Diskussion:JHWH/Religionsgeschichte: Unterschied zwischen den Versionen

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So einfach ist es aber nicht. Es hilft, wenn man sich dieser Denkvoraussetzungen (die ich ja auch habe, wenn auch teils deutlich andere) bewusst wird und sie auch hinterfragen kann (das haben die Gründerväter der historisch-kritischen Methode verstanden). Wenn wir 1. ökumenisch und 2. methodisch sauber vorgehen wollen, müssen wir in unserer Exegese klar unterscheiden, welche hermeneutischen Voraussetzungen wir anwenden, und am besten jeden vertretbaren Standpunkt berücksichtigen. Nur so lässt sich Neutralität erreichen. Und dann hilft es auch zu unterscheiden, welcher zitierte Autor welche Hermeneutik vertritt. Denn die Hermeneutik beeinflusst die Ergebnisse signifikant. --[[Benutzer:Ben|Ben]] 19:28, 20. Jan. 2012 (CET)
So einfach ist es aber nicht. Es hilft, wenn man sich dieser Denkvoraussetzungen (die ich ja auch habe, wenn auch teils deutlich andere) bewusst wird und sie auch hinterfragen kann (das haben die Gründerväter der historisch-kritischen Methode verstanden). Wenn wir 1. ökumenisch und 2. methodisch sauber vorgehen wollen, müssen wir in unserer Exegese klar unterscheiden, welche hermeneutischen Voraussetzungen wir anwenden, und am besten jeden vertretbaren Standpunkt berücksichtigen. Nur so lässt sich Neutralität erreichen. Und dann hilft es auch zu unterscheiden, welcher zitierte Autor welche Hermeneutik vertritt. Denn die Hermeneutik beeinflusst die Ergebnisse signifikant. --[[Benutzer:Ben|Ben]] 19:28, 20. Jan. 2012 (CET)
Erst mal: Danke. Dann: Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich verstehe, worauf du hinaus willst.
# Zunächst mal scheinst du bei der Formulierung von Axiom (1) selbst axiomatisch vorauszusetzen, dass die Faktizität des übernatürlichen Handelns Gottes die Religion des alten Israels der religionsgeschichtlichen Forschung verschließen würde. Warum sollte es? religionsgeschichtliche Forschung fragt nach Religionsgeschichte. Und im Verhältnis von Gott und Mensch steht "Religion" auf der Seite des Menschen. Gott "glaubt" nicht an den Menschen und Gott "betet" nicht zum Menschen. Warum sollte er? - Gott weiß um den Menschen. Es ist der Mensch, der glaubt, betet und der Religion hat. Religionsgeschichte fragt nach den Menschen und ihrem Verhältnis zu Gott. Und dieses Beforschte entzieht sich der religionsgeschichtlichen Forschung nicht.
# Die Bibel will ja gar keine Historiographie sein. Wenn der historisch-kritische Exeget die Bibel historisch-kritisch liest, liest er sie gegen den Strich, insofern er lesend nicht mitvollzieht, was das Sagen der Bibel ihm weist. Der historisch-kritische Exeget fragt nicht nach theologischem Gehalt, sondern nach dem historischen Grund einer Aussage, und er schreitet nicht in die Richtung, in die die Bibel zeigt, sondern schleicht sich um sie herum, um hinter sie zu gelangen. Und er schleicht mit Scheuklappen: Geschichtsschreibung und Exegese sind beide - hm, nun... zunächst mal weltanschaulich neutrale Disziplinen. Möglich, dass ihnen so das Wichtigste an der ganzen Sache entgeht - nämlich Gott und Sinn -, aber das hindert ja nicht, dass sie das, was ihnen dann noch nicht durch die Scheuklappen ihrer weltanschaulichen Neutralität entgangen ist, auch adäquat erfassen könnten - nämlich menschliche Geschichte und menschliches Bedeuten.
Wo sind das denn ungeklärte hermeneutische Prämissen?--[[Benutzer:Sebastian Walter|Sebastian Walter]] 20:45, 20. Jan. 2012 (CET)

Version vom 20. Januar 2012, 20:45 Uhr

Diese Darstellung der wichtigsten Thesen zur frühen Religionsgeschichte des Gottes JHWH stammt von Benutzer:Sebastian Walter und wurde von ihm ursprünglich auf der Seite JHWH eingestellt. Aus Gründen der Übersichtlichkeit haben wir entschieden, sie hierhin zu verschieben. --Olaf 12:39, 20. Jan. 2012 (CET)

Etwas mehr Vorsicht?[Bearbeiten]

Im WibiLex-Artikel zu JHWH steht: „Die Herkunft der Jahweverehrung liegt in der dunklen Vorgeschichte des Volkes Israel verborgen.“ Aus diesem Grund schlage ich vor, dass wir bei der Darstellung der Thesen sprachlich deutlich vorsichtiger formulieren. Vor allem die Verbundung von „wahrscheinlich“ mit „keinesfalls“ scheint mir missverständlich. --Olaf 13:03, 20. Jan. 2012 (CET)

Das fände ich auch wohltuend. Ich wollte dieselbe Anmerkung machen. Historisch ist ja nichts gesichert, und es hängt bei der Interpretation sehr viel von der vertretenen Hermeneutik und archäologischen Schule ab. Wie eine als gesichert vertretene, doch kontroverse These in die Hose gehen kann, sehen wir am Beispiel der archäologischen Kopenhagener Schule (Minimalisten), die noch vor einigen Jahrzehnten so siegessicher aufgetreten sind, dass manche von ihnen meinten, gar keine echten Argumente mehr zu benötigen. Oder zumindest scheint sich der Diskurs häufig auf dem Niveau bewegt zu haben (im Ernst!). Jetzt ist der Minimalismus im Aussterben.

Wie wäre es (im Hauptartikel) mit einer Unterscheidung nach „Der Gott JHWH in der hebräischen Bibel“ (o.ä., vllt. ganz vorne, könnte den Abschnitt Ex 3,14 kurz integrieren, wenn der Hauptteil der Exegese in den Kommentar kommt (?)) sowie einem mit religionsgeschichtlichen Hypothesen/außerbiblischer Evidenz, der dem ersten Absatz jetzt entspricht. Wie soll „vorbiblisch“ (Überschrift) zu verstehen sein? Wenn schon vom Königtum die Rede ist, sind wir ja schon in biblischer Zeit.

Vielen Dank, Sebastian, für die (sicher aufwändige) Recherche! --Ben 16:19, 20. Jan. 2012 (CET)

Patriarchenzeit[Bearbeiten]

Die Aussagen zur Patriarchenzeit würde ich anders formulieren, denn zur Datierung der Patriarchen gibt es ja auch wieder etliche Theorien – bis hin zu der These, dass es die Patriarchen nie gab. --Olaf 13:24, 20. Jan. 2012 (CET)

These von Cross[Bearbeiten]

Bei der These von Cross, dass zeitweise verschiedene Lokalgottheiten verehrt wurden, fällt mir auf, dass seine Argumentation nicht so recht zu dem passt, was W.Rösel in seiner Monographie „Adonaj – warum Gott ‚Herr‘ genannt wird“ schreibt, und was ich auch an anderer Stelle gelesen habe. Demnach ist das Wort Baal als nicht als Gottesname zu verstehen, sondern (entsprechend seiner allgemeinen Wortbedeutung „Herr“) als Ehrentitel parallel zu Adonai. W.Rösel erwähnt, dass im Fall des Gottes Marduk der Name völlig durch den Titel Baal verdrängt wurde. Wenn aber Baal ein Ehrentitel ist, dann kann der natürlich auch für verschiedene Gottheiten verwendet werden, von denen man jeweils gerade aussagen will, dass man sie für den Hauptgott hält. Bei lokalen Unterschieden in der Verehrung JHWHs kann es sich aber um ein völlig anderes Phänomen handeln. Jedenfalls ist damit noch nicht belegt, dass die Menschen damals an die Existenz mehrerer JHWH-Gottheiten geglaubt haben. (Wenn etliche Kirchen „Unsere liebe Frau von XY“ heißen, dann spricht man deshalb ja auch nicht gleich von Polytheismus.) --Olaf 13:24, 20. Jan. 2012 (CET)

Zudem kommen wir damit auch schon wieder in den Schützengräben von Datierung und Literarkritik an. Bevor man eine Stelle „alt“ nennen kann, um verschiedene Lokale JHWH-Kulte nachzuweisen, muss man ja erstmal seine Datierungsmethodik offen legen. Sonst könnte man sich in Tautologien verheddern. (Ich meine jetzt den zitierten Autor, nicht Sebastian.) Ich will nicht sagen, dass das hier der Fall ist (dazu fehlt mir die Grundlage), aber ich sehe an diesem Beispiel, dass wir in Lexikon und Kommentar sehr sorgfältig darauf achten müssen, entweder streng nach Methoden und hermeneutischen Zugängen zu unterscheiden, oder sie in unsere Überlegungen gleichmäßig und ausgewogen zu integrieren. Ich glaube, dem Geiste unseres Projekt entspräche es, wenn wir allgemein einen methodisch sauberen, sehr ausgewogenen Überblick lieferten, aber uns mit Schlüssen – zumindest in so spekulativen Feldern – vornehm zurückhielten.

Die momentane Recherche finde ich spannend, und ebenso, zu beobachten, wie hier ein hochwertiger Lexikonartikel entsteht! Vielleicht kann ich mich demnächst ja noch selbst etwas beteiligen. Meinen Respekt euch beiden für eure Arbeit. :-) --Ben 16:19, 20. Jan. 2012 (CET)

Ich kann gerade nicht viel schreiben - ich habe eine Sehnenscheidenentzündung (heißt das so?) an der linken Hand. Aber zur Erklärung: Cross habe ich nur zitiert, um weitere Beispiele für diesen Konstruktionstypus anführen zu können. Wirklich entwickelt hat diese These McCarter. Das Problem bei ihm ist, dass er zwar sagt, der Konstruktionstyp sei gut belegt, aber nicht genug Belege bringt, als dass man dieses Phänomen anhand seiner Belege schon demonstrieren könnte.
McCarter nun entwickelt diese These anhand von Inschriften von Kuntillet ´Ajrud; und dass diese aus der Zeit der Monarchie stammen, ist sicher. Alt genug sind die Textquellen also. Eine weiterer großer Vertreter wäre dann noch - den gibt es bei uns aber nicht in der Bib - Albertz in seiner Religionsgeschichte, der ebenfalls Belege für diese These anführt. Und auch Zevit hat einscheinend etwas in diese Richtung geschrieben (bei ihr konnte ich aber noch nicht mal rausfinden, in welchem Buch). Und van der Toorn hat diese These dann als Faktum in das Lexikon schlechthin zu diesem Thema aufgenommen. Das ist nicht so hypothetisch, wie ihr anscheinend glaubt.
Jetzt, wo ich von Olaf den Hinweis auf die Wortart "Baal" lese, klingelt es auch bei mir. Das hab ich auch schon mal gelesen. Vielleicht sind die Beispiele also nicht ideal und müssten rausgenommen werden - an der Stichhaltigkeit der Argumentation McCarters ändert das aber nichts. Au, meine Hand :-P - --Sebastian Walter 17:03, 20. Jan. 2012 (CET)

Tut mir Leid zu hören, dass du eine Sehnenscheidenentzündung hast! Gute Besserung!

Ich gebe dir mal ein Beispiel zur Hermeneutik (ich spreche da für mich selbst. Ich weiß nicht, ob Olaf mir folgen würde): Für die historisch-kritische Hermeneutik (zumindest der zitierten Ausleger, soweit sie zu deinem Schluss kommen) sind in diesem Fall (ich spreche jetzt auch allgemein von der historischen Erforschung des Gottesnamens) mindestens zwei Axiome relevant, die einfach vorausgesetzt werden:

  1. Der jüdisch-christliche Monotheismus lässt sich wie jede andere Religion religionsgeschichtlich erforschen. Das bedeutet, dass historische Unwägbarkeiten wie etwa ein übernatürliches Handeln Gottes von Vornherein ausgeschlossen werden (oder in der Forschung zumindest so behandelt werden).
  2. Die biblischen Berichte sind (auch deshalb) mindestens unzuverlässig und in historischer Hinsicht Quellen von großer Fragwürdigkeit.

Das sind Annahmen, die man voraussetzen und auch teilen kann (was du ja tust). Aber sie sind als philosophische Grundsatzentscheidungen Teil der Hermeneutik. Sie sind nicht per se Teil der wissenschaftlichen Exegese. Beides muss man trennen, wenn man in einen wissenschaftlichen ökumenischen Dialog eintreten will. Dennoch wird besonders von historisch-kritischen Auslegern gerne so vorgegangen, als handele es sich bei diesen Axiomen um unumstößliche Tatsachen, die gar nicht mehr zur Diskussion stehen. (Das soll kein Vorwurf sein.)

So einfach ist es aber nicht. Es hilft, wenn man sich dieser Denkvoraussetzungen (die ich ja auch habe, wenn auch teils deutlich andere) bewusst wird und sie auch hinterfragen kann (das haben die Gründerväter der historisch-kritischen Methode verstanden). Wenn wir 1. ökumenisch und 2. methodisch sauber vorgehen wollen, müssen wir in unserer Exegese klar unterscheiden, welche hermeneutischen Voraussetzungen wir anwenden, und am besten jeden vertretbaren Standpunkt berücksichtigen. Nur so lässt sich Neutralität erreichen. Und dann hilft es auch zu unterscheiden, welcher zitierte Autor welche Hermeneutik vertritt. Denn die Hermeneutik beeinflusst die Ergebnisse signifikant. --Ben 19:28, 20. Jan. 2012 (CET)

Erst mal: Danke. Dann: Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich verstehe, worauf du hinaus willst.

  1. Zunächst mal scheinst du bei der Formulierung von Axiom (1) selbst axiomatisch vorauszusetzen, dass die Faktizität des übernatürlichen Handelns Gottes die Religion des alten Israels der religionsgeschichtlichen Forschung verschließen würde. Warum sollte es? religionsgeschichtliche Forschung fragt nach Religionsgeschichte. Und im Verhältnis von Gott und Mensch steht "Religion" auf der Seite des Menschen. Gott "glaubt" nicht an den Menschen und Gott "betet" nicht zum Menschen. Warum sollte er? - Gott weiß um den Menschen. Es ist der Mensch, der glaubt, betet und der Religion hat. Religionsgeschichte fragt nach den Menschen und ihrem Verhältnis zu Gott. Und dieses Beforschte entzieht sich der religionsgeschichtlichen Forschung nicht.
  2. Die Bibel will ja gar keine Historiographie sein. Wenn der historisch-kritische Exeget die Bibel historisch-kritisch liest, liest er sie gegen den Strich, insofern er lesend nicht mitvollzieht, was das Sagen der Bibel ihm weist. Der historisch-kritische Exeget fragt nicht nach theologischem Gehalt, sondern nach dem historischen Grund einer Aussage, und er schreitet nicht in die Richtung, in die die Bibel zeigt, sondern schleicht sich um sie herum, um hinter sie zu gelangen. Und er schleicht mit Scheuklappen: Geschichtsschreibung und Exegese sind beide - hm, nun... zunächst mal weltanschaulich neutrale Disziplinen. Möglich, dass ihnen so das Wichtigste an der ganzen Sache entgeht - nämlich Gott und Sinn -, aber das hindert ja nicht, dass sie das, was ihnen dann noch nicht durch die Scheuklappen ihrer weltanschaulichen Neutralität entgangen ist, auch adäquat erfassen könnten - nämlich menschliche Geschichte und menschliches Bedeuten.

Wo sind das denn ungeklärte hermeneutische Prämissen?--Sebastian Walter 20:45, 20. Jan. 2012 (CET)