Klagelieder 1

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Lesefassung (Klagelieder 1)

(kommt später)

Studienfassung (Klagelieder 1)

1 Wie sitzt sie allein,
Die Stadt, [einst] reich an Menschen.
Es wurde wie eine Witwea,
die Herrin unter den Völkern,
die Fürstin über die Provinzenb,
wurde zur Fronarbeiterinc.d


2 [Bitter] weint siee bei Nacht,
Und ihre Tränen [sind] auf ihrer Wange;
Es gibt für sie keinen Tröster
Unter allen ihren Liebhabern,
Alle ihre Freunde sind ihr untreu,
Sind ihr zu Feinden geworden.f


3 Ausgewandert ist Juda aus Elend
Und vielem Frondienst,g
Sie wohnt (sitzt) unter den Heiden (Völkern),h
Hat keine Ruhe gefunden;
All ihre Verfolger haben sie eingeholt
Inmitten der Bedrängnisse.


4 Zions Wege trauern
Wegen des Ausbleibens der Festpilger,i
Alle ihre Torej [sind] entvölkert,
Ihre Priester seufzen,
Ihre Jungfrauenk [sind] betrübt
Und sie [selbst] ist verbittert.l


5 Ihre Feinde sind obenauf,m
Ihre Widersacher sind sorglos (sicher);n
Denn JHWH hat Ziono bekümmert
Wegen der Menge ihrer Vergehen (Sünden, Frevel; wegen ihrer vielen Vergehen),
Ihre Kinder sind [in die] Gefangenschaft (Verbannung) gegangenp
in Gegenwart des Feindes.


6 Gewichen ist von der Tochter Zionq
All ihre Herrlichkeit;
Ihre Anführer sind wie Widderr geworden,
[Die] keine Weide [mehr] finden,s
Sie sind in die Bedeutungslosigkeit gezogen (in Ohnmacht/ohnmächtig fortgezogen)
In Gegenwart des Verfolgers (Jägers).t


7 Jerusalem gedenkt
Der Tage ihrer notleidenden Flüchtlinge,u
[ [All ihrer Kostbarkeiten ] ]
[ [Aus uralten Tagen,v ] ]w
Als ihr Volkx in (durch) die Hand der Feinde fiel
Und es keinen Helfer für sie gab:
[Ihre] Feinde sahen sie, lachten
Über ihr Ende.y


8 Schwer gesündigtz hat Jerusalem,
Istaa zum Gespöttab geworden;
Alle, die sie ehrten, verachten sie [nun],
Denn sie haben sie nackt gesehenac;
Daher seufzt sie
Und wendet sich [beschämt] ab.


9 Ihre Unreinheit [ist] an ihren Säumen,ad
sie hat nicht ihr Ende bedacht.ae
{Und} sie ist niedergegangen,afag unbegreiflich (schrecklich),
es gibt keinen, der sie ermutigt (sich ihr zuwendet, Erbarmen mit ihr hat, sie tröstet).
„Sieh, JHWH, mein Elend (Leiden),
dass (denn, Ach!,) der Feind triumphiert (großtut, es zu weit treibt).“


10 Der Feind hat seine Hand
Nach allen Schätzen Zionsah ausgestreckt;
Sie hat Heiden (Völker) gesehen ―
Sie sind [wirklich]ai in ihr Heiligtum gekommen,
[Sie,] von denen du befohlen hast,
Sie sollen dir nicht in den Gottesdienstaj hineinkommen.ak


11 All ihre Bewohneral stöhnen,
Suchen [nach] Brot (Nahrung),
[Weg]gegeben haben sieam ihre Kostbarkeitenan für Nahrung,
um am Leben zu bleiben.ao
Sieh, JHWH, und gib doch Acht,
dassap ich eine Verachtete (für eine Bettlerin?, was für ein Schlemmer ich) geworden bin.


12 †Nicht zu (für) euch†aq alle, die ihr des Weges zieht,ar
gebt Acht und seht,
ob es einen Schmerz gibt wie meinen Schmerz (Plage, Qual),
der mir zugefügt worden ist,
mit dem JHWH [mich] plagte
am Tag seines Zornes.as


13 Aus der Höheat hat er Feuer gesandt
in meine Gebeine (Inneres) und ließ es herabkommen [auf mich] (und trat es nieder)au
Er hat meinen Füßen ein Netz gespannt,
hat mich zurückgedrängt.av
Er machte mich einsam (öde, zunichte),aw
gemieden (unrein, elend, traurig)ax den ganzen Tag.ay az


14 Das Joch meiner Vergehen wurde [mir] angebunden(?),ba
durch seine Handbb wurden [seine Stricke] geflochten,
haben sich um meinen Hals gelegt,bc
er (es)bd hat meine Kraft gebrochen.be
Der Herr gab mich in die Hände [derer],
[gegen die] ich nicht bestehen kann.


15 Verworfenbf hat er alle meine Tapferen (Starken, Krieger)
der Herr, in meiner Mitte;
ausgerufen hat er über mir (gegen mich) eine Festversammlung (ein Treffen, einen Termin),
um meine Krieger zu zerschlagen.
Der Herr hat die Kelter getretenbg
der jungfräulichen Tochter Judabhbi


16bj Deswegen weine ich,
mein Auge {mein Auge}bk zerfließtbl wasser[gleich],
denn fern von mir ist ein Ermutiger,
einer, der mich wieder belebt (meine Seele zurückbringt);
meine Kinder (Söhne) sind zerstört (entsetzt, erstarrt),
denn stark (mächtig, überlegen) ist der Feind.


17 Zion fleht mit ihren Händen (streckt ihre Hände aus),
da ist keiner, der ihr Mut macht (Trost zuspricht),
JHWH hat über Jakobbm verhängt (befohlen),
[Dass] rings um ihn (seine Nachbarn) seine Feinde [seien],
Jerusalem wurde
zur Verabscheuten (Unreinen) unter ihnen.


18 Gerecht (im Recht) ist JHWH,
denn seinem Mundbn habe ich nicht gehorcht.
Hört doch, all ihr Völker,
seht meine Qual:
Meine jungen Frauen und Männer,bo
sie sind in die Verbannung gegangen.


19 Ich habe meine Liebhaberf (zu Hilfe) gerufen,
(aber) sie haben mich betrogen (hintergangen, getäuscht),
meine Priester und Ältestenbp
sind in der Stadt umgekommen,
als sie Nahrung für sich suchten,
um zu überleben.bq (ihre Seele zurückzubringen).


20 Sieh, JHWH, dass mir angst [ist],
mein Inneres ist (meine Eingeweide sind) aufgewühlt,br
es dreht (windet) sich mein Herz in meinem Innern,
denn ich war in der Tat widerspenstig (trotzig):
draußen machte das Schwert [mich] kinderlos,
drinnen [ist es] wie der Todbs


21 Sie haben (Man hat) gehört,bt dass ich seufze,
da [war] keiner, der mir Mut machte (Trost zuspricht);
alle meine Feinde hörten von meinem Unheil,
sie jubelten, weil du [es] bereitet (getan) hast;
du brachtest den Tag, den (das Gericht, das) du angekündigt hattest,
aber (und) sie werden (sollen) sein wie ich.bu


22 Kommen wird all ihre Bosheit vor dein Angesicht;
dann (und) tue ihnen,
wie du mir getan hast,
wegen all meiner Vergehen;
denn zahlreich [sind] meine Seufzer,
und mein Herz [ist] krank (schwach, traurig).


Anmerkungen

Die Klagelieder gehören zur Gattung der sog. „Stadtuntergangsklagen“, mit denen die Zerstörung einer Stadt beklagt wurden.bv Geschichtlicher Hintergrund ist die Vernichtung Jerusalems durch die Babylonier um 587 v.Chr., bei der u.a. der Tempel zerstört und die jerusalemer Oberschicht nach Babylon ins Exil entführt wurde - die größte Katastrophe in der Geschichte Judäas.

Vor V. 1 findet sich in fast allen alten Übersetzungen eine Notiz, die Jeremia als den Autor der Klagelieder nennt; die selbe Tradition findet sich auch des Öfteren in alten jüdischen Texten. Heute ist man sich mehr oder weniger einig darüber, dass diese Zuschreibung historisch wertlos ist, Jeremia nicht der Autor der Klagelieder war und diese Zuschreibung aus dem Vers 2 Chr 35,25 zu erklären ist, den die alten Exegeten auf das Buch der Klagelieder bezogen.

Vv. 1-3 beklagen die Vereinsamung Jerusalems: V. 1 wird die Entvölkerung Jerusalems mit dem Bild der Verwitwung beschrieben. Witwenschaft war im Alten Israel eine soziale Krisensituation, da Witwen zusätzlich zu ihrer Vereinsamung und fast automatischen Verarmung häufig unterdrückt wurden. Auch dies wird hier mit dem Begriff „Fronsklavin“ äußerst passend auf Jerusalem übertragen, denn in der Tat hatte Juda in Folge der Eroberung durch die Babylonier nur mehr den Rang eines Vasallenstaates.
Vv. 2.3 wird diese Vereinsamung noch spezifiziert: V. 2 spricht davon, dass Jerusalem von ihren Verbündeten im Stich gelassen und gar befeindet wurde, V. 3 von ihren ursprünglichen Bewohnern, die aus Jerusalem in die Verbannung weggeführt wurden und dort ebenfalls viel zu leiden haben. Jerusalem ist gänzlich vereinsamt und sowohl in Jerusalem als auch unter den exilierten Judäern in Babylon herrscht großes Elend.

aWitwe“ ist hier ein Symbol für Hilflosigkeit und Einsamkeit. (Zurück zu v.1)
bProvinzen - Das hebräische Wort מְדִינָה (medînā) bezeichnet einen Bezirk oder ein Land, das unter der Rechtsprechung einer übergeordneten Regierung steht. Hier ist vielleicht an die Bezirke und Länder des davidischen Großreiches gedacht oder an die unter Josia zurückeroberten Bezirke Judas (vgl. Kraus S. 21). (Zurück zu v.1)
c zur Fronarbeiterin - W. „zum Frondienst“; der abstrakte Begriff anstelle der konkreten Person (vgl. „die Jugend von heute“ statt „die Jugendlichen von heute“). (Zurück zu v.1)
dBeachte die chiastische Anordnung der Satzglieder in Zeilen 3.4 und 5.6. (Zurück zu v.1)
e[Bitter] weint sie - W. „weinen sie weint“; im Heb. wird ein Verb derart um den Infinitiv des selben Wortes erweitert, um es noch stärker zu machen. Manche Übersetzer (vgl. Kraus, ELB) versuchen die Wiederholung von „Weinen“ im hebräischen Text nachzuahmen: „Sie weint und weint“. (Zurück zu v.2)
fDie Liebhaber und Freunde sind die wechselnden Völker, mit denen Juda sich gegen Babylon verbündet hat; sie alle haben sich bei der Eroberung Jerusalems auf die Seite der Babylonier geschlagen. (Zurück zu v.2 / zu v.19)
g Es gibt zwei Deutungen zu Vers 3a: 1. Juda musste aus (oder wegen) der bedrückenden Situation in der Heimat in die noch schlimmere Situation des babylonischen Exils auswandern. 2. Teile Judas sind vor der babylonischen Bedrohung in der Heimat nach Ägypten ausgewandert. (vgl. Kraus S. 22) (Zurück zu v.3)
h Heiden bzw. Völker ist keine bloße geographische Angabe, sondern vor allem eine religiöse: Gottes Volk lebt nun unter Menschen, die JHWH nicht kennen. (Zurück zu v.3)
ider Festpilger - W. „der zum Fest Kommenden“. (Zurück zu v.4)
jDie Tore sind im Alten Israel nicht nur zwei Türen, sondern ein großer Bereich, in dem man sich zu Unterhaltung, Handel und Gericht versammelte. Hier ist außerdem speziell an die Scharen der Pilger gedacht, die sich durch die Tore in die Stadt drängten. (Zurück zu v.4)
kMädchenchöre und -reigen waren Teil des Tempelkultus (vgl. Ps 68,25f. Ri 21,19-21) (Zurück zu v.4)
list verbittert - W.: „Und sie, bitter ist ihr.“ (Zurück zu v.4)
mobenauf - W.: „sind zum Haupt geworden.“ (Zurück zu v.5)
nsorglos - Die ZÜR übersetzt abgeschwächt „sind zufrieden“, viell. mit Anspielung auf das hebr. Verb שׁלו, das mit ‍שָׁלוֹם (Friede) verwandt ist. Kraus sieht darin eine Umkehrung der ursprünglichen Verhältnisse: Der Israel verheißene שָׁלוֹם (Wohlstand, Sorglosigkeit, Glück) ist auf die Feinde übergegangen (S. 23). (Zurück zu v.5)
oZion - W.: „sie“ (Sg. f.). (Zurück zu v.5)
pin die Gefangenschaft gegangen - viele übersetzen „als Gefangene fortgegangen“ (abstrakter Begriff anstelle der konkreten Personְ, vgl. V. 1). Vgl. jedoch Vers 18, wo derselbe Ausdruck steht, allerdings mit Präposition (בַּשֶּׁבִי baschebi (in Gefangenschaft“)). (Zurück zu v.5)
qTochter Zion - „Zion“=Jerusalem. „Tochter Zion“ ist ein häufiger heb. Ausdruck, mit dem die Stadt personifiziert und als „Tochter“ ihrem „Vater“ JHWH zugeordnet werden soll (vgl. Berges 2002, S. 54). (Zurück zu v.6)
rWidder - od. „Hirsche“, der hebr. Konsonantentext (אילים) lässt beide Deutungen zu. Während die alten Versionen (LXX und VUL) „Widder“ überliefern, folgen die meisten modernen Übersetzungen der masoretischen Vokalisation אַיָּלִים (ᵓajjālîm). In Ex 15,15 2Kö 24,15 Ez 17,13; 32,21 steht „Widder“ (so wörtlich übersetzt) als Metapher für die Anführer des Volkes. (Zurück zu v.6)
sfinden - Im Heb. Perf., das hier wohl Abgeschlossenheit ausdrückt. „Weide“ als der Ort, wo der Widder herrscht, steht hier für Jerusalem, das für die Anführer durch die Deportation nun in unerreichbare Ferne gerückt ist (= nicht finden). (Zurück zu v.6)
tVerfolgers (Jägers) - Wenn man „sie“ (3. Pl.) in Zeile 5 auf die Widder bezieht, muss man das Wort mit „Jäger“ oder „Treiber“ übersetzen. Bezieht man es jedoch auf die Anführer, bezeichnet es die Babylonier; die Doppelzeile ist dann parallel zur letzten Doppelzeile von V. 5. (Zurück zu v.6)
unotleidenden Flüchtlinge - wörtl.: Not und Heimatlosigkeit; abstrakte Begriffe anstelle konkreter Personen (ähnlich Jes 58,7), die hier als Hendiadyoin zusammengehören. Mit den Flüchtlingen könnten die Bewohner Judas gemeint sein, die angesichts des heranrückenden babylonischen Heeres ihren Heimatort verließen und in Jerusalem Schutz suchten. Jerusalem selbst kann schwerlich als heimatlos/flüchtig bezeichnet werden. (Zurück zu v.7)
vaus uralten Tagen - wörtl.: die aus (seit) den Tagen der Urzeit waren (Zurück zu v.7)
wTextkritik: Während alle Verse des ersten Kapitels dreiteilig sind, ist Vers 7 sowohl im masoretischen Text als auch in den antiken Versionen vierteilig überliefert. Da sich Vers 7a nahtlos an 7c anschließt, liegt es nahe, 7b als spätere Ergänzung zu tilgen. Übersetzer, die 7b halten, übersetzen: Jerusalem gedenkt während der Tage ihrer Not und Heimatlosigkeit(?) all ihrer Kostbarkeiten … (Zurück zu v.7)
xihr Volk - od. ihre Bevölkerung, d.h. die Einwohner Jerusalems im eig. Sinn oder das Volk Judas, das in seiner Hauptstadt Zuflucht gesucht hat (Zurück zu v.7)
yEnde - Das Wort ist im Hebräischen ein Hapaxlegomenon, d.h. nur an dieser Stelle belegt und entsprechend unsicher in seiner Bedeutung. Es ist unterschiedlich übersetzt worden: LXX überliefert „Exil“ (μετοικεσία) bzw. nach anderen Handschriften „Wohnsitz“ (κατοικεσία); Vulgata sabbata, d.h. „Sabbate“. Ges18 nennt unter מִשְׁבָּת die Bedeutungen „Aufhören, Ende“; dieser Deutung haben sich die heute gängigen Übersetzungen angeschlossen. (Zurück zu v.7)
zschwer gesündigt hat - W.: „eine Sünde hat gesündigt Jerusalem“; Figura etymologica zur Verstärkung des Verbs. (Zurück zu v.8)
aaTextkritik: Der masoretische Text überliefert ist deshalb. Allerdings zerstört deshalb im Hebräischen das Metrum; vielleicht ist es eine alte Glosse (Randnotiz), die versehentlich in den Text geraten ist. (Zurück zu v.8)
abGespött - Die Bedeutung von נִידָה (nîdā) ist umstritten: Manche leiten es von der Wurzel נדד (ndd) ab und übersetzen Abscheu, Unreinheit; es wäre dann ein Synonym zu נִדָּה (niddā). Andere leiten es von der Wurzel נוד (nud) ab und übersetzen Kopfschütteln, was ein Ausdruck von Verachtung und Spott war. (Zurück zu v.8)
acsie nackt gesehen - W.: „ihre Scham (Genitalbereich) gesehen“. Das Aufdecken der Scham galt als schlimme Schande (vgl. Jes 47,3 Jer 23,26 Hes 16,37 Nah 3,5). (Zurück zu v.8)
adAuf der Bildebene bezeichnet Unreinheit Menstruationsblut, das eine Frau kultisch unrein machte (vgl. Lev 15,19). Auf der Sachebene steht Unreinheit für Judas Bundesbruch durch Kompromisse in Kultus und Politik. (Zurück zu v.9)
aed.h. die Folgen ihres Tuns. Kraus S. 25: "אחרית ist das letzte, alles Leben und alle Geschichte bestimmende Handeln Gottes (Dtn 32,29 Ps 73,17)." (Zurück zu v.9)
afDas hebräische Verb ירד bezeichnet hier den Niedergang einer belagerten Stadt (vgl. Dtn 28,52; 20,20) (Zurück zu v.9)
agTextkritik - LUT übersetzt sie ist heruntergestoßen und scheint als einzige deutsche Übersetzung dem Vorschlag im Apparat der BHS (וַתּוּרַד) gefolgt zu sein; dem masoretischen Text und der Mehrheit der antiken Versionen zu misstrauen ist unnötig. (Zurück zu v.9)
ahallen Schätzen Zions - wörtl.: all ihren Schätzen, womit vor allem (aber nicht nur) die Schätze des Tempels gemeint sein dürften (vgl. 2Kö 24,13). (Zurück zu v.10)
aiDas hinzugefügte wirklich soll das ungläubige Entsetzen andeuten, das im hebräischen Text vielleicht in der Unebenmäßigkeit im Satzbau (Inkonzinnität) angedeutet ist. (Zurück zu v.10)
ajGottesdienst - W.: „Versammlung“; mit קָהָל ist das versammelte Volk als politische und kultische Gemeinschaft gemeint, was kaum wirklich zu trennen ist. In die Versammlung kommen ist in 10c parallel zu 10b zu verstehen (in das Heiligtum kommen) und daher sinngemäß als Gottesdienst oder Versammlungsort zu übersetzen. (Zurück zu v.10)
akDer Beter erinnert Gott, dass er sein eigenes Gebot außer Kraft gesetzt hat, indem er die Babylonier und ihre Verbündeten in den Tempel eindringen ließ. Dieser Widerspruch verstört ihn zutiefst. Interessanterweise wendet er sich in dieser Verstörung direkt an Gott. (Zurück zu v.10)
alihre Bewohner - W.: „ihr Volk“. (Zurück zu v.11)
amgegeben haben sie - Da das hebräische Perfekt auch das Fehlen von Veränderung bezeichnen kann, übersetzen manche: sie geben (immer noch). (Zurück zu v.11)
anTextkritik - Die Vulgata überliefert dederunt pretiosa quaeque (sie gaben alle Kostbarkeiten), hatte in ihrer hebräischeנ Vorlage demnach wohl נתנו כל מחמ(ו)דים. (Zurück zu v.11)
aoum am Leben zu bleiben - wörtl.: um das Leben (die Seele) zurückzubringen; die Wendung hat in der Bibel noch häufiger die oben übersetzte Bedeutung. (Zurück zu v.11)
apdass - od.: denn (Zurück zu v.11)
aqTextkritik - Der Versanfang scheint fehlerhaft überliefert zu sein; alle Versuche, ihm einen Sinn zu geben, überzeugen nicht wirklich: 1. berührt es euch nicht? - Im Hebräischen fehlt die Fragepartikel! - 2. Nichts dergleichen möge euch treffen (Gute Nachricht Bibel). Beides erscheint weit hergeholt angesichts des überlieferten Textbestandes. Als Annahme (Konjektur) für den ursprünglichen Wortlaut wurde לְכוּ (ləḵû) vorgeschlagen: Kommt (los!) alle, die ihr ... . Wie es zum überlieferten Text kam, ist damit nicht geklärt. Bedenkenswert scheint mir die Annahme der Jerusalemer Bibel, dass nicht für euch eine Randglosse darstellt, die den Leser schützen soll. Dafür spricht, 1. dass 13a ohne nicht für euch wieder ins Metrum passt, 2. dass plene geschriebenes לוֹא (lô = nicht) auf eine späte Abfassungszeit deutet (sonst in Klgl immer לֹא). (Zurück zu v.12)
arJerusalem wendet sich wie eine Bettlerin an die Vorübergehenden. (Zurück zu v.12)
asZorn - Die traditionelle Übersetzung "Zornesglut / glühender Zorn" kann als Steigerung zum bloßen Zorn missverstanden werden. חָרוֹן אַף (ḥārōn ap) bezeichnet das Erröten und das damit verbundene Gefühl von Wärme in der und um die Nase. Beide Wörter, אַף (ap = Nase) und חָרוֹן (ḥārōn = Hitze), können dann für sich allein schon die Bedeutung Zorn annehmen, ohne dass ein Unterschied zu ihrer Kombination vorliegt. (Zurück zu v.12)
ataus der Höhe - d.h. aus dem Himmel (vgl. Jes 33,5; 57,15 Ps 10,5); damit wird das Subjekt eindeutig mit JHWH identifiziert. (Zurück zu v.13)
auTextkritik - und ließ es herabkommen [auf mich] (und trat es nieder) - Die masoretische Textüberlieferung lautet: und trat es nieder (וַיִּרְדֶּנָּה wajjirdǽnnā); worauf sich „es“ beziehen soll, ist dann unklar. Bei anderer Vokalisation (וַיֹּרִדֶּנָּה wajjōridǽnnā) lautet die Übersetzung und er ließ es herabkommen, in der es sich auf Feuer (im Heb. Sg. f.) bezieht. Gestützt wird diese Übersetzung durch 4QLam und die LXX, die κατήγαγεν αὐτό (katḗgagen autó = er brachte es herab) überliefert. Nach BHQ folgen wir dieser Lesart. Das in manchen Übersetzungen zu lesende und es vernichtete sie nimmt Feuer als Subjekt; „Feuer“ ist im Heb. aber meist Fem. und nur manchmal Mask., daher ist das unwahrscheinlich. (Zurück zu v.13)
avAusgespannte Netze sind in der Bibel häufiger eine Metapher für Unheil, das jemandem bereitet wird. So übersetzt, stellen die Netze ein unüberwindliches Hindernis dar, die Fliehende muss zurückgehen, dem Verfolger entgegen(!). Andere Übersetzer lassen die Gejagte ins Netz geraten und übersetzen 13bβ rücklings riss er mich nieder (vgl. Einheitsübersetzung). Jedoch passt diese Formulierung kaum zu jemandem, der in ein Netz gerät und im vollen Lauf doch wohl vorwärts stürzt. (Zurück zu v.13)
awmachte einsam - Die hebräische Wurzel שׁמם (šmm) bezeichnet objektiv die Verwüstung (eines Landes, einer Stadt) und als Folge der Verwüstung Verödung und Entvölkerung; subjektiv bezeichnet sie das Entsetzen, das solch eine Verwüstung im Menschen hervorruft. (Zurück zu v.13)
axgemieden - Als דָּוָה (dāwā) wird die Frau während ihrer Menstruation bezeichnet (Lev 15,33; 20,18); in dieser Zeit ist sie unrein und darf nicht berührt werden. (Zurück zu v.13)
ayd.h. für immer (Zurück zu v.13)
azIn drei Bildern schildert Jerusalem ihr Los: 1. im Bild der Kranken (13a; vgl. Hi 30,30b Ps 102,4 Jer 20,9); 2. im Bild der Gejagten (13b); 3. im Bild der Einsamen (13c). (Zurück zu v.13)
baTextkritik: angebunden - Heb. נשקד (nśqd/nšqd). Im MT ist es überliefert als נִשְׂקַד (niśqad); dieses Wort findet sich sonst nicht in der Bibel; seine Bed. muss also aus dem Kontext erschlossen werden: „angebunden“. Die Übersetzer der LXX, Syr und der Vulgata haben es offensichtlich als נִשְׁקַד (nišqad = er wurde bewacht) gedeutet; diese Schreibweise findet sich auch in einigen Handschriften und so wird das Wort auch im Midrasch gedeutet. Darauf folgt das Wort על (ʻl). Dieses kann als עַל (ʻal = auf, über) - so LXX und viele hebr. Handschriften - oder als עֹל (ʻōl = Joch) gelesenen werden - so der masoretische Text und die Vulgata. Zwar bietet die LXX ein für die ersten zwei Wörter naheliegendes, aber für 14a/b keineswegs unproblematisches Textverständnis: Es wurde über meine Vergehen gewacht; sie wurden zusammengeflochten, sie sind hinaufgestiegen auf meinen Nacken. Der masoretische Text hingegen benutzt das Bild des Jochs, das JHWH seinem Volk wegen seiner Vergehen angelegt hat. Mit dem Joch ist die Unterjochung im Exil gemeint. (Zurück zu v.14)
bbdurch seine Hand - od.: in seine Seite mit Bezug auf das Joch. (Zurück zu v.14)
bc wörtl.: sind hinaufgegangen auf meinen Nacken. (Zurück zu v.14)
bder (es) - Subjekt ist entweder Gott oder das Joch. (Zurück zu v.14)
bewörtl.: es ließ straucheln meine Kraft. (Zurück zu v.14)
bfverworfen hat - Unsicheres Wort, das sich nur zwei Mal in der Bibel findet (noch Ps 119,118). Andere übersetzen סלה (sālāh) mit wegschleudern (o.ä.); vgl. LXX (ἐξῆρεν - beseitigt hat) und das akkadische Verb salû (wegschleudern). Syr und Tg übersetzen „niedertreten“, was darauf hinweisen könnte, dass im ursprünglichen Text סלל (sll) stand. (Zurück zu v.15)
bgJemandem die Kelter treten bedeutet unter jemandem ein Blutbad anrichten. (Zurück zu v.15)
bhJungfrau und Tochter werden beide im Hebräischen zur Personifikation von Länder- und Städtenamen verwendet, ohne dass damit eine ethische Qualifikation ― etwa rein, unschuldig ― verbunden wäre. (Zurück zu v.15)
biMan beachte die bittere Ironie (vgl. Vers 4cγ) in den jeweiligen Halbversen: (15a) Gott in meiner Mitte … hat verworfen ― (15b) eine Festversammlung … um zu zerschlagen ― (15c) Kelter treten (= richten) … Juda (und nicht ihre Feinde). (Zurück zu v.15)
bjTextkritik: Die Reihenfolge der Verse 16 und 17 in Klgl 1 ist unsicher. Das Alphabet war im Alten Israel offenbar in zwei Varianten verbreitet; in der einen folgte Pe auf `Ajin, in der anderen `Ajin auf Pe. Nach MT ist in Klgl 1 die Reihenfolge V. 16 (die `Ajin-Strophe) - V. 17 (die Pe-Strophe); nach 4QLam V. 17 - V. 16, dort folgt also wie in Klgl 2-4 `Ajin auf Pe. Das lässt sich entweder so erklären, das 4QLam die Reihenfolge der Verse von Klgl 1 nachträglich an Klgl 2-4 angepasst hat oder dass MT die Reihenfolge der Verse nachträglich an die verbreitetere Version des Alphabets angeglichen hat. Textkritisch ist diese Frage nicht entscheidbar (so auch Schäfer 2006, S. 244f.); wir orientieren uns in der Reihenfolge am MT. (Zurück zu v.16)
bkTextkritik: mein Auge {mein Auge} - In MT steht das Wort „mein-Auge“ zweimal nebeneinander. 4QLam, LXX, Syr und VUL haben es nur einmal; ein Schreiber hat also wahrscheinlich das ursprünglich eine „mein-Auge“ doppelt geschrieben. Vgl. allerdings Tg („meine zwei beiden Augen“); 4QLam: („meine beiden Augen“); auch einige LXX-Handschriften und Syr haben das Wort im Plural statt im Sg. und auch LXXO war die Fassung mit doppeltem „mein-Auge“ bekannt. Vgl. außerdem noch 2 Kön 4,19 („mein Kopf, mein Kopf“); Jer 4,19 („meine Eingeweide, meine Eingeweide“) - ganz sicher es also nicht, dass der ursprüngliche Text nur ein „mein Auge“ hatte. (Zurück zu v.16)
blzerfließt - wörtl. steigt herab (Zurück zu v.16)
bmJakob - Bezeichnung für das Volk Israel, die auf den gleichnamigen Patriarchen zurückgeht. (Zurück zu v.17)
bnMund steht hier wie öfter synekdochisch für das, was aus diesem Mund kommt: für Gottes Weisungen und Gebote. (Zurück zu v.18)
bojungen Frauen und Männer - Die hebräischen Begriffe bezeichnen noch nicht Verheiratete. (Zurück zu v.18)
bpPriester und Älteste stehen als pars pro toto für das ganze Volk. Wenn sie schon hungern, lässt sich erahnen, wie schlimm es um das einfache Volk steht. (Zurück zu v.19)
bqTextkritik: LXX + Syr fügen hinzu: „und fanden keine“. Dieser Überlieferung zu folgen ist unnötig (gegen Kraus S. 18), wenn man das Impf. ּוְיָשִׁיבו (wəjāšîbû) final übersetzt (vgl. GKC §107q). (Zurück zu v.19)
braufgewühlt ― od.: glüht. Ges18 unterscheidet zwei Wurzeln חמר (ḥāmar): 1. aufwühlen, gären (u.a. zur Bezeichnung von Schaumwein) 2. rot sein, ohne חֳמַרְמָרוּ (ḥŏmarmārû) in Klgl 1,20 einer der beiden Wurzeln sicher zuzuordnen. Der Unterschied ist am Ende nicht groß, in beiden Fällen wird große Angst oder Erregung ausgedrückt. (Zurück zu v.20)
bsViele Übersetzungen bieten: drinnen der Tod bzw. drinnen (herrscht) der Tod, müssen dazu aber das wie (כְּ/kǝ) im hebräischen Text ignorieren. Vielleicht heißt כַּמָּוֶת (kammāwät) als ob eine Seuche (wütet). (Zurück zu v.20)
btSie haben gehört - nämlich die Feinde (vgl. 21b), oder allgemein man.
Textkritik: Einige vermuten wegen Syr („Höre!“), dass hier ursprünglich ein Imp. Sg. gestanden habe: שְׁמַע (šǝmaʻ = höre) statt שָׁמְעוּ (šamǝʻû; so z.B. BHS, Gordis 1974, S. 160; Hillers 1972, S. 14f.; ). Ebenso in Zeile 5: „Bringe“ (nach Syr, so BHS, u.a.), das andere als sog. „prekatives Perfekt“ deuten und auf dieser Basis ebenso übersetzen (z.B. Gordis 1974, S. 160; Hillers 1972, S. 15). Die LXX hat Imp. Pl. überliefert: Hört. (Zurück zu v.21)
budu brachtest ..., aber sie werden sein - andere übersetzen: Bringst du den Tag … dann werden sie mir gleich sein (beigeordneter Bedingungssatz, vgl. GKC §159 b/h). Andere übersetzen: „Bringe...!“ (s. vorige FN). Für die obige Übersetzung spricht, dass der angekündigte Tag besser zu dem gegenwärtigen Unheil passt, als in ihm eine Gerichtsdrohung gegen die Feinde zu sehen, die hier sehr unvermittelt käme. (Zurück zu v.21)
bvS. dazu näher Stadtklagen (Alter Orient) (WiBiLex)); einige sumerische Stadtklagen finden sich hier im ETCSL unter 2.2 (Zurück zum Text: bv)