Richter 15

Aus Die Offene Bibel

Wechseln zu: Navigation, Suche

Syntax ungeprüft

SF ungeprüft.png
Status: Studienfassung zu prüfen – Eine erste Übersetzung aus dem Urtext ist komplett, aber noch nicht mit den Übersetzungskriterien abgeglichen und nach den Standards der Qualitätssicherung abgesichert worden und sollte weiter verbessert und geprüft werden. Auf der Diskussionsseite ist Platz für Verbesserungsvorschläge, konstruktive Anmerkungen und zum Dokumentieren der Arbeit am Urtext.
Folgt-später.png
Status: Lesefassung folgt später – Bevor eine Lesefassung erstellt werden kann, muss noch an der Studienfassung gearbeitet werden. Siehe Übersetzungskriterien und Qualitätssicherung Wir bitten um Geduld.

Lesefassung (Richter 15)

(kommt später)

Studienfassung (Richter 15)

1 Nach [einigen] Tagen, in den Tagen der Weizenerntea {geschah's: Es} besuchte Simson seine Frau mit einem Ziegen-Böcklein. Er sagte: „Ich will (Lass mich) kommen zu meiner Frau in die (bei meiner Frau in der) Kammer!“b Aber ihr Vater (gab's=) erlaubte ihm nicht, zu kommen. 2 Ihr Vater sagte (dachte): „(Denkend habe ich gedacht=) Ich war gewiss: (Hassend hasst du sie=) Du hasst sie gewiss (Du hast dich gewiss von ihr scheiden lassen)!c Da gab ich sie deinem (Genossen=) Trauzeugend [zur Frau]. Ist nicht ihre jüngere Schwester besser (schöner?)e als sie? Es sei doch sie statt jener dein[e Frau]!“f 3 Da sagte Simson zu ihm:g „Nun (dieses Mal)h (bin ich unschuldig vor den Philistern=) können mir die Philister nichts vorwerfen,i wenn ich euchg Schlimmesj antue!“ 4 Und Simson zog los und fingk 300 Füchse (Schakale).l Dann nahm er Fackeln, wandte Schwanz zu Schwanz, setzte eine Fackel zwischen [je] zwei Schwänze in die Mitte, 5 entzündete Feuer an den Fackeln, sandte [sie] in die Feldfrüchtem der Philister und verbrannte vom Garbenhaufen bis zur Feldfruchtm und bis zum Weingarten vom Olivenbaum (?).n


6 Da fragten (sagten) die Philister: „Wer hat das getan?“o
(Sie sagten=) Man antwortete: „Simson, der Schwiegersohn des Timnäers, weil [dieser] seine Frau genommen und seinem (Genossen=) Trauzeugen gegeben hat.“
Da zogen die Philister hinauf und verbrannten sie und ihren Vater mit {dem} Feuer.


7 Da sagte Samson zu ihnen: „Wenn ihr solches tun dürftet...! Erst, wenn ich mich an euch gerächt haben werde,p {und} werde ich danach aufhören!“q 8 Also schlug er sie, (an) Schienbein über (auf, samt) Hüfte,r [mit] (großem=) hartem Schlag. Dann zog er hinab und blieb (wohnte) in der (einer) Fels-Spalte von Etam.s


9 Da zogen die Philister hinauf, schlugen in Juda ein Lager auf und verteiltent sich in Lehi (=Kinnbacke).u 10 Da (sagten=) fragten die Männer von Juda: „Warum seid ihr gegen uns hinaufgezogen?“
Sie (sagten=) antworteten: „Um Simson zu binden, sind wir hinaufgezogen; um ihm zu tun, wie er uns getan hat!“ 11 Da zogen 3000 Mann aus Juda in die Fels-Spalte von Etam hinab. Sie sagten zu Simson: „Weißt du [denn] nicht, dass die Philister über uns herrschen? Was hast du uns [da an]getan!?“
Er (sagte=) antwortete ihnen: „Wie sie getan haben, so habe ich ihnen getan.“ 12 Sie sagten ihm: „Um dich zu binden, sind wir hinabgestiegen, um dich in die Handv der Philister zu übergeben.“
Simson (sagte=) antwortete ihnen: „Schwört mir, dass ihr mich nicht töten und ihnen [so] übergeben werdet, auch,w wenn ihr mich schlagen werdet!“x 13 Sie (sagten=) antworteten ihm wie folgt: „Nein! {sondern} (Bindend binden=) Nur binden werden wir dich – und in ihre Hand übergeben –, aber dich (tötend töten=) töten, das wollen wir nicht!“
Da banden sie ihn mit zwei neueny Seilen und brachten ihn hinauf aus dem Felsen.

14

15

16

17

18

19

20

Anmerkungen

Die rechtlichen Verwicklungen nach Kap. 14 deutet man am besten so: Am Ende des Hochzeitsfests, aber noch vor Vollzug seiner Ehe, ist Simson wütend nach Hause abgereist. Diese Ehe will er daher in V. 1 nun doch endgültig schließen, indem er mit seiner Verlobten den Ritus des Brautgemachs vollzieht. Sein Schwiegervater in spe jedoch teilt ihm V. 2 mit, dass er nun leider seine Verlobte mit einem anderen verheiratet hat, da er davon ausgehen musste, dass Simson kein Interesse mehr an einer Ehe mit ihr hat. Fatalerweise hat er sie dabei mit dem einzigen verheiratet, mit dem er sich rechtlich durchaus nicht verheiraten hätte dürfen (s. zu Kap. 14); erbost ist sich Simson daher in V. 3 sicher, nun selbst in den Augen der Philister im Recht zu sein, wenn er diesem Volk die Schandtat des Schwiegervaters heimzahlt. Aus V. 6 lässt sich herauslesen, dass es sich auch wirklich so verhält: Hier noch gehen die Philister nicht gegen Simson vor, um ihm seine Übeltat zu heimzuzahlen, sondern gegen seinen Schwiegervater, um dessen Verbrechen zu bestrafen.
Michaelis 1774, S. 134 wendet gegen diese Logik ein:

nun habe ich recht usf. - In der That hatter er es wol nicht. Daß Ein Philister ihn beleidiget hatte, gab ihm kein Recht, das ganze Volk anzugreifen, wenn ihm dis nicht Gerechtigkeit versagte, und V. 6. werden wir sehen, daß sie dis gewiß nicht gethan haben würden.

Aber es ist dies ein üblicher Zug rechtlichen und moralischen Denkens im Alten Testament: Übeltaten sind nicht nur Übeltaten nur einer Person. Sie sind vielmehr „ansteckend“, es ist daher rechtens, wenn etwa Gott eine Sünde „bis in die dritte und vierte Generation“ bestraft (Ex 34,6), wenn Gott droht, ob der Sünde Jonas eine ganze Schiffsbesatzung zu versenken (Jon 1) oder wenn nach der Sünde Achans in Jos 7,1 angeblich „ganz Israel gesündigt hat“ (Jos 7,10f.), deshalb unterzugehen droht und daher insgesamt Buße tun muss. Was hier geschieht, entspricht ganz dieser Logik: Nur der Schwiegervater Simsons hat verbrecherisch gehandelt. Simson wie auch die Philister gehen aber davon aus, dass dafür rechtens das ganze Philistervolk zu bestrafen ist, und wie dann in Jon 1 Jona von der Schiffsbesatzung ins Meer geworfen und in Jos 7 Achan vom eigenen Volk getötet werden muss, um „die Sünde aus ihrer Mitte auszurotten“, so rotten hier dann die Philister mit der Verbrennung der Schuldigen die Sünde aus ihrer Mitte aus. Dies wiederum ist dann Vf. 7-8 Anlass für Simson, (wieder: rechtens) Blutrache zu nehmen („Wenn ihr dies tut...“).

Die Fuchs-Aktion in Vv. 4f. soll wahrscheinlich einmal mehr die Cleverness Simsons betonen: V. 5 spielt deutlich auf Ex 22,5 an, wo geregelt wird, dass der Verursacher von Feldbränden mit seiner Brandstiftung strafpflichtig wird. Dieses Gesetz wird dadurch umgangen, dass Simson die Füchse zu Brandstiftern macht. Die brandstiftenden Füchse sind ein verbreitetes Motiv in der gr. Literatur; s. zum Wort „Füchse“. Neu ist, dass die Füchse „an den Schwänzen zusammengebunden“ werden; ohne Zweifel soll das die Effizienz der Füchse noch steigern, die dann in ihrer Panik die Fackeln hin und her zerren. Dabei reicht in der gr. Literatur schon ein Fuchs, um ganze Felder zu entflammen; die Steigerung zu 300 Füchsen und das Verbinden der Schwänze wird also wirklich riesige Mengen an Getreide vernichtet haben, was dann ja auch durch die Formulierung des Endes von V. 5 unterstrichen wird.

Bis hierhin hat sich die Spirale der Gewalt noch ordentlich und rechtlich einwandfrei nach oben geschraubt. Nach V. 8 steht im MT ein sog. Setumah, ein großer Einschnitt, der u.a. signalisiert, dass nun ein neuer Handlungsbogen beginnt. Und in der Tat: An sich sind nun Schuld und Gegenschuld abgeglichen, und was nun folgt, hat eine ganz neue Qualität: Nun fällt in V. 9 das ganze Philistervolk in Juda ein und presst das ganze Judäervolk, um Simsons habhaft zu werden. Woraufhin in V. 11 das ganze Judäervolk gegen Simson ins Feld marschiert: Nun herrscht Krieg! Wer daran letztlich Schuld hat, ist gar nicht klar: Simsons Braut, weil sie Simson durch ihren Verrat vergrault hat? Simson, weil er vor Vollzug seiner Ehe abgereist ist? Sein Schwiegervater, weil er Simsons Verlobte ausgerechnet mit seinem Trauzeugen verheiratet hat? Oder die Philister, weil sie mit ihrem Kriegszug in V. 9 endgültig zu weit gegangen sind? Im Recht fühlen sich jedenfalls sowohl Simson als auch die Philister; stark kommentiert Groß 2009, S. 706f.:

Auf raffinierte Weise lässt der Erzähler Worte der Philister im Mund Simsons und der Judäer wiederkehren. Die Judäer reden 12c [„Um dich zu binden, sind wir herabgekommen“] wie die Philister 10d [„Um Simson zu binden, sind wir hinaufgekommen“]; sie sind deren williges Instrument. Simson seinerseits spricht, wenn auch in gegenläufigem Sinn, 11g-h [„Wie sie mir getan haben, so habe ich ihnen getan!“] wie die Philister in 10d-e [„um ihm zu tun, wie er uns getan hat!“]: Der Konflikt hat schon so viele Phasen durchlaufen, dass beide Seiten in Vergeltung und Gegenvergeltung sich im Recht wähnen und keine der beiden mehr weiß, wer eigentlich begonnen hat.

Dass es gerade die Judäer sind, die sich in Vv. 11-13 zum Instrument der Philister machen lassen, muss man durchaus betonen: Am Anfang des Richterbuches waren sie noch die Lichtgestalten. Nun ist es mit ganz Israel sogar so weit gekommen, dass selbst sie nicht nur die Herrschaft der Philister rundweg als gegeben anerkennen, sondern sogar Gottes erwählten Richter an sie ausliefern wollen.

aIn den Tagen der Weizenernte, also im Mai/Juni und gerade, als der Weizen reif ist – das wird in Vv. 4f. wichtig werden. Wann sich die Geschehnisse aus Kap. 14 zugetragen haben, wissen wir nicht, es ist also unklar, wie viel Zeit nach Simsons zornigem Weggang verstrichen ist. Auch der Ausdruck nach [einigen] Tagen ist nicht sehr aussagekräftig, da gerade nicht „nach vielen Tagen“ wie z.B. in Jos 23,1 gesagt wird. (Zurück zu v.1)
bIch will zu meiner Frau in die Kammer kommen (Ich will bei meiner Frau in der Kammer kommen) - Entweder geht also Simson davon aus, mit besagter Frau ordentlich verheiratet zu sein und sie mit seinem zornigen Weggang in Ri 14,19 nur „stehen gelassen“ zu haben. In die/der Kammer kommen heißt dann weiter entweder „Ich will sie besuchen [um mich mit ihr zu versöhnen]“, und das Ziegen-Böcklein ist in diesem Zusammenhang das antike Pendant einer Schachtel Pralinen (schön Boling 1975). Oder wie noch häufiger ist kommen ein Euphemismus für „Geschlechtsverkehr haben“; „Ich will bei meiner Frau in der Kammer kommen“ hieße also: „Ich habe Lust auf Sex mit meiner Frau“. Auch dann hätte die Ziege gewiss die selbe Funktion und ist nicht wie in Gen 38,17 der Preis, den man auch einer Prostitutierten zahlen würde. Beide Deutungen lassen aber das „in die Kammer kommen“ unerklärt; noch besser deutet man daher wie Yadin 2002, S. 417 und Sicre 2018: Der Hochzeits-Ritus im Alten Israel wurde nach dem siebentägigen Fest damit abgeschlossen, dass der Bräutigam mit seiner Angetrauten in eine speziell hergerichtete Hochzeitskammer zog (aus der sich später die jüdische Chuppa entwickeln sollte). Davon ist hier die Rede: Simson hat sich beruhigt und will nun seine Hochzeitsfeier ordentlich mit diesem Ritus abschließen.
In jedem Fall darf man nicht davon ausgehen, dass die Frau tatsächlich noch in ihrem Vaterhaus „in ihrer Kammer“ wohnt (so Ehrlich 1910, S. 134); dass sie noch eine Kammer in ihrem Vaterhaus hätte, ist nur eine falsche Annahme Simsons. (Zurück zu v.1)
cHassen ist in heb. Eheverträgen auch Terminus technicus für die Scheidung; vgl. Morrow 2017 zu Scheidungsurkunden aus Elephantine und s. in der Bibel Dtn 24,3. So deuten unsere Stelle auch Boling 1975 und Webb 2012 und auch Polzin 1980, S. 189; Kim 1993, S. 268; Galpaz-Feller 2006, S. 125. Groß 2009 wendet ein, dass das Wort in Ri 14,16 nicht in diesem Sinn verwendet werde, aber das hat wenig Aussagekraft; es ist sehr gut möglich, dass diese Deutung richtig ist. Die meisten dt. Üss. übersetzen aber schlicht mit „hassen“; die Übersetzungsvarianten wollen wahrscheinlich nur dies „hassen“ schwächer machen und zeugen nicht von einer anderen Deutung: BB: „Ich war mir sicher, dass du sie satthast“; GN: „Ich dachte, du hättest genug von ihr“; MEN: „Ich mußte doch fest annehmen, daß du nichts mehr von ihr wissen wolltest“; NeÜ: „Ich dachte, du wolltest nichts mehr mit ihr zu tun haben.“; SLT: „Ich dachte, du hast sie gewiss verschmäht“. Am besten übersetzt man wie NeÜ; das lässt beide Optionen offen. (Zurück zu v.2)
dTrauzeugen - zum Wort s. zu Ri 14,20. (Zurück zu v.2)
ebesser (schöner?) - w. „besser“. Das heb. Wort kann genauer verschiedenstes meinen und wird in dt. Üss. daher meist konkretisiert zu „schöner“ (z.B GN, , LUT, SLT, ZÜR; so schon Joseph Kara). Nach den Geschehnissen von Kap. 14 können wir uns aber z.B. auch vorstellen: „nicht so verräterisch wie die ältere Schwester und damit besser“ (so Malbim). Übersetze besser allgemein mit „besser“; ohnehin trägt ja „schöner“ ganz unnötig zusätzlichen Sexismus in die Üs. ein. (Zurück zu v.2)
fAuffällig assonante Äußerung; jedes Wort nach Ist nicht endet auf -a: `aḥotah haqatanah ṭobah mimmenah? tihy-na` leka taḥteha! Das ist um so auffälliger nach der doppelten Infinitivkonstruktion zu Beginn der Rede („Denkend dachte ich: Hassend hasst du sie!“). Die kritische Information dagegen – „Da gab ich sie deinem Genossen“ – besteht im Heb. aus nur zwei Worten und geht damit im restlichen Redeschwall des Vaters geradezu unter: wa`ettenennah lemere´eka. (Zurück zu v.2)
gTextkritik: ihm und euch nicht nach MT übersetzt, sondern nach LXX u.a. S. näher auf der Kommentarseite. Im MT steht statt dem ersten Wort „ihnen“, was man übrigens, wenn man es für ursprünglich hält, besser i.S.v. „über sie“ fasst (richtig Ehrlich 1910, S. 134). (zu v.3)
hPrima vista dieses Mal im Gegensatz zu Ri 14,19. Wenn dieser Vers aber wirklich erst später hinzugefügt wurde (s. dort), ist hier besser nicht zu deuten „dieses Mal im Gegensatz zu einem anderen Mal“, sondern „in diesem Fall; wenn/da das so ist“ (vgl. ähnlich Gen 46,30; Dtn 10,17 und Jer 16,21 nach V. 20). Vgl. SLT: „Nun bin ich unschuldig, wenn...!“ (Zurück zu v.3)
iWortspiel mit V. 7: Hier niqqeti m- („ich bin unschuldig im Urteil von“), dort niqqamti („ich habe mich gerächt“). Beide Ausdrücke betonen, dass Simsons Reaktion nur angemessen ist.
Vielleicht wird wegen diesem Wortspiel die Präp. m- verwendet. Diese nämlich macht den Ausdruck schwierig. Nicht: „Ich bin unschuldig den Philistern gegenüber“ (so die meisten). naqah mit der Präp. m- heißt sonst stets entweder „von [einer Schuld] gegenüber X freigesprochen werden“ oder „von [einem Versprechen] gegenüber X entbunden werden“. Beides macht hier keinen Sinn, wenn man nicht mit Burney 1920 deuten möchte: „Ich bin frei gegenüber den Philistern“, d.h. „werde nach meiner Blutrache meine Schuldigkeit getan haben“. Möglich bleibt als dritte Option daher „ich bin unschuldiger als die Philister“ (BigS) oder am besten „ich bin unschuldig nach dem Urteil der Philister“, sc.: „Die Philister können mir nichts vorwerfen, wenn...“ (vgl. Studer 1842 und Wong 2021, der aber lieber V. 3 an V. 7 angleichen will. So schon Ehrlich 1910, S. 134; beide übersehen aber, dass niqamti in V. 7 mit b- statt mit m- steht). (Zurück zu v.3)
jWortspiel: Schlimmes ist im Heb. ra´ah, „Trauzeuge“ in V. 2 sehr ähnlich merea´. Simsons handeln passt auf das der Philister, wie dies ja auch im ganzen Satz zum Ausdruck kommt. (Zurück zu v.3)
kWortspiel: er zog los ... er fing ist im Heb. wajjelek wajjilkod. (Zurück zu v.4)
lDas heb. Wort šu´al kann wahrscheinlich beide Tiere bezeichnen; vgl. v.a. Ps 63,11 (Füchse sind keine Aasfresser, Schakale schon, vgl. ThWAT VII, S. 1194). V.a. ältere Ausleger:innen haben das Wort auch hier als „Schakal“ erklärt, weil Schakale angeblich zutraulicher seien als Füchse und weil Schakale (in der Tat) Herdentiere, Füchse dagegen Einzelgänger sind – beide Faktoren sollen es „realistischer“ machen, dass Simson hier in kurzer Zeit gleich 300 davon fängt. Dass auch heute noch z.B. Boling 1975; Groß 2009 und Sicre 2018 dieser Deutung folgen, ist recht eigentlich nur eine Nachwirkung dieser „realistischen“ Epoche der Bibelerklärung. Richtig dagegen erstens z.B. Studer 1842; Moore 1906; Burney 1920: Es ist ja offensichtlich, dass hier gerade eine fantastische Leistung Simsons geschildert werden soll, und auch mit Schakalen wäre sie nicht realistischer als mit Füchsen. Zweitens sprechen einige Parallelen aus der gr. Literatur stark für Füchse statt Schakale. Z.B. schon die, dass der Fuchs anders als der Schakal im Gr. auch den Kosenamen „Feuerschweif“ hat. Bes. aber die beiden folgenden nah verwandten Erzählungen: Ovid berichtet in Fasti IV 679-712 von einem Jüngling, der einen Fuchs fängt, ihn dafür bestrafen will, ihre Hühner gerissen zu haben, ihn daher mit Stroh umwickelt und dies anzündet, woraufhin aber der Fuchs ihm entwischt und ihre Getreidefelder in Brand steckt. Sogar noch näher ist die 11. Fabel von Babrios (1./2. Jhd. n. Chr.): „Dem Fuchs, dem Feind der Weinstöcke und der Gärten, wollte einer eine neuartige Misshandlung antun, zündete seinen Schwanz an, band noch Werg daran und ließ ihn davonlaufen. Dem aber wies eine darüber wachende Gottheit den Weg zu den Feldern dessen, der ihn vorwärts trieb mit der Last des Feuers.(Üs.: Holzberg). Offenbar bedient sich der Autor der Simson-Erzählungen hier also an einem geläufigen griechischen Motiv und spricht dann wirklich von Füchsen, nicht Schakalen. (Zurück zu v.4)
min die Feldfrüchte + bis zur Feldfrucht - eigentlich: „Zwischen das stehende Getreide“ im Pl. und „bis zum stehenden Getreide“ im Sg.; im Heb. unterscheidet man zw. qamah „Gesamt stehenden Getreides“ auf einem ganzen Feld (so hier) und qanah „einzelner Getreidehalm“ (vgl. Vogelstein 1894, S. 51). Sonst wird qamah stets im Sg. verwendet, nur hier im Pl.; wohl, um zu betonen, dass die Feldfrüchte gleich mehrerer Felder verbrannt werden. (zu v.5)
nvom Garbenhaufen bis zur Ähre und bis zum Weingarten vom Olivenbaum - Offenbar chiastisch formuliert, um zu unterstreichen, wie vollumfänglich die Feldfrüchte der Philister verbrannt werden: (a) vom Garbenhaufen (b) bis zum Feld (b') und bis zum Garten (a') vom Olivenbaum, also sowohl das geerntete als auch das noch stehende Getreide, die Weinreben in den Weingärten und die Olivenbäumen ebendort. Die Üs. „Olivengärten“ statt „bis zum Garten vom Olivenbaum“ z.B. in BigS, GN, HfA, SLT orientiert sich stattdessen einer antiken jüdischen Auslegung. S. näher auf der Kommentarseite.
Ähnlich soll wohl die rasche Satzfolge und das Durcheinander in Vv. 4f. die Mühe Simsons unterstreichen, die dann diese außerordentlichen Folgen zeitigen wird – ganz auffällig wird in diesen Vv. nämlich wieder und wieder (a) vom Fuchs(schwanz) (b) zur Feuer(fackel) und zurück gewechselt: Simson zog los und fing (a) 300 Füchse. Dann nahm er (b) Fackeln, wandte (a) Schwanz zu Schwanz, setzte (b) eine Fackel (a) zwischen [je] zwei Schwänze in die Mitte, entzündete (b) Feuer an den Fackeln, sandte (a) [sie] [!] in die Feldfrüchte der Philister (b) und verbrannte vom Garbenhaufen bis zur Feldfrucht und bis zum Weingarten vom Olivenbaum. (Zurück zu v.5)
oStark Spronk 2019: Wer hat das getan? ist geradezu ein Refrain. Im nächsten Vers begründet Simson seine Reaktion mit „Wenn ihr solches tut...“; die Judäer rufen daraufhin aus: „Was hat du uns getan!?“, und in Vv. 10f. behaupten sowohl Simson als auch die Philister, sie hätten nur „getan, wie mir/uns getan wurde“. Auch dieses Sprachspiel unterstreicht die Folge aus Aktion, Reaktion und Gegenreaktion, die hier geschildert wird. (Zurück zu v.6)
ptFN: Die Grammatik ist schwierig zu deuten. Wahrscheinlich so: Der zweite Satz ist Vordersatz zum dritten und wird durch sog. „Waw apodoseos“ von diesem getrennt: „Erst, wenn ..., {und} dann...“. Das einleitende „Wenn ihr solches tun dürftet...!“ davor ist eine abgebrochene Selbstverfluchung wie in 1 Sam 26,10; 2 Kön 5,20; hinzudenken muss man sich: „...[soll mir Gott dies und jenes antun]“. D.h. also: „Auf keinen Fall dürft ihr solches tun!“. Vgl. ähnlich konstruiert Gen 42,15. S. näher auf der Kommentarseite. So schon TUR: „Wenn ihr solches tut..., erst, wenn ich Rache an euch genommen, nachher werde ich ablassen!“ Recht gut dann BB: „Wenn ihr [solches tut], dann gnade euch Gott! Ich werde [nicht ruhen], bis ich mich an euch gerächt habe!“ (Zurück zu v.7)
qIn dt. Üss. meist recht gut übersetzt als „Ich werde nicht eher ruhen, als ich mich an euch gerächt habe!“ Denkbar ist in diesem Kontext auch, dass mit „danach will ich aufhören“ der Rückzug Simsons in die Felsspalte in V. 8 gemeint ist. Ähnlich schon Metzudat David: „Weil ihr das Vergehen an mir gerächt habt, will ich euch nicht auf ewig Feind sein, sondern nur noch einmal bestrafen“: Die Blutrache, die nun noch ansteht, ist, wird Simson noch üben; danach soll es mit Gewalt und Gegengewalt aber genug sein. Gut dann Boling 1975: „But thereafter, I quit!“. Allerdings muss man dafür die Grammatik der beiden ersten Sätze von V. 7 anders und unwahrscheinlicher deuten: „Wenn ihr auch solches tut, werde ich mich dennoch an euch rächen! Aber danach werde ich aufhören.“ (so LUT 45; TAF; Jongeneel 1868, S. 19). (Zurück zu v.7)
r(an) Schienbein über (auf, samt) Hüfte - unklarer Ausdruck, nur hier im AT. Am besten lässt man ihn in der LF weg, wie das auch GN tut.
Schon Tg kannte ihn offenbar nicht; Tg und danach auch Raschi, Radak und Metzudat David übersetzen fantasievoll: „Fußsoldat samt Kavallerist“, da Kavalleristen sich fortbewegen, indem sie Pferde mit ihren Schienbeinen lenken, und Fußsoldaten, indem sie ihre Hüften bewegen. Die meisten dt. Üss. übersetzen etwas à la „Er zerschlug ihnen Schenkel und Hüften mit gewaltigen Schlägen“ (SLT, TEX, van Ess) oder allgemeiner „Er zerbrach ihnen mit gewaltigen Schlägen die Knochen“ (, HER05, LUT, ZÜR). Einige neuere Erklärungen: (1) Zapletal 1906 und Boling 1975 hoffen, der Ausdruck bedeute das selbe wie das folgende „mit hartem Schlag“. Aber das steht ja eben schon im Folgenden und ist damit am unwahrscheinlichsten die Bed. des Ausdrucks. (2) Nelson 2017 hält den Ausdruck für eine Variante des dt. „er zog ihnen die Füße weg“, gemeint wäre also, dass Simson die Philister dergestalt niederwirft, dass ihre Schienbeine höher als ihre Hüfte sind. So offenbar auch HfA, NeÜ: „Er schlug auf die Philister ein, bis sie alle am Boden lagen.“ (3) Dagegen Ryan 2007 denkt offenbar an Roundhouse Kicks; für ihn wären Simsons Schenkel höher als seine Hüften, weil er mit den Schienbeinen die Philister niedertrat. (4) Ähnlich allgemeiner Burney 1920, Block 1999 und Webb 2012, die den Ausdruck nach der alten Deutung von Castellus und Clericus als Wrestling-Idiom erklären wollen, aber richtig Spronk 2019: Gerade beim Wrestlen durfte man gar nicht zuschlagen. (5) Spronk 2019 selbst erklärt am witzigsten: „Hüfte“ soll Wechselbegriff für „Hoden“ sein und entsprechend „Schienbein auf Hüfte“ bedeuten, dass Simson die Philister straft, indem er sie in die Weichteile tritt. Oder (6) Gesenius hat die witzigste Erklärung: „Er [zerriss sie so, dass] Schenkel über Hüfte lagen, mit hartem Schlag“ (Thesaurus, S. 990). Der Ausdruck ist leider völlig unklar. (Zurück zu v.8)
sFels-Spalte von Etam - Gemeint ist wahrscheinlich eine natürliche Höhle am Wadi Isma´in, die man heute auch wirklich als Me´arot Šimšon („Simson-Höhlen“) bezeichnet; vgl. Schick 1887, S. 143-146; Gaß / Zissu 2005. Etam und das gleich folgende Lehi in V. 9 liegen nicht mehr im zugelosten Stammesgebiet der Daniten, sondern in dem der Judäer; nun wird also ein weiterer Volksstamm in den Konflikt zwischen Simson und den Philistern hineingezogen.
Der Name ist interessant: Wahrscheinlich hängt er zusammen mit ´ajt, das in 1 Sam 25,14 „schreien“ bedeutet. Gehen wir davon aus, dass statt sa´ip („Spalte“) wirklich ursprünglich `apik („Fluss, Höhlung“) im Text gestanden hat (s. auf der Kommentarseite), zieht sich Simson in die „Fels-Höhlung des Schreiers“ oder wirklich wie in LXX, VL „an den Fels-Quell des Schreiers“ zurück. Das stimmt erstaunlich gut zusammen mit dem Quell, den Gott in V. 18 im etwa eine halbe Wegstunde entfernten Lehi aus dem Felsen entspringen lässt und den Simson / man dann in V. 19 „Quelle des Rufenden“ nennt; der Name der Lokalität in Etam wäre dann also Inspiration für die Namensgabe in V. 19 gewesen. Der Name Etam ist wahrscheinlich noch heute erhalten im Namen der Quelle ´Atan, die wirklich in dieser Gegend aus dem Fels entspringt. (Zurück zu v.8)
tverteilten - w. „breiteten sich aus“; daher us. Übersetzt: , PAT: „sie streiften in Lehi umher“; HER05: „sie besetzten das Land bis nach Lehi“, SLT: „sie ließen sich in Lechi nieder“. (Zurück zu v.9)
uLehi - gemeint ist vielleicht, da Aq und Sym mit Siagon übersetzen, die Ruine Ḥirbet eṣ-Sijjagh, etwa eine halbe Wegstunde entfernt vom Wadi Isma´in (Schick 1887, S. 153; Gaß 2007, S. 378f.; Webb 2012). (Zurück zu v.9)
vVgl. wieder gut Spronk 2019, S. 435: Hier fällt das erste Mal ein weiteres Leitwort von Ri 15, nämlich jad („Hand“): Simson soll „in die Hand“ der Philister gegeben werden (hier und V. 13). Zu diesem Zweck werden „seine Hände“ gebunden (V. 14). Nachdem er sich befreit hat, nimmt er einen Knochen in „seine Hand“ (V. 15), wirft ihn dann wieder „aus seiner Hand“ (V. 17); preist Gott, dass er ihm den Sieg „in die Hand gegeben“ hat (V. 18a) und fürchtet am Ende dann doch wieder, nun „in die Hand der Philister“ zu fallen. Spronk 2019 und Kim 1993, S. 296 erklären gut, dass dies den „Wandel der Situation Simsons“ zusätzlich unterstreiche: Gefangener der Philister – Krieger gegen die Philister – Sieger über die Philister – beinahe doch Beute der Philister. (Zurück zu v.12)
wTextkritik: nicht töten und ihnen [so] übergeben werdet, auch fehlt in MT und den meisten Textzeugen; es ist hier nach einem Vorschlag von Kim 1993, S. 160 aus LXXA, O, L und VL übersetzt. Das erklärt auch das „Nein“ besser, mit der die Judäer in V. 13 ihre Antwort einleiten: Doch, sie werden Simson übergeben, aber doch gewiss nicht töten, sondern nur binden. S. näher auf der Kommentarseite. (Zurück zu v.12)
xMit im Heb. betontem ihr; der Schwur wird also wahrscheinlich eingefordert, um sicherzustellen, dass Simson sich nicht gegen seine Volksgenossen zur Wehr setzen muss, sondern allein die Philister attackieren kann (so z.B. Crenshaw 1978, S. 88; Groß 2009; Webb 2012). (Zurück zu v.12)
yLies: Gleich mit zwei! Und dann auch noch mit neuen, also äußerst schwer zerstörbaren Seilen! (Zurück zu v.13)