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Lesefassung (Klagelieder 2)
(kommt später)Studienfassung (Klagelieder 2)
1 Wie umwölkt (verachtet)〈a〉 in seinem Zorn
Der Herr die Tochter Zion,〈b〉
Warf aus dem Himmel [auf die] Erde
Die Herrlichkeit (den Ruhm, die Schönheit) Israels〈c〉
Und gedachte nicht [mehr] des Schemels seiner Füße〈d〉
Am Tag seines Zorns.
2 Vernichtet (verschlungen) hat der Herr und nicht verschont
Alle Weiden (Wohnungen)〈e〉 Jakobs,〈f〉
Zerstört (zertrümmert, niedergerissen) hat er in seinem Ärger
die Festungen (befestigten Städte) der Tochter Juda,〈b〉
Warf zu Boden, entweihte
Königtum(-reich) und seine Fürsten (Beamten, Kommandanten).
3 Abgehauen hat er in der Hitze seines Zorns
Jedes Horn〈g〉 Israels,
Zog zurück seine Rechte
Vor dem Feind〈h〉
Und er brannte (wütete) in Jakob wie ein flammendes Feuer,
[Das] rundherum fraß.
4 Er spannte seinen Bogen wie ein Feind
[Ein] Pfeil [war] in seiner Rechten〈i〉
Und wie ein Gegner tötete er〈j〉
[Seine] ganze Augenweide.〈k〉
Im (ins) Zelt der Tochter Zion〈l〉
Goss er seinen Grimm aus wie Feuer.
5 Der Herr ist wie ein Feind geworden,
Hat Israel vernichtet (verschlungen),
Hat all ihre〈m〉 Paläste vernichtet (verschlungen)
Hat seine Festungen (befestigten Städte) zerstört
Hat in der Tochter Juda〈b〉 vermehrt
Traurigkeit und Trauer.
6 Er hat seine Hütte〈n〉 wie einen Weinstock (Garten)〈o〉 preisgegeben (zerstört),〈p〉
Seinen Festort zerstört,
In Vergessenheit geraten ließ〈q〉 JHWH in Zion
Fest〈r〉 und Sabbat,
Und verwarf (verabscheute, verachtete) im Zorn seiner Nase〈s〉
König und Priester.
7 Verstoßen (verworfen) hat der Herr seinen Altar,〈t〉
Entweiht (zerbrochen) sein Heiligtum.
Ausgeliefert hat er in die Hand (Gewalt) des Feindes
Die Mauern ihrer〈u〉 Paläste.
Man lärmte〈v〉 im Haus JHWHs
Wie an einem Festtag.〈w〉
8 JHWH plante (ersann) niederzureißen (zu verwüsten)
Die Mauer der Tochter Zion;
Er spannte eine Messschnur〈x〉 (hatte geplant),
Hat seine Hand nicht zurückgezogen vom Vernichten (Verschlingen),
Ließ trauern〈y〉 Wall〈z〉 und Mauer,
zusammen waren sie traurig.〈aa〉
9 Niedergesunken auf die Erde sind ihre〈u〉 Tore〈ab〉
Vernichtet und zerbrochen hat er ihre Riegel,
Ihr König und ihre Fürsten (Beamten, Kommandanten) [leben] unter Heidenvölkern,
Es gibt keine Weisung,〈ac〉
Auch ihre Propheten bekommen (finden)
Keine Offenbarung (Vision) von JHWH.
10 Auf der Erde müssen sitzen,〈ad〉 es müssen schweigen
Die Ältesten〈ae〉 der Tochter Zion,〈b〉
Sie haben Staub auf ihr Haupt gestreut,
Sich [mit] Sackleinen gegürtet;
Auf die Erde ließen ihr Haupt sinken
Die Jungfrauen Jerusalems.
11 Meine Augen sind vor Tränen verschmachtet (erschöpft),
Mein Inneres (meine Eingeweide) ist aufgewühlt (gärt, schäumt).
Ausgeschüttet auf die Erde ist meine Leber〈af〉 (mein Leben),
Wegen des Untergangs der Tochter meines Volkes,〈b〉
Als Kind und Säugling verreckten
Auf den Plätzen der Stadt.
12 Sie fragten ihre Mütter:
„Wo [sind] Getreide und Wein?“,〈ag〉
Als sie verreckten wie Durchbohrte (Verwundete)
Auf den Plätzen der Stadt,
Als sich ihr Leben (ihre Seele) ergoss
In den Schoß ihrer Mütter.
13 Was soll ich dir (als Trost) bezeugen,
was mit dir〈ah〉 vergleichen, Tochter Jerusalem?
Was kann ich dir gleichstellen
um dich zu trösten, Jungfrau, Tochter Zion?
Denn groß (endlos) wie das Meer [ist] dein Untergang (Zusammenbruch):〈ai〉
Wer könnte dich heilen?
14 Deine Propheten prophezeiten für dich
[Nur] Lüge (Nichtiges) und Tünche (Ungesalzenes/Fades),
Und deckten nicht auf deine Schuld〈aj〉 (Missetat),
Um abzuwenden dein Schicksal (deine Gefangenschaft).〈ak〉
Sie prophezeiten für dich Orakel (Sprüche)〈al〉
[Aus] Lüge (Nichtigem) und Verführungen (Krankheiten).
15 Es klatschen〈am〉 über dich [in] die Hände
Alle, die des Weges ziehen,
Sie zischen (pfeifen) und schütteln ihren Kopf
Über die Tochter Jerusalem:〈b〉
„Ist dies die Stadt, die man nennt
‚Vollkommene Schönheit‘, ‚Freude der ganzen Erde (für die ganze Erde)‘?“〈an〉
16 Es reißen ihr Maul (ihren Mund) auf über dich〈ao〉
Alle deine Feinde;
Sie zischen (pfeifen) und knirschen [mit ihren] Zähnen,
Sie sagen: „Wir haben [sie] verschlungen;
Ja!, dies ist der Tag, auf den wir hofften,
Wir haben erreicht, gesehen!“〈ap〉
17 Getan hat JHWH, was er ersonnen,
Erfüllt hat er sein Wort,
Das er gegeben (was er angeordnet) hat seit den Tagen der Urzeit:
Er riss ([es]) ein und hatte kein Mitleid.〈aq〉
Und er ließ sich freuen über dich den Feind,
hat erhöht das Horn〈ar〉 deiner Bedränger.
18 Ihr〈as〉 Herz schreit (schrie) zum Herrn.
[Du] Stadtmauer der Tochter Zion,〈at〉
Lass herabfließen wie einen Bach die Tränen
Tag und Nacht!
Gönne (gib) dir keine Ruhe (Aufhören),
Nicht versiege (höre auf) dein Augapfel!〈au〉
19 Auf, klage in der Nacht
Zu Beginn der Nachtwachen!〈av〉
Gieße dein Herz aus wie Wasser
Vor dem Angesicht des Herrn!
Erhebe zu ihm deine Hände
Für das Leben deiner Kinder,
Die vor Hunger schmachten
An jeder Straßenecke!〈aw〉
20 Sieh, JHWH, und schau doch,
Wem du solches angetan hast!
Sollen Frauen ihre [Leibes]frucht essen,
Die Kinder, die sie hegen?〈ax〉
Sollen im Heiligtum des Herrn getötet werden
Priester und Prophet?
21 Auf die Erde in den Straßen legten sich〈ay〉
Kind und Greis;
Meine jungen Frauen und Männer〈az〉
Fielen durch das Schwert.
Du hast getötet am Tag deines Zorns,
Du hast abgeschlachtet, nicht geschont.
22 Du wolltest ausrufen wie einen Festtag
Meine Fremdlingschaft ringsumher,〈ba〉
Und es gab am Tag des Zorns JHWHs keinen
Entronnenen und Entkommenen;
Die ich gehegt und großgezogen habe –
Mein Feind hat sie vernichtet.
Anmerkungen
a | umwölkt - wie Gott ähnlich in Klg 3,43f sich als Zeichen seines Zorns mit Wolken umgibt und in Ez 32,7f. aus dem selben Grund nicht nur der Himmel bewölkt wird, sondern auch die Erde. tFN: verachtet nach einigen Exegeten (z.B. McDaniel 1968, S. 35; Hillers 1972, S. 35), die etwas gewagt neben ta`ab („verachten“) ein weiteres Verb wa`ab mit der Bed. „verachten“ ansetzen. (Zurück zu v.1) |
b | Tochter Zion, Tochter Juda, Tochter meines Volkes, Tochter Jerusalem - Mit der „Tochter Zion“ ist ebenso wie mit der „Tochter Jerusalem“ Jerusalem gemeint („Zion“ ist der Name des Berges in Jerusalem, auf dem der Tempel Gottes gebaut war), mit der „Tochter Juda“ ebenso wie mit der „Tochter meines Volkes“ Israel, von dem zur Zeit vor dem Exil schon nur noch der Südstaat Juda selbstständig war. Die häufige Nennung der „Tochter“ soll hier sicher die enge Beziehung Jerusalems und Israels zu Gott, ihrem Vater, unterstreichen: Gott hat sein eigenes Kind vernichtet. (Zurück zu v.1 / zu v.2 / zu v.5 / zu v.10 / zu v.11 / zu v.15) |
c | Israel - Heb. jißra´el, „Gott herrscht“ (Rechenmacher 2012, §385). Dass hier gerade von Israel (und im nächsten Vers von „Jakob“) die Rede ist, verstärkt noch die Tragik der Geschehnisse: JHWH vernichtet sein eigenes Reich. (Zurück zu v.1) |
d | Schemel seiner Füße - gemeint ist der Tempel in Jerusalem; s. ähnlich Ps 132,7; Jes 60,13f.: JHWH thront im Himmel, seine Füße ruhen aber auf der Erde (Jes 66,1), und zwar speziell auf dem Jerusalemer Tempel. JHWH hat seinen eigenen Schemel zerstört. (Zurück zu v.1) |
e | Weiden - angespielt wird auf die Vorstellung von Gott als dem Hirten seiner Herde Israel (s. Ps 79,13; 80,1; Ez 34,11f. u.ö.). Ganz im Gegensatz zu einem guten Hirten geht er hier mit der Zerstörung der „Weiden“, mit denen natürlich die Wohnungen der Israeliten gemeint sind, sogar gegen seine Herde vor. (Zurück zu v.2) |
f | Jakobs - Einer der Patriarchen, dessen Geschichte ab Gen 25 erzählt wird. Weil er einer der Stammväter Israels war, ist „Jakob“ ein häufiger Wechselbegriff für Israel selbst. Hier schwingt in der Verwendung des Namens eine besondere Tragik mit: „Jakob“, zu Heb. ja`aqob, bedeutet wörtlich „JHWH schützt“ – doch gerade dies tut JHWH hier nicht. (Zurück zu v.2) |
g | Horn - häufige Metapher für die Kraft eines Menschen oder einer Institution. Ist Gott daher jemandem zugetan, lässt er „dessen Horn wachsen“ (z.B. Ps 132,17); wer dagegen nicht in Gottes Gunst steht, darf es nicht wagen, „sein Horn zu erheben“ (zB. Ps 75,5f.). Hier schlägt JHWH das Horn gar kurzerhand ab. Sinnvoll HfA: „Der Herr hat Israel aller Macht beraubt“; LUT: „Er hat alle Macht Israels in seinem grimmigen Zorn zerbrochen.“ (Zurück zu v.3) |
h | D.h., schritt doch nicht ein, als dieser Israel angriff. (Zurück zu v.3) |
i | Textkritik ― Der masoretische Text ist unverständlich (gegen Kraus, der die Inkongruenz der Genera nicht beachtet): stehend (Mask.) seine Rechte (Fem.). Die Übersetzung folgt dem Vorschlag von BHS, Hobbins 2009, S. 24 u.a. (Zurück zu v.4) |
j | Textkritik: Der masoretische Text überliefert: wie ein Gegner und er tötete. Die Übersetzung folgt dem Vorschlag der BHK. (Zurück zu v.4) |
k | ganze Augenweide - wörtl.: alle Lust [des] Auges = die Bewohner Jerusalems bzw. Judas. (Zurück zu v.4) |
l | Zelt der Tochter Zion bezeichnet Jerusalem (Zurück zu v.4) |
m | ihre bezieht sich zurück auf die „Tochter Zion“ in 4c, „seine“ in der nächsten Zeile auf „Israel“ in 5b – ein semitisches Stilmittel namens T-Shift. (Zurück zu v.5) |
n | Hütte ― Wie aus 6b hervorgeht (Festort) ist mit Hütte der Tempel gemeint. (Zurück zu v.6) |
o | wie einen Weinstock (Garten) ― So LXX. Der masoretische Text überliefert wie den Garten (d.h. „wie einen Garten“; Vergleiche haben im Heb. anders als im Dt. häufig Artikel, s. z.B. Ps 33,7; 104,6; Hld 6,5; Klg 2,19). Der LXX hat ein leicht veränderter Text - גפן (géfen) statt גן (gan) - vorgelegen. Zum Bild des Weinstocks vgl. Ps 80,9-17. (Zurück zu v.6) |
p | preisgeben (zerstört) ― חמס (ḥāmas) wird meist mit Gewalt antun übersetzt. Stellen wie Hi 15,33; Jer 18,22 - parallel zu גלה (gāla = aufdecken) - und die Übersetzung der LXX mit διαπεταννύναι (ausbreiten, öffnen) legen jedoch entblößen, des Schutzes berauben als Grundbedeutung nahe. Die Zerstörung des Tempels würde dann mit dem Einreißen der Mauer eines Weingartens verglichen. (Zurück zu v.6) |
q | zerstört, in Vergessenheit geraten ließ - Klangspiel: schichet - schikach. (Zurück zu v.6) |
r | Fest - Wortspiel im Heb.: Antanaklasis. In 6b und 6d steht zweimal das selbe Wort mo`ed, wird einmal aber mit der Bed. „Festort“ und einmal mit der Bed. „Fest“ verwendet. (Zurück zu v.6) |
s | Zorn seiner Nase - d.h. „in seinem Zorn“. Im heb. Sprachgebrauch wird der Zorn häufig an der (schnaubenden) Nase festgemacht; s. ähnlich z.B. Ps 69,24; 78,49; Nah 1,6. (Zurück zu v.6) |
t | Der Altar steht als pars pro toto für den gesamten Tempel. (Zurück zu v.7) |
u | d.i. Zions (Zurück zu v.7 / zu v.9) |
v | wörtl. sie ließen ihre Stimme erschallen (Zurück zu v.7) |
w | In bitterer Ironie vergleicht der Dichter das Kriegsgeschrei bzw. die Angstrufe bei der Eroberung des Tempels mit den Festtagslärm früherer Tage. (Zurück zu v.7) |
x | Messschnur spannen ist Synonym zu ersinnen, planen in 8a. Wie ein Architekt planvoll beim Bau eines Gebäudes vorgeht, macht sich JHWH hier sorgfältig einen Bauplan seiner Vernichtung. (Zurück zu v.8) |
y | Nämlich um ihre Mannschaften, die getötet worden sind. (Zurück zu v.8) |
z | Wall ― Gemeint ist die Mauer vor der eigentlichen Stadtmauer. Andere übersetzen Heer in der Annahme, dass es sich bei חֵל (ḥēl) um eine orthographische Variante zu חֵיל (ḥêl = Heer) handelt (Zurück zu v.8) |
aa | waren sie traurig ― wie in Jer 14,2 neben dem trauernden Juda auch die Mauern „traurig sein“ und „klagend zu Boden sinken“ können, in Jes 3,26 die Tore „klagen, trauern und auf die Erde setzen“ können oder in Lk 19,40 Steine schreien können. (Zurück zu v.8) |
ab | Nämlich vor Trauer, was die sehr nahen Parallelstellen Jes 3,26; Jer 14,2 und die enge Verbindung zum folgenden Vers sehr wahrscheinlich machen. (Zurück zu v.9) |
ac | Weisung - heb. torah, zentraler theologischer Begriff für die Gebote Gottes, wie sie in den ersten fünf Büchern der Bibel gesammelt sind. Der Satz spezifiziert zunächst wohl 9c: Ihr König und ihre Fürsten sind unter Heidenvölkern, wo die Torah nicht gilt. Dann aber gilt der Satz auch absolut: Es gibt keine Weisung von Gott mehr (9d) und die Propheten Israels empfangen keine Kunde mehr von ihm (9ef). Israel ist von Gott verlassen. (Zurück zu v.9) |
ad | Schweigend auf der Erde sitzen war ein Zeichen von Trauer und der Klage (vgl. Jes 29,4), ebenso wie das Bestreuen des Kopfes mit Staub oder Asche und das Kleiden mit Sackleinen. S. näher Trauer (AT) (WiBiLex). (Zurück zu v.10) |
ae | Die Ältesten waren eine soziale Institution in Israel, die u.a. verantwortlich waren für die Rechtsprechung, die auf den Stadtplätzen am Stadttor stattfand, daher einerseits ihre Nennung direkt nach den Königen, Fürsten und Propheten, andererseits ihre Parallelisierung mit den Stadttoren in V. 9 und schließlich die Betonung ihrer schweigenden Trauer im Gegensatz zu ihrer eigentlichen Aufgabe als Rechtssprecher. (Zurück zu v.10) |
af | Das „Ausschütten“ innerer Organe ist in der hebräischen Bibel ein Ausdruck dafür, dass jmd tödlich getroffen ist (vgl. Ijob 16,13; ähnlich 2 Sam 20,10; zu einem ähnlichen Bild s. Ps 22,15). Hier ist das ausgeschüttete Organ anders als in Ijob 16,13 nicht die Galle, sondern die Leber - in der heb. Anthropologie also dasjenige Organ, mit dem der Mensch Emotionen empfindet (vgl. Wolff 1973, S. 104; s. noch Ps 16,9; 30,13; 57,9; 108,2, wo wahrscheinlich jeweils „Leber“ zu lesen ist). Der Sprecher ist zu Tode verzweifelt. (Zurück zu v.11) |
ag | Getreide und Wein - Warum hier Kind und Säugling gerade nach „Getreide und Wein“ fragen, ist schwer verständlich (da Getreide anders als Brot noch nicht gut essbar ist und Wein anders als Milch oder Wasser sicher nicht zu den Grundnahrungsmitteln von Säuglingen gehört). Anders als die sehr häufigen Wortpaare „Getreide und Most“ oder „Getreide, Most und Öl“ und „Brot und Wein“ findet sich das Wortpaar „Getreide und Wein“ sonst nicht mehr in der Bibel; ebenso wenig im Ugaritischen (vgl. del Olmo Lete 1994, S. 14), wo häufig die selben Formeln verbreitet waren wie im Heb. (vgl. Watson 1986, S. 138f.). Vielleicht sollen hier die beiden Wortpaare „Getreide und Most“ und „Brot und Wein“ vermischt werden, um die Abwesenheit jeglicher Nahrungsmittel auszudrücken? (Zurück zu v.12) |
ah | D.h. mit deinem Untergang. (Zurück zu v.13) |
ai | Untergang - Talchin: „Untergang“ ist im Heb. šbr und gleicht damit sehr dem Wort mšbr („Woge, Welle“), das gut zum „Meer“ passt (so gut Gordis 1979, S. 164f.). (Zurück zu v.13) |
aj | W.: „sie deckten nicht auf über deiner Schuld“, nämlich die verbergende Hülle, die es aufzudecken galt. (Zurück zu v.14) |
ak | Textkritik: Schicksal (Gefangenschaft) - urspr. sicher šbt, was sich entweder als šebit ableiten ließe von šbh („gefangen wegführen, deportieren“, also „Gefangenschaft, Exil“) oder als šebut von šub („wenden“, also „Wendung, Schicksal“). Wie noch an 11 anderen Stellen in der Bibel sind hier im heb. Text beide Varianten gleichzeitig überliefert; was gemeint ist, ist ganz unsicher. LXX leitet hier ab von šbh, Vul und Tg von šub und Syr mit einer Doppelübersetzung von beiden Verben: „so dass ich wende deine Gefangenschaft“. Die meisten Üss. haben „Schicksal“; auch LUT und ZÜR, die in älteren Ausgaben noch als „Gefangenschaft“ deuteten, wählen mittlerweile diese Variante. (Zurück zu v.14) |
al | Orakel - Heb. maß´et, terminus technicus für Unheilsprophetien. Doch gerade diese haben Israels Lügenpropheten nicht prophezeit. (Zurück zu v.14) |
am | klatschen - beides Ausdrücke feindseliger Schadenfreude; s. Num 24,10; Ijob 27,23. (Zurück zu v.15) |
an | 15f ist überlang; sicher, um auch auf metrischer Ebene die außerordentliche Schönheit Jerusalems auszudrücken. (Zurück zu v.15) |
ao | Maul aufreißen - Vgl. ganz ähnlich Ps 22,14; Ps 35,16f.: Wie in Ijob 16,9f. (vgl. auch Ps 17,11f.) werden die Gegner hier geschildert wie reißende Raubtiere, die drohend ihr Maul öffnen, die Zähne zeigen und am Ende gar verkünden, Jerusalem aufgefressen zu haben. (Zurück zu v.16) |
ap | Wir haben erreicht, gesehen - im Heb. nur zwei Worte: matsa´nu ra´inu. Gemeint ist wohl: „Wir haben unser Ziel erreicht und haben das Erhoffte endlich eintreffen sehen“ - beide Male nämlich die Zerstörung Jerusalems. „Erreicht“ bezieht sich dann zurück auf 16d, „gesehen“ auf 16e. Man könnte geradezu übersetzen: „Geschafft! Geschehen!“ (Zurück zu v.16) |
aq | das er gegeben (was er angeordnet) hat: ... Er riss ([es]) ein - Gordis 1979, S. 166 bezieht das „gegeben“ auf den Tempel und nicht auf das Wort. Dann lautet die Übersetzung: „Was er angeordnet hat ..., das riss er ein ...“ (Zurück zu v.17) |
ar | Horn: ein bildhafter Ausdruck für Macht (Zurück zu v.17) |
as | ihr - im Heb. Plural; gemeint sind die Bewohner Jerusalems. (Zurück zu v.18) |
at | Ihr Herz schreit ... Stadtmauer ...: So der masoretische Text. Zahlreiche Übersetzungen und Kommentatoren halten diese Überlieferung von Vers 18a für korrupt. Unter den verschiedenen Verbesserungsvorschlägen hat die Änderung von צָעַק (schreit/schrie) in צַעֲקִי (schrei!) und die Tilgung von חוֹמַת (Mauer) Eingang in viele Übersetzungen gefunden. Neuere Übersetzungen (z.B. EÜ 16 anders als EÜ 80, ZÜR 07 anders als ZÜR 31) folgen wieder dem masoretischen Text. (Zurück zu v.18) |
au | Augapfel - W. „die Tochter deines Auges“. (Zurück zu v.18) |
av | Die Nacht ist in der Bibel recht häufig die Zeit, in der üblicherweise geweint und geklagt wird. Der „Beginn der Nachtwachen“, also 18:00 Uhr, soll wohl ausdrücken, dass wirklich die ganze Nacht hindurch geweint werden soll. (Zurück zu v.19) |
aw | Textkritik: Auffälligerweise hat Vers 19 vier statt drei Doppelzeilen. Es ist recht wahrscheinlich, dass die vierte später hinzugefügt wurde; da sie aber in allen Handschriften und Versionen belegt ist, wäre es textkritisch unverantwortlich, sie zu tilgen (BHQ: „The 'addition' belongs to the development of the text prior to the state that can be reached by texutal criticism.“). (Zurück zu v.19) |
ax | hegen - heb. tafach; unsicheres Wort; wahrscheinlich nur in Klg 2,20.22 in der Bibel. In V. 20 bezeichnet es etwas, dass Mütter an ihren Kindern tun, in V. 22 ist es parallel zu rbh („großziehen“). Ges18, S. 427 schlägt daher „hegen, pflegen“ vor; so z.B. EÜ: „die sorgsam gehegten Kinder“; so auch die meisten Üss.. Andere verbinden mit dem sehr ähnlichen Wort tefach („Handbreite“) und übersetzen daher mit „Kinder, die man auf Händen trägt“ (z.B. ELB, LUT). ZÜRs „gesund geborene Kinder“ ist wohl zu erklären mit arab tafacha, das nach einigen auch „voll entwickelte Kinder gebären“ bedeuten kann. Das seltene Wort wurde sicher gewählt, weil es ähnlich klingt wie tabach („abschlachten“), das in V. 21 verwendet wird (=> Talchin). (Zurück zu v.20) |
ay | legten sich - wohl nicht: „lagen“ (so die meisten Üss.). Das Verb schakab bedeutet überwiegend „sich hinlegen“ statt „liegen“, die Präp. le bezeichnet die „Erde“ als Richtung einer Bewegung statt als Ort einer Handlung aus. Kind und Greis legen sich von selbst hin (aus Schwäche; sicher auch, um zu sterben); die jungen Frauen und jungen Männer dagegen „werden hingelegt“: Sie „fallen durch das Schwert“. (Zurück zu v.21) |
az | junge Frauen ... junge Männer - Im Hebräischen sind damit noch nicht Verheiratete gemeint. (Zurück zu v.21) |
ba | Diese Übersetzung ist der Versuch den masoretischen Text von Vers 22a ohne Eingriffe und Sonderbedeutungen folgendermaßen zu verstehen: Gott hat öffentlich beschlossen, dass die Einwohner Jerusalems in der eigenen Stadt und ringumher Fremdlinge sein sollen. Andere deuten מְגוּרַי (meine Fremdlingschaft) als Plural von מָגוֹר (Grauen, Schrecken). Gordis vermutet ein Wortspiel und übersetzt מְגוּרַי als „neighbors (terrors)“. (Zurück zu v.22) |