Diskussion:Klagelieder 1

Aus Die Offene Bibel

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Checkliste für die Studienfassung Erläuterung (Welche Verse durch wen?)
A. Wer hat welche Verse aus dem Urtext übersetzt? Auf welche Quelle zur Einteilung in Sinnabschnitte wurde zurückgegriffen?
Beispiel: Vers 1–12: Anton
Einteilung nach Wolter 2007, S. 145 (Anton)

1-22: Jürgen

B. Wer hat welche Verse noch mal am Urtext überprüft?
Beispiel: Vv. 1-3: Philipp

1-22: Sebastian

C. Alternativen: Häufig können Wörter in einem bestimmten Kontext mehrere denkbare Bedeutungen haben. Sind diese Übersetzungsalternativen möglichst vollständig berücksichtigt?
Beispiel: Vv. 1-17: Daniel

D. Manchmal erlauben Textüberlieferung und Satzbau mehrere Übersetzungen,a oder sie sind nicht direkt übersetzbar.b Sind solche Zweifelsfälle mit einer Fußnote dokumentiert, und steht die wahrscheinlichste Deutung im Haupttext?
Beispiel: Vv. 1-12: teilweise (Emil)

E. Ist der Studienfassungstext mit Anmerkungen und Fußnoten für die Zielgruppen verstehbar? Braucht es noch erläuternde Fußnoten/Anmerkungen?
Beispiel: V. 6: „nach dem Fleisch“ ist noch unklar (Friedrich)

F. Für jeden Sinnabschnitt: Wurden zentralen Anliegen (bzw. Gattungen) unterhalb der Studienfassung dokumentiert? (Beispiel für Länge und Stil: Markus 1#Anliegen) Falls hilfreich, können sie hier kurz zusammengefasst eintragen werden.
Beispiel: Vv. 1-13: Ja; Vv. 14-20: Vollmacht wird betont (Vera)

G. Welche wissenschaftlichen Kommentare wurden zur Kontrolle der Punkte A bis F eingesehen?
Beispiel: Vv. 13-17: Bovon 1990 (Heinrich)

Berges 2002; Gordis 1974; Hillers 1972 (Sebastian)

H. Mit welchen anderen Übersetzungen wurde verglichen, um alternative Deutungen oder ggfs. Urheberrechtsprobleme zu finden?
Beispiel: Vv. 1-17: , NeÜ (Juliett)

I. Wann wurden die folgenden Punkte überprüft? - Rechtschreibung; Namen (Loccumer Richtlinien, Gottesname); übrige Kriterien; Detailregelungen; Anführungszeichen; geschlechtergerechte Sprache
Beispiel: Rechtschreibung: 1.1.2015 (Philipp)

J. Welche Arbeitsschritte, Verbesserungen oder Anmerkungen fehlen noch?
Beispiel: Vv. 1-17: Anmerkung fehlt (Ludwig)

Anmerkungen

Untige Diskussionsbeiträge

Endkorrektur (Sebastian)

az.B. mehrdeutige Tempora oder Präpositionen, Aspekte, manche Partizipien (Zurück zum Text: a)
bz.B. Textkorruption, figurae etymologicae, Genitiv- und Dativverbindungen, historisches Präsens, Einleitungsformeln von Satzfolge (Zurück zum Text: b)

In dieser Tabelle bitte knapp den aktuellen Stand eintragen. Auf der übrigen Diskussionsseite kann bei Bedarf ausführlicher dokumentiert/diskutiert werden. Siehe auch: Qualität



Hier dürfen Vorschläge, Rückfragen und andere Diskussionsbeiträge folgen:

SF[Bearbeiten]

Strophik[Bearbeiten]

Hi Jürgen,
Bin gerade dabei, Klgl 1 zweitzulesen. Renkema 1988, S. 299-305; Berges 2002, S. 91f. und Schäfer 2006, S. 249f. stellen alle folgende Struktur heraus; die meisten wegen Inklusionen und Wortwdhh. in den "Canticles", von denen viele überzeugend sind (ich gebe mal die Überschriften von Renkema):

  • Vv. 1-11: Canto I: Jerusalem remembers the days of misery
    • Vv. 1-6: Subcanto A: Depopulation and misery
      • Vv. 1-3: Canticle 1: Jerusalem and Judah are lonesome, comfortless and oppressed widows
      • Vv. 4-6: Canticle 2: Zion without pilgrims
    • Vv. 7-11: Subcanto B: Jerusalem's humiliation and prayer to YHWH
      • Vv. 7-9: Canticle 3: The bitter end of Jerusalem is caused by her sin
      • Vv. 10-11: Canticle 4: A cry for YHWH to look at their dishonouring and hunger
  • Vv. 12-22: Canto II: A cry for help notwithstanding YHWH's justified punishment
    • Vv. 12-16: Subcanto A: The unparalleled punishment of Zion
      • Vv. 12-13: Canticle 5: A call for compassion
      • Vv. 14-16: Canticle 6: YHWH delivered them in the hands of their enemies
    • Vv. 17-22: Subcanto B: Being without friends Zion turns desparately to YHWH
      • Vv. 17-19: Canticle 7: No comfort for Zion because of YHWH's justified punishment
      • Vv. 20-22: Canticle 8: A prayer for retrbution of their enemies.

Hat Kraus eine andere Makrostruktur? Oder betrachtet er einfach nur jede der Buchstaben-Einheiten als Strophe und Klgl 1 also als Kette von 22 Strophen auf der gleichen Ebene?
Ich wäre jedenfalls dafür, die Strophik auch im Schriftbild sichtbar zu machen. Wo die jeweiligen Buchstaben stehen, könnte man ja stattdessen wie z.B. in Psalm 9 und 10 nachvollziehbar machen. --Sebastian Walter (Diskussion) 21:19, 10. Jan. 2016 (CET)

Hi Sebastian,
Kraus hat folgende Makrostruktur:

  • Vv. 1-11 Zion wird beklagt (9c + 11c ist Zion selbst die Klagende)
  • Vv. 12-16 Zion klagt ihr Leid
  • V. 17 Klage über Jerusalem
  • V.18-22 Zion klag ihr Leid

Kraus orientiert sich am Wechsel des Klagenden. Eine dezidierte Gliederung legt er allerdings nicht vor. Daher scheint mir die übereinstimmende Makrostruktur von Renkema und Berges sinnvoller. Hast du eine Idee, wie man diese Strophik im Schriftbild sichtbar machen kann? Einrückungen scheinen mir ganz sinnvoll zu sein. Jürgen

V. 1[Bearbeiten]

rbtj[Bearbeiten]

Weil die Folge Cstr. (rbtj) - Präp. (be) - Nomen (gojim) sehr selten ist, hat McDaniel 1968, S. 29-31 vorgeschlagen, rbtj md. im zweiten Fall nach ugaritischem, phönizischem und punischem Sprachgebrauch als Ehrenbezeichnung zu verstehen: "reich an Volk" + "die Herrin unter den Völkern" (// "Fürstin unter den Provinzen"). McDaniel will auch das erste rbtj so verstehen, aber das lehnen viele ab. Das zweite rbtj so zu verstehen, ist aber auf einige Zustimmung gestoßen, u.a., weil schon VUL das so hat und weil der Chiasmus, den du in FN d ja auch erwähnst, dann noch deutlicher wäre (vgl. Seow 1985, S. 419):

Es wurde wie eine Witwe

Die Herrin unter den Völkern

Die Fürstin der Provinzen

wurde Fronarbeiterin

Die beiden rbtj wären dann eine Antanaklasis.
M indestens würde ich daher vorschlagen:

Die Reiche unter den Völkern => Die Reiche (Herrin) unter den Völkern
Mir persönlich ist die Interpretation des zweiten rbtj als "Herrin" ziemlich sympathisch; aber das ist dein Kapitel. --Sebastian Walter (Diskussion) 22:10, 10. Jan. 2016 (CET)

Überzeugt mich. --Jürgen (Diskussion) 09:20, 11. Aug. 2016 (CEST)


Wegen des Chiasmus würde ich durchaus das "sie" in Zeile 3 streichen. Dann ist auch im Dt. die Abfolge Prädikat - Subjekt - Subjekt - Prädikat.

Sowieso: Es haben schon einige Exegeten festgestellt, wie wenig Parallelismen in den Klageliedern zu finden sind und wie oft es dagegen auf das Enjambement zurückgreift. Das da oben ist eine der vier Stellen, die ich gesehen habe, bei denen deine Üs. ein wenig gegen diese Technik arbeitet. Ich sammle diese Stellen mal:

  • V. 1: Wie sitzt sie allein / die Stadt, einst reich an Menschen.
  • V. 1: Wie eine Witwe ist siegeworden / die Reiche unter den Völkern.
  • V. 15: Verworfen hat er alle meine Tapferen / der Herr, in meiner Mitte
  • V. 18: Meine jungen Frauen und Männer, / sie sind in die Verbannung gegangen.

--Sebastian Walter (Diskussion) 18:56, 13. Jan. 2016 (CET)

V. 2[Bearbeiten]

Die beiden von dir gestrichenen "ihr" habe ich "ent-strichen"; die häufige Wdh. von "ihr" ist ja einer der Clous in V. 2. --Sebastian Walter (Diskussion) 23:25, 10. Jan. 2016 (CET)

Zeile 3[Bearbeiten]

Um die Wdh. v. "ihr" erkennbar zu machen, würde ich hier tatsächlich die unschöne Üs. keiner ist ihr [als] Tröster<ref>''keiner ist ihr [als] Tröster'' - d.h., „keiner ist da, der sie tröstet“.</ref> empfehlen. Das zeigt auch, wie nahe syntaktisch Zeile 3 und 6 einander sind. --Sebastian Walter (Diskussion) 23:25, 10. Jan. 2016 (CET)


Den fehlenden menachem übersetzt du in V. 2 mit "Tröster", in V. 9 mit "der, der sie ermutigt", in V. 16 mit "Ermutiger", in V. 17 mit "der, der ihr Mut macht" und in V. 21 mit "der, der mir Mut macht". Ist das Absicht? Denn das ist ja ein Refrain. Auch das lah beziehst du manchmal auf das ´ejn ("ihr [ist] kein Tröster") und manchmal auf menachem ([Es ist] keiner, der sie tröstet"). --Sebastian Walter (Diskussion) 09:08, 13. Jan. 2016 (CET)

Zeile 4[Bearbeiten]

finde ich gut gelöst, insofern hier das "ihr" erkennbar ist, aber "Liebhaber" finde ich zu spezifisch. Vielleicht ihren Gefährten (unter allen sie Liebenden)? --Sebastian Walter (Diskussion) 23:25, 10. Jan. 2016 (CET)

V. 3[Bearbeiten]

Zeile 1[Bearbeiten]

ergänze die Alternative "entblößt" (so z.B. Renkema 1988, S. 306; vgl. V. 8) und zu "aus" die Alternativen "durch" (min causae), "nach" (min temporis), "das heißt" (min explicativum) und "in" (min des Zustands ("min status"?), vgl. Gordis 1974b, S. 153f., der dann übersetzt: "Judah is in exile, in a state of poverty and oppression" (S. 154)). Ein min des Zustands findet sich in den gängigen Lexika nicht, aber mit Deutung als min explikativum kommt man ja zum selben Ergebnis. --Sebastian Walter (Diskussion) 11:28, 11. Jan. 2016 (CET)


"Ausgewandert" würde ich vertauschen durch "ins Exil gehen":

"Das Verb גלה "in die Verbannung gehen" wird im AT nie im Sinne einer Flucht oder freiwilligen Emigration gebraucht, sondern immer im Kontext gewaltsamer Deportationen [...]." (Berges 2002, S. 100; ebenso Hillers 1972, S. 6f.). --Sebastian Walter (Diskussion) 11:28, 11. Jan. 2016 (CET)

Hillers übersetzt daher: "Judah has gone into exile after suffering and after much toil." Auch Berges 2002, S. 85: "Juda ging in die Verbannung".

Aus diesem Grund ist auch die zweite Alternative in FN g recht unwahrscheinlich und offenbar ohnehin nur entstanden, weil ein paar Exegeten früher hammetsarim ("Bedrängnisse") umpunktiert haben zu hamitsrim ("Ägypten"); so z.B. Joüon 1913.--Sebastian Walter (Diskussion) 23:25, 10. Jan. 2016 (CET)

Zeilen 3-6[Bearbeiten]

goj übersetzt du V. 1 mit "Völker", Vv. 3.6 mit "Heiden (Völker)". Ist das Absicht? --Sebastian Walter (Diskussion) 23:25, 10. Jan. 2016 (CET)


Du übersetzt 1x Präsens und 3x Perfekt. Hast du das von Kraus? Näherliegend scheint mir (a) entweder wie bei Berges 2002 2x Präsens und 2x Perfekt oder (b) wie bei Hillers 4x die selbe Zeitstufe: Nach (a) ist Zeile 3 mit Zeile 4 zusammenzunehmen und beides als der Zustand aufzufassen, den Zeilen 5.6 begründen ("Obwohl sie unter Heidenvölkern wohnt [durch X-Qatal markierter Nebensatz, daher überflüssiges hî´], findet sie keine Ruhe: All ihre Verfolger haben sie eingeholt inmitten der Bedrängnis."). Und nach (b) ist alles eine reihende Schilderung des Elends auf der selben Zeitstufe. --Sebastian Walter (Diskussion) 23:25, 10. Jan. 2016 (CET)


Zu "Ruhe" ergänze "Heimat": Janus-Parallelismus dadurch, dass menuchah beides bedeuten kann: (1) Sie findet keine Ruhe: All ihre Verfolger haben sie eingeholt; (2) Sie wohnt unter Heidenvölkern, hat keine Heimat gefunden. Die selbe Mehrdeutigkeit findet sich auch in Rut 1,9, s. FN aa. --Sebastian Walter (Diskussion) 23:25, 10. Jan. 2016 (CET)


Zeilen 5.6 verstehe ich nach der üblichen Üs. nicht. Soll das heißen: Obwohl sie ja davor schon ohnehin in Bedrängnis war (insofern sie unter Heidenvölkern wohnte), haben jetzt auch noch ihre Verfolger eingeholt?

Vielleicht so:
3 Sie wohnt unter Heidenvölkern,

4 nicht hat sie Ruhe (ein Heim) gefunden.

5 All ihre Verfolger haben sie eingeholt,

6 [Sie ist] inmitten der Bedrängnis

Zeile 5 spiegelt dabei Zeile 3: Sie ist unter Heidenvölkern + ihre Verfolger haben sie eingeholt => Sie ist von Ausländern umgeben; Zeile 6 spiegelt Zeile 4: Sie hat keine Ruhe gefunden + Sie ist inmitten der Bedrängnis => Sie hat die volle Ladung Leid abbekommen. Ist das sinnvoll? Oder stehe nur ich auf dem Schlauch und verstehe den Sinn der verbreiteten Üs. nicht? --Sebastian Walter (Diskussion) 23:25, 10. Jan. 2016 (CET)

V. 4[Bearbeiten]

Mich irritiert, dass die "klagenden Wege" nicht im Parallelismus zu den "verstörten Toren" (s.u.) stehen, dass die "verstörten Tore" im Parallelismus zu den "seufzenden Priestern" stehenn, dass die "seufzenden Priester" nicht mit den "trauernden Jungfrauen" im Parallelismus stehen und dass die "trauernden Jungfrauen" mit "Und ihr selbst ists bitter" im Parallelismus stehen soll.
Wenn man nur diese Strophe außerhalb des Gesamtkontexts der Klagelieder hätte, würde man das sicher als zwei Dreizeiler analysieren. Vielleicht könnte man dann sogar Zeile 2 als Apokoinu verstehen (Zeile 2 wäre sowohl Nebensatz von Zeile 1 und 3). Wäre das auch im Kontext der Klagelieder möglich?:

Die Wege Zions klagen
Weil es keine Festgänger gibt
Sind ihre Tore verstört/Ihre Tore sind verstört.
Ihre Priester seufzen,
Ihre Jungfrauen trauern
Und ihr selbst ists bitter.

--Sebastian Walter (Diskussion) 13:28, 11. Jan. 2016 (CET)

Zeile 3[Bearbeiten]

schmm heißt eigentlich nicht "entvölkert", sondern sehr deutlich (1) "verwüstet, zerstört" und (2) "verstört". Kommt das "entvölkert" von Kraus? Auch Berges 2002, S. 85 hat "ihre Tore sind menschenleer" und führt dafür 2Sam 13,20; Jes 54,1 an. Aber sieht man sich diese Stellen an, sieht man, dass das wohl nicht so ist: Jes 54,1 ist das schmm die gegensätzliche Stimmung zu "Jubeln und Jauchzen", also "Verstörung", und 2Sam 13,20 heißt es direkt davor, Tamar solle sich die Sache "nicht zu Herzen nehmen" - "Doch Tamar blieb verstört im Hause ihres Bruders." In Klgl 1,4 "trauern" die Straßen und die Tore sind "verstört". Auch für Cross 1983, S. 138; Gordis 1974, S. 130 und Hillers 1972, S. 1 sind ihre Tore "desolate". --Sebastian Walter (Diskussion) 08:24, 11. Jan. 2016 (CET)

V. 5[Bearbeiten]

FN p[Bearbeiten]

Wieso soll V. 18 der Üs. "als Gefangene" widersprechen? Wenn man das be als "Beth essentiae" versteht, ist das genau die Bed. der Präp.: "Als Gefangene". Ergänzen würde ich daher einfach die Alternative ([als] Gefangene<ref>''[als] Gefangene'' - W. „[als] Gefangenschaft“; abstrakter Begriff statt der konkreten Person (vgl. V. 1).</ref>)--Sebastian Walter (Diskussion) 13:28, 11. Jan. 2016 (CET)

V. 6[Bearbeiten]

Zeile 1[Bearbeiten]

Dahood 1978, S. 176 versteht das hadarahh "ihre Herrlichkeit" als Abstractum pro Concreto: "ihre Herrlichen" = "her nobility". Ich bin recht sicher, dass das richtig ist. Erstens wg. dem Zhg (//"Fürsten", Zeile 3), zweitens, weil ich glaube, dass Vv. 1-6 chiastisch gebaut sind und also V. 6 V. 1 entspricht, wo gleichzeitig von der "Entfürstung" und "Entvölkerung" Jerusalems die Rede ist (s. gleich). Beides würde nach diesem Verständnis auch in V. 6, Zeile 1.2 thematisiert. Was meinst du?

V. 1: Die Fürstin ist entfürstet, verwitwet und unterdrückt.
V. 2: Leid durch ihre Feinde
V. 3: Entvölkerung Jerusalems (+ Leid Judas)
V. 4: Ent-"pilgerung" Jerusalems.
V. 5: Leid durch ihre Feinde
V. 6: Ihre Herrlichen und Anführer sind ebenfalls entherrlicht und ent-anführt.

--Sebastian Walter (Diskussion) 14:08, 11. Jan. 2016 (CET)

Zeile 4[Bearbeiten]

Ist die "Weide" doch wohl eher wörtlich zu nehmen als "Nahrungsquelle für Widder", vgl. Vv. 11.19. Das ist dann der Grund, warum sie in Zeilen 5.6 nur "kraftlos" vor ihren Verfolgern fliehen können. --Sebastian Walter (Diskussion) 14:08, 11. Jan. 2016 (CET)

Zeile 5[Bearbeiten]

koach heißt nicht "Bedeutungslosigkeit". Kommt das von Kraus? Cross, Berges, Gordis, Dahood und Hillers haben alle "kraftlos, ohne Kraft". --Sebastian Walter (Diskussion) 14:08, 11. Jan. 2016 (CET)

V. 7[Bearbeiten]

Textkritik[Bearbeiten]

Nach der Veröffentlichung von 4QLam stellt sich die Situation ein bisschen anders da. Du bist offenbar gewillt, hier Textkritik zu betreiben, daher entwerfe ich dir mal eine Textkritik-FN a. Meiner Meinung nach sieht die Sache anders aus, daher entwerfe ich noch eine zweite Textkritik-FN.

FN a

Gedenke, JHWH, ihres Unglücks,

welches [ist] seit alten Tagen (worunter sie schon seit alters her leiden)c
cTextkritik: Die ersten beiden Zeilen sind in zwei verschiedenen Versionen überliefert; die eine findet sich in 4QLam (der bei Weitem ältesten erhaltenen Handschrift von Klgl 1), die andere in MT und allen alten Üss. Nach BHQ, Cross 1983, S. 140 und Schäfer 2006, S. 247-249 ist als ursprünglicher Text eine Mischform aus beiden Versionen zu betrachten, die wir oben übersetzt haben.

Die beiden Varianten sind:

  1. 4QLam: Gedenke, JHWH, unserer Trauer/Schmerzen, / welche [sind] seit alten Tagen.
  2. MT: Es gedenkt Jerusalem der Tage ihres Elends und ihres Unglücks, / All ihrer Kostbarkeiten, welche [es gibt] seit alten Tagen.
Schon unabhängig vom Sinn ist der MT deshalb schwierig weil die beiden Zeilen im Vergleich zu den anderen Zeilen von Klgl 1 viel zu lang sind. Alternativ hätte man beide Zeilen je in Doppelzeilen aufzuteilen; dann aber wäre V. 7 der einzige Vers in Klgl 1 mit vier Doppelzeilen und die Zahl der Hebungen, die für die Rhythmik hebräischer Lyrik entscheidend ist, wäre ungewöhnlich: Es gedenkt Jerusalem / der Tage ihres Elends und ihres Unglücks; // All ihrer Kostbarkeiten / welche [es gibt] seit alten Tagen. (Zurück zum Text: c)

FN b

Es gedenkt Jerusalem der Tage ihres Elends und ihres Unglücks,
All ihrer Kostbarkeiten, welche [es gibt/gab] seit alten Tagen.d
dTextkritik: In 4QLam (der bei Weitem ältesten erhaltenen Handschrift von Klgl 1) ist der Text in einer anderen Version überliefert: Gedenke, JHWH, unserer Trauer/Schmerzen, / welche [sind] seit alten Tagen! Wahrscheinlich gab es zwei unterschiedliche Varianten, in denen der Text überliefert wurde; die eine davon findet sich in MT, die andere in 4QLam (vgl. Kotzé 2011).
BHQ, Cross 1983 und Schäfer 2006 dagegen sehen als ursprünglichen Text eine Mischform aus diesen beiden Versionen an („Gedenke, JHWH, unseres Unglücks, welches [es gibt] seit alten Tagen!“), aber ihre Rekonstruktion basiert auf den beiden gewagten Annahmen, dass (1) ein ursprüngliches מרודיה im MT zunächst verschrieben worden wäre zu כל מחמודיה, dann sowohl die falsche als auch die richtige Version nebeneinander in den MT aufgenommen worden wären, zusätzlich weitere Wörter aus den Klgl fälschlicherweise in diese Zeile hineingeschrieben worden wären und ein Schreiber dann auch noch versucht hätte, durch die Einfügung weiterer Worte den Vers zu „retten“ und (2) darauf, dass das selbe Wort in 4QLam verschrieben worden wäre zu מכאובנו, das doch recht anders aussieht als מרודיה:
מכאובנו <= מרודיה => ומרודיה כל מחמודיה (Zurück zum Text: d)

--Sebastian Walter (Diskussion) 15:09, 11. Jan. 2016 (CET)

Zeilen 7.8[Bearbeiten]

Wirklich, so willst du das aufteilen - "Ihre Feinde sahen sie, lachten / über ihre Zerstörung"? Wieso nicht "Ihre Feinde sahen sie, / lachten über ihre Zerstörung"? --Sebastian Walter (Diskussion) 17:30, 11. Jan. 2016 (CET)


"sahen" besser als "sich weiden, sich ergötzen" (ra´ah hat oft diese Konnotation. S. deutlich z.B. Ps 22,18), oder? Wenn du gerne einen Beleg für eine FN hättest: "The expression r´wh carries the connotation of "gloat over, look with pleasure on," as often in Biblical Hebrew and the Mescha´ Inscription." (Cross 1983, S. 141). --Sebastian Walter (Diskussion) 17:30, 11. Jan. 2016 (CET)

V. 8[Bearbeiten]

deshalb[Bearbeiten]

Die Streichung stammt sicher von Kraus, oder? Das würde heute niemand mehr machen; erst recht nicht metri causa. Das "Deshalb" ist ja sogar ziemlich zentral für die Gedankenentwicklung der Klgl. --Sebastian Walter (Diskussion) 19:14, 11. Jan. 2016 (CET)

länîdah[Bearbeiten]

Das ist eine textkritische Frage, keine der Auslegung:

  • Entweder versteht man das He als Dittographie und das Jod als Verschreibung eines Waw, um so auf länud zu kommen, das sich auch in 4QLam findet und durch LXX, VUL und Tg gestützt wird: "Zum Kopfschütteln ist sie geworden" (Geste der Verachtung). Eine exakte Parallele gibt es dafür nicht; am ehesten Ps 44,15: "Du machtest uns zum Schütteln des Kopfes (mänôd-ró´sch)."
  • oder man versteht das Wort als plene geschriebenes länidah ("zur Abscheu", "zur Unreinen"), wie das Wort auch von Syr und ws. Aq verstanden worden ist. Vgl. den nächsten Vers. Sym hat beide Deutungen nebeneinandergeschrieben.

Cross 1983, S. 141, BHQ und Kotzé 2012 halten (1) für die beste Erklärung der Textvarianten; laut Gordis war früher die Mehrheitsmeinung 2 (aber da war 4QLam noch nicht veröffentlicht).
Wenn wir von länud ausgehen, haben wir zwei weitere Alternativen: (1) länud wird nach Ps 44,15 als "zur Be-kopfschüttel-ten" = "zur Verachteten" geworden, oder (2) länud wird nach Gen 4,12-14 als "zur Heimatlosen" verstanden (s. Kotzé 2012, S. 199f.). Vom Kontext passt sicher am besten (1.1), was du ja auch wählst.

Vielleicht einfach so:

Schwer gesündigt hat Jerusalem, Ist zum Gespött (zur Unreinen/zur Abscheu, zur Wanderin)e geworden;

eTextkritik: zum Gespött (zur Wanderin; zur Unreinen, zur Abscheu) - Das Wort ist zwei Varianten überliefert: (1) als lenud („zum Kopfschütteln“ (Geste der Verachtung, daher =„zur Verachteten“, vgl. Ps 44,15), „zur [heimatlosen] Wanderin“ (vgl. Gen 4,12-14)) in 4QLam, LXX, VUL und Tg und (2) als lenidah („zur Unreinen, zur Abscheu“) in MT, Syr und wahrscheinlich Aq. Sym hat beide Varianten übersetzt und nebeneinander geschrieben. Die ältere Variante ist wahrscheinlich die erste, die dann zur zweiten verschrieben worden ist (so auch z.B. BHQ, Kotzé 2012). Letztlich ist es gleich: Vom Kontext passt bei Variante (1) am Besten die Bedeutung „zur Verachteten“ und bei (2) die Bedeutung „zur Abscheu=zur Verabscheuten“; beides soll sagen, wie verachtet Jerusalem nun ist. (Zurück zum Text: e)
--Sebastian Walter (Diskussion) 19:14, 11. Jan. 2016 (CET)

gam hi´[Bearbeiten]

ist noch unübersetzt. Es sei denn, das soll "deshalb" tun, aber gam heißt nicht "deshalb". Ws. "Sie ihrerseits" (vgl. Berges 2002, S. 89): "Sie ihrerseits seufzt...".
Dazu ergänze die Alternative "laut" (nach Ugaritisch gm, so z.St. McDaniel 1968, S. 31; Hillers 1972, S. 10); vielleicht mit Fragezeichen (musst du wissen). Ein solches gm II setzen auch Beirne 1963, S. 201-203 und mehrfach Dahood an; u.a. in Num 11,4; Ps 71,22.24; 137,1; Spr 1,26; 21,13; Jes 13,3; Jer 48,2. (Wenn, fände ich persönlich das nur bei Num 11,4; Ps 137,1 und evt. Jes 13,3 sinnvoll). --Sebastian Walter (Diskussion) 19:27, 11. Jan. 2016 (CET)

V. 9[Bearbeiten]

Unreinheit[Bearbeiten]

Exakter wäre: ""Unreinheit" ist ein Euphemismus für Menstruationsblut, das eine Frau kultisch unrein machte (Lev 15,19)."

Dass das Blut "an ihren Säumen" ist, heißt dann wohl, dass sie "so krass menstruiert, dass es bis zu ihren Gewandsäumen sickert", sie also hyper-unrein ist, oder? --Sebastian Walter (Diskussion) 20:32, 11. Jan. 2016 (CET)

´acharith[Bearbeiten]

Kraus beide Belegstellen belegen nichts (?), jedenfalls nicht "das letzte, alles Leben und alle Geschichte bestimmende Handeln Gottes". Erläutert er das irgendwie näher? Neben Dtn 32,29 und Ps 73,17 sind weitere Parallelstellen Jes 47,7; z.T. auch Am 8,10. An allen Stellen ist die "Vernichtung", die Gott über seine Feinde bringt, gemeint. Was soll das heißen, dass sie diese nicht bedacht haben? Ich sehe keinen guten Weg, das über diese Parallelen zu erklären.
Vielleicht so: jarad ist auch ein Euphemismus für "sterben" (vgl. Schorch 2000, S. 133); wahrscheinlich hat also Hillers 1972, S. 24 recht: "Hence this half-line seems to be tied more closely to the second line of the stanza, with its reference, to the fall of Jerusalem, than to the foregoing.":

[Sogar] an ihren Gewandsäumen [ist] ihre Unreinheit. (d.h., sie ist arg verderbt)
Sie dachte nicht an ihr Ende - (das sie wegen dieser ihrer Unreinheit natürlich ereilen musste)
Und ist erstaunlich hinabgesunken;
Hat nicht mal einen Tröster. - ...--Sebastian Walter (Diskussion) 20:32, 11. Jan. 2016 (CET)

V. 10[Bearbeiten]

Gottesdienst[Bearbeiten]

Ist keine eigentliche Bed. von qahal; wenn, würde ich in den Fließtext "Kultversammlung" übernehmen und das dann in der FN als "Gottesdienst" erläutern. Aber ich denke, die Engführung auf "Gottesdienst" liegt hier recht fern, das Schlimme ist ja sicher nicht, dass die Babylonier am Gottesdienst der Israeliten teilgenommen hätten. qahal als "Kultgemeinde" ist wahrscheinlich eine Synekdoche für "Tempel, Heiligtum", wie aus der parallelen Doppelzeile klar wird und wie z.B. auch Ez 44,9 Dtn 23,3 verstanden hat, auf welchen Vers sich Klgl 1,10 hier bezieht. --Sebastian Walter (Diskussion) 22:06, 11. Jan. 2016 (CET)

V. 11[Bearbeiten]

Qatal[Bearbeiten]

ergänze vielleicht "[bereits]"; das auf das Ptz. folgende Qatal meint wahrscheinlich: "Sie suchen aktuell nach Brot, nachdem sie bereits all ihre Kostbares weggegeben haben, um am Leben zu bleiben." Daher wahrscheinlich auch die freiere Üs. von VUL. --Sebastian Walter (Diskussion) 22:39, 11. Jan. 2016 (CET)

Übrigens kann Qatal nach dem System derer, an denen ich mich orientiere, immer auch Präsens-Bed. haben, und selbst Exegeten, die das nicht so sehen, haben dennoch festgestellt, dass "ungewöhnlicherweise Qatal in den Klageliedern häufig präsentisch verstanden werden müsse". --Sebastian Walter (Diskussion) 23:02, 11. Jan. 2016 (CET)

Kostbarkeiten: Textkritik[Bearbeiten]

Willst du vom Zeugnis von VUL auf einen alternativen Urtext schließen? So verstehe ich jedenfalls eine FN. Dann sollte aber in den Fließtext ein [all] ergänzt werden.
BHQ allerdings wertet die Variation einfach als "emphatischere Interpretation": "The versions show some variation but none of them really presupposes a Hebrew text which would be different from M. V uses the indefinite pronoun instead of the possessive pronoun, probably to put stress on the aspect that all precious things must be given away." Das finde ich auch wahrscheinlicher, denn die Version von VUL wird ja von keiner Handschrift und keiner anderen Üs. gedeckt. + S.o. --Sebastian Walter (Diskussion) 22:39, 11. Jan. 2016 (CET)

am Leben bleiben[Bearbeiten]

übersetzt du V. 11 mit "am Leben bleiben", V. 16 mit "wieder beleben" und V. 19 mit "überleben". Ist das Absicht? --Sebastian Walter (Diskussion) 09:27, 13. Jan. 2016 (CET)

verachtet[Bearbeiten]

Das "Bettler", dass ich zum letzten Wort ergänzt habe, geht übrigens auf einen Vorschlag von Hurowitz zurück, der das Wort (nur hier!) geleitet von akk. zilulu ("Bettler, Vagabund") verstehen will; also ein zll IV (!) ansetzt. Ich weiß nicht, ob sich dem in der Zwischenzeit jemand angeschlossen hat (ist 1999 erschienen). Ich bin daher gar nicht sicher, ob es überhaupt sinnvoll ist, das als Alternative aufzunehmen. Das passt als Bed. sicher am Besten, aber solange es keine weitere Belegstelle oder wenigstens weitere Kognate gibt, scheint mir das ganz unwahrscheinlich. --Sebastian Walter (Diskussion) 22:39, 11. Jan. 2016 (CET)

V. 12[Bearbeiten]

Zeile 1 Textkritik[Bearbeiten]

Ich weiß natürlich auch nicht, was das bedeutet, aber:

  1. Welche Fragepartikel soll da fehlen? ha? Fragen ohne ha finden sich ganz oft.
  2. Dein zweiter Vorschlag ist sprachlich unproblematisch: "Nicht [sei das] wider euch!". So schon der Midrasch: "May what has come upon me not come upon you". So auch Ibn Ezra, Raschi. Vgl. auch b. Sanh. 104b.
  3. Die Emendation wäre eigentlich besser לכו לכם (Dat. eth., s. z.B. Hld 1,8 "geh dich aus!"; mit dem selben Verb Hld 4,6 "ich will mich gehen."). Die Entwicklung wäre: lkwlkm =>lwlkm=> lw´lkm. Auseinandergeschrieben wäre das dann lw´ ´lkm (Doppelte Konsonanten wurden nur einmal geschrieben) und in plene lw´ ´ljkm. Das wäre schon sehr leicht möglich.
  4. (a) Argumente metri causa lassen sich heute nicht mehr textkritisch verwenden. (b) Gordis 1974 hält die Worte außerdem für eine Anakrusis (d.h. Worte, die außerhalb des Metrums standen), und in der Tat gab es so etwas auch. Wegen (a) würde ich Argument 1 gar nicht erst machen, wegen der Möglichkeit von (b) zumindest aber sehen, dass es sehr sehr schwach ist.

Soll heißen: Für jede deiner drei Varianten könntest du dich berechtigt entscheiden; schön und leicht verständlich ist aber keine davon.

Wenn ich zum selben Ergebnis für die LF kommen wollte wie du, würde ich das vielleicht so machen:

{Nicht zu (für, wider) euch}f

f{Nicht zu (für, wider) euch} - Rätselhafter Text. In der LF daher am Besten wie z.B. in , H-R, HER05, LUT, PAT auszusparen, da es nichts Wesentliches zur Entwicklung des Kapitels oder auch nur des Verses beizutragen scheint:

Diskutiert werden v.a. drei Auflösungen:

  1. „[Berührt es] euch nicht...?“ (so z.B. Berges 2002, S. 86; MEN, SLT)
  2. „[Solches möge] euch nicht [treffen]...!“ (so z.B. Gordis 1974, S. 157; Parry 2010, S. 38; GN, NeÜ; so auch schon einige alte jüdische Ausleger)
  3. Der Text ist voller Schreibfehler; „Nicht zu euch“ habe ursprünglich „Kommt!“ gelautet (so z.B. Hillers 1972, S. 11; Salters 2010, S. 34).

Nach jeder dieser Deutungen sollen also durch diese Worte irgendwie die folgenden Imperative vorbereitet werden: Die Passanten sollen deshalb „schauen“, weil (1) das Schicksal Jerusalems sie „berühren“ soll oder (2) weil das Schicksal Jerusalems ihnen eine Warnung sein soll; oder aber (3) die Worte sind nur ein weiterer Imperativ in der Imperativkette: „Kommt, schaut und seht!“.

Zu vielen weiteren Deutungsvorschlägen vgl. Kotzé 2011b, S. 91-97. (Zurück zum Text: f)

--Sebastian Walter (Diskussion) 00:16, 12. Jan. 2016 (CET)

Zorn[Bearbeiten]

Ich glaube, die Erklärung über den Umweg des "Errötens" ist nicht richtig: charon (von chrh) stammt von den selben Etymonen wie chrr ("brennen, glühen") und meint also tatsächlich das "Brennen", nicht das "Erröten". Das ist eine tote Metapher und kann also einfach mit "Zürnen" wiedergegeben werden.
"Zürnen der Nase" wäre überwörtlich; solche Ausdrücke müssen über den heb. Stil erklärt werden: Wegen der "synthetischen Körperauffassung" (Wolff; online z.B. bei Wagner 2007, S. 257f.) können im Heb. z.B. statt einem Menschen "die Hände dieses Menschen" etwas machen oder statt einem Menschen "die Augen eines Menschen" etwas sehen; ebenso kann statt einem Menschen dann eben "die Nase dieses Menschen" zürnen. Dass das besser so zu erklären ist, sieht man z.B. daran, dass das Wort in 1/3 seiner Belege ohne ein Körperteil steht oder daran, dass in Gen 31,35 und Gen 45,5 nicht jmds "Nase", sd. jmds "Augen" "entbrennen".
Als FN würde daher etwas reichen wie Am Tag seines Zürnens<ref>''seines Zürnens'' - W. „des Zürnens seiner Nase“, heb. Idiom für „seines Zürnens“.</ref>

Klgl 1,12 ist sogar eine ziemlich gute Belegstelle dafür, denn ursprünglich stand hier wohl nicht bejom charon ´appo, sondern bejom charono ("Am Tag seines Zürnens", so in 4QLam), das im MT zum üblichen idiomatischen Ausdruck "Am Tag des Zürnens seiner Nase" ausgebaut worden ist (so BHQ, Cross 1983, Hobbins 2009). --Sebastian Walter (Diskussion) 14:01, 12. Jan. 2016 (CET)

V. 13[Bearbeiten]

13a als Bild für Krankheit[Bearbeiten]

In der Abschluss-FN zu V. 13 streiche "Jer 20,9", da wird das "Brennen" für Worte, die aus dem Herz des Psalmisten wollen, verwendet - das ist ein anderes Bild. Ergänzen könntest du stattdessen Ps 32,4; 119,83, wenn du magst.

Ich bin aber unsicher, wie passend ich die Deutung dieses Ausdrucks als Beschreibung einer Krankheit finde. Ich weiß, dass die Rede von der Austrocknung in diesen Parallelstellen (und auch Ps 22,16) gelegentlich als Beschreibung einer Krankheit verstanden worden ist, aber hier ist ja explizit vom "vom Himmel kommenden Feuer" die Rede. Hillers 1972 z.B. verweist daher auf 2Kön 1,10.12.14; 2Chr 7,1, wo das Feuer, das jarad, wörtlich verstanden werden muss; Berges auf das Stadtuntergangsklagen-Motiv der vollständigen Zerstörung einer Stadt durch Feuer und daher auf Gen 19,24. Stammt diese Interpretation von Kraus?
Ich kann zwei Alternativen anbieten:

Aus der Höhe sandte er Feuer,

In meine Gebeine (auf mich) ließ er es niederfahren.g
gIn meine Gebeine (auf mich) ließ er es niederfahren - Übersetze: „Er ließ Feuer auf mich regnen“: „meine Knochen“ werden im Heb. oft als Wechselbegriff für „mich“ verwendet (vgl. z.B. Dalglish 1962, S. 143) und bei „vom Himmel sandte er Feuer und ließ es auf mich niederfahren“ handelt es sich wohl um die Heb. Stileigentümlichkeit, dass - anders, als man das im Dt. machen würde - zur Beschreibung einer Bewegung nicht die Bewegung selbst, sondern Anfang und Ende der Bewegung genannt werden (wie z.B. im häufigen Ausdruck „losgehen und ankommen“, dazu s. z.B. FN j zu Rut 2,3). (Zurück zum Text: g)

Aus der Höhe sandte er Feuer,

In meine Gebeine ließ er es niederfahren.h

Anmerkungen

...
In Vv. 12-22 wird ein Motiv, das sich in vielen altorientalischen Stadtklagen findet, abgewandelt: Während dort die Stadtgöttin zur Sprache kommt und den Niedergang ihrer Stadt beklagen kann, wird hier Jerusalem selbst personifiziert und kann ihren eigenen Niedergang beklagen. Zu dieser Personifikation gehört auch, dass sie mit menschlichem Körper dargestellt wird: In V. 13 hat es Gebeine und Füße, in V. 14 einem Nacken für das Joch und einen Hals; in V. 16 Augen, in V. 17 Hände und in V. 20 Eingeweide und Herz.
...

hZu den Gebeinen s. die Anmerkungen; speziell sind hier wahrscheinlich die Gebäude gemeint (vgl. Berges 2002, S. 114). Anlass des Bildes ist wahrscheinlich das Niederbrennen Jerusalems (2 Kön 25,8f.), das hier wie die ganze Niederlage der Stadt nicht auf die Babylonier, sondern auf Gott zurückgeführt wird und daher mit dem Bild des Feuer- und Schwefelregens aus Gen 19,24 beschrieben wird. (Zurück zum Text: h)

--Sebastian Walter (Diskussion) 15:07, 12. Jan. 2016 (CET)

machte mich einsam[Bearbeiten]

zu 'schmm s.o. Berges, Cross, Gordis, Hillers haben auch hier wieder alle "desolate"/"verstört". Das passt auch gut zum folgenden daweh, denn dazu vgl. die mheb. + aram. + äth. Kognate ("traurig"); daher auch CDCH, S. 76 + Ges18, S. 244 + ZLH, S. 168f. zu Klgl 1,13: "traurig".
=> "Er machte mich verstört, / traurig den ganzen Tag". (dann sollte aber auch V. 22 mit "traurig" übersetzt werden)
"Gemieden" scheint mir unwahrscheinlich; das muss ja über "unrein" hergeleitet werden und dann wäre die Aussage: "JHWH (!) machte mich unrein (d.h. gemieden)". --Sebastian Walter (Diskussion) 15:36, 12. Jan. 2016 (CET)

V. 14[Bearbeiten]

Zeile 1: Textkritik[Bearbeiten]

Ich trage mal noch mehr Vrss. zusammen; ich glaube fast nicht, dass du dann noch MT folgen willst:

  • MT: nißqad `ol ("?") - Barthélemy, BHQ, Berges 2002.
    "Kann als terminus technicus für das Auflegen eines Joches nur aus dem Kontext erschlossen werden [nachdem schon aus dem Kontext erschlossen werden musste, dass es überhaupt ein terminus technicus für das Auflegen eines Joches ist.]" (Berges 2002, S. 89)
  • LXX, Syr, VUL, LamR, 27 Mss: nischqad ("es wird gewacht") `ol/`al. So auch viele jüd. Ausleger (Rashi, Joseph Kara, Menachem). - BHS, Hillers 1972, Gordis 1974; B-R.
    Ein Nifal des häufigen Verbs schqd ist aber sonst nicht belegt.
  • 4QLam: nqschrh ("gebunden ist sie")
    • urspr.: nqschr ("gebunden ist") - Cross 1983; Salters 2010; BigS, H-R, MEN, NL, SLT, TAF, TUR, van Ess.
      Das scheint mal Standard gewesen zu sein: Oettli 1889, S. 206: "Wir deuten mit den Neuern nach Qimchi = 'niqschar vgl. `qd.
  • Tg: niqschah ("schwer ist"). - Praetorius; Budde, Kraus, Hobbins 2009; ähnlich Rudolph; , HER05, HfA, LUT, NeÜ, PAT, Zink

MT steht also mit seinem nißqad allein. Die Vrss. zeigen, dass nißqad `ol wahrscheinlich die ihnen vorliegende Form war, aber offensichtlich niemand was damit anfangen konnte. Also wird man doch von einem Schreibfehler am Anfang der Textüberlieferung auszugehen haben und dann am ehesten dem Tg folgen. Aber das ist wahrscheinlich ein Fall, wo nach Kriterium 1a eine unauffällige Üs. zu wählen ist. Was ist unauffälliger? Für "gebunden ist" habe ich 8 Üss. gezählt, für "schwer ist" 7, aber dafür sind bei "schwer" und LUT dabei...

Eigentlich würde ich auch bei "gebunden" bleiben, aber das folgende "geflochten" ist doch sicher auf die "Sünden" zu beziehen, nicht auf ein erst zu ergänzendes Subjekt.

Meine Güte, sind die Klgl eine harte Nuss... --Sebastian Walter (Diskussion) 22:00, 12. Jan. 2016 (CET)

Zeile 3[Bearbeiten]

ist auch wieder textkritisch problematisch: (1) 4QLam hat und Sym liest `ulo ("sein Joch") statt `alu ("sie sind hinaufgestiegen"). So daher auch Cross 1983; Hillers 1972: "His yoke is on my neck." (2) LXXL übersetzt offenbar `alah `ulo `al ("hinaufgestiegen ist sein Joch"), was daher Hobbins 2009 als ursprünglichen Text ansieht; ähnlich schon Budde und Rudolph: `alu `ulo `al. Vorzuziehen wäre davon sicher (1). Wäre (1) MT vorzuziehen? Ich weiß es nicht. --Sebastian Walter (Diskussion) 22:46, 12. Jan. 2016 (CET)

V. 15[Bearbeiten]

Verwerfen in[Bearbeiten]

"in" besser als "aus", oder? (vgl. BHRG §39.6.1.1; Dahood 1970, S. 391f.; KBL3, S. 101). Oder als Alternative zu ergänzen. --Sebastian Walter (Diskussion) 07:11, 13. Jan. 2016 (CET)

V. 17[Bearbeiten]

Zeile 1[Bearbeiten]

Das be steht hier deswegen, weil paraß ein sog. „Verbum gesticulationis“ ist, das als solches regelmäßig mit nicht zu übersetzendem be steht (vgl. dazu Jenni 1997c). Üs. einfach "Zion streckt ihre Hände aus" + FN: "altorienatlische Gebetsgeste; die Bed. ist also in etwa: "Zion rief Gott an". --Sebastian Walter (Diskussion) 10:04, 13. Jan. 2016 (CET)

verhängen[Bearbeiten]

ist textkritisch ein bisschen problematisch; 4QLam hat tsapah ("JHWH hat gewacht/gelauert über Jakob") statt tsawah. MT wird zwar von sämtlichen Versionen gestützt, aber dennoch sehen das BHQ, Cross 1983 und Hobbins 2009 als ursprünglich an; auch Kotzé 2011b, S. 130 hält das für möglich. Das sind die vier aktuellsten textkritischen Arbeiten zu Klgl 1, das ist also eine starke wissenschaftliche Meinung und sollte daher wahrscheinlich schon erwähnt werden. Ich persönlich halte das für ganz fernliegend - die textkritische Evidenz ist sehr gering; der Schreiber von 4QLam hat allgemein einen schlechten Ruf und MT ist durchaus die lectio difficilior - aber vielleicht siehst du das anders? --Sebastian Walter (Diskussion) 13:03, 13. Jan. 2016 (CET)

V. 18[Bearbeiten]

Verbannung[Bearbeiten]

ist nicht die Bed. v. schebi, sd. "Gefangenschaft, Deportation". Gerade hier ist damit sehr sicher das Exil gemeint. "Verbannung" würde ja heißen, dass man in Jerusalem beschlossen habe, sie wegzuschicken. --Sebastian Walter (Diskussion) 13:15, 13. Jan. 2016 (CET)

V. 19[Bearbeiten]

hemmah[Bearbeiten]

Wg. hemmah statt "sie" vielleicht besser "[aber] die". Oder auch "[doch] ach!, sie haben..." (hemmah wie oft als hinneh-Äquivalent, so z.St. McDaniel 1968). --Sebastian Walter (Diskussion) 13:33, 13. Jan. 2016 (CET)

Priester und Älteste[Bearbeiten]

Wenn du das so deuten willst, dann doch ws. leichter: "[Selbst] meine Priester und Älteste", da das Heb. ja fast nie solche Fokuspartikeln setzt. Aber ist das nicht eher ein Merismus mit V. 18: Meine jungen Frauen und Männer wurden deportiert, meine Priester und Ältesten sind in der Stadt umgekommen => Jerusalem ist menschenleer.? --Sebastian Walter (Diskussion) 13:30, 13. Jan. 2016 (CET)

V. 20[Bearbeiten]

chamar[Bearbeiten]

Bei chamar II finde ich KBL3 sehr viel besser als Ges18: Pealal: "glühen, brennen" (Klgl 1,20; 2,11; Ijob 16,16); Hiphil: "brennen machen" (Sir 42,3) - vgl. mheb. chmr "rösten, versengen"; aram. chamar "glühen"; arab. chmr II: "röten, rösten, verbrennen". Bei Ges18 verstehe ich gar nicht, wie Eingeweide "rot" sein will. --Sebastian Walter (Diskussion) 14:33, 13. Jan. 2016 (CET)

kamawet[Bearbeiten]

Das k ist sicher ein emphatisches k (vgl. Gordis 1974, S. 159; Dahood 1978, S. 179): "und drinnen - der Tod."
Ähnlich Berges 2002, S. 90:

" 'drinnen raffte sie die Pest dahin' (V 20c) entbehrt jeder Grundlage. Manche gehen von einem emphatischen kaph aus: "drinnen, ja der Tod" (u.a. Gordis 277). Der Aspekt des Vergleichs bleibt aber anwesend; vgl. das sog. kaph veritatis [...]."

Den "noch anwesenden Aspekt des Vergleichs" hat Berges von GKC §118x, aber heute sieht man das nicht mehr so, s. z.B. HALOT zum Kaf veritatis: "seemingly superfluous, stressing, pleonastic (confirmatory [...], Gesenius-K. 118x)." --Sebastian Walter (Diskussion) 15:02, 13. Jan. 2016 (CET)

V. 22[Bearbeiten]

Kommen wird[Bearbeiten]

Nicht besser "kommen möge"? So Cross 983; Berges 2002, Gordis 1974, Hillers 1972, Seow 1985, S. 419 --Sebastian Walter (Diskussion) 15:40, 13. Jan. 2016 (CET)

Poesie-Syntax[Bearbeiten]

Hi Jürgen,
Ich habe gerade die Poesie-Syntax in deine Übersetzung eingearbeitet; ich hoffe, du hast nicht dagegen. Falls sie dir noch nicht geläufig ist, erkläre ich sie dir mal kurz: Poesie kommt immer zwischen zwei <poem>-Tags, also z.B.:

<poem>
GEDICHT
</poem>.

Innerhalb dieser Poem-Tags müssen keine <br />-Tags gesetzt werden; Zeilenbrüche werden automatisch übernommen. Und die zweite Zeile eines Distichons lässt sich einfach durch "_" auszeichnen; das Wiki übernimmt dann selbst die Markierung. Also z.B.:

<poem>
ZEILE 1
_ZEILE 2 </poem>.

wird zu:

ZEILE 1
ZEILE 2

Willst du dagegen einen Strophen-break machen, muss dafür der Poem-Tag geschlossen und nach zwei Leerzeilen wieder geöffnet werden:

<poem>
STROPHE 1, ZEILE 1
_STROPHE 1, ZEILE 2 </poem>.


<poem>
STROPHE 2, ZEILE 1
_STROPHE 2, ZEILE 2 </poem>.

Das wars auch schon.
Noch mal auf diesem Wege. Freut mich riesig, dass du dich an die Klagelieder gemacht hast!
Liebe Grüße, --Sebastian Walter (Diskussion) 07:43, 15. Dez. 2015 (CET)

Sonstiges[Bearbeiten]

Jürgen, könntest du mir bitte mal die vollständige Literaturangabe von Kraus schicken? Dann könnte ich die Fußnoten an unseren Zitationsstandard anpassen (AUTOR JAHR, S. SEITE) und auf der Terminologie einen Eintrag machen. --Sebastian Walter (Diskussion) 21:19, 10. Jan. 2016 (CET)

LF[Bearbeiten]

verwendete Literatur[Bearbeiten]