Richter 15

Aus Die Offene Bibel

Wechseln zu: Navigation, Suche

Syntax ungeprüft

SF in Arbeit.png
Status: Studienfassung in Arbeit – Einige Verse des Kapitels sind bereits übersetzt. Wer die biblischen Ursprachen beherrscht, ist zum Einstellen weiterer Verse eingeladen. Auf der Diskussionsseite kann die Arbeit am Urtext dokumentiert werden. Dort ist auch Platz für Verbesserungsvorschläge und konstruktive Anmerkungen.
Folgt-später.png
Status: Lesefassung folgt später – Bevor eine Lesefassung erstellt werden kann, muss noch an der Studienfassung gearbeitet werden. Siehe Übersetzungskriterien und Qualitätssicherung Wir bitten um Geduld.

Lesefassung (Richter 15)

(kommt später)

Studienfassung (Richter 15)

1 Nach [einigen] Tagen, in den Tagen der Weizenerntea {geschah's: Es} besuchte Simson seine Frau mit einem Ziegen-Böcklein. Er sagte: „Ich will (Lass mich) kommen zu meiner Frau in die (bei meiner Frau in der) Kammer!“b Aber ihr Vater (gab's=) erlaubte ihm nicht, zu kommen. 2 Ihr Vater sagte (dachte): „(Denkend habe ich gedacht=) Ich war gewiss: (Hassend hasst du sie=) Du hasst sie gewiss (Du hast dich gewiss von ihr scheiden lassen)!c Da gab ich sie deinem (Genossen=) Trauzeugend [zur Frau]. Ist nicht ihre jüngere Schwester besser (schöner?)e als sie? Es sei doch sie statt jener dein[e Frau]!“f 3 Da sagte Simson zu ihm:g „Nun (dieses Mal)h (bin ich unschuldig vor den Philistern=) können mir die Philister nichts vorwerfen,i wenn ich euchg Schlimmesj antue!“ 4 Und Simson zog los, fingk 300 Füchse (Schakale),l nahm Fackeln, wandte Schwanz zu Schwanz, setzte eine Fackel zwischen [je] zwei Schwänze in die Mitte, 5 entzündete Feuer an den Fackeln, sandte [sie] ins Feld der Philister und verbrannte vom Garbenhaufen bis zur Ähre und bis zum Weingarten vom Olivenbaum (?).m 6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

Anmerkungen

Die rechtlichen Verwicklungen nach Kap. 14 deutet man am besten so: Am Ende des Hochzeitsfest, aber noch vor Vollzug seiner Ehe, ist Simson wütend nach Hause abgereist. Diese Ehe will er daher in V. 1 nun doch endgültig schließen, indem er mit seiner Verlobten den Ritus des Brautgemachs vollzieht. Sein Schwiegervater in spe jedoch teilt ihm V. 2 mit, dass er nun leider seine Verlobte mit einem anderen verheiratet hat, da er davon ausgehen musste, dass Simson kein Interesse mehr an einer Ehe mit ihr hat. Fatalerweise hat er sie dabei mit dem einzigen verheiratet, mit dem er sich rechtlich durchaus nicht verheiraten hätte dürfen (s. zu Kap. 14); erbost ist sich Simson daher in V. 3 sicher, nun selbst in den Augen der Philister im Recht zu sein, wenn er diesem Volk die Schandtat des Schwiegervaters heimzahlt. Aus V. 6 lässt sich herauslesen, dass es sich auch wirklich so verhält: Hier noch gehen die Philister gar nicht gegen den Übeltäter Simson vor, sondern gegen seinen verbrecherischen Schwiegervater.
Michaelis 1774, S. 134 wendet gegen diese Logik ein:

nun habe ich recht usf. - In der That hatter er es wol nicht. Daß Ein Philister ihn beleidiget hatte, gab ihm kein Recht, das ganze Volk anzugreifen, wenn ihm dis nicht Gerechtigkeit versagte, und V. 6. werden wir sehen, daß sie dis gewiß nicht gethan haben würden.

Aber es ist dies ein üblicher Zug rechtlichen und moralischen Denkens im Alten Testament: Übeltaten sind nicht nur Übeltaten nur einer Person. Sie sind vielmehr „ansteckend“, es ist daher rechtens, wenn etwa Gott eine Sünde „bis in die dritte und vierte Generation“ bestraft (Ex 34,6), wenn Gott droht, ob der Sünde Jonas eine ganze Schiffsbesatzung zu versenken (Jon 1) oder wenn nach der Sünde Achans in Jos 7,1 angeblich „ganz Israel gesündigt hat“ (Jos 7,10f.), deshalb unterzugehen droht und daher insgesamt Buße tun muss. Was hier geschieht, entspricht ganz dieser Logik: Nur der Schwiegervater Simsons hat verbrecherisch gehandelt. Simson wie auch die Philister gehen aber davon aus, dass dafür rechtens das ganze Philistervolk zu bestrafen ist, und wie dann in Jos 7 Achan vom eigenen Volk vernichtet werden muss, um „die Sünde aus ihrer Mitte auszurotten“, so rotten hier dann die Philister mit der Verbrennung der Schuldigen die Sünde aus ihrer Mitte aus. Dies wiederum ist dann Vf. 7-8 Anlass für Simson, (wieder: rechtens) Blutrache zu nehmen („Wenn ihr dies tut...“).

Bis hierhin hat sich die Spirale der Gewalt noch ordentlich und rechtlich einwandfrei nach oben geschraubt. Nach V. 8 steht im MT ein sog. Setumah, ein großer Einschnitt, der u.a. signalisiert, dass nun ein neuer Handlungsbogen beginnt. Und in der Tat: An sich sind nun Schuld und Gegenschuld abgeglichen, und was nun folgt, hat eine ganz neue Qualität: Nun fällt in V. 9 das ganze Philistervolk in Juda ein und presst das ganze Judäervolk, um Simsons habhaft zu werden. Woraufhin in V. 11 das ganze Judäervolk gegen Simson ins Feld marschiert: Nun herrscht Krieg! Wer daran letztlich Schuld hat, ist gar nicht klar: Simson, weil er vor Vollzug seiner Ehe abgereist ist? Sein Schwiegervater, weil er Simsons Verlobte ausgerechnet mit seinem Trauzeugen verheiratet hat? Oder die Philister, weil sie mit ihrem Kriegszug in V. 9 endgültig zu weit gegangen sind? Im Recht fühlen sich jedenfalls sowohl Simson als auch die Philister; stark kommentiert Groß 2009, S. 706f.:

Auf raffinierte Weise lässt der Erzähler Worte der Philister im Mund Simsons und der Judäer wiederkehren. Die Judäer reden 12c [„Um dich zu binden, sind wir herabgekommen“] wie die Philister 10d [„Um Simson zu binden, sind wir hinaufgekommen“]; sie sind deren williges Instrument. Simson seinerseits spricht, wenn auch in gegenläufigem Sinn, 11g-h [„Wie sie mir getan haben, so habe ich ihnen getan!“] wie die Philister in 10d-e [„um ihm zu tun, wie er uns getan hat!“]: Der Konflikt hat schon so viele Phasen durchlaufen, dass beide Seiten in Vergeltung und Gegenvergeltung sich im Recht wähnen und keine der beiden mehr weiß, wer eigentlich begonnen hat.

aIn den Tagen der Weizenernte, also im Mai/Juni und gerade, als der Weizen reif ist – das wird in Vv. 4f. wichtig werden. Wann sich die Geschehnisse aus Kap. 14 zugetragen haben, wissen wir nicht, es ist also unklar, wie viel Zeit nach Simsons zornigem Weggang verstrichen ist. Auch der Ausdruck nach [einigen] Tagen ist nicht sehr aussagekräftig, da gerade nicht „nach vielen Tagen“ wie z.B. in Jos 23,1 gesagt wird. (Zurück zu v.1)
bIch will zu meiner Frau in die Kammer kommen (Ich will bei meiner Frau in der Kammer kommen) - Entweder geht also Simson davon aus, mit besagter Frau ordentlich verheiratet zu sein und sie mit seinem zornigen Weggang in Ri 14,19 nur „stehen gelassen“ zu haben. In die/der Kammer kommen heißt dann weiter entweder „Ich will sie besuchen [um mich mit ihr zu versöhnen]“, und das Ziegen-Böcklein ist in diesem Zusammenhang das antike Pendant einer Schachtel Pralinen (schön Boling 1975). Oder wie noch häufiger ist kommen ein Euphemismus für „Geschlechtsverkehr haben“; „Ich will bei meiner Frau in der Kammer kommen“ hieße also: „Ich habe Lust auf Sex mit meiner Frau“. Auch dann hätte die Ziege gewiss die selbe Funktion und ist nicht wie in Gen 38,17 der Preis, den man auch einer Prostitutierten zahlen würde. Beide Deutungen lassen aber das „in die Kammer kommen“ unerklärt; noch besser deutet man daher wie Yadin 2002, S. 417 und Sicre 2018: Der Hochzeits-Ritus im Alten Israel wurde nach dem siebentägigen Fest damit abgeschlossen, dass der Bräutigam mit seiner Angetrauten in eine speziell hergerichtete Hochzeitskammer zog (aus der sich später die jüdische Chuppa entwickeln sollte). Davon ist hier die Rede: Simson hat sich beruhigt und will nun seine Hochzeitsfeier ordentlich mit diesem Ritus abschließen.
In jedem Fall darf man nicht davon ausgehen, dass die Frau tatsächlich noch in ihrem Vaterhaus „in ihrer Kammer“ wohnt (so Ehrlich 1910, S. 134); dass sie noch eine Kammer in ihrem Vaterhaus hätte, ist nur eine falsche Annahme Simsons. (Zurück zu v.1)
cHassen ist in heb. Eheverträgen auch Terminus technicus für die Scheidung; vgl. Morrow 2017 zu Scheidungsurkunden aus Elephantine und s. in der Bibel Dtn 24,3. So deuten unsere Stelle auch Boling 1975 und Webb 2012 und auch Polzin 1980, S. 189; Kim 1993, S. 268; Galpaz-Feller 2006, S. 125. Groß 2009 wendet ein, dass das Wort in Ri 14,16 nicht in diesem Sinn verwendet werde, aber das hat wenig Aussagekraft; es ist sehr gut möglich, dass diese Deutung richtig ist. Die meisten dt. Üss. übersetzen aber schlicht mit „hassen“; die Übersetzungsvarianten wollen wahrscheinlich nur dies „hassen“ schwächer machen und zeugen nicht von einer anderen Deutung: BB: „Ich war mir sicher, dass du sie satthast“; GN: „Ich dachte, du hättest genug von ihr“; MEN: „Ich mußte doch fest annehmen, daß du nichts mehr von ihr wissen wolltest“; NeÜ: „Ich dachte, du wolltest nichts mehr mit ihr zu tun haben.“; SLT: „Ich dachte, du hast sie gewiss verschmäht“. Am besten übersetzt man wie NeÜ; das lässt beie Optionen offen. (Zurück zu v.2)
dTrauzeugen - zum Wort s. zu Ri 14,20. (Zurück zu v.2)
ebesser (schöner?) - w. „besser“. Das heb. Wort kann genauer verschiedenstes meinen und wird in dt. Üss. daher meist konkretisiert zu „schöner“ (z.B GN, , LUT, SLT, ZÜR; so schon Joseph Kara). Nach den Geschehnissen von Kap. 14 können wir uns aber z.B. auch vorstellen: „nicht so verräterisch wie die ältere Schwester und damit besser“ (so Malbim). Übersetze besser allgemein mit „besser“; ohnehin trägt ja „schöner“ ganz unnötig zusätzlichen Sexismus in die Üs. ein. (Zurück zu v.2)
fAuffällig assonante Äußerung; jedes Wort nach Ist nicht endet auf -a: `aḥotah haqatanah ṭobah mimmenah? tihy-na` leka taḥteha! Das ist um so auffälliger nach der doppelten Infinitivkonstruktion zu Beginn der Rede („Denkend dachte ich: Hassend hasst du sie!“). Die kritische Information dagegen – „Da gab ich sie deinem Genossen“ – besteht im Heb. aus nur zwei Worten und geht damit im restlichen Redeschwall des Vaters geradezu unter: wa`ettenennah lemere´eka. (Zurück zu v.2)
gTextkritik: ihm und euch nicht nach MT übersetzt, sondern nach LXX u.a. S. näher auf der Kommentarseite. Im MT steht statt dem ersten Wort „ihnen“, was man übrigens, wenn man es für ursprünglich hält, besser i.S.v. „über sie“ fasst (richtig Ehrlich 1910, S. 134). (zu v.3)
hPrima vista dieses Mal im Gegensatz zu Ri 14,19. Wenn dieser Vers aber wirklich erst später hinzugefügt wurde (s. dort), ist hier besser nicht zu deuten „dieses Mal im Gegensatz zu einem anderen Mal“, sondern „in diesem Fall; wenn/da das so ist“ (vgl. ähnlich Gen 46,30; Dtn 10,17 und Jer 16,21 nach V. 20). Vgl. SLT: „Nun bin ich unschuldig, wenn...!“ (Zurück zu v.3)
iWortspiel mit V. 7: Hier niqqeti m- („ich bin unschuldig im Urteil von“), dort niqqamti („ich habe mich gerächt“). Beide Ausdrücke betonen, dass Simsons Reaktion nur angemessen ist.
Vielleicht wird wegen diesem Wortspiel die Präp. m- verwendet. Diese nämlich macht den Ausdruck schwierig. Nicht: „Ich bin unschuldig den Philistern gegenüber“ (so die meisten). naqah mit der Präp. m- heißt sonst stets entweder „von [einer Schuld] gegenüber X freigesprochen werden“ oder „von [einem Versprechen] gegenüber X entbunden werden“. Beides macht hier keinen Sinn; möglich bleibt als dritte Option daher „ich bin unschuldiger als die Philister“ (BigS) oder am besten „ich bin unschuldig nach dem Urteil der Philister“, sc.: „Die Philister können mir nichts vorwerfen, wenn...“ (vgl. Studer 1842 und Wong 2021, der aber lieber V. 3 an V. 7 angleichen will. So schon Ehrlich 1910, S. 134; beide übersehen aber, dass niqamti in V. 7 mit b- statt mit m- steht). (Zurück zu v.3)
jWortspiel: Schlimmes ist im Heb. ra´ah, „Trauzeuge“ in V. 2 sehr ähnlich merea´. Simsons handeln passt auf das der Philister, wie dies ja auch im ganzen Satz zum Ausdruck kommt. (Zurück zu v.3)
kWortspiel: er zog los ... er fing ist im Heb. wajjelek wajjilkod. (Zurück zu v.4)
lDas heb. Wort šu´al kann offenbar beide Tiere bezeichnen; Schakal wird daher z.B. präferiert von Boling 1975; Groß 2009 und Sicre 2018. Aber am besten vgl. Webb 2012, S. 377: „Englische Übersetzungen übersetzen [das Wort] manchmal mit ‚Füchse‘ und manchmal mit ‚Schakale‘ und präferieren Letzteres, wenn von Ruinen und Leichen die Rede ist (Ps 63,11; Klg 5,18). Schakale sehen Füchsen ähnlich, jagen aber in Rudeln, während Füchse üblicherweise alleine jagen. Der Zusammenhang mit Zerstörung und die große Zahl von (offenbar) in kurzer Zeit gefangenen Tieren spricht leicht für ‚Schakale‘. Aber die Künstlichkeit der ganzen Episode macht solche Erwägungen überflüssig; man gewinnt nichts, wenn man von der traditionellen Übersetzung ‚Füchse‘ abgeht.“ (ähnlich schon Studer 1842).
Ältere Ausleger:innen haben eine Reihe von Parallelen zu Simsons Füchsen zusammengetragen. Die nähsten sind die, dass der Fuchs im Gr. auch den Kosenamen „Feuerschweif“ hat, und bes. die beiden folgenden parallelen Erzählungen: Ovid berichtet in Fasti IV 679-712 von einem Jüngling, der einen Fuchs fängt, ihn dafür bestrafen will, ihre Hühner gerissen zu haben, ihn daher mit Stroh umwickelt und dies anzündet, woraufhin aber der Fuchs ihm entwischt und ihre Getreidefelder in Brand steckt. Sogar noch näher ist die 11. Fabel von Babrios (1./2. Jhd. n. Chr.): „Dem Fuchs, dem Feind der Weinstöcke und der Gärten, wollte einer eine neuartige Misshandlung antun, zündete seinen Schwanz an, band noch Werg daran und ließ ihn davonlaufen. Dem aber wies eine darüber wachende Gottheit den Weg zu den Federn dessen, der ihn vorwärts trieb mit der Last des Feuers.(Üs.: Holzberg). Offenbar bedient sich der Autor der Simson-Erzählungen hier also an einem geläufigen griechischen Motiv. (Zurück zu v.4)
mvom Garbenhaufen bis zur Ähre und bis zum Weingarten vom Olivenbaum - Offenbar chiastisch formuliert, um zu unterstreichen, wie vollumfänglich die Feldfrüchte der Philister verbrannt werden: (a) vom Garbenhaufen (b) bis zum Feld (b') und bis zum Garten (a') vom Olivenbaum, also sowohl das geerntete als auch das noch stehende Getreide, die Weinreben in den Weingärten und die Olivenbäumen ebendort. Die Üs. „Olivengärten“ statt „bis zum Garten vom Olivenbaum“ z.B. in BigS, GN, HfA, SLT orientiert sich stattdessen einer antiken jüdischen Auslegung. S. näher auf der Kommentarseite. Das selbe wie durch den Chiasmus soll wohl die rasche Satzfolge und das Durcheinander in Vv. 4f. zum Ausdruck bringen, wo wieder und wieder (a) vom Fuchs(schwanz) (b) zur Feuer(fackel) und zurück gewechselt wird: Simson zog los, fing (a) 300 Füchse, nahm (b) Fackeln, wandte (a) Schwanz zu Schwanz, setzte (b) eine Fackel (a) zwischen [je] zwei Schwänze in die Mitte, entzündete (b) Feuer an den Fackeln, sandte (a) [sie] [!] ins Feld der Philister (b) und verbrannte vom Garbenhaufen bis zur Ähre und bis zum Weingarten vom Olivenbaum. (Zurück zu v.5)