).
- Die biblischen Berichte sind (auch deshalb) mindestens unzuverlässig und in historischer Hinsicht Quellen von großer Fragwürdigkeit.
Das sind Annahmen, die man voraussetzen und auch teilen kann (was du ja tust). Aber sie sind als philosophische Grundsatzentscheidungen Teil der Hermeneutik. Sie sind nicht per se Teil der wissenschaftlichen Exegese. Beides muss man trennen, wenn man in einen wissenschaftlichen ökumenischen Dialog eintreten will. Dennoch wird besonders von historisch-kritischen Auslegern gerne so vorgegangen, als handele es sich bei diesen Axiomen um unumstößliche Tatsachen, die gar nicht mehr zur Diskussion stehen. (Das soll kein Vorwurf sein.)
So einfach ist es aber nicht. Es hilft, wenn man sich dieser Denkvoraussetzungen (die ich ja auch habe, wenn auch teils deutlich andere) bewusst wird und sie auch hinterfragen kann (das haben die Gründerväter der historisch-kritischen Methode verstanden). Wenn wir 1. ökumenisch und 2. methodisch sauber vorgehen wollen, müssen wir in unserer Exegese klar unterscheiden, welche hermeneutischen Voraussetzungen wir anwenden, und am besten jeden vertretbaren Standpunkt berücksichtigen. Nur so lässt sich Neutralität erreichen. Und dann hilft es auch zu unterscheiden, welcher zitierte Autor welche Hermeneutik vertritt. Denn die Hermeneutik beeinflusst die Ergebnisse signifikant. --Ben 19:28, 20. Jan. 2012 (CET)
Erst mal: Danke. Dann: Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich verstehe, worauf du hinaus willst.
- Zunächst mal scheinst du bei der Formulierung von Axiom (1) selbst axiomatisch vorauszusetzen, dass die Faktizität des übernatürlichen Handelns Gottes die Religion des alten Israels der religionsgeschichtlichen Forschung verschließen würde. Warum sollte es? religionsgeschichtliche Forschung fragt nach Religionsgeschichte. Und im Verhältnis von Gott und Mensch steht "Religion" auf der Seite des Menschen. Gott "glaubt" nicht an den Menschen und Gott "betet" nicht zum Menschen. Warum sollte er? - Gott weiß um den Menschen. Es ist der Mensch, der glaubt, betet und der Religion hat. Religionsgeschichte fragt nach den Menschen und ihrem Verhältnis zu Gott. Und dieses Beforschte entzieht sich der religionsgeschichtlichen Forschung nicht.
- Die Bibel will ja gar keine Historiographie sein. Wenn der historisch-kritische Exeget die Bibel historisch-kritisch liest, liest er sie gegen den Strich, insofern er lesend nicht mitvollzieht, was das Sagen der Bibel ihm weist. Der historisch-kritische Exeget fragt nicht nach theologischem Gehalt, sondern nach dem historischen Grund einer Aussage, und er schreitet nicht in die Richtung, in die die Bibel zeigt, sondern schleicht sich um sie herum, um hinter sie zu gelangen. Und er schleicht mit Scheuklappen: Geschichtsschreibung und Exegese sind beide - hm, nun... zunächst mal weltanschaulich neutrale Disziplinen. Möglich, dass ihnen so das Wichtigste an der ganzen Sache entgeht - nämlich Gott und Sinn -, aber das hindert ja nicht, dass sie das, was ihnen dann noch nicht durch die Scheuklappen ihrer weltanschaulichen Neutralität entgangen ist, auch adäquat erfassen könnten - nämlich menschliche Geschichte und menschliches Bedeuten.
Wo sind das denn ungeklärte hermeneutische Prämissen?--Sebastian Walter 20:45, 20. Jan. 2012 (CET)
- Die dabei gezogenen Schlussfolgerungen schließen übernatürliches Handeln aus. Wenn wir etwa davon sprechen, dass es keinen oder nur einen sehr kleinen Exodus gab, dann wenden wir uns gegen biblische Berichte, die von einer Offenbarung Gottes in Ägypten und am Sinai ausgehen - und zwar aus dem alleinigen Grund, dass wir die Berichte für unhistorisch halten, weil sie übernatürliches Handeln bezeugen. Wenn wir die israelische Religionsgeschichte rekonstruieren, sprechen wir nicht von einer wunderbaren Bundesgeschichte mit einem aktiven, geschichtswirkenden Gott, sondern von einer evolutionären Entwicklung, die Wunder ausspart. Betrachtet man die Geschichte von JHWH und Israel aus dem Blickwinkel, dass eine wunderbare Offenbarung Gottes an sein Volk möglich, aber historisch unmöglich beweisbar ist, dann macht uns das demütig in Bezug auf die mögliche Rekonstruktion (der Schöpfungsbericht ist da ein weiteres Beispiel, aber ein anderes Fass). Die Anfänge des Christentums sind vielleicht das beste Beispiel dafür. Wer religionsgeschichtlich vorgeht, wird von gemeinschaftlichen Halluzinationen der Jünger über den Auferstandenen reden müssen, um die Entstehung des Christentums zu erklären. Aber wer Wunder und Gottes übernatürliches Handeln für möglich hält, kann die biblischen Berichte für stringenter und schlüssiger (wenn nicht wahrscheinlicher) halten. Und du selbst hast ja gerade geschildert, wie du die theologischen Inhalte umgehen würdest, um zu historischen Kern vorzustoßen (hab ich das richtig verstanden?). Warum sind die theologischen Inhalte nicht selbst historisch? Wer das ausschließt, entstellt die Aussageabsicht seiner Quellen durch diese Interpretation und kann sich unmöglich auf sie verlassen, weil er dann entweder von theologischer Verfälschung ausgehen muss oder davon, dass die Quellen wahr sind, aber er keine Möglichkeit hat, das herauszufinden. Die Quellen trennen nicht zwischen Geschichte und Interpretation. Es mag neutral sein, wenn man sagt, dass man über das übernatürliche Handeln (das ja den theologischen Teil der Berichte darstellt) keine historiographischen Aussagen machen kann. Aber dann muss man auch ehrlich sagen, dass die so gekürzten Rekonstruktionen womöglich völlig falsch sind und sich auf vermeintlich Erforschbares beschränken. Und das erlebe ich nicht.
- Die biblischen Texte - soweit es sich um Geschichtsberichte handelt (ausgenommen also etwa die Gattungen Weisheit und Prophetie) - wollen selbstverständlich historiographisch sein! Wer einer altvorderorientalischen Quelle ihren historiographischen Wert abspricht, weil sie theologisch interpretiert, der erfährt am Ende gar nichts mehr über den AVO. Es sind nämlich ganz einfach keine Quellen aus der Zeit erhalten, die nicht theologisch interpretieren. Keine der Quellen schildert objektiv oder trennt Geschehnis von Interpretation. Warum sollte also die Beschreibung der Patriarchen oder der Sinai-Offenbarung unhistorisch sein? Es fehlt uns schlichtweg die Autorität, das zu beurteilen. --Ben 08:14, 21. Jan. 2012 (CET)
@Sebastian: Danke für die Erläuterung. Wenn die These des Poly-Jahwismus mit anderen Argumenten besser belegbar ist, dann wäre ich in der Tat für die Wahl einer besseren Herleitung. Die theologischen Lexika, die ich zu JHWH befragt habe (WibiLex, TRE, THWAT), sehen in der Frage des Poly-Jahwismus keinen Forschungskonsens. Seit Drucklegung ist die Diskussion natürlich weitergegangen, aber trotzdem wäre ich dafür, es sprachlich etwas vorsichtiger zu formulieren und die Existenz von Gegenpositionen zu benennen. Auch sollte dem nicht-theologischen Leser deutlich werden, dass die historische Existenz von poly-jahwistischen Tendenzen nicht bedeutet, dass das zu irgendeinem Zeitpunkt die Position der biblischen Texte gewesen wäre. Wissenschaftlichen Konsens gibt es offensichtlich darin, dass sich der Monotheismus erst im Laufe der Zeit entwickelt hat. Dies lässt sich auch an der inhaltlichen Stoßrichtung der in der Bibel selbst geschilderten Auseinandersetzungen erkennen. --Olaf 14:22, 21. Jan. 2012 (CET)
@Ben: Mit einem Gegeneinander-Ausspielen von Ökumene und Wissenschaft begeben wir uns argumentativ in eine gefährliche Sackgasse. Es ist unmöglich, eine Bibelübersetzung zu machen, die allen christlichen Strömungen gerecht wird. Deshalb ist es gut, dass wir bei der Offene Bibel explizit die wissenschaftliche Diskussion als Entscheidungskriterium in Streitfragen gewählt haben. Damit haben wir für die große Mehrheit der Christen eine saubere Basis, ohne damit freilich jeden zufriedenstellen zu können. (Beim Kirchentag hatten wir z.B. Leute am Stand, die uns dafür Vorwürfe machten, dass wir unsere Übersetzung nicht auf der in ihren Augen verbal-inspirierten Vulgata aufbauen. Wir haben sie auf die freie Lizenz hingewiesen, die es ihnen erlaubt, eine Bearbeitung der Offenen Bibel zu machen.) Nun ist das Wissenschaftskriterium natürlich nicht eindeutig. Es gibt verschiedene Methoden, und es gibt einen Streit darum, welche Methode angemessener ist. Deshalb müssen wir im Zweifelsfall sowohl die Mehrheitsmeinung darstellen als auch relevante Minderheitsmeinungen. Wenn wir aber anfangen, einer der wissenschaftlichen Methoden pauschal vorzuwerfen, dass sie der Bibel Lügen unterstellt, dann haben wir die Basis für einen wissenschaftlichen Methodenstreit verlassen. Ob die biblischen Texte als Geschichtsschreibung im heutigen Sinn verstanden werden wollen, wäre nämlich selbst erst einmal wissenschaftlich zu prüfen. --Olaf 14:22, 21. Jan. 2012 (CET)
Hi Olaf, wenn ich den Eindruck erweckt habe, dass ich „pauschal“ den Vorwurf der Lüge mache, dann habe ich mich missverständlich ausgedrückt. Das ist nicht mein Ziel, und ein solches Vorgehen würde ich auch selbst verurteilen. Für mich ist die historisch-kritische Exegese ein legitimer Zugang zur Bibel, von dem ich auch selbst profitiere. Es geht mir nicht darum, sie zu diskreditieren. Sie ist aber auch nicht der einzige wissenschaftliche Zugang zur Exegese. Es geht mir einfach darum, dass wir uns unserer hermeneutischen Grundpositionen bewusst sind - und bei entscheidenden Fragen auch, warum wir so argumentieren, wie wir argumentieren, oder warum andere ganz anders argumentieren. Nur so lässt sich ein fruchtbarer Dialog betreiben. Und ich bin der Überzeugung, dass wir eine ökumenische Übersetzung auch in Bezug auf unsere wissenschaftliche Arbeit erstellen können, wenn wir Unterschiede anerkennen, methodisch sauber trennen und auf unterschiedliche Positionen eingehen. Auch wenn das unter deutschen Theologen (aller Lager) bisher eher selten ist, heißt das ja nicht, dass wir nicht auf mehr als einem Gebiet echte Innovationen vorantreiben können. Genau das reizt mich ja an der Offenen Bibel.
Wenn es nach dieser Antwort noch relevant ist: Inwiefern hast du das Gefühl, dass ich Wissenschaft und Ökumene gegeneinander ausspiele? --Ben 19:28, 21. Jan. 2012 (CET)
Es hat bei dir so geklungen, als wolltest du jeweils einen Graben graben zwischen (1) Biblische Geschichte als "theologische" (Heils-)Geschichte und (2) Biblische Geschichte als "profane" Geschichte und zwischen (1) Bibel als "wahre Geschichtsschreibung" und (2) Bibel als mythischer Text, hinter den es, wenn er verwendet wird als historische Quelle, zurückzugelangen gilt, um die "wahre Geschichte" zu erreichen; und dich jeweils Auf Grabenseite 1 stellen.
Schön wäre so etwas allemal. Aber sobald man so etwas vertritt, macht man sich für "wissenschaftliche" Historiker und Exegeten wissenschaftlich unmöglich. Und das darf ja nicht passieren, wenn man hier Wissenschaftlichkeitsanspruch hat. Aber wahrscheinlich hast du das so extrem gar nicht gemeint und ich habe dich schon wieder missverstanden.
Weiter: Wenn ich dich falsch verstanden habe, dann frage ich lieber auch hierzu gleich noch mal nach: Erklär doch mal: Was meinst du damit, wenn du sagst, die ökumenische Ausrichtung hier erfordere es "methodisch sauber zu trennen"? Meinst du damit einfach, dass man verschiedene Abschnitte kennzeichnen solle - in der Art "Hier wird religionsgeschichtlich argumentiert", "Dagegen Hier gehen wir kanonisch vor" usw., und dann darauf achten muss, die verschiedenen Herangehensweisen in den einzelnen Abschnitten nicht zu verquirlen? Falls du das meinst: Das wäre sinnvoll, aber vielleicht nicht möglich. Realiter sieht es ja so aus, dass immer wieder auch z.B. in kanonischen Bibelauslegungen zur Stützung religionsgeschichtliche "findings" angebracht werden und Ähnliches mehr. Aber falls das möglich wäre, dann wäre das sicher gut. Nur müssten wir uns dann vielleicht auf eine einheitliche Herangehensweisen-taxonomie einigen (Etymologisch, Religionsgeschichtlich, historisch-exegetisch, theologisch-exegetisch u. dgl. m.), oder? --Sebastian Walter 11:11, 22. Jan. 2012 (CET)
- Ich lagere das mal aus. Meine Antwort wird etwas weiter ausholen, und ich poste sie unter Diskussion:Geschichte_Israels/Interpretation, sobald ich fertig bin. Vielleicht kann dann auch ein noch größerer Teil der Diskussion dahin verschoben werden. --Ben 15:59, 22. Jan. 2012 (CET)
- Kurze Meldung: Ich arbeite daran. Ein paar Sachen muss ich noch gründlicher recherchieren. Ich hab aber schon gefühlt das Meiste geschrieben; könnte insgesamt aber noch etwas (ein paar Tage?) dauern. Ich hoffe, dass ich dann auf deine Fragen eingehen kann und dass das dann auch die Unklarheiten über meine Position ausräumt. :-) --Ben 09:45, 24. Jan. 2012 (CET)
- Ich bin schon sehr gespannt! --Olaf 19:19, 30. Jan. 2012 (CET)
Weil die Beispiele aus der Monographie von Cross u.U. nicht die besten sind (s.o.), gestalte ich jetzt diesen Abschnitt ein bisschen um. Gelöscht wird dieser Absatz, den ich deswegen hier aufbewahre:
Cross führt in seinem Buch „Canaanite Myth and Hebrew Epic“ einige Epitheta nach dem Muster b´l smd `s lgbr - „Ba´l Simd von Gabbar“ oder b´l hmn `s lbmh - „Ba´l von Amanus“ an.〈a〉 Es handelt sich hier um ein ungewöhnliches Phänomen: Der Gott Ba´l wird „aufgesplittet“ in mehrere individuelle Ausprägungen. Das Wort Ba´l wird dadurch von einem Eigennamen zu einem „Typus“, unter den dann göttliche Individuen wie eben Ba´l von Amanus, Ba´l von Gabbar und andere fallen. „Ba´l“ wird so zu einer Wortart irgendwo zwischen Eigenname und Klassennomen, für die sogar (allerdings gemünzt auf el) eine eigene Bezeichnung vorgeschlagen worden ist: „Title phrase“〈b〉.
Einverstanden mit den Änderungen? --Sebastian Walter 12:32, 22. Jan. 2012 (CET)
@Sebastian: Ich finde die neue Fassung sehr gelungen. Vielen Dank!
@Ben: Nein, ich hatte Dich nicht so verstanden, als würdest Du pauschal den Vorwurf der Lüge machst. Es war nur so, dass Deine Argumentation etwas missverständlich formuliert war. Dadurch konnte man sie auf eine Weise (miss-)verstehen, die einer gelegentlich vertretenen pauschalen Ablehnung von Wissenschaftlichkeit strukturell ähnlich gewesen wäre. Vor dieser Gefahr wollte ich warnen – und zwar gerade, weil ich mir Deiner großen Wertschätzung für wissenschaftliches Vorgehen sicher bin. Wenn ich Deinen Hinweis auf die Ökumene positiv rezipiere, dann komme ich zu Folgendem: Mit der Offenen Bibel legen wir uns nicht auf eine bestimmte christliche Strömung fest, sondern dokumentieren im Zweifelsfall die Vielfalt der Deutungen. Ähnlich können wir bei einem wissenschaftlichen Methodenstreit vorgehen: Wir dokumentieren die unterschiedlichen Thesen und versuchen die Relevanz dieser Unterschiede verständlich zu machen. Wir müssen dann immer noch versuchen, im Regelfall der wissenschaftluchen Mehrheitsmeinung zu folgen, aber wissenschaftlich gut begründbare Minderheitsmeinungen werden von uns nicht verschwiegen. Dies alles tun wir im Wissen darum, dass konfessionelle Unterschiede sich auch in unterschiedlicher Präferenz für verschiedene Methoden wiederspiegeln, aber wir achten klar auf die Unterscheidung der Argumenationsebenen. In diesem Sinne bin ich sehr dafür, die Denkvoraussetzungen verschiedener Methoden zu berücksichtigen. --Olaf 19:42, 22. Jan. 2012 (CET)
PS: Es ist dem heiligen Geist möglich, auch durch Halluzinationen zu wirken. Natürlich teilt längst nicht jeder Christ die Theologie Bultmanns, für die es sogar irrelevant ist, ob man Jesu Auferstehung als historisches Faktum betrachtet, aber je nach theologischer Ausrichtung gibt es sehr viel, was mit dem Glauben an den Auferstandenen kompatibel ist. --Olaf 19:42, 22. Jan. 2012 (CET)
- Diese Antwort hatte ich bisher übersehen. Danke, das klingt wohltuend! Ich war zwischendurch etwas frustriert, muss ich sagen. Ich sitze an meiner Antwort, die ich bald posten werde, es geht dabei um grundsätzliche methodische Fragen. Es fehlen nur noch ein paar Kleinigkeiten. --Ben 21:52, 30. Jan. 2012 (CET)
Verbesserungsvorschläge für den Aufbau[Bearbeiten]
Hi Sebastian, bei meiner letzten kleinen Korrekturlesung sind mir einige Stellen aufgefallen, wo man noch etwas genauer darstellen könnte. Du hast dich ja schon über den konstruktiven Teamwork-Prozess hier gefreut (ich finde das auch toll). Bitte sieh meine Ausführungen in eben einem konstruktiven Rahmen der Wertschätzung! Folgendes könnte man vielleicht an dieser noch optimieren - es eilt aber nicht und ist einfach mal just for the record:
- Unter „Vorbiblische Zeit“ fehlen mir ein paar klärende Worte, wie die außerbiblische Bezeugung insgesamt ausfällt; die Schilderung der Beispiele ist jedoch gut gelungen. Semantisch noch nicht klar ist, ob die Amarna-Briefe ein weiteres oder die Ausführung des im Satz vorher genannten Zeugnisses sind. Noch übersichtlicher dargestellt werden könnten die letzten beiden Absätze. Da könnte man z.B. noch die genauen Bibelstellen anbringen, wo Mose mit den Midianitern zu tun hat. Gleichzeitig wäre es für die Argumentation sehr wichtig, wenn die Schwächen der Keniterhypothese auch an Ort und Stelle gelistet würden. Für McCarthy fehlt zudem der Beleg. (Und heißt es auf Deutsch nicht "Keniter", nicht "Keniten"?)
- Im Abschnitt zum Polyjahwismus fehlt mir der Überblick über Entwicklung und tatsächlichen Einfluss der Strömung. Wer kam darauf, wer hat es aufgegriffen? Bei der Beschreibung einer konkreten Strömung wie hier wäre ein kurzer, exemplarischer Forschungsüberblick hilfreich. Insgesamt besteht der Abschnitt wohl fast zu 50% aus Zitaten. Es wäre für den Lesefluss wohltuender und würde auch von mehr eigenständiger Erarbeitung zeugen, wenn du das umformulierst und in eigene Worte fasst. Das ist nicht negativ gemeint, sondern etwas, das ich bei eigenen Arbeiten lange Zeit immer als Kritikpunkt gehört habe. Es scheint gebräuchlich zu sein, dass man bei der Darstellung einer Meinung nur dann wörtlich zitiert, wenn es auf die Formulierung ankommt, also auf Wortlaut oder Ausdrucksweise, oder wenn das Zitat die gewünschte Aussage prägnant erfasst. Ganz verloren gehe ich dann im letzten Absatz - plötzlich kommt Cunningham dazu und ich weiß nicht, warum oder wie das gemeint ist.
- Insgesamt fehlt mir immer ein wenig der Kontext zu den zitierten Meinungen - ein echter Überblick über die Forschung, den die zitierten Meinungen exemplarisch darstellen. Es hilft da vielleicht stellenweise schon, wenn man den Beleg direkt an den Namen hängt (wo das angemessen ist). Im Ganzen wäre es vielleicht noch hilfreich, wenn man einen größeren Kontext zwischen den Aussagen herstellt, etwa ob einer einen anderen aufgegriffen hat (ist ja schon stellenweise der Fall), oder in welchem Verhältnis die Herren zu einander stehen, oder grobe Zeitangaben oder, wo interessant, welche Art von Werk du behandelst (eine Diss hat einen anderen Stellenwert als ein laienorientierter Lexikonartikel).
- Wenn aber gar kein Forschungsüberblick intendiert ist, dann hilft es auch, entsprechend zu formulieren. Momentan ist immer im Fließtext direkt angegeben, wer was vertritt. Das wirkt so, als wären die Herren wichtige Vertreter der behandelten Meinungen und teilweise im Dialog miteinander (es wirkt eben wie ein Forschungsüberblick). Dazu ist der Text aber nicht vollständig genug, und ich glaube auch nicht, dass das deine Absicht war. Wo das nicht der Fall ist, sondern es um den reinen Beleg irgendeiner Meinung oder Tatsache geht, finde ich die Nennung von Namen irreführend. Meine Faustregel ist es, dass ich Namen nur nenne, wenn ich exemplarisch zitiere oder konkrete Ausformungen einer Meinung beschreibe, ansonsten nur bei wichtigen Vertretern einer Meinung. In allen anderen Fällen ist die Namensnennung irrelevant; es genügt als Beleg zu wissen, dass ich meine Aussage nicht erfunden, sondern zitiert habe.
Vielleicht hilft das ja, um die Seite noch besser zu gestalten. Weiterhin gutes Wirken! :-) --Ben 22:59, 30. Jan. 2012 (CET)
Ich verstehe alle Kritikpunkte und stimme ihnen allen zu. Das Problem ist eben nur, dass die Literatur zur Geschichte JHWHs bodenlos ist. Als Lexikonartikel sollte das natürlich irgendwann schon so etwas wie ein Forschungsüberblick werden, aber das braucht, weil dazu gelesen, gelesen, gelesen werden muss. Das heißt, selbstverständlich kann das hier nicht mehr als eine vorläufige Version sein, die mit der Zeit vollständiger werden muss. Von daher ist es ganz gut, wenn du sagst, dass es nicht eile - denn wenn ich allein weitermache mit der Geschichte JHWHs und nebenher eben auch noch studiere und parallel andere Abschnitte hier mit-bearbeite, dann kann das lang, lang dauern. --Sebastian Walter 09:08, 1. Feb. 2012 (CET)