Gen 5/Persönliche Fassung (Sebastian Walter): Unterschied zwischen den Versionen

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{{L|21.23}} <u>Schlau</u>: * 622 – 987 (365 J.)
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<poem>{{L|22.24}} Ging mit Gott umher.<ref>''ging umher'' wie Gott in [[Gen_2,25-3,24/Persönliche_Fassung_(Sebastian_Walter)#l8 |Gen 3,8]] im Garten „umherging“ und wie in Gen 6,9 auch gleich Ruh „mit Gott umhergehen“ wird. In Mi 6,8; Mal 2,6 ist dies „mit Gott umhergehen“ ein Ausdruck für eine besonders gottgefällige Lebensweise. So verstehen den Ausdruck hier auch die meisten alten Kommentatoren. So kurz nach Gen 3 muss der Ausdruck in unserem Kontext jedoch so wirken, als habe Gott hier zwei Spazier-Kumpanen gefunden.<br />Dass danach auch nicht von Schlaus Tod die Rede ist, sondern davon, dass Gott ihn „genommen“ habe, heißt fast sicher, dass Gott ihn wie später Elija in 2 Kön 2 ''zu sich'' nahm, wo sie dann vielleicht immer noch miteinander umherspazieren  (Jub 4,17-25 verortet ihn dann passenderweise auch in den Gottesgarten). So deuten neben dem Jubiläenbuch z.B. schon Sir 49,14; äthHen 70,1-4; Heb 11,5; 1 Clem 9,3; der Targum Jonathan („''Er diente vor Gott in Wahrhaftigkeit und ... fuhr zum Himmel auf nach dem Wort Gottes und wurde dann ‚Metatron‘ genannt, ‚der große Schreiber‘''“) und Ambrosius (Schlau „''flog auf den Flügeln des Heiligen Geistes gen Himmel''“, ''Isaak'' 8.77).<br />Ähnliches wird im Frühjudentum außer von Schlau und Elija nur noch von Mose (JosAnt §326; Sifre Dtn §357; b.Sot 13b); Esra (4 Esra 14,9) und Baruch (Bar 13,3; 76,12) berichtet; im frühen Christentum außerdem von Philippus (Apg 8,39). Schlau ist also eine Ausnahmegestalt. Dennoch ist der Vers theologisch äußerst bedeutsam und theologisch noch zu wenig durchdacht: Wenn etwa die Zeugen Jehovas oder die römisch-katholische Kirche ([https://www.vatican.va/archive/DEU0035/__P1J.HTM KKK 389-390]!) davon ausgehen, dass die Urgeschichte historische Realität gewesen sein muss, da es sonst Jesu Christi nicht bedurft habe, wird dabei übergangen, dass ''schon in der Urgeschichte selbst'' von einer Person berichtet wird, die in ''diesem Sinne'' „Jesu Christi nicht bedurft“ hat. Weish 4,7-19 verallgemeinert dann sogar den Sonderfall Schlau und weitet sein Geschick auf alle „Gerechten“ aus.<br />Im Judentum wurde der Vers Basis einer ganzen literarischen Gattung: es sind mehrere „Henoch-Bücher“ überliefert, die von Schlaus Worten und Visionen berichten. Das „[https://de.wikisource.org/wiki/Henochbuch_(oder_Erster_Henoch) erste Henoch-Buch]“ z.B. gehört im äthiopischen Christentum sogar zum biblischen Kanon.</ref>
<poem>{{L|22.24}} Ging mit Gott umher.<ref>''ging umher'' wie Gott in [[Gen_2,25-3,24/Persönliche_Fassung_(Sebastian_Walter)#l8 |Gen 3,8]] im Garten „umherging“ und wie in Gen 6,9 auch gleich Ruh „mit Gott umhergehen“ wird. In Mi 6,8; Mal 2,6 ist dies „mit Gott umhergehen“ ein Ausdruck für eine besonders gottgefällige Lebensweise. So verstehen den Ausdruck hier auch die meisten alten Kommentatoren. So kurz nach Gen 3 muss der Ausdruck in unserem Kontext jedoch so wirken, als habe Gott hier zwei Spazier-Kumpanen gefunden.<br />Dass danach auch nicht von Schlaus Tod die Rede ist, sondern davon, dass Gott ihn „genommen“ habe, heißt fast sicher, dass Gott ihn wie später Elija in 2 Kön 2 ''zu sich'' nahm, wo sie dann vielleicht immer noch miteinander umherspazieren  (Jub 4,17-25 verortet ihn dann passenderweise auch in den Gottesgarten). So deuten neben dem Jubiläenbuch z.B. schon Sir 49,14; äthHen 70,1-4; Heb 11,5; 1 Clem 9,3; der Targum Jonathan („''Er diente vor Gott in Wahrhaftigkeit und ... fuhr zum Himmel auf nach dem Wort Gottes und wurde dann ‚Metatron‘ genannt, ‚der große Schreiber‘''“) und Ambrosius (Schlau „''flog auf den Flügeln des Heiligen Geistes gen Himmel''“, ''Isaak'' 8.77) und weitere.<br />Ähnliches wird im Frühjudentum außer von Schlau und Elija nur noch von Mose (JosAnt §326; Sifre Dtn §357; b.Sot 13b); Esra (4 Esra 14,9) und Baruch (Bar 13,3; 76,12) berichtet; im frühen Christentum außerdem von Philippus (Apg 8,39). Schlau ist also eine Ausnahmegestalt. Dennoch ist der Vers theologisch äußerst bedeutsam und theologisch noch zu wenig durchdacht: Wenn etwa die Zeugen Jehovas oder die römisch-katholische Kirche ([https://www.vatican.va/archive/DEU0035/__P1J.HTM KKK 389-390]!) davon ausgehen, dass die Urgeschichte historische Realität gewesen sein muss, da es sonst Jesu Christi nicht bedurft habe, wird dabei übergangen, dass ''schon in der Urgeschichte selbst'' von einer Person berichtet wird, die in ''diesem Sinne'' „Jesu Christi nicht bedurft“ hat. Weish 4,7-19 verallgemeinert dann sogar den Sonderfall Schlau und weitet sein Geschick auf alle „Gerechten“ aus.<br />Im Judentum wurde der Vers Basis einer ganzen literarischen Gattung: es sind mehrere „Henoch-Bücher“ überliefert, die von Schlaus Worten und Visionen berichten. Das „[https://de.wikisource.org/wiki/Henochbuch_(oder_Erster_Henoch) erste Henoch-Buch]“ z.B. gehört im äthiopischen Christentum sogar zum biblischen Kanon.</ref>
Dann war er nicht mehr,
Dann war er nicht mehr,
denn Gott nahm ihn.</poem>
denn Gott nahm ihn.</poem>

Version vom 29. Januar 2023, 08:32 Uhr

Dies ist eine individuell verantwortete Textfassung. Sie ist Teil der Offenen Bibel, stammt aber in dieser Version nicht vom Gesamt-Team.

Persönliche Fassung

6. Die neue Hoffnung

Auf die Genealogie in Gen 4,17-26 folgt eine weitere Genealogie, die nach den Nachfahren des Erdlings aus der Linie von Kauf seine Nachfahren aus der Linie von Sitz aufzählt. Sie reicht bis Ruh und seinen Söhnen, den Helden der gleich folgenden Flutgeschichte, und hat damit eine sehr nahe Parallele in der „sumerischen Königsliste“, einer mehrfach und unterschiedlich bezeugten Auflistung der sumerischen Könige, die vor der sumerischen Flut ebenfalls alle übermenschlich lange gelebt haben sollen. Doch die Aussageabsicht von Gen 5 ist eine sehr andere: Wie der vorangehende Abschnitt ist auch dieses Kapitel weniger als historisch akkurate Chronik zu verstehen (ohnehin variieren die Zahlen in den unterschiedlichen Textzeugen sehr stark) denn als narrative Theologie: Die Linie von Kauf, auf den an neunter Stelle Tubal-Kauf als „neuer Kauf“ folgt, steht nun gegen die Linie von Sitz, auf den an neunter Stelle Ruh als „neuer Sitz“ folgt (s.u.). Das wird umso klarer, wenn man die Namen der beiden Listen vergleicht. Unten sind die Namen, deren Bedeutungen (vielleicht) bedeutsam sind, übersetzt; hier zum besseren Vergleich in ihrer hebräischen Lautung:

Linie von Kauf
Linie von Sitz
Adam („Erdling“)
Qajn („Kauf“)
Schet („Sitz“)
Enosch („Mensch“)
Qenan („Stell“)
Hanok („Schlau“)
Mahalalel („Lobpreis Gottes“)
Irad („Städter“, eigentlich: „Wildesel“)
xxx×xxx
Jard („Rose“)
Mahujael (?)
Hanok („Schlau“)
Matuschael (?)
Matuschelach (?)
Lamek („Kraftprotz“)
Lamek („Kraftprotz“)
Jabal, Jubal, Tubal-Qajn
Nōḥ („Ruh“)


Hanok und Mahujael / Mahalalel haben in beiden Linien ihre Position getauscht; davon abgesehen sind die Entsprechungen aber sehr deutlich. In der Linie von Sitz wurde zunächst „die Uhr zurückgedreht“: Sitz hat Wertlos ersetzt (s. Gen 4,25), dieser hat Mensch als neuen Erdling gezeugt. Danach stehen Qajn gegen Qenan, Hanok gegen Hanok, Irad gegen Jard, Mahujael gegen Mahalalel, Matuschael gegen Matuschelach, Lamek gegen Lamek und am Ende die drei Lamekssöhne inkl. Tubal-Kauf gegen den Lamekssohn Ruh. Während der erste Lamek in seinem Ausspruch zum Ausdruck gebracht hat, wie sehr sich die Gewalttätigkeit der Qajns-Linie von Qajn bis zu seiner Generation gesteigert hat, prophezeit der zweite Lamek, dass sein Nachkomme dem Fluch Gottes über den Erdboden aus Gen 3,17 den Stachel nehmen wird (s. Gen 8,21, wo Gott diesen seinen Fluch zurücknimmt). Während es nach Qajn also immer schlimmer wird, wird es nach Schet nach und nach wieder besser. Schlau wird sogar der Tod erspart, womit auch Gottes Urteilsspruch über Adam teilweise schon zurückgenommen ist.
Auch darüber hinaus verweist Gen 5 vielfach auf die vorangehenden vier Kapitel zurück: Der Beginn von Vers 1 entspricht dem Beginn von Gen 2-3 (s. Gen 2,4), Verse 1b-2b entsprechen Gen 1,26-28 (s. Gen 1,26-28), die Verse 6-11 entsprechen dem Ende von Gen 4 (s. Gen 4,25f.). Der auffälligste dieser Rückbezüge ist neben der Prophezeiung von Lamek die Notiz in den Versen 3-5, Schet sei Erdlings „ähnliches Abbild“: Nachdem die Verse 1-2 noch einmal daran erinnert haben, dass der Erdling ursprünglich
Gottes „ähnliches Abbild“ war, wird auch hierüber noch einmal betont, dass die Linie von Schet unbetroffen ist von den Entartungen des Menschengeschlechts im Verlauf der Familiengeschichte von Qajn.


Himmelfahrt Schlaus. Buchmalerei, 12. Jhd. (c) British Library

1 Aufzählung der Nachkommen von Erdling

Als Gott den Erdling schuf,
machte er ihn Gott ähnlich,
2 schuf sie männlich und weiblich,
segnete sie
und nannte ihren Namen „Erdling“,
als er sie schuf.


3-5 Erdling: * 0 • † 930 (930 J.)

↓ (nebst weiteren Söhnen und Töchtern) als ihm ähnliches Abbild:

6-8 Sitz: * 130 • † 1042 (912 J.)

↓ (nebst weiteren Söhnen und Töchtern)

9-11 Mensch: * 235 • † 1140 (905 J.)

↓ (nebst weiteren Söhnen und Töchtern)

12-14 Stell: * 325 • † 1235 (910 J.)

↓ (nebst weiteren Söhnen und Töchtern)

15-17 Mahalalel: * 395 • † 1290 (895 J.)

↓ (nebst weiteren Söhnen und Töchtern)

18-20 Rose: * 460 • † 1422 (962 J.)

↓ (nebst weiteren Söhnen und Töchtern)

21.23 Schlau: * 622 – 987 (365 J.)

22.24 Ging mit Gott umher.a
Dann war er nicht mehr,
denn Gott nahm ihn.

↓ (nebst weiteren Söhnen und Töchtern)

25-27 Matuschelach: * 687 • † 1656 (969 J.)

↓ (nebst weiteren Söhnen und Töchtern)

28-31 Kraftprotz: * 874 • † 1651 (777 J.)

Nannte seinen Sohn „Ruh“,b da er sagte:
„Dieser wird uns trösten von unserem Tun
und von der Mühsal unserer Hände,
vom Erdboden, den JHWH verdammt hat.“

↓ (nebst weiteren Söhnen und Töchtern)

32 Ruh: * 1056

Name, Hitze und Raum: * ab 1556.


Gen 4,17-26 <= | => Gen 6,1-4
aging umher wie Gott in Gen 3,8 im Garten „umherging“ und wie in Gen 6,9 auch gleich Ruh „mit Gott umhergehen“ wird. In Mi 6,8; Mal 2,6 ist dies „mit Gott umhergehen“ ein Ausdruck für eine besonders gottgefällige Lebensweise. So verstehen den Ausdruck hier auch die meisten alten Kommentatoren. So kurz nach Gen 3 muss der Ausdruck in unserem Kontext jedoch so wirken, als habe Gott hier zwei Spazier-Kumpanen gefunden.
Dass danach auch nicht von Schlaus Tod die Rede ist, sondern davon, dass Gott ihn „genommen“ habe, heißt fast sicher, dass Gott ihn wie später Elija in 2 Kön 2 zu sich nahm, wo sie dann vielleicht immer noch miteinander umherspazieren (Jub 4,17-25 verortet ihn dann passenderweise auch in den Gottesgarten). So deuten neben dem Jubiläenbuch z.B. schon Sir 49,14; äthHen 70,1-4; Heb 11,5; 1 Clem 9,3; der Targum Jonathan („Er diente vor Gott in Wahrhaftigkeit und ... fuhr zum Himmel auf nach dem Wort Gottes und wurde dann ‚Metatron‘ genannt, ‚der große Schreiber‘“) und Ambrosius (Schlau „flog auf den Flügeln des Heiligen Geistes gen Himmel“, Isaak 8.77) und weitere.
Ähnliches wird im Frühjudentum außer von Schlau und Elija nur noch von Mose (JosAnt §326; Sifre Dtn §357; b.Sot 13b); Esra (4 Esra 14,9) und Baruch (Bar 13,3; 76,12) berichtet; im frühen Christentum außerdem von Philippus (Apg 8,39). Schlau ist also eine Ausnahmegestalt. Dennoch ist der Vers theologisch äußerst bedeutsam und theologisch noch zu wenig durchdacht: Wenn etwa die Zeugen Jehovas oder die römisch-katholische Kirche (KKK 389-390!) davon ausgehen, dass die Urgeschichte historische Realität gewesen sein muss, da es sonst Jesu Christi nicht bedurft habe, wird dabei übergangen, dass schon in der Urgeschichte selbst von einer Person berichtet wird, die in diesem Sinne „Jesu Christi nicht bedurft“ hat. Weish 4,7-19 verallgemeinert dann sogar den Sonderfall Schlau und weitet sein Geschick auf alle „Gerechten“ aus.
Im Judentum wurde der Vers Basis einer ganzen literarischen Gattung: es sind mehrere „Henoch-Bücher“ überliefert, die von Schlaus Worten und Visionen berichten. Das „erste Henoch-Buch“ z.B. gehört im äthiopischen Christentum sogar zum biblischen Kanon. (Zurück zu Lesefassung v.22.24)
bRuh - Hebräisch Nōḥ. Der Name bedeutet eigentlich „Ruhe, Ruheort“ und klingt damit gut zusammen mit Schet („Sitz“, „[Gott hat] gesetzt“) und Qenan („Stell“, „[Gott hat] hingestellt“) im Gegensatz zum wankenden und wandernden Qajn mit seinen beiden Nachkommen Jabal („er fließt / bringt“) und Jubal („er wird geschwemmt / gebracht“). Hier wird er aber so erklärt, als sei er abgeleitet vom Verb naḥam („trösten“), wie kurz zuvor ähnlich Qajn „falsch“ mit einer Volksetymologie von qanah („kaufen“) abgeleitet wurde. „Ruh“ ist mein Versuch, beides in Nōḥs Namen durchklingen zu lassen. (Zurück zu Lesefassung v.28-31)