Kommentar[Bearbeiten]
13-17[Bearbeiten]
Textkritische Anmerkungen'[Bearbeiten]
Zur Perikope Jak 4,13-17 finden sich z.T. gut bezeugte Varianten, die jedoch das Gewicht der Zeugen für den Standardtext nicht erreichen.〈a〉
Abgrenzung und sprachlich-syntaktische Analyse[Bearbeiten]
Der vorliegende Textabschnitt ist Teil eines größeren Zusammenhangs zum „Verhältnis zur Welt“〈b〉, der sich in 4,13 – 5,6 an „besonders Gefährdete“〈c〉 wendet. Seine Abgrenzung besonders nach hinten und die damit verbundene Frage, ob V. 17 noch zu diesem Abschnitt zu rechnen sei, sind in der Forschung umstritten.〈d〉 Für die Wahrnehmung von 4,13-17 als Einheit spricht formal die Wiederaufnahme des Ἄγε νῦν in 5,1, inhaltlich die Nähe der letzten beiden Verse zu den vorhergehenden. Die vorliegende Perikope „ist ein kompliziertes Gebilde von Anreden, wörtlicher Rede, Parenthese und Feststellungen“〈e〉: Auf den Ruf zur Aufmerksamkeit der Adressaten (V. 13a: Ἄγε νῦν) hin paraphrasiert der Verfasser ihre Zukunfts- und Geschäftspläne (V. 13b). V.14 betont demgegenüber die Unmöglichkeit der Vorausschau (οὐκ ἐπίστασθε...) und die Vergänglichkeit menschlicher Existenz (ἀτμὶς γάρ ἐστε) und beschreibt, davon ausgehend, in V. 15 eine demgegenüber (ἀντὶ τοῦ) angemessene Redeweise. Menschliches Planen und Handeln allgemein (ποιήσομεν τοῦτο ἢ ἐκεῖνο) wird unter Hinweis auf die providentia Dei (ἐὰν ὁ κύριος θελήσῃ) in seiner Absolutheit relativiert, bzw. zumindest in einen neuen Horizont gestellt; die sog. conditio Iacobea stellt dabei menschliches Handeln und Planen nicht generell in Frage, sondern macht deutlich, dass es von für den Menschen nicht verfügbaren Voraussetzungen abhängt. V. 16 deckt auf, dass das Handeln der Adressaten diesem nicht entspricht, da sie sich ihrer vermeintlichen Unabhängigkeit rühmen, was der Verfasser pauschal verurteilt (πᾶσα καύχησις τοιαύτη πονηρά ἐστιν). Der Abschnitt schließt (V.17) mit der wiederum allgemeinen Feststellung, dass das Unterlassen guter Taten individuell als Sünde zugerechnet wird.〈f〉
Form- und Motivgeschichte[Bearbeiten]
Die vorliegende Perikope ist, wie der gesamte Jakobusbrief, der „Gattung der Paränese“〈g〉 zuzuordnen. Der Verfasser schöpft dabei „aus einem breiten paränetischen Traditionsstrom, der von vielfältigen Elementen antiker […] Ethik gespeist worden ist“ und die „Annahme eines allgemein vorauszusetzenden Wissens um Gut und Böse“〈h〉 erkennen lässt. So haben sämtliche in der Perikope aufgenommenen Motive Parallelen in biblischen und außerbiblischen Texten. Besonders hervorgehoben wird hier exemplarisch V.15, für die weiteren Verse sei auf POPKES‘ Untersuchungen zur jeweiligen Stelle verwiesen. Die in der conditio Iacobea (V.15)〈i〉 formulierte Einsicht, dass über dem menschlichen Willen eine „alles entscheidende letzte Instanz“〈j〉 steht, gehört nachweislich „zum festen antiken Repertoire.“〈k〉 Im Vergleich zu außerbiblischen und antik-philosophischen Belegstellen ist festzuhalten, dass das „Differenzkriterium […] nicht die Pietät an sich, sondern die Identität des ‚Herrn‘“〈l〉 ist. Die generalisierende Formulierung ποιήσομεν τοῦτο ἢ ἐκεῖνο macht dabei einerseits deutlich, dass es um menschliches Planen und Handeln generell, nicht nur um die in 4,13 u.ö. angesprochenen Geschäftsgebaren geht, und andererseits, dass menschliche Initiative nicht abqualifiziert wird.〈m〉 Das in V.17 erwähnte καλὸν ποιεῖν kann dabei als „allgemeines Stichwort in der ntl. Ethik und Paränese“〈n〉 gesehen werden und entspricht einer allgemeinen Linie des Jakobusbriefs, dem „an der Manifestation und Verleiblichung des Glaubens in Werken liegt.“〈o〉 Ein Rückschluss auf die intendierten Adressaten ist von V.13 her möglich: während κερδήσομεν auf die Ziele geschäftlicher Betätigung allgemein zielt, verweist ἐμπορευσόμεθα auf „aufstrebende[…] Schichten […], die mit Risikobereitschaft Gewinn und damit Aufstieg suchten.“〈p〉 Die implizite Verantwortung für eine „sinnvollere Lebensgestaltung“ ist demnach nicht an anonyme, jenseits des Erfahrungshorizontes der Gemeinde lebende (wirtschaftliche oder politische) Eliten zu delegieren. All dies reflektiert einen „tiefgreifende[n] Wandel in der sozialen Schichtung der Gemeindeglieder“〈q〉 des ersten Jahrhunderts, unter denen „Reichtum und Besitz zu einem Problem geworden sind.“〈r〉
Jak 4,13-17 im Kontext jakobäischer Ethik[Bearbeiten]
Das Spezifikum des Jakobusbriefs liegt in seinem Interesse an einer „konsequente[n] Realisierung eines praktischen, leibhaftigen und konkreten Tatchristentums“〈s〉 und erscheint in Form „katechismusartiger Sammlung dessen, was er [der Verfasser] für eine christliche Lebensführung für unabdingbar hält.“〈t〉 Dabei fehlt eine ausdrücklich eschatologische oder christologische Motivierung der Ethik〈u〉, was im Laufe der Auslegungsgeschichte den Jakobusbrief für viele LeserInnen zu einer Anhäufung moralischer Forderungen gemacht und Luther zu dem berühmten Ausspruch gebracht hat, es handle sich hier um eine „stroherne Epistel“, deren Kanonizität zweifelhaft ist.〈v〉 Neuere Forschung〈w〉 blickt weniger auf diese „defizitäre Begründung“〈x〉, sondern auf die Quintessenz, die der Verfasser in beeindruckender Pragmatik einschärft: „Entscheidendes Merkmal christlicher Existenz ist die Barmherzigkeit“〈y〉, die sich etwa in der Fürbitte (5,13-17) und im (durchaus handfesten) Engagement für sozial Benachteiligte (vgl. 1,26; 2,5.12ff. u.a.) konkretisiert. Damit könnte auch das Gute, das nach V.17 „zu tun ist“, näher beschrieben sein.
Anmerkungen[Bearbeiten]
a | Vgl. hierzu Wiard POPKES, Der Brief des Jakobus (ThHK 14), Leipzig 2001 sowie Wolfgang SCHRAGE, Der Jakobusbrief, in: Horst BALZ/DERS., Die Briefe des Jakobus, Petrus, Johannes und Judas (NTD 10), Göttingen 131985, 5-59. (Zurück zu ) |
b | POPKES, passim. (Zurück zu ) |
c | EBD., 284. (Zurück zu ) |
d | EBD., 285 (Zurück zu ) |
e | POPKES, 286. Die vielschichtige Struktur spiegelt sich in der komplizierten Sprache, die eine Übersetzung erschwert. Hinweise zur Übersetzung werden im Folgenden bei Gelegenheit gegeben. (Zurück zu ) |
f | Vgl. POPKES, 296. (Zurück zu ) |
g | So u.a. Wolfgang SCHRAGE, Ethik des Neuen Testaments (NTD Ergänzungsreihe 4), Göttingen 61989, 286. (Zurück zu ) |
h | DERS., Jakobus, 7. (Zurück zu ) |
i | Zur Übersetzung, vgl. POPKES, 291. (Zurück zu ) |
j | Wolfgang SCHRAGE, Vorsehung Gottes. Zur Rede von der providentia Dei in der Antike und im Neuen Testament, Neukirchen-Vluyn 2005, 235. (Zurück zu ) |
k | POPKES, 291. (Zurück zu ) |
l | EBD. (Zurück zu ) |
m | EBD., 291; SCHRAGE, Jakobus, 48. (Zurück zu ) |
n | POPKES, 295. (Zurück zu ) |
o | SCHRAGE, Ethik, 289. (Zurück zu ) |
p | POPKES, 296. (Zurück zu ) |
q | Udo SCHNELLE, Einleitung in das Neue Testament, Göttingen 62007, 428. (Zurück zu ) |
r | EBD., 427. (Zurück zu ) |
s | SCHRAGE, Ethik, 290. (Zurück zu ) |
t | EBD., 286. (Zurück zu ) |
u | EBD., 290. (Zurück zu ) |
v | WA DB 7, 384. (Zurück zu ) |
w | Karl-Wilhelm NIEBUHR, A New Perspective on James? Neuere Forschungen zum Jakobusbrief, in: ThLZ 129 (2004), 1019-1044. (Zurück zu ) |
x | SCHRAGE, Ethik, 287. (Zurück zu ) |
y | EBD., 290. (Zurück zu ) |