Diskussion:Klagelieder 2

Aus Die Offene Bibel

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Checkliste für die Studienfassung Erläuterung (Welche Verse durch wen?)
A. Wer hat welche Verse aus dem Urtext übersetzt? Auf welche Quelle zur Einteilung in Sinnabschnitte wurde zurückgegriffen?
Beispiel: Vers 1–12: Anton
Einteilung nach Wolter 2007, S. 145 (Anton)

1-22: Jürgen

B. Wer hat welche Verse noch mal am Urtext überprüft?
Beispiel: Vv. 1-3: Philipp

1-22: Sebastian

C. Alternativen: Häufig können Wörter in einem bestimmten Kontext mehrere denkbare Bedeutungen haben. Sind diese Übersetzungsalternativen möglichst vollständig berücksichtigt?
Beispiel: Vv. 1-17: Daniel

1-22: Jürgen, Sebastian

D. Manchmal erlauben Textüberlieferung und Satzbau mehrere Übersetzungen,a oder sie sind nicht direkt übersetzbar.b Sind solche Zweifelsfälle mit einer Fußnote dokumentiert, und steht die wahrscheinlichste Deutung im Haupttext?
Beispiel: Vv. 1-12: teilweise (Emil)

1-22: Jürgen, Sebastian

E. Ist der Studienfassungstext mit Anmerkungen und Fußnoten für die Zielgruppen verstehbar? Braucht es noch erläuternde Fußnoten/Anmerkungen?
Beispiel: V. 6: „nach dem Fleisch“ ist noch unklar (Friedrich)

1-22 dürften verstehbar sein (Sebastian).

F. Für jeden Sinnabschnitt: Wurden zentralen Anliegen (bzw. Gattungen) unterhalb der Studienfassung dokumentiert? (Beispiel für Länge und Stil: Markus 1#Anliegen) Falls hilfreich, können sie hier kurz zusammengefasst eintragen werden.
Beispiel: Vv. 1-13: Ja; Vv. 14-20: Vollmacht wird betont (Vera)

G. Welche wissenschaftlichen Kommentare wurden zur Kontrolle der Punkte A bis F eingesehen?
Beispiel: Vv. 13-17: Bovon 1990 (Heinrich)

Berges 2002, Gordis 1979, Hillers 1972 (Sebastian), Kraus 1968 (Jürgen)

H. Mit welchen anderen Übersetzungen wurde verglichen, um alternative Deutungen oder ggfs. Urheberrechtsprobleme zu finden?
Beispiel: Vv. 1-17: , NeÜ (Juliett)

, GN, HfA, LUT, ZÜR (Sebastian)

I. Wann wurden die folgenden Punkte überprüft? - Rechtschreibung; Namen (Loccumer Richtlinien, Gottesname); übrige Kriterien; Detailregelungen; Anführungszeichen; geschlechtergerechte Sprache
Beispiel: Rechtschreibung: 1.1.2015 (Philipp)

J. Welche Arbeitsschritte, Verbesserungen oder Anmerkungen fehlen noch?
Beispiel: Vv. 1-17: Anmerkung fehlt (Ludwig)

Ich hoffe auf eine Antwort von Jürgen auf meine Anmerkungen zu Vv. 4.6.13, v.a. aber zu 18.22, wo ich mir recht sicher bin, dass die aktuellen Deutungen nicht optimal sind. Vor einer Antwort auf Vv. 18.22 würde ich persönlich das nicht hochsetzen. --Sebastian Walter (Diskussion) 15:28, 23. Dez. 2018 (CET)

az.B. mehrdeutige Tempora oder Präpositionen, Aspekte, manche Partizipien (Zurück zum Text: a)
bz.B. Textkorruption, figurae etymologicae, Genitiv- und Dativverbindungen, historisches Präsens, Einleitungsformeln von Satzfolge (Zurück zum Text: b)

In dieser Tabelle bitte knapp den aktuellen Stand eintragen. Auf der übrigen Diskussionsseite kann bei Bedarf ausführlicher dokumentiert/diskutiert werden. Siehe auch: Qualität



Hier dürfen Vorschläge, Rückfragen und andere Diskussionsbeiträge folgen:

LF[Bearbeiten]

SF[Bearbeiten]

V. 2[Bearbeiten]

Mir persönlich ist hier der Vorschlag von McDaniel 1968, S. 35f. und Hillers 1972, S. 36 sehr sympathisch, chillel mamlakah zu lesen als chillel mit enklitischem Mem, so dass mlkh „ihr König“ übrig bliebe: chillel-m mlkh = „hat ihren König und ihre Fürsten entweiht“. S. V. 9. --Sebastian Walter (Diskussion) 00:28, 22. Dez. 2018 (CET)

V. 3[Bearbeiten]

Ich war mal so frei, "Feuer, [dessen] Flamme" zu ändern nach "flammendes Feuer" (geprägte Wendung, s. Jes 4,5; Hos 7,6). Ok? --Sebastian Walter (Diskussion) 00:58, 22. Dez. 2018 (CET)

V. 4[Bearbeiten]

Die Emendation in V. 4 ist reine Konjektur. Ich war super überrascht, als ich gesehen habe, dass Hobbins da mitgeht; eigentlich macht man so was heute nicht mehr (CTAT und BHQ folgen in der Tat nicht mehr BHK und BHS).
Ich glaube, dass der Vers recht einfach zu lösen ist, indem man die Stichoi anders aufteilt:

darak qaschto (2)

ke´ojeb nitsab (2)

jemino ketsar (2)

wajjaharog kol machamade-`ajin (3) ...,

also

Er spannte seinen Bogen –

Feindgleich dastehend,

Seine Rechte gegnergleich –

Und mordete alle Lust des Auges dahin.

Zz b und c wären dabei beide Adverbialsätze zum Bogenspannen. Das habe ich so allerdings noch nirgends gesehen. Ich mag daran außerdem, dass das metrisch in Ordnung ist, aber die Länge der Z. d sich mit dem "alle Lust des Auges" erklären lässt und die drei zweischlägigen Zeilen darüber hinaus den vorbereitenden Charakter der Sätze unterstreichen, die sich dann in der vierten Zeile entladen. Was meinst du? --Sebastian Walter (Diskussion) 00:58, 22. Dez. 2018 (CET)

V 5[Bearbeiten]

"Traurigkeit und Trauer" finde ich nicht so gut, weil das Äußern von Schmerz (und nicht der Schmerz selbst) ja ein Leidmotiv (hihi) im Kapitel ist (Berges 2002 und ZÜR haben das aber auch so). Mir fällt nichts Gutes ein, um das Wortspiel auch auf dieser Ebene rüberzubringen. Am besten gefällt mir noch TUR „Weinen und Wehruf“ (besser vielleicht "Wehklage"). SLT hat "Klage und Wehklage", MEN "Seufzen und Geseufze", BRU "Klage und Klageschrei", TAF "Geächze und Ächzen", ELB "Seufzen und Stöhnen". --Sebastian Walter (Diskussion) 07:55, 22. Dez. 2018 (CET)

V 6[Bearbeiten]

FN zu chms - ist "aufdecken" von Kraus? TUR hat das auch: "entblößte". Das liegt meines Erachtens aber eher fern, da es hier ja sogar im Parallelismus mit "zerstören" steht. In Jer 18,22 steht das Wort gar nicht; Ijob 15,33 ist doch wohl zu übersetzen: "Man übt Gewalt wie an einem Weinstock an seinen unreifen Trauben", nämlich indem man sie vor der Zeit abschneidet, V. 32; vgl. Jes 18,5 (eine Parallele für dein Verständnis könnte man aber in Hos 2,14 sehen).
Ich würde daher meinen, dass im Hintergrund doch die Gartenhütte steht, die man sich vorübergehend für die Erntezeit errichtete und dann wieder abriss; s. Ijob 27,18 ("Er hat sein Haus gebaut wie eine Motte (Motte: Metapher für Vergänglichkeit) und wie eine Hütte, die ein Wächter macht." (der "Wächter" ist ein Gartenwächter wie in Hld 1,6; P.Anastasi I 24.2); SAHG 18: "Mein Haus, das ein guter Mann gebaut hat, hat man wie eine Gartenhütte abgerissen ... Wie ein Zelt, wie eine Hütte, die man am Ort der Ernte abgerissen hat, wie eine Hütte, die man am Ort der Ernte abgerissen hat, ist es Regen und Wind ausgesetzt." Daher HfA: "Der HERR hat seinen Tempel niedergerissen, als wäre er eine einfache Gartenhütte". Gram. wohl "wie [im] Garten", da das Heb. nicht gern zwei Präpositionen kombiniert (so Albrektson 1963, S. 95ff.; Berges 2002, S. 128). Vgl. NeÜ: "Wie eine Hütte im Garten zertrat er..."; so schon Ehrlich 1914, S. 36: "Der Sinn des Satzes ist: und er riss seine Hütte nieder wie eine blosse Gartenhütte."
Mag man da nicht mitgehen, kann man an Hld 2,15; Hos 2,14 denken; Gott wäre dann wie die "Füchse" oder die "wilden Tiere", die einen Garten verwüsten. --Sebastian Walter (Diskussion) 08:02, 22. Dez. 2018 (CET)

V 8[Bearbeiten]

gaben sie nach - ein häufiger Fehler. "Verwelken" ist klar nicht die Primärbed., sie passt auch nur gut bei Jes 16,8; 24,7 und Joel 1,10.12. Das Wort ist verwandt mit akk. ummulu "trübe/betrübt sein" und ar. malla "müde/verdrossen sein"; im Heb. wäre dann die Bed. 1) "schwach sein" und 2) "traurig sein". Jes 16,8; 24,7; Joel 1,10.12 zeigen klar, dass das "Vertrocknet-sein" gemeint sein kann, aber man sollte davon ausgehen, dass das nicht die eigentliche Wortbed. ist, sondern dass "schwach/traurig sein" figurativ auf das "Vertrocknete" angewandt wird, um damit das Vertrocknetsein auszudrücken (wie im Dt., wo man von einer verwelkten Pflanze auch sagen kann, sie "trauere" oder "lasse traurig die Blätter hängen"). Vgl. zur Bed. zunächst

  • Jes 19,8: "Die Fischer werden klagen, die Angler werden trauern, die Netzausbreiter ´umlalu werden traurig sein.";

von hier aus dann ("trauern" ist jeweils ´abal)

  • Jes 24,4: "Es trauert und verschmachtet die Erde, ´umlelah ist traurig und verendet die Welt (Doppelparallelismus), ´umlalu es sind traurig die Anhöhen der Erdenvölker."
  • Jes 33,9: "Es trauert, ´umlelah es ist traurig die Erde; es schämt sich der Libanon und stirbt ab."
  • Jer 14,2: "Es trauert Juda, seine Tore ´umlelu sind traurig, [sinken] klagend zu Boden."
  • Hos 4,3: "Darum trauert die Erde we´umlal und sind traurig alle, die darin wohnen

und von hier aus dann wiederum

  • Jes 16,8: "Denn die Felder Heschbons ´umlal sind traurig; der Weinstock von Sibma." (vgl. V. 7: "Darum werden die Moabiter um Moab weinen; alles wird weinen; um die Traubenkuchen von Qir-Chareschet werdet ihr klagen: 'Ach, sie sind dahin!'")
  • Jes 24,7 (vgl. V. 4 oben): "Es trauert der Most, ´umlelah es ist traurig der Weinstock, es seufzen alle, die sich im Herzen gefreut haben."
  • Joel 1,9-12: "Es klagen die Priester, die Diener des Herrn. / Verheert ist das Feld; es trauert der Acker, denn verheert ist das Korn, vertrocknet der Most, ´umlal es sind traurig die Oliven (Doppelparallelismus). / Enttäuscht sind die Bauern, es weinen die Winzer wegen Weizen und wegen Gerste, denn verdorben ist die Ernte. / Der Weinstock ist vertrocknet, der Feigenbaum ´umlalah ist traurig; Granatapfelbäume, Palmen und Apfelbäume - alle Bäume des Feldes - sind vertrocknet; denn vertrocknet ist den Menschenkindern die Freude."

Ebenso wie in Jer 14,2 "klagt" hier also der Wall und ist traurig die Mauer. Da bin ich sehr sicher. Ich war daher mal so frei, das nach "trauern" zu ändern, ok? --Sebastian Walter (Diskussion) 09:56, 22. Dez. 2018 (CET)

V 11[Bearbeiten]

verreckten - Wow - warum denn so ein starkes Wort? Ich bin nicht mal sicher, ob das Wort überhaupt "verschmachten" heißt (wie aber auch fast alle Üss. haben). Verwandt ist es mit ug. `tp "schwach sein". Als Bed.-entwicklung wird meist angenommen, dass es eigentlich zu `tp I ("bedecken") gehört, da auch im Arab. ġašiya "bedecken" und ġušiya "ohnmächtig werden" heißt, also wäre dann `tp = 1) bedecken, 2) ohnmächtig/schwach sein/werden (vgl. Gordis 1979: "when infant and suckling grow faint", Hillers 1972: "child and baby were faining").
Außer in Gen 30,42 und Kg 2,11f. sind stets Geist, Herz und Seele Subjekt, was die Bed. dann unklar macht; aber Gen 30,42 sind die `atufim die "schwachen Tiere". In Ps 107,5 ist das t`p der Seele Folge von Hunger und Durst wie hier. Ganz offensichtlich falsch ist in Klg 2,11 z.B. SLT "weil Kinder und Säuglinge auf den Gassen verschmachtet sind", da sie im nächsten Vers ja noch sprechen, entweder sind sie also am Verschmachten, wie du deutest, oder aber sie sind schwach vor Hunger. Jedenfalls scheint mir "Verrecken" hier zu stark. --Sebastian Walter (Diskussion) 11:41, 22. Dez. 2018 (CET)

V. 13[Bearbeiten]

Hier bin ich ins Grübeln gekommen. Ich glaube, die üblichen Üss. des zweiten und dritten Verbs passen hier nicht.
1) ´a`idek kommt von `ud (Hifil) - entweder von `ud I, "was soll ich dir bezeugen" oder von `ud II, "wie soll ich dir aufhelfen"?
2) ´adameh-lak ist dmh Piel. Piel wird in den neueren Lexika fast stets gedeutet als "jmdm vergleichen". Richtig aber erstens Hillers 1972, S. 45f.: "It is not clear just why finding a comparison for Zion would comfort her [...]."; zweitens scheint mir das falsch zu sein. Im Qal ist damah "gleich sein"; entsprechend müsste es im Piel nicht "vergleichen", sondern "gleich machen" heißen - und das ist wohl seine Bed. auch in Hld 1,9 (wo die Geliebte gezäumten Pferden gleich gemacht wird, indem ihr Schmuck angelegt wird), in Jes 40,18.25 (wo es unmöglich ist, den großen Gott bloß hergestellten Götzenfiguren gleichzumachen) und Jes 46,5 (dasselbe). Vgl. im Hitpael: "sich gleich machen". Zu Hld hat daher ZLH "gleich machen" statt "vergleichen", zu Jes 40,18.25 Fürst und König, und ich denke, das ist richtig; auch, weil die Präp. le mir eigentlich die Bed. "wen soll ich dir vergleichen" oder "wen soll ich dir gleichstellen" statt "wem soll ich dich vergleichen/gleichstellen" nahezulegen scheint. Hier wird das aber nicht gemeint sein, daher sollte man hier wohl eher die Sonderbed. "in Gleichnissen reden" wie in Hos 12,11 annehmen; gepaart mit der Deutung von ´a`idek nach `ud I: "Was soll ich dir bezeugen und welche Gleichnisse dir erzählen?".
3) ´aschweh-lak ist schwh Hifil. Auch hier heißt der Qal "gleich sein" und entsprechend müsste Hifil "gleich machen" bedeuten - und tut es auch in Jes 46,5 (II dmh Piel), ebenso wie im Piel (2Sam 22,34; Ps 18,34: Gott "macht meine Füße Gazellen gleich"; Jes 28,25: Man "macht Ackerboden gleich", d.h. ebnet ihn ein; Ps 131,2: Man "macht seine Seele gleich", d.h. ebnet sie ein, d.h. beschwichtigt sie.). Auch hier scheint mir aber die Präp. die Bed. nahezulegen: "wen soll ich dir gleichstellen", und wieder gilt Hillers: Was soll ein Vergleichen oder Gleichstellen denn für einen Trost bieten? - ich bin geneigt, hier eine Aussparung von nefesch anzunehmen, so dass entsprechend Ps 131,2 zu lesen wäre: "wie soll ich dich ausgleichen", d.h. "beschwichtigen", so dass dann die Bed der ersten vier Zeilen wäre:

Was kann ich dir bezeugen, welches Gleichnis dir erzählen,

Oh Tochter Jerusalem!?

Wie kann ich dich beschwichtigen, um dich zu trösten,

Jungfrau, Tochter Zion!?

Macht das Sinn? --Sebastian Walter (Diskussion) 13:09, 22. Dez. 2018 (CET)

V. 14[Bearbeiten]

ist vielleicht anders zu verstehen als üblich. "Trösten" ist im Alten Israel nicht das Gleiche wie bei uns heute. Es gibt grob gesagt drei Modi des Tröstens: (1) Das Teilnehmen an Klageriten, (2) das das zu Beklagende aufhebende Heilshandeln, (3) das Unterweisen. Alle drei Modi finden sich z.B. im Ijobbuch: In Ijob 2,11ff. kommen Ijobs Freunde und nehmen erst mal teil an seinen Klageriten (1), im Ijobdialog versuchen sie dann, ihn zu belehren (3), in Ijob 42,11 kommen schließlich Ijobs Familie und andere Freunde, die erstens an seinem Trauermahl teilnehmen (wieder 1, vgl. Jer 16,7f.) und ihm zweitens Geld und Schmuck geben, um seine neuerliche Armut auszugleichen (2).

Dieses Verständnis von Belehrung als "Trost" (=3) findet sich auch in Ps 119,52: Das Nachdenken über Gottes Verordnungen "tröstet" den Psalmisten (vgl. V. 48-51, wo ebenfalls davon die Rede ist, dass der Psalmist Gottes Gebote liebt, über sie nachsinnt und nicht von ihnen weicht, was ihm "ein Trost" ist). Ebenso in Ez 14,22f., wo die Tatsache, dass man erkennt, dass Gott "nicht ohne Ursache gehandelt hat", tröstet.
Klg 2,14 ganz ähnlich ist Sach 10,2: Die Propheten und Wahrsager erzählen nur Unsinn, daher "trösten sie mit Windhauch"; auch hier soll die Kundgabe von Wahrheiten eigentlich "Trost" sein. Von diesem Modus spricht klar auch V. 13, egal, wie man ihn übersetzt.

Vielleicht lässt sich der harte Anschluss mit dem Prophetenvers an die Aussage des nicht-Trösten-Könnens in V. 13 ja mit einem Wortspiel erklären: Primär haben die Propheten natürlich nicht Zions Verderbtheit "bloßgelegt", um so sein Geschick zu wenden. Aber gleichzeitig können auch diese Prophten genau wie in Sach 10,2 nicht trösten, weil sie "nur Unfug schauen", deshalb das Übel nicht "aufdecken", d.h. "erklären" können und also nur Trug und Verführung prophezeien; ähnlich, wie Ijob seinen Freunden vorwirft, nur Quatsch zu erzählen und deshalb schlechte Tröster zu sein (Ijob 16,2f.; 21,34)? --Sebastian Walter (Diskussion) 11:58, 18. Jan. 2019 (CET)

Vv. 17-19[Bearbeiten]

Die Aufforderung zum Klagen in V. 18 ist ja sehr auffällig. Welcher Sprecher sollte denn Jerusalem zum Klagen auffordern? Ich denke, Vv. 18-19 sind ein Zitat JHWHs, das in V. 17 eingeleitet wird; s. die nahe Parallele in Jer 14,31; 49,3; auch Jes 23,1-6. Oder aber dies:
Vv. 16.17 liegen in LXXL und Syr in einer anderen Reihenfolge (`Ajin - Pe wie in Klg 1) vor als in MT, LXX, Vul und Tg (Pe - `Ajin wie in Klg 3-4; Ps 9-10). Letzteres könnte aber gut eine Anpassung an die Buchstabenreihenfolge von Klg 3-4 sein. Wenn wir von der Reihenfolge in LXXL und Syr ausgehen, würden 18f. das in 16 (d.h. dann 17) begonnene Zitat der Gegner fortführen:

16: Getan hat JHWH, was er ersonnen, / Erfüllt hat er sein Wort,
Das er gegeben hat seit den Tagen der Urzeit: Er riss ein und hatte kein Mitleid.
Und er ließ sich freuen über dich den Feind, / hat erhöht das Horn deiner Bedränger.
17: Es reißen ihr Maul auf über dich / Alle deine Feinde;
Sie zischen und knirschen mit ihren Zähnen, / Sie sagen: "Wir haben verschlungen!
Ja!, dies ist der Tag, auf den wir hofften, / wir haben erreicht, gesehen!
18 Schrei von Herzen zum Herrn, / du Stadtmauer der Tochter Zion,
Lass herabfließen wie einen Bach die Tränen / Tag und Nacht ...
19 ... Erhebe zu ihm deine Hände / für das Leben deiner Kinder,
Die vor Hunger schmachten / an jeder Straßenecke!" [Nun ändert sich die Stimmung wieder:]
20 Sieh, JHWH, und schau doch, / wem du solches getan hast! ...

Zu 18 vgl. 8ef.11a; zu 19 12c-f - JHWHs Wort ist also wirklich in Erfüllung gegangen.

Man könnte sogar noch weiter gehen und Vv. 9-22 insgesamt für eine Rede der klagenden Mauer halten, die über den Untergang Jerusalems trauert und in die das Zitat der Feinde eingebaut ist (dass diese Sprecherin in Vv 20-22 ist, ist ja wg. V 19 ziemlich sicher). Sie fängt naheliegend an mit der Vernichtung von Toren und Riegeln Jerusalems (9ab), klagt dann über die Bewohner (9c-10), spricht dann tatsächlich über ihre Trauer (11a); nach 11bc sind ihre "Eingeweide" aufgewühlt, wobei diese dann gleichzeitig eine Metapher für die auf den Stadtplätzen verschmachtenden Kinder und Säuglinge in 11e-12 wären. Ich denke auch, nur einem solchen Sprecher könnte man es zutrauen, derart wie in V. 14 über die "Lügenpropheten" herzuziehen. --Sebastian Walter (Diskussion) 15:41, 22. Dez. 2018 (CET)

V. 18[Bearbeiten]

Ihr Herz schrie zum Herrn: Die Schwierigkeit ist halt, dass in den vorangehenden 3 Versen das einzige Antezedens, auf das sich das "ihr" beziehen könnte, die Feinde sind. CTAT II 88, BHQ und Berges 2002, S. 129 glauben daher, das sei ein proleptisches Summarium ("sommaire anticipé"; zu proleptischen Summarien vgl. bes. Koenen 1997), bei dem sich das ihr vorbeziehen würde auf Bezugsworte in Vv. 18-22. Das funktioniert aber auch nicht, weil derjenige, der nach Vv. 18f. "schreien" soll, kein Pluralsubjekt ist, sondern wieder die Mauer. Die meisten emendieren daher, und ich denke eigentlich auch, dass das hier nötig ist. Am besten finde ich den Vorschlag von Hillers 1972, S. 40: ș`q ist defektiv für șa`aqi ("schrei", Imp. 2. Pers. Fem. Sg.), lbm ist lb + enklitisches Mem; also "schreie [von] Herzen zum Herrn" (ähnlich z.B. Collins 1971, S. 34; Watson 1989, S. 403f.). Vgl. zu "von Herzen" v.a. Jes 59,13; Ijob 8,10; auch Klg 3,33.
Daneben habe ich gesammelt:

  • șa`aqi millibeka, "schreie aus deinem Herzen": McDaniel 1968
  • șa`aqi lak, "schrei {dich}": Budde, Haller, Nötscher, WEiser, BHK
  • șa`aqi lak male: Rudolph, Kraus, BHS
  • șa`aqi `alehem: Ehrlich
  • șaqi libeka: Gordis
  • șa`i libbek: Perles --Sebastian Walter (Diskussion) 12:36, 23. Dez. 2018 (CET)

V. 22[Bearbeiten]

Ja, also, was in den Kommentaren und Üss. bei meguraj los ist, verstehe ich nicht. Man hält heute i.d.R. für eine Kontraktion von megoreraj, Polel Part. von gur. Und dies wird dann von (fast?) allen mit gur II („attackieren“) oder gur III („fürchten“) verbunden, also entweder „meine Angreifer“ oder „meine Schrecknisse“.
Ich denke, es ist doch eigentlich ganz klar, was hier gemeint ist. Folgt man der Analyse der Wortform, ist zu verbinden mit gur I „fremd sein, Gast sein“; gemeint sind die Pilger, die an Festtagen nach Jerusalem pilgerten (s. Dtn 16,16) und dort in Gast- und Privathäusern als Gäste weilten (s. Ex 12,48; Num 9,14; s. das Gasthaus Jesu). Hier kommt genau die selbe bittere Ironie wie in V. 7 zur Anwendung: Wie dort die Entsetzensschreie im Tempel beschrieben werden als "Lärmen wie an einem Festtag", so sind hier die Eroberer „Gäste“, also Pilger „wie an einem Festtag“. Die singuläre Wortform wird wieder wegen einem Wortspiel verwendet, da es sehr an das magor misabib ("Schrecken ringsum") in Jer 6,25; 20,3.10; 46,5; 49,29; Ps 31,14 erinnert (s. Gordis).
Übrigens ist es nach dieser Deutung gar nicht notwendig, eine so komplizierte Wortform anzunehmen (keines der drei gur gibt es im Piel oder gar im Poel): meguraj kommt von magor "Wohnung", "Nachbarschaft" und steht wie in Sir 16,8 und im Aramäischen und Mittelhebräischen als Abstraktum für die Nachbarn (Sir 16,8: "Er hat die Nachbarn Lots nicht verschont"), die JHWH "aus der Umgebung" zusammenruft. Ich vermute, das ist auch das, was Gordis 1979 meint; seine Kommentierung ist hier leider sehr knapp. Warum sich dem niemand angeschlossen hat, ist mir völlig schleierhaft. --Sebastian Walter (Diskussion) 13:37, 23. Dez. 2018 (CET)

zitierte Literatur[Bearbeiten]

  • del Olmo Lete, G. (1994): Algunos pares ugarítico-hebreos preteridos, in: AuOr 2. S. 11-22.