Richter 14

Aus Die Offene Bibel

Version vom 2. Januar 2024, 14:58 Uhr von Sebastian Walter (Diskussion | Beiträge)
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Status: Zuverlässige Studienfassung – Die Übersetzung ist vollständig, erfüllt die Übersetzungskriterien und wurde mit einigen Standards der Qualitätssicherung abgesichert. Verbesserungen sind noch zu erwarten.
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Status: Lesefassung zu prüfen – Eine erste Übersetzung aus dem Urtext ist komplett und kann weiter verbessert und geprüft werden. Auf der Diskussionsseite ist Platz für Verbesserungsvorschläge, konstruktive Anmerkungen und zum Dokumentieren der Arbeit am Urtext.

Lesefassung (Richter 14)

1 Und Simson ging nach Timna und sah dort eine Philisterin, in die er sich verliebte. 2 Da ging er zu seinen Eltern und erzählte ihnen: „Ich habe in Timna eine schöne Philisterin gesehen, die möchte ich heiraten!“ 3 Da sagten seine Eltern zu ihm: „Gefällt dir denn keine der Töchter deiner Brüder oder keine Frau aus dem Volk, dass du eine Frau von den Philistern, den Unbeschnittenen, willst?“ Da sagte Simson zu seinem Vater: „Ich will sie, denn sie gefällt mir.“ 4 Seine Eltern wussten nicht, dass Simsons Wunsch von JHWH kam, denn er suchte einen Grund, etwas gegen die Philister zu tun, die zu der Zeit in Israel herrschten. 5 Daraufhin gingen Simson und seine Eltern nach Timna. Bei den Weinbergen von Timna wurde Simson von einem jungen Löwen angegriffen. 6 Da drang der Geist JHWHs in ihn ein und Simson zerriss den Löwen mit bloßen Händen, wie man ein Böckchen zerreißt. Aber seinen Eltern erzählte er nicht, was er getan hatte. 7 Danach ging er zu der Philisterin und redete mit ihr und war von ihr begeistert. 8 Als er nach einigen Tagen wieder nach Timna ging, um sie zu heiraten, ging er auch zu dem toten Löwen. In dem toten Löwen sah er ein Bienennest mit Honig. 9 Er nahm den Honig und aß ihn beim Weitergehen. Er ging auch zu seinen Eltern und gab ihnen etwas und sie aßen es. Aber er sagte ihnen nicht, dass er den Honig aus dem toten Löwen hatte. 10 Danach ging sein Vater zu der Philisterin, und Simson feierte ein Fest, wie jeder andere. 11 Als einige Philister bemerkten, dass Simson ein Fest feierte, feierten dreißig von ihnen mit. 12 Und Simson sagte zu ihnen: „Ich möchte euch ein Rätsel aufgeben. Wenn ihr es innerhalb der sieben Tage des Festes löst, werde ich euch dreißig Leinenhemden und dreißig Wechselkleider geben. 13 Aber wenn ihr das Rätsel nicht lösen könnt, dann müsst ihr mir dreißig Leinenhemden und dreißig Wechselkleider geben.“ Darauf antworteten sie: „Wir wollen dein Rätsel hören!“ 14 Er sagte zu ihnen: „Vom Fresser kam Nahrung und vom Starken kam Süßes.“ Aber sie konnten das Rätsel drei Tage lang nicht lösen. 15 Am vierten Tag sagten sie zu Simsons Frau: „Verleite deinen Mann, dir dies Lösung des Rätsels zu sagen, sonst verbrennen wir dich und deine Familie. Habt ihr uns eingeladen, um uns arm zu machen?“ 16 Da ging Simsons Frau weinend zu ihm und sagte: „Du hasst mich nur, du liebst mich nicht! Du hast den Söhnen meines Volkes ein Rätsel aufgegeben, aber mir hast du die Lösung nicht verraten!“ Da sagte er zu ihr: „Ich habe sie nicht einmal meinen Eltern verraten. Sollte ich sie da dir verraten?“ 17 Da saß sie sieben Tage bei ihm und weinte, während sie das Fest veranstalteten. Am siebten Tag verriet er ihr die Lösung, weil sie ihn so unter Druck setzte, und sie verriet die Lösung den Söhnen ihres Volkes. 18 Da sagten die Männer der Stadt zu ihm am siebten Tag, bevor die Sonne unterging: „Was ist süßer als Honig? Und was ist stärker als ein Löwe?“ Da sagte er zu ihnen: „Wenn ihr nicht mit meinem Kalb gepflügt hättet, dann hättet ihr das Rätsel nicht lösen können!“ 19 Der Geist JHWHs ging in Simson und Simson ging nach Aschkelon und tötete dort dreißig Männer. Er nahm was sie bei sich hatten und gab die Kleidung denen, die das Rätsel gelöst hatten. Er war sehr zornig und ging zum Haus seines Vaters. 20 Da wurde Simsons Frau die Frau seines Begleiters, der für ihn Brautführer gewesen war.

Anmerkungen

Studienfassung (Richter 14)

1 {Und} Simson ging hinab nach Timna (Timnat, Timnata)a und sah eine Frau in Timna unter den (Töchtern der Philister=) Philisterinnen. 2 Da ging er [wieder] hinauf und erzählteb seinem Vater und seiner Mutter {und sagte}: „Ich habe in Timna eine Frau unter den (Töchtern der Philister=) Philisterinnen gesehen. {Und jetzt:}c Nehmt sie mir zur Frau!“ 3 Da sagte[n] sein Vater und [auch] seine Mutter zu ihm: „Gibt es unter den Töchtern deiner Brüder und unter meinem ganzen Volkd keine Frau, dass du [hin]gehst, um [dir] eine Frau von den Philistern, den Unbeschnittenen, zu nehmen!?“ Da sagte Simson zu seinem Vater: „Diese nimm mir, denn sie ist recht (schön) in meinen Augen!“ 4 Sein Vater und seine Mutter wussten nicht, dass dies von JHWH [kam], denn er suchte eine Anlass (eine Gelegenheit) von den Philistern.e In jener Zeit herrschten nämlich die Philister in Israel.


5 (Und=) Später ging[en] Simson und [auch] sein Vater und seine Mutter hinab nach Timna. Und er kamf zu den Weinbergen von Timna. (Und siehe=) Plötzlich [kam] ihm brüllend ein (Junglöwe der Löwen=) reißender Löwe g ([kam] ihm ein brüllender Junglöwe) entgegen.h 6 Da drang der Geist JHWHs in ihn eini und er zerriss ihn, wie [man] ein Böckchen zerreißt,j obwohl (wobei) er nichts in seiner Hand hatte.
Und er erzählteb seinem Vater und seiner Mutter nicht, was er getan hatte.


7 (Und=) Später ging er hinab und redete mit der Frau,k und sie war recht (schön) in Simsons Augen. 8 Nach [einigen] Tagen kam er (zurück=) noch einmal, um sie zu (nehmen=) heiraten. Da bog er ab, um nach dem Kadaver des Löwen zu sehen. (Und siehe=) Da sah er im Körper (Maul)l des Löwen einen Bienen-Gemeindem und Honig. 9 {Und} Er unterwarfm ihn auf seine Handflächen und aß im Gehen.n Er ging zu seinem Vater und zu seiner Mutter und gab ihnen [etwas Honig], und sie aßen [ihn]. Aber er erzählteb ihnen nicht, dass er den Honig aus dem Körper (Kadaver) des Löwen unterworfen hatte.


10 (Und=) Später ging sein Vater zu der Frau.o {Und} Simson veranstaltete dort ein Trinkgelage, wie [es] die jungen Männer zu tun pflegten.p 11 {Und es geschah:} Als sie ihn sahen, (nahmen=) bestimmten sie dreißig Gefährten.q [Diese] waren bei ihm. 12 Und Simson sagte zu ihnen:

„Ich will euch ein Rätsel rätseln.
Wenn ihr es mir {erzählend} erzählen könntb
Innerhalb der sieben Tage des Trinkgelages

[ [Und [es] herausbekommt, ] ]r

Dann werde ich euch geben dreißig Leinengewänder
Und dreißig Wechselkleider (Panzerkleider).s

13 Aber wenn ihr[s] mir nicht erzählen könnt,b
Dann müsst ihr mir geben dreißig Leinengewänder
Und dreißig Wechselkleider (Panzerkleider).“

Da sagten sie ihm:

„Rätsle uns dein Rätsel,
Wir wollen es hören (damit wir es hören)!“

14 Da sagte er zu ihnen:

„Vom Fresser geht (ging) Fraß aus
Und vom Starken (Gewaltigen) geht (ging) Süßes aus.“

Aber (und) sie konnten das Rätsel drei Tage [lang] nicht erzählen.b 15 {Und es geschah:} Am vierten (siebten)t Tag sagten sie zu Simsons Frau: „Betöre deinen Mann, damit er uns das Rätsel erzählt!b Sonst werden wir dich und (das Haus=) den Hausstand deines Vaters mit (im) Feuer verbrennen! Habt ihr, um uns arm zu machen (zu enteignen, zu ruinieren),u uns eingeladen hierher!?“v


16 Da weinte Simsons Frau vor ihm (an ihm, wider ihn)w und sagte:

„Du hasst mich nur,
Du liebst mich nicht!
Du hast (den Söhnen meines Volkes=) meinen Volksgenosssen ein Rätsel gerätselt,
Aber mir hast du['s] nicht erzählt!“b

Da sagte er zu ihr:

(Siehe: nicht=) Nicht einmal meinem Vater und meiner Mutter habe ich['s] erzählt.
Sollte ich['s] dir erzählen?“bx

17 Und sie weinte vor ihm (an ihm, wider ihn) die [ganzen] sieben Tage, an denen das Trinkgelage war (an denen sie das Fest hatten).y {Und es geschah:} Am siebten Tag erzählte er[s] ihr,b weil sie ihn [so] bedrängte (bedrängt hatte), und sie erzählteb das Rätsel (den Söhnen ihres Volkes=) ihren Volksgenossen. 18 Da sagten zu ihm die Männer der Stadt am siebten Tag, [gerade,] bevor die Sonn' (untergehen würde=) unterging:z

„Was [ist] süßer als Honig?
Und was [ist] stärker (gewaltiger) als ein Löwe?“

Da sagte er zu ihnen:

„Wenn ihr nicht mit meiner Jungkuh gepflügt hättet,aa
Hättet ihr mein Rätsel nicht herausbekommen!“

19 [ [ Da drang der Geist JHWHs in ihn ein,i er ging hinab nach Aschkelonab und erschlug von ihnen dreißig Mann. Er nahm ihre Ausrüstung (Rüstung) und gab die Wechsel[kleider] (Panzer)s denen, die das Rätsel erzähltb hatten. ] ]ac Da entflammte sein Zorn und er ging hinauf zum Haus seines Vaters.


20 Und Simsons Frau wurde [die] seines Genossen, der sein Gefährtead [gewesen war].ae

Anmerkungen

In Ri 14 beginnt Simson seine Folge von Heldentaten, mit denen er sich Schritt für Schritt ins Zentrum des Philisterreiches vorkämpft. Altorientalische Städte hatten gelegentlich im Stadtkern einen Tempel oder einen Palast; große Orte waren von einer Mauer mit einer großen Toranlage umfriedet. Lag die Stadt im Tal (so hier: Simson „geht nach Timna hinab), schlossen sich daran in der näheren Umgebung die Felder der Bewohner:innen an; Weingärten dagegen wurden i.d.R. auf künstlichen Terassen auf Bergen angebaut (wo Getreide nicht so gut gedieh, da es weniger natürliche Wasserläufe gab und Regenwasser zu schnell ablief, vgl. z.B. Vogelstein 1894, S. 13). Simson nun vollbringt seine erste Heldentat in einem philistäischen Weingarten, dann vernichtet er in Ri 15 Getreidefelder, verschleppt in Ri 16 zu Beginn eine Toranlage, um am Ende in einer philistäischen Hauptstadt einen Tempelpalast zum Einsturz zu bringen. Nach und nach arbeitet er sich also von außen nach innen vor, und unser Kapitel schildert von dieser Progression den ersten Schritt.
Orte in Ri 14; 16
Noch in einem weiteren Sinn arbeitet er sich immer weiter ins Philisterreich vor: Simsons erster Ausflug geht nach Timna, gerade auf der anderen Seite des Flusses Sorek, dem Wohnort seiner zweiten großen Liebe in Ri 16, den man sich in Ri 13-16 wohl als natürliche Grenze zwischen dem Gebiet der Daniten und der Philister denken muss. Man sieht, wie nahe beieinander Eschtaol, Zora, Timna und der Fluss Sorek liegen – Simsons primäres Wirkungsgebiet ist winzig. Doch seine erste große Liebe in Ri 14 wird ihm am Ende des Kapitels Gelegenheit geben, im weit entfernte Aschkelon auf Kriegszug zu gehen, seine zweite große Liebe bringt ihn schließlich nach Gaza, die entfernteste philistäische Großstadt. Am Ende des Simson-Zyklus hat Simson so die ganze Fläche des Philisterreichs durchmessen. Auf der Karte abgebildet ist noch Hebron, wohin Simson in Ri 16,1-3 aberwitzigerweise das Stadttor Gazas verfrachtet haben soll; zu diesem Abschnitt s. dort.

Ein dritter Zug verbindet alle folgenden Geschichten: Stets ist ihr Ausgang der Umgang Simsons mit einer philistäischen Frau. Wie dies zu bewerten ist, ist nach Ri 3,6f., wo dies als die neue Ursünde der Israeliten identifiziert wird, ohnehin klar. Dass Simson auch noch erklärt, sie sei „recht in seinen Augen“, und damit die zweite entscheidende Sünde der Israeliten aus Ri 17,6 und Ri 21,25 vorwegnimmt (s. dort), unterstreicht es noch zusätzlich. Um es dann aber sogar noch offensichtlicher zu machen, stellt der Autor dem Simson-Zyklus noch Vv. 1-4 als eine Art zweiten Prolog voran: In den Augen rechtschaffener Israeliten ist klar zu verurteilen, wie Simson hier jeweils handelt; von den Frauen fremder Völker – und gerade von den Frauen dieses fremdesten, unbeschnittenen Volks – hat sich ein guter Israelit gefälligst fernzuhalten. Doch V. 4 verrät auch gleich, was weder Manoach noch seine Frau wissen: Dieses Handeln Simsons „kommt von Gott“. Vorausgesetzt ist offenbar, dass auch der Gott JHWH ganz selbstverständlich wie z.B. die Götter Amor oder Eros Menschen dazu bringen kann, sich in andere Menschen zu verlieben, weshalb die Liebe im Hohelied gar als „grausame Flamme JHWHs“ bezeichnet werden kann (Hld 8,6).af

In Vv. 5f. und Vv. 7-9 folgen zwei Abschnitte, die v.a. das Folgende vorbereiten. Beide beginnen damit, dass Simson „nach Timna hinabgeht“, beide enden damit, dass Simson seinen Eltern „etwas nicht erzählt“. Schon hier klingt also wieder die Thematik von Geheimnis und Verschwiegenheit an, die bereits in der Erzählung über Simsons Geburt so zentral war: Simson beginnt sein richterliches Wirken als Geheimniskrämer. Simsons Eltern dagegen haben mit Ri 13,21 aufgehört, „Wissende“ zu sein; nachdem sie in V. 4 schon keine Einsicht mehr hatten in Gottes geheimes Wirken in Simsons Schwäche für Philisterfrauen, lässt sie nun auch ihr Sohn über sein Handeln im Unklaren.
Was er seinen Eltern nicht erzählt, ist im ersten der beiden Abschnitte, dass er einen Löwen getötet hat, im zweiten, dass er ihnen Bienenhonig aus dem Kadaver des Löwen vorgesetzt hat. Es sind dies die beiden Elemente des Rätsels, das er in V. 14 den Philistern stellen und die er fatalerweise dann doch seiner Frau verraten wird.

Daneben könnte außerdem schon Simsons Sieg über den Löwen ein Bruch mit den Nasiräergesetzen sein (s. zu Kap. 13): Nasiräer durften nach Num 6,6 nicht in Kontakt mit „Leichen“ kommen. Galten (1) auch Tiere (2) schon im Moment ihres Todes als „Leichen“ (w. in Num 6,6: „tote Lebewesen“), hätte der Nasiräer Simson den Löwen illegal getötet. Beides ist aber ungewiss.ag Etwas wahrscheinlicher sind dann die Geschehnisse aus Vv. 7-9 ein Bruch mit jüdischen Geboten: Da Bienen ihre Waben im Körper des Löwen gebaut und sogar bereits Nektar gesammelt haben, ist dieser schon seit längerem tot und damit „Aas“, und auch dann, wenn auch „Aas“ nicht als „Leiche“ galt, stand das Essen von Aas-Honig gewiss mindestens im Widerspruch zu den allgemeinen jüdischen Reinheitsgeboten und damit umso mehr mit den noch schärferen nasiräischen (s. z.B. Lev 11,24f.).
Die Bienen im Körper des Löwen sind nicht verwunderlich. In griechischen antiken Texten gibt es einige parallele Stellen: Herodot berichtet in Hist 5.114, Bienen hätten ihre Waben im Schädel des getöteten Onesilus gebaut. Noch relevanter ist die sog. „Bugonie“ (s. Wikipedia), ein breit bezeugter Volksglaube, nach dem Bienen aus den Kadavern von Tieren entstanden (s. z.B. Vergil, Georg. IV 555-558; Philo, SpecLeg I 291; weitere Stellen z.B. bei Merx 1887, Sp. 391f.), wie man ähnlich noch in der frühen Neuzeit z.B. glaubte, Mäuse entstünden aus Schimmel. Wurzel dieses Volksglaubens war wahrscheinlich eine Verwechselung der Honigbiene mit der häufig Kadaver umschwirrenden Mistbiene (vgl. z.B. Osten-Sacken 1894; Engels 2008, S. 26f.). Aber so und so; jedenfalls ist gut erklärlich, wie in einem antiken Text dergleichen berichtet werden konnte.

Mit V. 10 dann beginnt der längste Unter-Abschnitt von Ri 14: Wie dies für altorientalische Hochzeiten noch häufiger belegt ist, begibt sich Simson ins Haus des Brautvaters, um dort bei einem siebentägigen Fest seine Verlobte zu heiraten. Dieses „Fest“ ist wörtlich ein „Trinkgelage“; nach Simsons Kontakt mit der Löwenleiche und vor allem seinem Essen des Aas-Honigs folgt hier also gleich die nächste Gelegenheit, bei der man mindestens mithören könnte, dass Simsons Handeln nicht dem eines idealen Nasiräers entspricht, für den ja Alkohol verboten war. Aber dass Simson selbst Alkohol trank, wird ja nicht einmal gesagt; wenn überhaupt, ist dies also ein Nebenthema. Hauptthema des Abschnitts ist dagegen klar das Rätsel, das Simson nach Vv. 12-13 seinen 30 philistäischen Trauzeugen aufgeben will. Wahrscheinlich muss man Vv. 14-18 zunächst so verstehen: Dass Simson überhaupt ein Rätsel erzählt, passt zum Geheimhaltungsmotiv in Ri 13-14. Wider Erwarten stellt Simson aber nicht einmal ein gewöhnliches Rätsel, sondern ein sogenanntes „Vexierrätsel“, das die Philister unmöglich erraten können, weil die Antwort voraussetzt, dass man um Simsons Erlebnis mit dem Löwen (s. Vv. 5f.) und dem Honig (s. Vv. 7-9) weiß; Simson erweist sich also geradezu als Meister der Geheimhaltung. Dass er zu einem Vexierrätsel greift, ist nicht „anständig“, aber regelkonform bei einem Rätselwettstreit. Dass die Philister dann Simsons Frau dazu bringen, ihm die Lösung zu entlocken, ist ebenfalls nicht anständig, aber ebenso regelkonform (s. dazu näher auf der Kommentarseite, wo außerdem eine Reihe weiterer Ausdeutungen des Rätselabschnitts gesammelt wurden).
Wichtiger ist dann aber, was im Zuge des Rätselwettstreits geschieht: Simson bricht entscheidend mit einer Reihe weisheitlicher Empfehlungen aus dem altorientalischen Kulturraum, wie sie kürzlich stark Sasson 2021 zusammengetragen hat, und verstößt damit das erste Mal gegen das Ideal der Geheimniskrämerei:

Öffne dein Herz nicht deiner lieben Frau [sc.: Verrate ihr nichts davon, was du auf dem Herzen hast]. Selbst, wenn sie dich hart bedrängt, verschließe die Geschenke in einem versiegelten Lagerraum. Lass deine Frau nicht (einmal) um das Innere deiner Geldbörse wissen.(Babylonischer Weisheitsspruch: Šimâ milka 186,16-19)
Öffne deine Gedanken nicht einer Frau, die du liebst. Versiegle [sie], wie sehr sie dich auch bekuschelt oder bedrängt.“ (Ugaritischer Weisheitsspruch: Weisung des Schupe-Ameli ii 16-19)
Öffne dein Herz nicht deiner Frau. Was immer du ihr gesagt hast, geht bald auf der Straße hausieren.(Ägyptischer Weisheitsspruch: Khasheshonqy 13,16; nach Sasson 2021, S. 587)
Öffne deine Geheimnisse nicht deiner Frau. Denn sie ist schwach und von kleinem Geist, wird's den Mächtigen verraten, und du wirst verachtet sein.(Aramäischer Weisheitsspruch: Aḥiqar, Armenische Rezension, A 74)
Mein Sohn, gibt dich ruhig mit deiner Frau ab, aber verrate ihr nicht deine Geheimnisse. Sie kann kein Wort in ihrem Herzen bewahren, sondern eröffnet's ihren Nachbarn, denn sie hat einen mickrigen Verstand, ist von kleinem Geist und (daher) unfähig, durchzuhalten.(ebd., B 74; beides apud Ayali-Darshan 2018, S. 96)

Dass Frauen die Geheimnisse ihrer Geliebten und Ehemänner weiterzuerzählen pflegen, war in der altorientalischen Weisheitslehre also ein Gemeinplatz. Sehr unerwartet in dieser Heldenerzählung erweist sich nun dies auch hier als das nach Ri 13 mit Ri 14 und Ri 16 zentrale Thema des Simson-Zyklus: Dass es Verderben bringt, wenn man seiner Geliebten oder Ehefrau seine Geheimnisse „erzählt“ (so das Leitwort unseres Kapitels), anstatt sich wie der Gottesbote in Ri 13 unzugänglich zu zeigen. In unserem Kapitel erzählt zunächst Simson etwas denkbar Kleines wie die Lösung eines Rätsels an seine Verlobte weiter. Doch das ganze 15. Kapitel wird gleich darlegen, wie selbst dieser kleine Fehler sich nach und nach zu einem totalen Krieg zwischen Simson, den Philistern und den Judäern entfaltet. Simson jedoch wird dadurch nicht etwa klüger, sondern in der Simon-Erzählung ist er es, der sich sich in Kapitel 16 als „schwach und von kleinem Geist“ erweist: Gleich vier Mal wird er dort diesen Fehler wiederholen, was dann letztendlich gar zu seinem Tod führen wird.

Die erste Folge davon, dass Simson sich nicht an die zitierten Empfehlungen gehalten hat, schildert vielleicht direkt V. 19, wo von Simsons erstem Kriegszug berichtet wird: Um seinen Wetteinsatz zu organisieren, zieht er ins 40 km entfernte Aschkelon, erschlägt dort einfach so 30 Mann und gibt deren Rüstungen an seine Brautführer weiter. Dieser Halbvers allerdings wurde vermutlich erst später zum Text hinzugefügt; ursprünglich dürfte die erste Folge vielmehr die nun folgende gewesen sein: Simson ist ob der Unanständigkeit der Philister und dem Verhalten seiner Verlobten so erbost, dass er just vor Vollzug der Ehe dieselbe absagt und sich wieder nach Hause begibt. Die nächste Folge schildert V. 20, der eigentlich bereits Einleitung von Kapitel 15 ist: Der Brautvater gibt nun Simsons Braut weiter an dessen Trauzeugen. Das wird dann Anlass sein für alle weiteren Entwicklungen im folgenden Kapitel.

Früher hat man häufiger angenommen, dass der Vater durch diese Tat rechtlich Simsons Ehe bricht: Die Ehe habe tatsächlich bereits Bestand gehabt, gleichwohl sie noch nicht vollzogen worden war, und der Brautvater hätte mit dieser zweiten Verheiratung also unrechtmäßig gehandelt. Das ist wahrscheinlich auch richtig; vgl. v.a. Ri 15,6. Alternativ kann man die rechtlichen Hintergründe mit van Selms 1950; Galpaz-Feller 2006, S. 124f. und Groß 2009 auch so verstehen: In mehreren altorientalischen Gesetzeswerken gab es das spezielle Verbot, bei einer abgebrochenen Hochzeit dürfe eine Braut einzig mit dem Trauzeugen nicht verheiratet werden. Vgl. z.B. im Gesetzescodex Lipit-Ishtar, §29: Wenn ein (zukünftiger) Schwiegersohn bereits in das Haus seines Schwiegevaters eingetreten ist und die Brautgabe erbracht hat, man ihn danach aber wieder hinausschickt und seine (zukünftige) Ehefrau einem seiner befreundeten Altersgenossen [=einem der Brautführer] [geben will], wird man die Brautgabe, die er gebracht hat, ihm doppelt zurückgeben; diese seine (zukünftige) Ehefrau wird der [eine] befreundete Altersgenosse [=der Trauzeuge] nicht heiraten. (TUAT I/1, S. 29). Was von beidem hier auch der Fall ist, jedenfalls handelt der Brautvater mit der Weiterverheiratung von Simsons Verlobter unrechtmäßig – weshalb sich in Kapitel 15 dann die Situation noch weiter aufschaukelt. Womit Gott sein Ziel erreicht hat: Mit Ri 14,20 hat Simson endgültig einen sogar außerordentlich guten Anlass, um gegen die Philister vorzugehen.

aTimna (Timnat, Timnata) - der heutige Tell el-Bataschi, vier Meilen nordwestlich von Beth-Schemesch.
Der heb. Name ist unklar. (1) Die Bezeichnung „Timnäer“ z.B. in Ri 15,6 für die Stadtbewohner legt eigentlich nahe, dass die Stadt Timna hieß, wie sie z.B. in Jos 15,10 auch wirklich genannt wird. (2) Nach der Form hier, die z.B. auch LXX und VUL bezeugen, müsste man dagegen meinen, dass ihr Name Timnata war. (3) Seit Moore 1900, S. 14.54 denken daher einige (z.B. noch BHQ *91), vorausgesetzt werde hier und andernorts tatsächlich der Name Timnat, die kanaanäische Variante von Timnah, und dieser sei von den Masoreten und den alten Übersetzern nur falsch als Timnata vokalisiert worden; (4) andere (z.B. HKL III 269a-b) denken ähnlich, diese Formen auf -tah seien die korrekte Entsprechung dieser kanaanäischen Variante.
Wie auch immer; interessanter sind ihr Name und ihre Geschichte: Timnah und Timnat bedeuten „Los, Anteil“ und bezeichnen die Landstücke, die den Israeliten bei der Landvergabe zugeteilt wurden. Ebenso wie der Name Manoach („Heimstatt“) in Kapitel 13 unterstreicht also hier der Name gerade dieser Stadt die missliche Lage der Daniten, keine Heimstatt zu haben, weil sie sich den ihnen zugelosten Anteil nicht aneignen konnten (s. Ri 1,35). Dazu, dies zu unterstreichen, eignete sich die Stadt Timnah auch wegen ihrer Geschichte besonders gut: Timnah lag an der Grenze Israels. Laut Jos 19,43 gehörte sie zum „Anteil“ des Stammes Dan; unser Kapitel setzt aber voraus, dass die Stadt noch unter philistäischer Herrschaft stand. Es ist sogar wahrscheinlich, dass der Stamm Dan Timnah nie erobern konnte, denn wie die Städte in Ri 13 wurde auch Timnah später von den Judäern erobert, nachdem Dan in den Norden weitergezogen war. Und gerade in diese Stadt will nun Simson einheiraten und gerade diese Stadt wird er im nächsten Kapitel angreifen. (Zurück zu v.1)
berzählen - Das Leitwort schlechthin in Ri 14. Ins Deutsche müsste es eigentlich mal mit „erzählen“, mal mit „verraten“ und mal mit „erraten“ übersetzt werden, doch dadurch würde verschleiert, wie sehr dies „Erzählen“ hier im Zentrum der Erzählung steht. (Zurück zu v.2 / zu v.6 / zu v.9 / zu v.12 / zu v.13 / zu v.14 / zu v.15 / zu v.16 / zu v.17 / zu v.19)
ctFN: Und jetzt - Heb. we´attah, eine sog. „Diskurspartikel“, die hier wie oft nur anzeigt, dass die Redeweise z.B. wie hier von Bericht zu Wunsch wechselt. In der Üs. ins Dt. fast stets besser auszusparen. (Zurück zu v.2)
dmein ganzes Volk - der Vater ist der Wortführer; von seinem Volk ist hier also die Rede. Gleichzeitig kommt aber schon hierin gut zum Ausdruck, wie sehr Simson sich mit dieser Heirat von seinem Volk distanzieren würde: Sein Vater kann gar nicht mehr gut von „unserem Volk“ sprechen.
Zudem bereitet der V. mit dieser Formulierung bereits V. 16 vor: Dort wird sich als grundlegende Problematik herausstellen, dass die Loyalität von Simsons Frau ihrem „meinem Volk“ gehört. (Zurück zu v.3)
eGemeint ist natürlich: Gott will Simson einen Anlass geben, gegen die Philister zu streiten; er selbst braucht dazu nicht erst eine Gelegenheit (vgl. Zapletal 1906, S. 63: „Simson erscheint überall als ein Held, der nur deshalb gegen die Philister kämpft, weil sie ihm dazu Anlaß geben; die Ehe mit der Philisterin wird ihm dazu die erste Gelegenheit bieten.“). Gut ZÜR 31: „Weil er gegenüber den Philistern einen Anlass schaffen wollte“, am besten aber übersetzt man noch freier: „...weil er ihm einen Anlass geben wollte, gegen die Philister zu streiten.“ Simson ist dann vollumfänglich Marionette Gottes: Nicht nur bringt er ihn dazu, sich zu verlieben, sondern dies ist ihm auch noch nur das Mittel, um Simson zu weiterem Handeln anzutreiben. Über diesen Vers dürfte bisher noch zu wenig geforscht worden sein; er hat sehr weitreichende Implikationen für das Gottesbild im Alten Israel. (Zurück zu v.4)
fer kam - d.h. er allein machte einen Abstecher, weshalb seine Eltern von der folgenden Begegnung auch nichts mitbekommen. LXXB, SyH und VL verdeutlichen dies, indem sie übersetzen: „er bog ab zu den Weinbergen von Timna“. S. dazu näher auf der Kommentarseite zu V. 5. (Zurück zu v.5)
greißender Löwe - Heb. kepir `arajot, w.: „ein Junglöwe der Löwen“. Die Lösung des Rätsels in V. 18 ist `ari („Löwe“), der Sg. des Plurals `arajot, nicht kepir („Junglöwe“). Erklärungsbedürftig ist dann erstens, warum hier nicht nur vom `ari die Rede ist, und zweitens, warum der alternative Begriff kepir dann doch durch `arajot präzisiert wurde. Letzteres erklärt am besten Spronk 2019 damit, `arajot sei überflüssigerweise hinzugefügt worden, um den Zusammenhang dieses Verses mit V. 18 deutlicher zu machen. Ist das richtig, ist diese Präzisierung im Dt. unnötig und wird daher richtig von fast allen dt. Üss. ausgespart. Zur ersten Frage hat am ausführlichsten Strawn 2009 geschrieben. Er glaubt, ein kepir sein eine Bezeichnung speziell des allein umherstreifenden nomadischen Löwen, aber dagegen vgl. Ez 19,2. Besser geht man daher mit Hope 1991 davon aus, dass „Junglöwen“ unter den Löwen die aktivsten Jäger sind, so dass man geradezu mit Hope als „Jagdlöwe“ oder „Killer-Löwe“ übersetzen könnte: Ein kepir ist noch gefährlicher als ein durchschnittlicher `ari. (Zurück zu v.5)
h[kam] ihm brüllend ein Junglöwe ([kam] ihm ein brüllender Junglöwe) entgegen - die Grammatik ist des Ausdrucks hier ist etwas kompliziert; s. näher auf der der Kommentarseite. Entweder übersetzt man etwa „Doch da! Plötzlich kommt ihm brüllend ein Junglöwe entgegen!“ (so deutet die Grammatik z.B. LUT) oder „Plötzlich kam ihm ein brüllender Junglöwe entgegen“ (so deutet die Grammatik z.B. HfA). Die Auflösung von dagegen ist falsch: „da brüllte ihm ein junger Löwe entgegen“. (Zurück zu v.5)
idrang ein - So THAT II, s.v. צלך. Das Wort bezeichnet hier offenbar ein machtvolles oder „gewaltsames“ Eindringen des Geistes JHWHs in Simson, so dass „[mit Macht]“ ergänzt werden könnte. (Zurück zu v.6 / zu v.19)
jwie [man] ein Böckchen zerreißt - W.: „gleich dem Zerreißen eines Böckchens“. (1) Entweder wird Simson durch diesen Vergleich mit einem Raubtier gleichgesetzt: „Er zerriß ihn, wie [ein Raubtier] ein Böckchen zerreißt“; Simson wäre dann also sozusagen ein Hyper-Raubtier. So z.B. Boling 1975. (2) Oder Bildspender ist das gebratene Böckchen beim Mahl, daher Gese 1985, S. 265: „er zerriss ihn, wie man ein (gebratenes) Böckchen zerreißt“. Oder schließlich (3), Bildspender ist das in Lev 1,17 geschilderte Opferritual und Simson zerreißt den Löwen so mühelos, wie ein Priester beim Opfer einer Taube die Flügel abreißt (so z.B. Groß 2009 und Nelson 2017). Wie auch immer; auf jeden Fall verbildlicht der Vergleich die Mühelosigkeit von Simsons Sieg. (Zurück zu v.6)
kredete mit der Frau - am besten wohl gedeutet von Zapletal 1906, S. 64: „Simson allein bespricht sich nun mit der Philisterin wegen der Ehe.“ Sowohl die Eltern Simsons als auch die der Philisterin werden also bei der Brautwerbung übergangen. (Zurück zu v.7)
l
Christoph Weigel: Simson findet Honig im Kadaver des Löwen, Kupferstich
Lucas Cranach: Simsons Kampf mit dem Löwen. Public domain, via Wikimedia Commons


Textkritik: Vom „Körper“ sprechen hier nur MT, JosAnt, Tg und Syr. Dagegen LXX, VL und VUL haben hier „im Mund“, manche LXX-Handschriften haben außerdem auch in V 9 zwei Mal „aus seinem Mund“ (s. näher auf der Kommentarseite). Das hält man heute einheitlich für Schreibfehler. Sehr sicher ist das zwar nicht; bei der sehr einheitlichen Position in der Forschung wird aber klar auch OfBi mit „Mund“ übersetzen müssen. Die Variante ist hier aber dennoch erwähnenswert, weil sie doppelt auf die Kunstgeschichte gewirkt hat: Erstens findet wegen dieser Variante Simson auch auf Gemälden und Stichen den Honig stets im „Mund“, zweitens und als Folge davon tötet er daher auch den Löwen meistens, indem er ihm die beiden Kiefer auseinanderreißt. (Zurück zu v.8)
mBienen-Gemeinde - vermutlich nicht das gewöhnliche Wort für „Bienenschwarm“ (vgl. z.B. Emmrich 2001, S. 69f.). ´edah ist sonst eigentlich die israelitische Gemeinde derer, die an den Gott JHWH glauben. Die Frucht dieser „Bienengemeinde“ wird dann in V. 9 von Simson „unterworfen“; ebenfalls nicht das erwartbare Wort dafür, dass Simson dem Kadaver Bienenwaben „entnimmt“. Fast sicher wird man daher die beiden Verse mindestens auch symbolisch nehmen müssen: Wie die Philister die Israeliten unterdrücken, so „unterwirft“ hier Simson die „Gemeinde“ der Bienen, wie er später auch die Philister im Tempel übermannen wird. (Zurück zu v.8 / zu v.9)
ntFN: aß im Gehen - W. „er ging gehen und essen“, ein sog. pleonastischer Infinitivus absolutus. Vgl. ähnlich z.B. Gen 8,3.5.7; 12,9; Jos 6,9 1Sam 6,12 u.ö. Übersetze am besten wie vorgeschlagen; der pleonastische Inf. abs. ist eine Eigentümlichkeit der heb. Sprache, die offenbar keine besondere Bed. hat. (Zurück zu v.9)
oWas Simsons Vater hier soll, ist schwer verständlich. Gewiss ist der Satz literarisch zu erklären: In V. 5 gehen „Simson und auch sein Vater und seine Mutter“ hinab, in V. 7 geht nur „Simson“ hinab, in V. 10 schließlich nur „sein Vater“. Aber was diese Textgestaltung zum Ausdruck bringen soll, hat bisher noch niemand erkennen können.
Textkritik: Einige wollen daher ohne Stütze in den alten Versionen sein Vater durch Simson ersetzen (z.B. noch Gese 1985, S. 264). Aber das geht gewiss nicht an; die Anwesenheit seines Vaters beim Hochzeitsfest macht auch erst erklärlich, warum in Vv. 6.9 eigens gesagt werden musste, Simson habe seinen Eltern nichts von dem Löwen erzählt – nur deshalb kann er sich in V. 18 sicher sein, dass seine Verlobte dies den Philistern verraten haben muss. (Zurück zu v.10)
pwie es die jungen Männer zu tun pflegen, d.h. entweder: Simson handelt so „wie die jungen Männer“, indem er statt dem Brautvater das Trinkgelage ausrichtet (so Webb 2012; das Trinkgelage zur Hochzeit im Haus des Brautvaters selbst ist breit bezeugt; vgl. z.B. indirekt Gen 29,27f.; klarer Tob 8,20; 10,7; JosAs 21,7 und weitere frühjüdische Schriften). Dann würde Simson hiermit den Brautvater ebenso übergehen, wie er in V. 7 seinen Vater bei den Ehe-Absprachen übergangen hat. Oder: Er handelt „wie [gewöhnliche] junge Männer“ und nicht wie ein Nasiräer, der sich ja Alkohol zu enthalten hatte. (Zurück zu v.10)
qGefährten - Gemeint sind ironisch gespiegelt schoschbinin, also eine Art jüdische Brautführer (= das männliche Pendant der Brautjunger) des Bräutigams. Es ist natürlich möglich, dass die Philister die Hintergedanken hatten, Simson durch dieses „Gefährten“ auch bewachen zu lassen. Gesagt wird es aber nicht, und wichtiger: Die folgende Geschichte schildert eine Entfremdungsgeschichte; aus den „Gefährten“ werden in Vv. 16f. zunächst „Volksgenossen seiner Frau“ und dann in V. 18 nur noch „Männer der Stadt“ (sehr gut Webb 2012, S. 374). Es passt daher sehr gut, dass am Anfang dieser Entwicklung dieses harmonische Wort einen Zustand der Harmonie schildert. (Zurück zu v.11)
rTextkritik: und es herausbekommt fehlt in LXX und VUL. BHQ nimmt an, es sei dort nur gestrichen worden, um den Stil zu verbessern, aber wahrscheinlicher Moore 1900; BHS; Schreiner 1957, S. 32; Groß 2009 uva.: Das Wort wurde erst später eingefügt, um die „Spielregeln“ des Rätselwettstreits zu verändern: Mit „Wenn ihr es mir erzählen könnt“ wird nur verlangt, dass die Philister die korrekte Antwort sagen können. Mit „Wenn ihr es herausbekommt“ dagegen forderte Simson explizit, dass die Philister selbst das Rätsel knacken können müssen. Erst mit Hinzufügung dieses Worts hätten die Philister also unfair gespielt. S. in V. 19 für eine ähnliche Ergänzung. (Zurück zu v.12)
sWechselkleider (Panzerkleider) - Heb. ḥalipot begadim, w. offenbar „Wechsel der Kleidung“. I.d.R. erklärt als besondere Gewänder, mit denen man an bestimmten Tagen seine Alltagskleidung tauscht, und daher als „Festgewänder“ oder „Sonntagskleider“ (so schön Knauf 2016).
Anm. d. Üs.: Ich (S.W.) zweifle sehr an dieser Erklärung: In V. 19 erbeutet Simson dreißig ḥaliṣot, was nach 2 Sam 2,21 gewiss „Rüstung“ bedeutet, und gibt diese als ḥalipot an die Männer weiter. Danach scheint ḥalipot neben „Wechsel“ mindestens auch „Rüstung“ bedeuten zu können. Das lässt sich etymologisch stützen: Das akkadische ḫalāpu(m) heißt „sich kleiden“ und auch speziell „sich rüsten“; danach ließe sich gut ein hebräisches ḥalipah II „Rüstung“ annehmen. Das Wort steht in ähnlichem Kontext sonst nur noch in Gen 45,22; 2 Kön 5,5.22f.. Dort werden ḥalipot nebst Edelmetallen als Zahlungsmittel verwendet. Auch diese Stellen passen mindestens ebenso gut zu Rüstungen wie zu kostbaren Festtagsgewändern. Lässt man sich hiervon leiten und nimmt wirklich ein ḥalipah II „Rüstung“ an, verspricht Simson „dreißig Leinengewänder und dreißig Panzerkleider“, und in V. 19 „nimmt er ihre Rüstungen und gibt diese Panzer“ an die Gefährten weiter. So deutet bisher aber niemand; einstweilen sollte daher besser auch OfBi bei der klassischen Deutung bleiben. (Zurück zu v.12 / zu v.19)
tTextkritik: Wortlaut z.B. mit BHS; Sicre 2018; LUT 17 nach LXX u.a. Dagegen MT u.a. Textzeugen: „Am siebten Tag“; das halten z.B. auch BHQ; Spronk 2019 und 16 für den ursprünglichen Text. S. dazu näher auf der Kommentarseite. (Zurück zu v.15)
uarm machen (enteignen, ruinieren) - Die Konsonanten dieses Wortes wurden von den Alten unterschiedlich gedeutet: (1) Von MT als Qal von jaraš „enteignen“; (2a) von Tg als Hifil von jaraš „um uns zu ruinieren“ wie in Ex 15,9; (2b) wohl von hier aus auch LXXB: „um uns zu (unter)drücken“; (3) von LXXA schließlich als Hifil von ruš „arm sein“ > „arm machen“. Fast alle neueren dt. Üss. präferieren dieses „arm machen“. Nach (1) aber z.B. BigS, ELB, H-R: „um uns zu berauben“, B-R, TUR: „um uns auszuerben“. So neuerdings auch einige neue Kommentare: Knauf 2016: „um uns auszunehmen“; Niditch 2008; Nelson 2017; Spronk 2019: „to dispossess us“; Webb 2012: „to rob us“. (Zurück zu v.15)
vTextkritik: Wortlaut z.B. mit BHS; Webb 2012; 16, LUT 17 nach Tg und fünf heb. Handschriften. Dagegen MT hat ein unerklärliches „Habt ihr ... uns eingeladen? Nicht?“, was heute die meisten für ursprünglich halten, aber grammatisch unerklärlich ist. S. dazu näher auf der Kommentarseite. (Zurück zu v.15)
wvor ihm (an ihm, wider ihm) - entweder also schlicht „in seiner Gegenwart“. So übersetzen die meisten, z.B. LUT: „Da weinte Simsons Frau vor ihm“. Oder sie wirft sich ihm an den Hals und weint an seiner Schulter So z.B. GN: „Da hängte die Frau sich weinend an Simsons Hals“. Oder schon in der Präposition kommt zum Ausdruck, wie sehr sie ihn mit ihrem Weinen nervt und auch nerven will: „sie heulte ihm etwas vor“. Ähnlich z.B. BigS: „Da weinte Simsons Frau ihn an“. (Zurück zu v.16)
xSollte ich's dir erzählen? - Keine wirklich klare Abweisung. Und tatsächlich wird ja schon im nächsten Vers Simson in der Tat einzig ihr die Lösung des Rätsels verraten. Besser übersetzt man daher wie vorgeschlagen als offene Frage, nicht wie z.B. : „Wie sollte ich es dir sagen?“ (Zurück zu v.16)
yD.h. wohl: Sie hat schon am ersten Tag – noch bevor ihre Volksgenossen auf sie zukamen – mit ihrem Heulen begonnen. So schon ibn Ezra; z.B. auch Ryan 2007; Webb 2012; Spronk 2019. Alternativ z.B. Boling 1975; Block 1999; Schneider 2000: Sie weint ab dem vierten Tag den Rest der sieben Tage. Aber das wäre arg knapp formuliert. (Zurück zu v.17)
zdie Sonn' - verwendet wird nicht das übliche Wort šamš, das wahrscheinlich auch in Simsons Namen steckt, sondern das sehr seltene ḥarsah. Darüber hinaus ist die Form des Wortes auffällig, aber dazu s. näher auf der Kommentarseite. (Zurück zu v.18)
aamit meiner Jungkuh pflügen - gemeint ist natürlich die Erpressung von Simsons Verlobter durch die Philister. Jungkuh muss man nicht abwertend verstehen (so z.B. Spronk 2019); Kühe waren in der Antike sogar ein Paradigma für Schönheit. Vgl. v.a. Jer 46,20: „Ägypten ist eine schöne hübsche Jungkuh“. Nach diesem Tier benannte man daher auch seine Töchter: Lea ist die „Kuh“, Egla (wie hier) die „Jungkuh“. Entsprechend wurde eine Reihe von kanaanäischen und ägyptischen Göttinnen – gerade auch Liebesgöttinnen, bes. Hathor – mit Kühen assoziiert; der ägyptische Gott Sin und der kanaanäische Gott Baal hatten Geschlechtsverkehr mit einer Kuh, und auch der griechische Gott Zeus hatte etwas Ähnliches mit Io, als sie noch die Gestalt einer Kuh hatte (er zeugt mit ihr den Epaphos durch „Anhauchung“), während seine Frau Hera den Beinamen „die Kuh-Äugige“ hat, was ihre Schönheit hervorheben soll. Zu einigen dieser Mythen vgl. gut Barstad 1984, S. 45-47.
Entweder ist nur gemeint: Ihr habt unfair gespielt, auf diese meine Ressource hättet ihr nicht zugreifen dürfen! So z.B. Groß 2009; Chisholm 2013. Oder aber hier wird auf einen Ehebruch angespielt; „pflügen“ ist im Heb. (und auch Gr.) eine häufige Metapher für Geschlechtsverkehr. So zur Stelle schon Ralbag und Abravanel; auch viele neuere, z.B. Paul 2008; Nelson 2017; Bar 2018, S. 82. Besonders gut zum Verlauf der Erzählung passt das aber nicht. (Zurück zu v.18)
abAschkelon - eine der fünf Hauptstädte Philistäas, 40km von Timna entfernt. Simson hätte also mal eben 80 km zurückgelegt, um den Timnäern ihre Kleidungen zu besorgen, anstatt z.B. in eine der beiden benachbarten Hauptstädte Gath oder Ekron zu ziehen. Daher sinnvoll Gaß 2007, S. 383: „Die Verlagerung dieser Episode ins entfernte Aschkelon soll wohl verhindern, dass Simson von den wütenden Angehörigen der getöteten 30 Männer verfolgt werden kann.“ Oder Aschkelon wurde gewählt, um neben Timna am nördlichen Rand des Philisterreiches und Gaza am südlichen Rand auch noch die zentrale philistäische Hafenstadt zwischen Gaza und Aschdod in der Geschichte unterzubringen. (Zurück zu v.19)
acTextkritik: Die Satzfolge macht offensichtlich wenig Sinn: (1) Die Philister schummeln – (2) Simson beschwert sich – (3) Simson organisiert seine Wettschulden – (4) und dann erst wird er zornig. Wahrscheinlich ist dieser Teil von V. 19 daher ähnlich zu erklären wie das „und wenn ihr es herausbekommt“ in V. 12: Ursprünglich ist Simson erbost über die Schummelei der Philister postwendend nach Hause gezogen. Um aber das Simson-Bild aufzuhübschen, haben ihm spätere Schreiber zunächst noch seine Wettschulden bezahlen lassen, indem sie erst später diesen Satz an wenig sinnvoller Stelle einfügten (so z.B. noch Groß 2009). (Zurück zu v.19)
adGenosse + Gefährte - Theoretisch auch möglich wie bei Knauf 2016: „Sie wurde die Frau seines Genossen, dessen Gefährtin sie war“. Gemeint ist nach V. 11 aber mit dem zweiten Wort klar der „Ober-schoschbin“, also unter den altorientalischen schoschbinin = Brautführern, die mit dem ersten Wort gemeint sind, jener, dessen Amt am ehesten dem des heutigen Trauzeugen entsprach: „Sie wurde die Frau desjenigen seiner Brautführer, der für ihn Trauzeuge gewesen war“. Vgl. dann näher in den Anmerkungen. (Zurück zu v.20)
aeV. 20 gehört eigentlich bereits zu Kapitel 15. So urteilt Kim 1993, S. 266f. aus literarischen Gründen, vor allem aber gliedern so auch viele heb. Handschriften den Text. (Zurück zu v.20)
afÄhnlich leiteten entweder Rabbi Abahu (3.-4. Jhd. n. Chr.) oder Rabbi Aibo (4. Jhd.) aus diesem Vers (und Gen 24,50 und Spr 19,14) ab, dass Gott jedem Menschen den idealen Partner zubestimmte, s. b.B.Q. 18b; Midrasch BerR 68,3; Midrasch Teh 59,2. (Zurück zu )
agRecht eigentlich ist es sogar ganz unwahrscheinlich: Im Talmud wird in b.Naz 4b abgewogen: „Woher wissen wir, dass Simson durch Kontakt mit Leichen verunreinigt wurde? Daher, dass es heißt: ‚Mit dem Kieferknochen eines Esels erschlug ich 1000 Mann‘ etwa? [Nein:] Vielleicht hat er [schließlich] damit nach ihnen geworfen und so so nicht berührt.“ Heißt: Im Talmud gilt selbst der Kieferknochen des Esels nicht als „Leichen-Teil“; umso weniger dann der Löwe, bei dem dies im Talmud ja nicht einmal erwogen wird. Menschen aber galten in der Tat schon im Moment ihres Todes als „Leichen“, weshalb eben mit dem Eselskiefer geworfen werden muss. (Zurück zu )