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{{L|1}} '''Aufzählung der Nachkommen von Erdling''' | {{L|1}} '''Aufzählung der Nachkommen von Erdling''' | ||
<poem> | <poem> Am Tag, als Gott den Erdling schuf, | ||
machte er ihn Gott ähnlich, | machte er ihn Gott ähnlich, | ||
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und nannte ihren Namen „Erdling“, | und nannte ihren Namen „Erdling“ | ||
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{{L|21.23}} <u>Schlau</u>, der mit Gott umherging: * 622 – 987 (365 J.) | {{L|21.23}} <u>Schlau</u>, der mit Gott umherging: * 622 – 987 (365 J.) | ||
<poem>{{L|22.24}} Ging mit Gott umher.<ref>''ging umher'' wie Gott in [[Gen_2,25-3,24/Persönliche_Fassung_(Sebastian_Walter)#l8 |Gen 3,8]] im Garten „umherging“ und wie in Gen 6,9 auch gleich Ruh „mit Gott umhergehen“ wird. In Mi 6,8; Mal 2,6 ist dies „mit Gott umhergehen“ ein Ausdruck für eine besonders gottgefällige Lebensweise. So verstehen den Ausdruck hier auch die meisten alten Kommentatoren. So kurz nach Gen 3 muss der Ausdruck in unserem Kontext jedoch so wirken, als habe Gott hier zwei Spazier-Kumpanen gefunden.<br />Das folgende zunächst so unauffällige Sätzchen | <poem>{{L|22.24}} Ging mit Gott umher.<ref>''ging umher'' wie Gott in [[Gen_2,25-3,24/Persönliche_Fassung_(Sebastian_Walter)#l8 |Gen 3,8]] im Garten „umherging“ und wie in Gen 6,9 auch gleich Ruh „mit Gott umhergehen“ wird. In Mi 6,8; Mal 2,6 ist dies „mit Gott umhergehen“ ein Ausdruck für eine besonders gottgefällige Lebensweise. So verstehen den Ausdruck hier auch die meisten alten Kommentatoren. So kurz nach Gen 3 muss der Ausdruck in unserem Kontext jedoch so wirken, als habe Gott hier zwei Spazier-Kumpanen gefunden; im Falle von Schlau spezieller sogar einen Spazier-Kumpanen für seine Spaziergänge im Gottesgarten (vgl. den „genommenen“ König in der sumerischen Königsliste und Erdling, der in Gen 2,16 „genommen“ wird, um in den Gottesgarten gesetzt zu werden).<br />Das folgende zunächst so unauffällige Sätzchen entwickelte sich in der '''Auslegungsgeschichte''' zu einem Spitzensatz der Theologie christlicher und verwandter Glaubensrichtungen; für Luther (Genesis-Vorlesung, z.St.) „gehört er (daher) in Goldlettern geschrieben“; ähnlich hält ihn Daniélou 1957, S. 45 für den wichtigsten biblischen Satz überhaupt, wenn man nach dem Schicksal von Nicht-Christen frage. Dass bei Schlau anders als bei den anderen Personen in diesem Kapitel ''nicht'' von seinem Tod die Rede ist, sondern davon, dass Gott ihn „genommen“ habe, heißt nämlich fast sicher, dass Gott ihn ähnlich wie den oben erwähnten sumerischen König und wie auch später Elija in 2 Kön 2 ''zu sich'' nahm – dass Schlau also (in den Gottesgarten) „entrückt“ wurde, statt zu sterben. So oder ähnlich verstanden und verstehen den Satz auch fast alle Ausleger (ich kenne nur drei Ausnahmen; s. gleich) und so findet es sich bereits in der Bibel, s. Sir 49,14(; äthHen 70,1-4; Jub 4,17-25); Heb 11,5(; 1 Clem 9,3); ebenso z.B. im Targum Jonathan („''Er diente vor Gott in Wahrhaftigkeit und ... fuhr zum Himmel auf nach dem Wort Gottes, wurde dann ‚Metatron‘ genannt und war der große Schreiber''“). Ähnliches wird im Frühjudentum außer von Schlau und Elija nur noch von Mose (JosAnt §326; Sifre Dtn §357; b.Sot 13b); Esra (4 Esra 14,9) und Baruch (Bar 13,3; 76,12) berichtet; im frühen Christentum außerdem von Philippus (Apg 8,39); Jesus setzt Ähnliches für Abraham voraus (Lk 16,23ff.; vgl. 4 Makk 13,17).<br />Das hatte erstens zur Folge, dass sich im frühen Judentum eine Richtung ausbildete, die die Bedeutsamkeit von Schlau extrem hoch ansetzte. Der oben zitierte Targum Jonathan ist dafür ein Beispiel, im äthiopischen Henochbuch erscheint Schlau gar als der zweite in der himmlischen Rangordnung direkt nach Gott. Viele weitere Beispiele hat z.B. Zwiep 1997, S. 45-58 zusammengetragen. Im rabbinischen Judentum wurde daher gegen diese Richtung häufiger entschieden betont, dass der Satz eben ''doch'' besage, dass Schlau gestorben sei; der Targum Onkelos etwa paraphrasiert: „''Schlau ging den Herrn verehrend einher, dann war er nicht mehr, denn der Herr hatte ihn sterben lassen.''“. Zweitens widersprechen die Fälle von Schlau und Elija (und Abraham und Mose und Esra und Baruch) dem Vers Joh 3,13; auch einige evangelikale Christen verstehen den Vers daher so, dass Schlau doch gestorben sein müsse (Beispiele für verschiedene Erklärungsansätze in diese Richtung finden sich z.B. [https://hermeneutics.stackexchange.com/questions/11451/how-can-john-313-14-be-reconciled-with-what-happened-to-enoch-elijah-and-jesus hier]). Und schließlich gehen einige christliche und verwandte Glaubensrichtungen davon aus, dass Jesus den Menschen durch seinen Kreuzestod erst mehr oder weniger magisch „vom Tod freikaufen“ musste, bevor dieser zum ewigen Leben befreit war, woraus dann zum einen abgeleitet wird, dass die Urgeschichte historisch genommen werden müsse (da es ja sonst „Jesu nicht bedurft habe“ – so z.B. die römisch-katholische Kirche, s. [https://www.vatican.va/archive/DEU0035/__P1J.HTM KKK 389-390]), zum anderen, dass dann aber in dieser Urgeschichte unser Vers nicht von einer Entrückung von Schlau schon vor Christus sprechen dürfe. Die [https://www.jw.org/de/bibliothek/zeitschriften/wachtturm-nr1-2017-januar/henoch-blieb-gott-treu/ Zeugen Jehovas] etwa nehmen daher „Gott nahm ihn“ i.S.v. „Gott nahm ihn sanft hinweg“, d.h. „ließ ihn einschlafen und dann im Schlaf sterben“; Pohle / Preuss 2006, S. 8f. verweisen sinnvoller auf Offb 11,3 und nehmen danach an, der Tod von Schlau und Elija sei nur aufgeschoben.<br />Liest man unseren Vers in seinem Kontext, ist es fast ausgeschlossen, dass der Satz damit richtig verstanden ist. Nimmt man die biblischen Texte beim Wort, sterben Schlau und Elija wirklich nicht – was zumindest ein „hartes“ „keine Rettung außer durch Christus“ ''unbiblisch'' macht.</ref> | ||
Dann war er nicht mehr, | Dann war er nicht mehr, | ||
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{{L|28-31}} <u>Kraftprotz</u>: * 874 • † 1651 (777 J.) | {{L|28-31}} <u>Kraftprotz</u>: * 874 • † 1651 (777 J.) | ||
<poem>Nannte seinen Sohn „Ruh“,<ref>''Ruh'' - Hebräisch ''Nōḥ''. Der Name bedeutet eigentlich „Ruhe, Ruheort“ und klingt damit gut zusammen mit ''Šet'' („Sitz“, „[Gott hat] gesetzt“) im Gegensatz zum wankenden und wandernden ''Qajn'' mit seinen beiden Nachkommen ''Jabal'' („er fließt / bringt“) und ''Jubal'' („er wird geschwemmt / gebracht“). Hier wird er aber so erklärt, als sei er abgeleitet vom Verb ''naḥam'' („trösten“), wie kurz zuvor ähnlich Qajn „falsch“ mit einer Volksetymologie von ''qanah'' („kaufen“) abgeleitet wurde. „Ruh“ ist mein Versuch, beides in ''Nōḥs'' Namen durchklingen zu lassen.</ref> da er sagte: | <poem>Nannte seinen Sohn „Ruh“,<ref>''Ruh'' - Hebräisch ''Nōḥ''. Der Name bedeutet eigentlich „Ruhe, Ruheort“ und klingt damit gut zusammen mit ''Šet'' („Sitz“, „[Gott hat] gesetzt“) im Gegensatz zum wankenden und wandernden ''Qajn'' mit seinen beiden Nachkommen ''Jabal'' („er fließt / bringt“) und ''Jubal'' („er wird geschwemmt / gebracht“). Hier wird er aber so erklärt, als sei er abgeleitet vom Verb ''naḥam'' („trösten“), wie kurz zuvor ähnlich Qajn „falsch“ mit einer Volksetymologie von ''qanah'' („kaufen“) abgeleitet wurde. „Ruh“ ist mein Versuch, beides in ''Nōḥs'' Namen durchklingen zu lassen. Der Name ist symbolisch aufgeladen: „Ruhe“ ist in Sir 30,17 als „ewige Ruhe“ ein Ausdruck für den Tod, und in die Ruh-Erzählungen sind einige Züge des ägyptischen Re-Mythos eingeflossen, der in seiner „Arche“ täglich über die Wasser des Himmels und der Unterwelt fährt und so Tod und Wiederauferstehung symbolisiert. Was Kraftprotz schon hier prophezeit, sind Tod und Wiederauferstehung der Welt, die Grundlage eines neuen Bundes mit Gott werden wird. Aber klar werden wird das frühestens ab Gen 6,9-22.</ref> da er sagte: | ||
„Dieser wird uns trösten von unserem Machen | „Dieser wird uns trösten von unserem Machen | ||
und von der Pein unserer Hände,<ref>Wortspiel: Die Worte ''Trösten'', ''Machen'' und ''Pein'' folgen gleich in [[Gen_6,1-8/Persönliche_Fassung_(Sebastian_Walter)#l6 |Gen 6,6]] direkt aufeinander: „Gott war untröstlich, dass er den Menschen gemacht hatte auf der Erde, und es peinigte ihn bis in sein Herz hinein“ (gut Cassuto 1961) | und von der Pein unserer Hände,<ref>Wortspiel: Die Worte ''Trösten'', ''Machen'' und ''Pein'' folgen gleich in [[Gen_6,1-8/Persönliche_Fassung_(Sebastian_Walter)#l6 |Gen 6,6]] direkt aufeinander: „Gott war untröstlich, dass er den Menschen gemacht hatte auf der Erde, und es peinigte ihn bis in sein Herz hinein“ (gut Cassuto 1961) – Gott ist also kein Despot, der unverhältnismäßig große Strafen verhängt: Er gibt den Menschen nur zurück, was sie ihrerseits ihm antun.</ref> | ||
vom Erdboden, den JHWH verdammt hat.“</poem> | vom Erdboden, den JHWH verdammt hat.“</poem> | ||
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<u>Name</u>, <u>Hitze</u> und <u>Öffnung</u>: * ab 1556. | <u>Name</u>, <u>Hitze</u> und <u>Öffnung</u>: * ab 1556.<ref>''ab 1556'' - die Zeitangabe in V. 32 wurde in der '''Auslegungsgeschichte''' der Bibel Aufhänger einer merkwürdigen Auseinandersetzung: Anders als die anderen Patriarchen, die ihre Nachkommen ab ihrem ersten oder zweiten Lebens-Jahrhundert zu zeugen begannen, hat Ruh sich bis zu seinem 500. Geburtstag Zeit gelassen. Im Christentum, wo sich in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten das Mönchtum entwickelt hatte und daher Askese und sexuelle Enthaltsamkeit sehr hoch gehalten wurden, wurde Ruh daher zum Kronzeugen des Werts eines asketischen und zölibatären Lebensstils. Ein krasses Beispiel: „''Weil Noah die Wogen der Begierde überwunden hatte, / die in seiner Generation die Setiten ertränkt hatten / und weil sein Fleisch den Kainstöchtern widerstanden hatte [s. nächster Abschnitt], überkam sein Gefäß den Gipfel der Wogen. ... / Weil Frauen ihn nicht verunreinigt hatten, / machte er selbst die Tiere keusch...''“ (Ephräm der Syrer, Nisbenische Hymne I 4, nach Lieber 2009, S. 338).<br />Im antiken Judentum geschah daraufhin ähnliches wie bei der Auslegung von Schlau (s.o.): Gegen die über-positive Auffassung der Gestalt von Ruh im frühen Christentum wurde Ruh v.a. in den im Midrasch gesammelten Interpretationen immer negativer dargestellt – bis dahin, dass er als „gerecht“ höchstens im Vergleich zu zu seinen überschlechten Zeitgenossen gelten konnte, dass er schuldhaft in der Flut alle außer seiner Familie umkommen lassen hatte (so selbst noch Sarna 2001), dass er wegen der Erfindung des Weinbaus letztlich für das Exil Israels verantwortlich war und dass er übrigens nur deshalb so spät Nachkommen zeugte, weil er Eunuch und daher zum Priesteramt untauglich war, weshalb er eben „bloßer Bauer“ wurde. Vgl. zu diesem seltsamen Kapitel der Auslegungsgeschichte z.B. Koltun-Fromm 1997. Die christliche Auslegung ist insbesonders deshalb theologie-geschichtlich bedeutsam, weil hiernach wieder und wieder der Zölibat u.a. mit dieser Passage begründet werden sollte. Mit dem Ruh der Bibel haben beide Auslegungsrichtungen jedoch denkbar wenig zu tun.</ref> | ||
<center>[[Gen_4,17-26/Pers%C3%B6nliche_Fassung_(Sebastian_Walter) |Gen 4,17-26 <=]] | [[Gen_6,1-8/Persönliche_Fassung_(Sebastian_Walter) |=> Gen 6,1-8]]</center> | |||
''Auf die Genealogie in [[Gen_4,17-26/Pers%C3%B6nliche_Fassung_(Sebastian_Walter) |Gen 4,17-26]] folgt eine weitere '''Genealogie''', die nach den Nachfahren des Erdlings aus der Linie von Kauf seine Nachfahren aus der Linie von Sitz aufzählt. Sie reicht bis Ruh und seinen Söhnen, den Helden der gleich folgenden Flutgeschichte, und hat damit eine sehr nahe Parallele in der „sumerischen Königsliste“: Auch in dieser werden mehrere Personen vor der mythischen Flut aufgezählt, die wie die biblischen Figuren übermenschlich lange gelebt haben sollen und von denen sogar ebenfalls einer „genommen“ und so (ins mesopotamische Paradies) entrückt worden sein soll.<br />Doch die Aussageabsicht von Gen 5 ist eine sehr andere als die dieser Königsliste: Wie der vorangehende Abschnitt ist auch Gen 5 weniger als historisch akkurate Chronik zu verstehen (ohnehin variieren die Jahreszahlen in den unterschiedlichen Textzeugen sehr stark) denn als narrative Theologie. Das wird umso klarer, wenn man einmal beide Listen vergleicht. Oben sind die Namen, deren Bedeutungen (vielleicht) bedeutsam sind, übersetzt; hier zum besseren Vergleich in ihrer hebräischen Lautung: | |||
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! <center>''Linie von Kauf''</center> !! !! <center>''Linie von Sitz''</center> | |||
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| colspan="3" | <center>''Adam („Erdling“)''</center> | |||
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| <center>''Qajn („Kauf“)''</center> || || <center>''Šet („Sitz“)<br />Enoš („Menschlein“)<br />Qajnan („Erwerb“)''</center> | |||
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| <center>''Hanok („Schlau“)''</center> || ||<center>''Mahalalel („Lobpreis Gottes“)''</center> | |||
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| <center>''Irad („Städter“, eigentlich: „Wildesel“)''</center> || <span style="color:white">xxx</span>×<span style="color:white">xxx</span> ||<center>''Jard'' („Rose“)</center> | |||
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| <center>''Mahujael (?)''</center> || ||<center>''Hanok („Schlau“)''</center> | |||
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| <center>''Matušael (?)''</center> || ||<center>''Matušelaḥ (?)''</center> | |||
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| <center>''Lamek („Kraftprotz“)''</center> || ||<center>''Lamek („Kraftprotz“)''</center> | |||
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| <center>''Jabal, Jubal, Tubal-Qajn, Na´ma („Lieblich“)''</center> || ||<center>''Nōḥ („Ruh“)''</center> | |||
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| || ||<center>''Šem („Name“), Ham („Hitze“), Japet („Öffnung“)'' | |||
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''Sechs Beobachtungen hierzu:<br />(1) Dass mit Enoš die Schöpfungsuhr zurückgedreht wurde, ließ sich schon im vorigen Abschnitt beobachten: Šet ist der Ersatz für Wertlos; der Name von Enoš ist ebenso wie der von Adam ein übliches Wort zur Bezeichnung von Menschen, wonach also Enoš der „neuer Adam“ ist. Nach diesem entsprechen sich beide Listen sehr deutlich: Qajn steht gegen Qajnan, Hanok gegen Hanok, Irad gegen Jard, Mahujael gegen Mahalalel, Matušael gegen Matušelaḥ, Lamek gegen Lamek.<br />(2) Nachdem eingangs daran erinnert wird, dass ja Adam „Gott ähnliches Abbild“ war, wird Entsprechendes über Adam und seinen Sohn Šet gesagt. Die Gottesebenbildlichkeit des Menschen wird in der Linie der Šetiten weitervererbt, nicht in der der Qajniten.<br />(3) An zehnter Stelle nach Adam steht in der Linie von Qajn sein Nachkomme Tubal-Qajn als „neuer Qajn“, in der Line von Šet („Sitz“) sein Nachkomme Nōḥ (u.a. „Ruheort“) als „neuer Šet“.<br />(4) Lamek steht in der Qajnitenliste an siebter Stelle nach Adam, in der Šetitenliste an siebter Stelle nach Enoš, dem „neuen Adam“. Der erste Lamek singt im vorigen Abschnitt von sich und seinem verwerflichen „Heldentum“, der zweite von seinem Sohn, der alle „trösten“ wird. Das spielt bereits an auf Gen 8,21, wo Gott seinen ersten Urteilsspruch über Adam aus Gen 3 zurücknehmen wird.<br />(5) An siebter Stelle nach Adam steht in der Šetitenliste stattdessen Hanok; vermutlich, um den überschlechten Lamek auf der einen Seite mit dem überguten Hanok auf der anderen Seite zu kontrastieren (beide Namen sind auch die einzigen, die identisch in beiden Listen stehen). Dieser übergute Hanok ist dann gar der erste, dem der Tod erspart wird; bereits mit ihm ist demnach auch Gottes zweiter Urteilsspruch immerhin teilweise zurückgenommen. Während es nach Qajn also „immer schlimmer“ wird, geht es nach Šet nach und nach wieder aufwärts mit der Menschheit. Hiernach kommt [[Gen_6,1-4/Pers%C3%B6nliche_Fassung_(Sebastian_Walter) |Gen 6,4-8]] dann umso plötzlicher und schockierender.<br />(6) Nur in der letzten Generation wird ausgeführt, wie beide Linien sich verzweigen; die Qajnitin Na´ma ist auch die einzige Frau, die namentlich genannt wird. Das stimmt gut zusammen mit dem Abschnitt [[Gen_6,1-4/Pers%C3%B6nliche_Fassung_(Sebastian_Walter) |Gen 6,1-3]], der damit eröffnet, dass die Menschheit sich vermehrt und auch Frauen geboren werden.'' | |||
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[[Kategorie:Genesis 5]] |
Aktuelle Version vom 1. Juli 2023, 09:05 Uhr
Persönliche Fassung
1 Aufzählung der Nachkommen von Erdling
Am Tag, als Gott den Erdling schuf,
machte er ihn Gott ähnlich,
2 schuf sie männlich und weiblich,
segnete sie
und nannte ihren Namen „Erdling“
am Tag, als er sie schuf.
3-5 Erdling: * 0 • † 930 (930 J.)
- ↓ (nebst weiteren Söhnen und Töchtern) als ihm ähnliches Abbild:
6-8 Sitz: * 130 • † 1042 (912 J.)
- ↓ (nebst weiteren Söhnen und Töchtern)
9-11 Menschlein: * 235 • † 1140 (905 J.)
- ↓ (nebst weiteren Söhnen und Töchtern)
12-14 Erwerb: * 325 • † 1235 (910 J.)
- ↓ (nebst weiteren Söhnen und Töchtern)
15-17 Mahalalel: * 395 • † 1290 (895 J.)
- ↓ (nebst weiteren Söhnen und Töchtern)
18-20 Rose: * 460 • † 1422 (962 J.)
- ↓ (nebst weiteren Söhnen und Töchtern)
21.23 Schlau, der mit Gott umherging: * 622 – 987 (365 J.)
22.24 Ging mit Gott umher.〈a〉
Dann war er nicht mehr,
denn Gott nahm ihn.
- ↓ (nebst weiteren Söhnen und Töchtern)
25-27 Matuschelach: * 687 • † 1656 (969 J.)
- ↓ (nebst weiteren Söhnen und Töchtern)
28-31 Kraftprotz: * 874 • † 1651 (777 J.)
Nannte seinen Sohn „Ruh“,〈b〉 da er sagte:
„Dieser wird uns trösten von unserem Machen
und von der Pein unserer Hände,〈c〉
vom Erdboden, den JHWH verdammt hat.“
- ↓ (nebst weiteren Söhnen und Töchtern)
32 Ruh: * 1056
- ↓
Name, Hitze und Öffnung: * ab 1556.〈d〉
Auf die Genealogie in Gen 4,17-26 folgt eine weitere Genealogie, die nach den Nachfahren des Erdlings aus der Linie von Kauf seine Nachfahren aus der Linie von Sitz aufzählt. Sie reicht bis Ruh und seinen Söhnen, den Helden der gleich folgenden Flutgeschichte, und hat damit eine sehr nahe Parallele in der „sumerischen Königsliste“: Auch in dieser werden mehrere Personen vor der mythischen Flut aufgezählt, die wie die biblischen Figuren übermenschlich lange gelebt haben sollen und von denen sogar ebenfalls einer „genommen“ und so (ins mesopotamische Paradies) entrückt worden sein soll.
Doch die Aussageabsicht von Gen 5 ist eine sehr andere als die dieser Königsliste: Wie der vorangehende Abschnitt ist auch Gen 5 weniger als historisch akkurate Chronik zu verstehen (ohnehin variieren die Jahreszahlen in den unterschiedlichen Textzeugen sehr stark) denn als narrative Theologie. Das wird umso klarer, wenn man einmal beide Listen vergleicht. Oben sind die Namen, deren Bedeutungen (vielleicht) bedeutsam sind, übersetzt; hier zum besseren Vergleich in ihrer hebräischen Lautung:
Enoš („Menschlein“) Qajnan („Erwerb“) | ||
xxx×xxx | ||
Sechs Beobachtungen hierzu:
(1) Dass mit Enoš die Schöpfungsuhr zurückgedreht wurde, ließ sich schon im vorigen Abschnitt beobachten: Šet ist der Ersatz für Wertlos; der Name von Enoš ist ebenso wie der von Adam ein übliches Wort zur Bezeichnung von Menschen, wonach also Enoš der „neuer Adam“ ist. Nach diesem entsprechen sich beide Listen sehr deutlich: Qajn steht gegen Qajnan, Hanok gegen Hanok, Irad gegen Jard, Mahujael gegen Mahalalel, Matušael gegen Matušelaḥ, Lamek gegen Lamek.
(2) Nachdem eingangs daran erinnert wird, dass ja Adam „Gott ähnliches Abbild“ war, wird Entsprechendes über Adam und seinen Sohn Šet gesagt. Die Gottesebenbildlichkeit des Menschen wird in der Linie der Šetiten weitervererbt, nicht in der der Qajniten.
(3) An zehnter Stelle nach Adam steht in der Linie von Qajn sein Nachkomme Tubal-Qajn als „neuer Qajn“, in der Line von Šet („Sitz“) sein Nachkomme Nōḥ (u.a. „Ruheort“) als „neuer Šet“.
(4) Lamek steht in der Qajnitenliste an siebter Stelle nach Adam, in der Šetitenliste an siebter Stelle nach Enoš, dem „neuen Adam“. Der erste Lamek singt im vorigen Abschnitt von sich und seinem verwerflichen „Heldentum“, der zweite von seinem Sohn, der alle „trösten“ wird. Das spielt bereits an auf Gen 8,21, wo Gott seinen ersten Urteilsspruch über Adam aus Gen 3 zurücknehmen wird.
(5) An siebter Stelle nach Adam steht in der Šetitenliste stattdessen Hanok; vermutlich, um den überschlechten Lamek auf der einen Seite mit dem überguten Hanok auf der anderen Seite zu kontrastieren (beide Namen sind auch die einzigen, die identisch in beiden Listen stehen). Dieser übergute Hanok ist dann gar der erste, dem der Tod erspart wird; bereits mit ihm ist demnach auch Gottes zweiter Urteilsspruch immerhin teilweise zurückgenommen. Während es nach Qajn also „immer schlimmer“ wird, geht es nach Šet nach und nach wieder aufwärts mit der Menschheit. Hiernach kommt Gen 6,4-8 dann umso plötzlicher und schockierender.
(6) Nur in der letzten Generation wird ausgeführt, wie beide Linien sich verzweigen; die Qajnitin Na´ma ist auch die einzige Frau, die namentlich genannt wird. Das stimmt gut zusammen mit dem Abschnitt Gen 6,1-3, der damit eröffnet, dass die Menschheit sich vermehrt und auch Frauen geboren werden.
a | ging umher wie Gott in Gen 3,8 im Garten „umherging“ und wie in Gen 6,9 auch gleich Ruh „mit Gott umhergehen“ wird. In Mi 6,8; Mal 2,6 ist dies „mit Gott umhergehen“ ein Ausdruck für eine besonders gottgefällige Lebensweise. So verstehen den Ausdruck hier auch die meisten alten Kommentatoren. So kurz nach Gen 3 muss der Ausdruck in unserem Kontext jedoch so wirken, als habe Gott hier zwei Spazier-Kumpanen gefunden; im Falle von Schlau spezieller sogar einen Spazier-Kumpanen für seine Spaziergänge im Gottesgarten (vgl. den „genommenen“ König in der sumerischen Königsliste und Erdling, der in Gen 2,16 „genommen“ wird, um in den Gottesgarten gesetzt zu werden). Das folgende zunächst so unauffällige Sätzchen entwickelte sich in der Auslegungsgeschichte zu einem Spitzensatz der Theologie christlicher und verwandter Glaubensrichtungen; für Luther (Genesis-Vorlesung, z.St.) „gehört er (daher) in Goldlettern geschrieben“; ähnlich hält ihn Daniélou 1957, S. 45 für den wichtigsten biblischen Satz überhaupt, wenn man nach dem Schicksal von Nicht-Christen frage. Dass bei Schlau anders als bei den anderen Personen in diesem Kapitel nicht von seinem Tod die Rede ist, sondern davon, dass Gott ihn „genommen“ habe, heißt nämlich fast sicher, dass Gott ihn ähnlich wie den oben erwähnten sumerischen König und wie auch später Elija in 2 Kön 2 zu sich nahm – dass Schlau also (in den Gottesgarten) „entrückt“ wurde, statt zu sterben. So oder ähnlich verstanden und verstehen den Satz auch fast alle Ausleger (ich kenne nur drei Ausnahmen; s. gleich) und so findet es sich bereits in der Bibel, s. Sir 49,14(; äthHen 70,1-4; Jub 4,17-25); Heb 11,5(; 1 Clem 9,3); ebenso z.B. im Targum Jonathan („Er diente vor Gott in Wahrhaftigkeit und ... fuhr zum Himmel auf nach dem Wort Gottes, wurde dann ‚Metatron‘ genannt und war der große Schreiber“). Ähnliches wird im Frühjudentum außer von Schlau und Elija nur noch von Mose (JosAnt §326; Sifre Dtn §357; b.Sot 13b); Esra (4 Esra 14,9) und Baruch (Bar 13,3; 76,12) berichtet; im frühen Christentum außerdem von Philippus (Apg 8,39); Jesus setzt Ähnliches für Abraham voraus (Lk 16,23ff.; vgl. 4 Makk 13,17). Das hatte erstens zur Folge, dass sich im frühen Judentum eine Richtung ausbildete, die die Bedeutsamkeit von Schlau extrem hoch ansetzte. Der oben zitierte Targum Jonathan ist dafür ein Beispiel, im äthiopischen Henochbuch erscheint Schlau gar als der zweite in der himmlischen Rangordnung direkt nach Gott. Viele weitere Beispiele hat z.B. Zwiep 1997, S. 45-58 zusammengetragen. Im rabbinischen Judentum wurde daher gegen diese Richtung häufiger entschieden betont, dass der Satz eben doch besage, dass Schlau gestorben sei; der Targum Onkelos etwa paraphrasiert: „Schlau ging den Herrn verehrend einher, dann war er nicht mehr, denn der Herr hatte ihn sterben lassen.“. Zweitens widersprechen die Fälle von Schlau und Elija (und Abraham und Mose und Esra und Baruch) dem Vers Joh 3,13; auch einige evangelikale Christen verstehen den Vers daher so, dass Schlau doch gestorben sein müsse (Beispiele für verschiedene Erklärungsansätze in diese Richtung finden sich z.B. hier). Und schließlich gehen einige christliche und verwandte Glaubensrichtungen davon aus, dass Jesus den Menschen durch seinen Kreuzestod erst mehr oder weniger magisch „vom Tod freikaufen“ musste, bevor dieser zum ewigen Leben befreit war, woraus dann zum einen abgeleitet wird, dass die Urgeschichte historisch genommen werden müsse (da es ja sonst „Jesu nicht bedurft habe“ – so z.B. die römisch-katholische Kirche, s. KKK 389-390), zum anderen, dass dann aber in dieser Urgeschichte unser Vers nicht von einer Entrückung von Schlau schon vor Christus sprechen dürfe. Die Zeugen Jehovas etwa nehmen daher „Gott nahm ihn“ i.S.v. „Gott nahm ihn sanft hinweg“, d.h. „ließ ihn einschlafen und dann im Schlaf sterben“; Pohle / Preuss 2006, S. 8f. verweisen sinnvoller auf Offb 11,3 und nehmen danach an, der Tod von Schlau und Elija sei nur aufgeschoben. Liest man unseren Vers in seinem Kontext, ist es fast ausgeschlossen, dass der Satz damit richtig verstanden ist. Nimmt man die biblischen Texte beim Wort, sterben Schlau und Elija wirklich nicht – was zumindest ein „hartes“ „keine Rettung außer durch Christus“ unbiblisch macht. (Zurück zu Lesefassung v.22.24) |
b | Ruh - Hebräisch Nōḥ. Der Name bedeutet eigentlich „Ruhe, Ruheort“ und klingt damit gut zusammen mit Šet („Sitz“, „[Gott hat] gesetzt“) im Gegensatz zum wankenden und wandernden Qajn mit seinen beiden Nachkommen Jabal („er fließt / bringt“) und Jubal („er wird geschwemmt / gebracht“). Hier wird er aber so erklärt, als sei er abgeleitet vom Verb naḥam („trösten“), wie kurz zuvor ähnlich Qajn „falsch“ mit einer Volksetymologie von qanah („kaufen“) abgeleitet wurde. „Ruh“ ist mein Versuch, beides in Nōḥs Namen durchklingen zu lassen. Der Name ist symbolisch aufgeladen: „Ruhe“ ist in Sir 30,17 als „ewige Ruhe“ ein Ausdruck für den Tod, und in die Ruh-Erzählungen sind einige Züge des ägyptischen Re-Mythos eingeflossen, der in seiner „Arche“ täglich über die Wasser des Himmels und der Unterwelt fährt und so Tod und Wiederauferstehung symbolisiert. Was Kraftprotz schon hier prophezeit, sind Tod und Wiederauferstehung der Welt, die Grundlage eines neuen Bundes mit Gott werden wird. Aber klar werden wird das frühestens ab Gen 6,9-22. (Zurück zu Lesefassung v.28-31) |
c | Wortspiel: Die Worte Trösten, Machen und Pein folgen gleich in Gen 6,6 direkt aufeinander: „Gott war untröstlich, dass er den Menschen gemacht hatte auf der Erde, und es peinigte ihn bis in sein Herz hinein“ (gut Cassuto 1961) – Gott ist also kein Despot, der unverhältnismäßig große Strafen verhängt: Er gibt den Menschen nur zurück, was sie ihrerseits ihm antun. (Zurück zu Lesefassung v.28-31) |
d | ab 1556 - die Zeitangabe in V. 32 wurde in der Auslegungsgeschichte der Bibel Aufhänger einer merkwürdigen Auseinandersetzung: Anders als die anderen Patriarchen, die ihre Nachkommen ab ihrem ersten oder zweiten Lebens-Jahrhundert zu zeugen begannen, hat Ruh sich bis zu seinem 500. Geburtstag Zeit gelassen. Im Christentum, wo sich in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten das Mönchtum entwickelt hatte und daher Askese und sexuelle Enthaltsamkeit sehr hoch gehalten wurden, wurde Ruh daher zum Kronzeugen des Werts eines asketischen und zölibatären Lebensstils. Ein krasses Beispiel: „Weil Noah die Wogen der Begierde überwunden hatte, / die in seiner Generation die Setiten ertränkt hatten / und weil sein Fleisch den Kainstöchtern widerstanden hatte [s. nächster Abschnitt], überkam sein Gefäß den Gipfel der Wogen. ... / Weil Frauen ihn nicht verunreinigt hatten, / machte er selbst die Tiere keusch...“ (Ephräm der Syrer, Nisbenische Hymne I 4, nach Lieber 2009, S. 338). Im antiken Judentum geschah daraufhin ähnliches wie bei der Auslegung von Schlau (s.o.): Gegen die über-positive Auffassung der Gestalt von Ruh im frühen Christentum wurde Ruh v.a. in den im Midrasch gesammelten Interpretationen immer negativer dargestellt – bis dahin, dass er als „gerecht“ höchstens im Vergleich zu zu seinen überschlechten Zeitgenossen gelten konnte, dass er schuldhaft in der Flut alle außer seiner Familie umkommen lassen hatte (so selbst noch Sarna 2001), dass er wegen der Erfindung des Weinbaus letztlich für das Exil Israels verantwortlich war und dass er übrigens nur deshalb so spät Nachkommen zeugte, weil er Eunuch und daher zum Priesteramt untauglich war, weshalb er eben „bloßer Bauer“ wurde. Vgl. zu diesem seltsamen Kapitel der Auslegungsgeschichte z.B. Koltun-Fromm 1997. Die christliche Auslegung ist insbesonders deshalb theologie-geschichtlich bedeutsam, weil hiernach wieder und wieder der Zölibat u.a. mit dieser Passage begründet werden sollte. Mit dem Ruh der Bibel haben beide Auslegungsrichtungen jedoch denkbar wenig zu tun. (Zurück zu Lesefassung v.32) |