Ijob 4

Aus Die Offene Bibel

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Status: Studienfassung zu prüfen – Eine erste Übersetzung aus dem Urtext ist komplett, aber noch nicht mit den Übersetzungskriterien abgeglichen und nach den Standards der Qualitätssicherung abgesichert worden und sollte weiter verbessert und geprüft werden. Auf der Diskussionsseite ist Platz für Verbesserungsvorschläge, konstruktive Anmerkungen und zum Dokumentieren der Arbeit am Urtext.
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Status: Lesefassung folgt später – Bevor eine Lesefassung erstellt werden kann, muss noch an der Studienfassung gearbeitet werden. Siehe Übersetzungskriterien und Qualitätssicherung Wir bitten um Geduld.

Lesefassung (Ijob 4)

(kommt später)

Studienfassung (Ijob 4)

1 Da antwortete Elifas, der Temaniter, und sprach:


2 „Dürfen wir ein Wort an dich richten (versuchen; Richten wir ein Wort an dich?; Wenn wir ein Wort an dich richten, wird...)?a Es wird dich ermüden (erschöpfen)!b
Doch Worte zurückzuhalten – wer vermag es!?
3 Siehe:c Du hast erzogen (gezüchtigt) viele
Und schlaffe Hände hast du gestärkt.d
4 [Den] Niedersinkenden erhoben deine Worte
Und nachgebende Knie stärktest du.
5 Doch nun jedoch (trotzdem):e [Es] soll (wird) an dich kommen und du bist müde (erschöpft),
[Es] soll (wird) dich treffen und du bist erschreckt (vernichtet).f
6 Ist [also] nicht deine [Gottes]furcht (Angst) dein Vertrauen (deine Dummheit),
Deine Hoffnung die [ach so große]g Vollkommenheit deiner Wege!?h


7 Denke doch daran:i Wer ists, der unschuldig verging,
Wo ist [je] ein Aufrechter zerstört worden?
8 Wie ich's sah, [ist's stets so:] Die Unrecht pflügenj
Und Mühsal säen – werden's ernten.
9 Durch Gottes Schnauben werden sie zugrunde gehen,
Durch den Sturm (Wind) seiner Nase werden sie verzehrt werden (werden sie verzehrt werden)!
10 Wurden das Brüllen des Löwen1k und der Schrei (Klang) des Löwen2
Und die Zähne des Löwen3 ausgeschlagen,l
11 Vergeht der Löwe4 aus Mangel an Beute
Und die Söhne des Löwen5 werden zerstreut werden.m


12 {Und} zu mir stahln sich ein Wort,
– Und es nahm wahr mein Ohr ein bisschen davon –
13 In Gedanken, [hervorgerufen] durch Visionen der Nacht,
Als Tiefschlaf über Menschen fielo
14 – Schrecken ergriff mich und Beben
Und erschreckte die Menge meiner Knochen
15 Und ein Windhauch (Geist)p wehten über mein Gesicht
Es ließ schaudern ein Sturm mein Fleisch (das Haar meines Fleisches stand aufrecht?)! –:q
16 Da standn – ich konnte ihr Aussehen nicht erkennen –
Eine Gestalt vor meinen Augen.
Stille. Dann hörte ich eine Stimme (Ich hörte eine stille/leise Stimme):r


17 ‚Kann ein Menschlein gerecht sein vor (gerechter sein als) der Gottheit
[Oder] etwa vor seinem Schöpfer rein (als sein Schöpfer reiner) sein ein Mann?s
18 Siehe:c (wenn) [Selbst] in seine Dienert kann er nicht sein Vertrauen setzen
Und seinen Engeln (Boten) muss er Frevelei (Täuschung, Unsinn, Irrtum)u zuschreiben –
19 Wie viel mehr [muss das also gelten] für die Bewohner von Lehmhäusern,v
Die ihr Fundament im Staub haben.
Man zerdrückt sie (Zerdrückt werden sie)w wiex Motte[n] (wie ein Vogelnest),
20 Zerstört sie von Morgen bis Abend –
Ohne [dass] man's beachtet (sie's realisieren, ohne Namen, aus Mangel an Achtsamkeity), vergehen sie beständig (für immer).z
21 Ist's nicht so: Wurde ihr Strick (Faden, Überrest)aa durch sie [selbst] (in ihnen) herausgerissen,
[Dann] müssen (werden) sie sterben – und [das] nicht in Weisheit?‘

Anmerkungen

Der erste, der auf Ijobs ausführlichen Klageschrei antwortet, ist Elifas in den Kapitel 4-5. Seine Antwort lässt sich grob in sechs Abschnitte gliedern:
(1) Vv. 2-6 Warum bist gerade du hoffnungslos, wo doch gerade du früher so häufig Verzweifelnde ermutigt hast? (2) Vv. 7-11 In der Tat: Frevler werden von Gott zugrunde gerichtet. (3) Vv. 12-21 Und weiterhin: Im Prinzip ist vor Gott erstens jeder ein Frevler, zweitens ist der Mensch mit seinem Leben und Sterben doch völlig unbedeutend; aufs Ganze gesehen leben und sterben Menschen wie Fliegen, wen sollte das kümmern? –
Was Elifas in diesem zweiten Abschnitt von sich gibt, ist eine Reihe theologischer Banalitäten, die von ihm aber in Vv. 12-16 lang und breit eingeführt werden als Inhalte einer außerordentlichen Vision, die Gott ihm gewährte – kein Wunder, dass Ijob die Worte des Elifas in Kap. 6 grob zurückweist als „Traumgesabbel“.

atFN: Dürfen wir ein Wort an dich richten (versuchen; Richten wir ein Wort an dich?; Wenn wir ein Wort an dich richten, wird...)? - Das erste Wort ist heb. hanissah, wörtl. auf den ersten Blick die Fragepartikel ha- + nissah, „man versucht“, i.d.R. i.S.v. „in Versuchung führen“ (so deuten z.B. Raschi, Raschbam, Rambam und Saadja. I.S.v. „ausprobieren“ aber auch in Dtn 4,21; 28,56; Ri 6,39; 1 Sam 17,39). Das macht schwerlich Sinn, wenn man nicht dabar („Wort“) gegen MT zum Infinitiv dabber („sprechen“) umpunktiert (wie auch Aq, Theod, Syr, VUL deuteten): „Dürfen wir versuchen, zu sprechen zu dir?“. nissah ist daher eher eine alternative Schreibung von nißßah („erheben“, mit „Wort“ als Obj. auch in Am 5,1), also „dürfen wir ein Wort an dich richten?“. So schon Aq, Sym, Theod, VL, VUL, Ibn Ezra. Zum Gedanken vgl. Sophokles, Die Trachaierinnen 1230f.: „Ach, es ist falsch, mit einem kranken Mann zu streiten!“
Textkritik: Die in dt. Üss. häufige Üs. „Wenn man ein Wort an dich versucht (besser: richtet), wird...?“ ist sinngemäß sicher richtig. Dass schon Sym, Theod und VUL mit „wenn“ übersetzen, könnte nahelegen, dass der Text auch in einer alternativen Version statt als hnsh entweder als hn nsh oder als h nsh / hn sh mit n als „shared consonant“ (beides: „wenn man versucht,...“) überliefert war. Für die LF macht dies letztlich keinen Unterschied. (Zurück zu v.2)
bermüden (erschöpfen) - eine etwas merkwürdige Wortwahl in diesem Kontext. Vermutlich daher ein sarkastischer Rückbezug auf Ijob 3,26: „Kein Frieden! Keine Rast! / Keine Ruhe! Nur Aufruhr!!!“ Darauf Elifas sarkastisch: „Natürlich wird es dich noch mehr erschöpfen, wenn wir jetzt auch noch mit dir argumentieren – jedoch...“ (so gut Burnight 2014, S. 349f.). (Zurück zu v.2)
cSiehe wie häufig nur, um zu markieren, dass nun eine Argumentation folgt: „Schau mal:...“. In der LF am besten auszusparen. (Zurück zu v.3 / zu v.18)
dhast du gestärkt - W. „hast du (immer wieder) gestärkt“; im Gegensatz zur Verbform Qatal in 3a, mit der Vergangenheit und Gegenwart Indikativ ausgedrückt wird, wird hier und im Folgenden die Verbform Yiqtol verwendet, mit der für gewöhnlich Futur, Modalität oder wie hier Iterativität markiert wird. Häufigeres heb. Stilmittel, das so nicht ins Dt. übertragbar ist: T-Shift. (Zurück zu v.3)
eDoch nun jedoch (trotzdem) - Anakrusis: Die beiden Worte stehen im Heb. außerhalb des Metrums und markieren so auch metrisch den Einschnitt in Elifas Rede, nach dem nun von Anderem die Rede sein wird: nicht von Ijobs früherem regulärem Agieren an Anderen, sondern an seinem aktuellen Reagieren auf seine eigene schlimme Situation. Zu den Worten selbst s. nächste FN. (Zurück zu v.5)
ftFN: Die Verben für [es] soll an dich kommen + [Es] soll dich treffen sind nicht, wie aufgrund des „nun“ zu erwarten wäre, Qatal, sondern Yiqtol, womit Futur, Modalität und Iterativität markiert wird. Gemeint ist mit „[es]“ daher wohl nicht das Leid, das Ijob bereits erfahren hat, sondern das daraus resultierende Leiden, unter dem Ijob zukünftig leiden wird. Treffend wird dies im nächsten Vers kontrastiert mit den beiden auf die Zukunft hin orientierten Regungen „Vertrauen“ und „Hoffnung“. `attah („nun“) in „doch nun jedoch“ ist hier daher wohl kein Temporaladverb mit der Bed. „zum jetztigen Zeitpunkt“, sondern – ähnlich wie in den dt. Ausdrücken „nun denn“ oder „nun wohl“ – ein Diskursmarker mit der Bed. „nun jedoch“, „trotzdem“ (wie we`attah in Jes 64,7; Hag 2,4; vgl. Brongers 1965, S. 295; Jenni 1997e, S. 47), mit dem angezeigt wird, dass das Folgende im Kontrast steht zum Vorigen. Das ki („doch“) direkt davor hat beinahe genau die selbe Funktion; in Kombination sind die beiden Worte also sehr stark kontrastierend. (Zurück zu v.5)
gtFN: [ach so große] - emphatisches Waw; so Blommerde, Delitzsch; Dhorme; vgl. Kön §341. (Zurück zu v.6)
hSarkasmus: die Grundthese von Elifas ganzer Rede in Ijob 4-5 ist gerade, dass niemand vollkommen ist in den Augen Gottes (in Ijob 9,20-22 ist gerade dies Ijobs Frevelei: Dass er sich anmaßt, zu behaupten, er sei vollkommen und Gott strafe ihn dennoch), dass Gottes Strafe daher stets gerechtfertigt ist und dass man daher keine Wahl hat, als sein Vertrauen allein in Gott zu setzen. Vgl. sehr ähnlich Ijob 22,3-5, wo wieder Elifas gerade an das hier Gesagte anknüpft: „Hat Gott etwa Gefallen daran, wie gerecht du bist; hat er Nutzen daraus, wie vollkommen dein Weg ist? Ist's wegen deiner [Gottes]furcht, dass er dich verurteilt? ... Ist nicht [vielmehr] deine Bosheit groß, sind nicht [vielmehr] ohne Ende deine Missetaten!?“ Sehr treffend daher, dass für „Vertrauen“ gerade das doppeldeutige Wort kislah verwendet wird, das auch „Dummheit“ bedeuten kann (wie auch LXX, Syr und Raschi deuten; auch Wolfers 1995, S. 379; ähnlich Hoffman 1980, S. 115). (Zurück zu v.6)
iDenke doch daran - Anakrusis wie in V. 5. (Zurück zu v.7)
jpflügen - „einpflügen“; das „Pflügen“ und das „Säen“ in der nächsten Zeile beschreiben den selben Arbeitsgang; in V. 8 werden also nicht die beiden Ackerbau-tätigkeiten in verkehrter Reihenfolge genannt, sondern im V. findet sich ein hyperbatischer Merismus: „Die Unrecht und Mühsal pflügen und säen“.
Zum Vorgang vgl. Dalman, AuS II 184: „In [Arabien] fiel bei Saubohnen das Vorpflügen weg, und der Pflüger ließ bei einmaligem Pflügen den Samen in die Furche fallen, der bei der nächsten Furche zugedeckt wurde, wie es ja stets bei dieser Art des Säens geschieht. [...] Diese Art des Säens ist noch vollkommener organisiert, wenn man die Saat durch einen an den Pflug gebundenen langen Trichter [...] in die Furche fallen läßt, und zwar so, daß der Same hinter der Sohle des Pfluges mit Sicherheit in die tiefste Stelle der Furche gelangt.“ (Zurück zu v.8)
kLöwe1 - in diesem und dem nächsten Vers werden fünf verschiedene Wörter verwendet, die alle den „Löwen“ bezeichnen. Das erste, ´arjeh, ist seine Standardbezeichnung und kommt wohl etymologisch von gez. ´arwe („wildes Tier“). Das zweite, schachal, bed. wörtl. „der Brüller“, was sehr gut zum Vers passt. Das dritte, kefir, kommt etymologisch von kafar („stark sein“), wodurch ein schöner Kontrast zum Ausdruck kommt: Gerade der „Starke“ ist's, dessen Zähne hier ausgeschlagen werden. Das vierte, lajisch, ist wohl ganz ähnlich etymolgisch verwandt mit arab. lait / laias („Tapferkeit“) und also „der Tapfere“; das fünfte schließlich, labi´, wieder mit akk. nabû („brüllen“) und wird wegen dieser Stelle und Ez 19,2 oft sinnvoll, aber nicht notwendig als Bezeichnung einer „Löwin“ gedeutet. (Zurück zu v.10)
lausgeschlagen - synästhetisches Zeugma. Heb. nata`, unsicheres Wort (=> Hapax legomenon). Vermutlich verwandt mit dem aram. nataṣ und dem akk. natû („schlagen, zertrümmern“). Das „Brüllen des Löwen“ und der „Schrei des Leun“ in der vorigen Zeile sind dann bildliche Rede für das geöffnete Maul derselben; auch ihnen werden die Zähne herausgeschlagen. (Zurück zu v.10)
mMan beachte die Verbformen, die leider in den meisten Üss. übergangen werden und über die hier eine Zeitfolge ausgedrückt wird: V. 10 Qatal (=Vergangenheit), 11a Partizip (=Gegenwart), 11b Yiqtol (=Zukunft).
Die Gedankenverknüpfung von Vv. 7-11 ist nicht leicht erkennbar. Vermutlich ist der rote Faden nur die allen Versen zugrundeliegende Logik: Unrecht wird bestraft. Unschuldige vergehen nicht und Aufrechte werden nicht zerstört, aber Ackerbauern des Unheils werden Unheil ernten und brüllenden und zähnefletschenden Löwen werden die Zähne ausgeschlagen, so dass auch sie vergehen. Einen alternativen Vorschlag hat aber bedenkenswert Thomas von Aquin gemacht: Für ihn liefert hier Elifas nachträglich noch die Erklärung nach, warum eigentlich auch Ijobs Kinder sterben mussten. Dies, könnte man sagen, ist nun mal der Lauf der Welt: Gerechte werden nicht bestraft; Missetäter schon, und wie eines Löwen Junge sterben, wenn ihm die Zähne ausgeschlagen wurden, [so müssen naturgemäß auch die Kinder von Sündern sterben, wenn diese bestraft werden]. (Zurück zu v.11)
nstahl (V. 12), wehte + ließ schaudern (V. 15), stand + konnte erkennen + hörte (V. 16) - W. „wird sich stehlen“, „wird wehen“ etc.; die Verbformen (Yiqtol) sind grammatisch unerklärlich. Auffällig sind es anfangs gerade die Verben für die Widerfahrnisse des Elifas während seiner nächtlichen Vision, die im Yiqtol stehen; die Verben für seine Empfindungen – in V. 14 nämlich, oder 12b, wo anders als in 12a Elifas Subjekt ist – stehen im Qatal oder Wayyiqtol, wie dies bei einem Bericht über die Vergangenheit auch zu erwarten wäre. Ab V. 16 stehen aber auch Elifas Wahrnehmungen im Yiqtol. Sehr wahrscheinlich ist dies ein Stilmittel, dessen grammatikalischer Hintergrund heute aber nicht mehr verständlich ist. Die meisten älteren Üss. üs. mit Vergangenheit. Rowley 1970 und Dharamraj 2006, S. 89.92 dagegen halten es klug für eine Art dramatischeres historisches Präsens, wie denn Horst 1969, B-R, TUR, 16, LUT 17 und ZÜR 07 auch übersetzen, was für die LF durchaus erwägenswert wäre:

„Da stiehlt sich ein Wort zu mir
(Ein bisschen davon konnte mein Ohr wahrnehmen)
In Visionen aus Träumen zur Nacht,
Als Tiefschlaf über Menschen fiel
(Schrecken ergriff mich und Beben
Und erschreckte mich am ganzen Leib!
);
Ein Windhauch weht über mein Gesicht,
Ein Sturm lässt mein Fleisch schaudern,
Da steht – ich kann sie nicht erkennen! –
Eine ... Gestalt vor meinen Augen!

Stille. Dann hör ich eine Stimme:...“ (Zurück zu v.12 / zu v.15 / zu v.16)
oD.h.: Zur Zeit, da Menschen tief schlafen, hatte ich einen Traum, in dem sich zu mir ein Wort stahl, von dem ich ein bisschen wahrnahm. Jede Zeile scheint hier jeweils noch etwas mehr als die vorige Elifas zum unzuverlässigen Erzähler zu machen („Ich habe ein Weisheit empfangen. Also, nur einen Teil davon, muss ich gestehen. Im Traum, allerdings. Einem Traum, den ich zugegebenermaßen zur Zeit des Tiefschlafs hatte.“). Folgt man aber Ijob 33,14-16 (vgl. auch Jer 23,25), ist im Gegenteil genau dies die Weise, auf die Gott sich dem Menschen offenbart, und damit die zuverlässigste Quelle für die Empfängnis von Wahrheiten: Elifas präsentiert sich hier als Prophet, wie dies richtig b.B.B. 15b gesehen hat. (Zurück zu v.13)
pWindhauch (Geist) - Nicht selten übersetzt als „Geist“. Doch dies ist sehr unwahrscheinlich, da das Verb klar ein „Wind-verb“ ist („wehen“); so richtig Ball 1922, S. 138; Dhorme 1984, S. 51. (Zurück zu v.15)
qEs ließ schaudern ein Sturm mein Fleisch (das Haar meines Fleisches stand aufrecht?) - Ein Zeichen der Gegenwart Gottes, der im Alten Orient auch als Wind- und Sturmgott verehrt wurde.
tFN: Unsichere Üs. Das erste Wort ist entweder zu übersetzen als „Es ließ schaudern“ oder „Es stand aufrecht“, das zweite als „ein Sturm“ oder „das Haar“. Ersteres ist unsicher; das Wort smr findet sich nur zwei Mal im Heb. (das zweite Mal in Ps 119,120), das abgeleitete Adjektiv nur einmal in Jer 51,27 („schaudern machende / borstige Heuschrecken“). Auch die Etymologie ist ganz unklar; verwiesen wird gelegentlich auf aram. smr ((voll)nageln“), woraus sich dann über „vollgenagelt“ die Bed. „borstig sein“ und daher vom Haar „aufrecht stehen“ entwickelt haben soll. Das ist doch recht weit hergeholt. Als „aufrecht stehen“ üs. aber auch LXX, eine zweite gr. Üs., VUL, Syr, Raschi; beide Deutungen referiert schon Berachja. Das zweite Wort, ßa`arat sollte auf den ersten Blick „das Haar von“ bedeuten (wie z.B. 1 Sam 14,45), könnte aber ebenso gut eine Nebenform von sa`arah („Sturm“) mit der alten Femininendung -at sein, wie auch Tg hier deutet. Das stärkste Indiz ist, dass in Ps 119,120 das Fleisch selbst und nicht „Haar des Fleisches“ Objekt des Verbs smr ist und also smr etwas ausdrückt, was mit dem Fleisch selbst geschieht, und hier das Verb im Piel steht, also recht wahrscheinlich die Rede ist von einem Subjekt, das das Objekt „Fleisch“ smr lässt. Etwas mehr spricht daher für die obige Primärübersetzung, wenn auch ganz unsicher ist, was smr genau bedeutet. So auch B-R, TUR. (Zurück zu v.15)
rtFN: Wie in der Alternative z.B. Ball 1922, Buttenwieser 1922; Dhorme 1984: „Stille“ und „Stimme“ werden beide als Objekt und die ganze Phrase dann als Hendyadioin genommen: „Ich hörte Stille und eine Stimme“ = „Ich hörte eine stille=leise Stimme“. So z.B. auch schon LXX: „Ich hörte nur einen Hauch und eine Stimme“. Aber das ist ganz unwahrscheinlich. Erstens, weil das Wort „Stille“ nicht für leise Geräusche steht, sondern für die Abwesenheit von Geräusch und Bewegung (s. zu 1 Kön 19,12). Und zweitens deshalb: Die Satzstruktur wäre dann [OBJEKT] und [OBJEKT] [PRÄDIKAT], und Sätze mit dieser Satzstruktur gibt es in der Bibel laut Shebanq kein einziges Mal. Die Masoreten haben auch anders analysiert: Wäre demamah waqol ein Hendyadioin, stünde der trennende Akzent nach qol, nicht nach demamah (vgl. z.B. Gen 5,2: „Als MännlichesK und Weibliches | schuf er sie“; Ez 4,16: „Nach MaßK und in Entsetzen | trinken sie“; Ez 12,18: „mit ZitternK und Angst | sollst du trinken“ usw.; vgl. z.B. Spanier 1927, S. 45). (Zurück zu v.16)
sgerecht vor (gerechter als) + rein vor (reiner als) - Der heb. Text lässt beide Bedd. zu. Fast wörtlich werden diese Fragen noch einmal wiederholt in Ijob 9,2; Ijob 15,14; Ijob 25,4 – es ist eine der Schlüsselfragen des Ijobbuches. Viele Exegeten weisen die Deutung „gerechter/reiner als“ zurück, weil dies ja anmaßend wäre und Ijob nie eine solche Absurdität behauptet habe. Aber richtig Harding 2005, S. 163f.: Im konkreten Falle von Ijob ist es tatsächlich so, dass Ijob mehr im Recht ist als Gott, wie dieser in Ijob 2,3 mehr oder weniger selbst zugibt. Letztlich macht die Üs. aber keinen Unterschied: Kann ein Mensch gerecht und rein sein vor Gott und ist dies bei Ijob der Fall, setzte dies Gott hier ins Unrecht (richtig Thomas von Aquin: „Würde ein Mensch schuldlos von Gott bestraft, folgte daraus, dass der Mensch gerechter sei als Gott“). Im Redekontext macht die Primärüs. etwas mehr Sinn: Thematisiert wird die Frage, ob Gott Gerechte schädigt oder nur Sünder. Elifas Antwort: Nur Sünder – aber jeder ist sündig; niemand ist „gerecht vor Gott“. (Zurück zu v.17)
tDiener stehen in diesem argumentum a maiori ad minus klar für übermenschliche Wesen. Tg hält sie für Prophten, Ralbag für Heilige, Ibn Ezra und Raschbam für himmlische Wesen, Berachja wie in der Parallelstelle Ijob 25,5 (vgl. auch Ijob 15,15) für (im AO oft personifiziert gedachte) Himmelskörper. (Zurück zu v.18)
utFN: Frevelei (Täuschung, Unsinn, Irrtum) - Heb. tohola. Unsicheres Wort, das nur hier im Heb. überliefert ist, weshalb viele us. Vorschläge zur Deutung gemacht wurden. Eine Auswahl: Gerade Tg und Syr kannten das Wort offenbar nicht, was nahelegt, dass hier ein Schreibfehler vorliegen könnte (am häufigsten vertreten: Ursprünglich sei tiflah, „Täuschung“, wie Ijob 1,22; Ijob 24,12; so z.B. BHS, Houtsma, Siegfried). Raschi, Ibn Ezra und evt. Sym leiteten es ab von hll III („närrisch sein“), also „Torheit, Unsinn“ wie ähnlich in Pred 1,17 (so z.B. LUT 17); LXX und VUL wohl von hll IV („freveln“), also „Frevelei“ wie ähnlich in Ps 5,6; 73,3; 75,5 (so z.B. Ball, Gordis). Die meisten dt. Üss. (z.B. 16) haben „Irrtum“ und gehen also davon als, dass das Wort verwandt ist mit äth. tahala und arab. wahila („wandern, irren“). (Zurück zu v.18)
vLehmhäuser - meist erklärt als Bild für den menschlichen Körper, den Gott aus Lehm gebildet hat (s. Gen 3,19; Weish 9,15; 2 Kor 5,1; 2 Pet 1,13ff.). (Zurück zu v.19)
wTextkritik - W. „Sie zerdrücken sie“; impersonaler Plural. Syr, VUL und Tg übersetzen mit Passiv, was jdk´w statt jdk´wm als ursprünglichen Text voraussetzen könnte; LXX Sg., was ein ursprüngliches jdk´m voraussetzen könnte. Erwägenswert wegen dieser Varianten daher Reiske: -m gehörte ursprünglich als m- zu lpnj (mlpnj, „vor, als“): „Man zerdrückt sie [noch] vor der Motte“, also „leichter/schneller als Motten“. Das Passiv in Syr, VUL und Tg ist aber wohl nur eine idiomatische Üs. des impersonalen Plurals; LXX wird wohl auf eine Defektivschreibung zurückgehen. (Zurück zu v.19)
xtFN: lipne wieder in der Bed. „wie“ wie in Ijob 3,24. (Zurück zu v.19)
yaus Mangel an Achtsamkeit - so sehr erwägenswert VUL, was gut mit dem Ende von V. 21 zusammenstimmte. Bisher ist dem aber niemand gefolgt. (Zurück zu v.20)
zbeständig (für immer) - stets üs. als „für immer“. Aber wie sollte man anders vergehen als „für immer“? lanetsach ist daher wohl eher „beständig“ und drückt wie „von Morgen bis Abend“ aus, dass Menschen sterben „wie die Fliegen“; einer nach dem anderen und ohne Zahl und ohne, dass sich jemand darum schert. (Zurück zu v.20)
aaihr Strick (Faden, Überrest) - schwierige Stelle. Am besten noch Szczygiel 1931, S. 54: bam (meist: „in/an ihnen“) meint hier „durch sie [selbst]“. Die menschlichen Körper, die in V. 19 als Lehmhäuser vorgestellt werden, werden hier metaphorisch noch einmal weiter umgebildet zu Zelten. Reißen die Menschen selbst diese Haltestricke (oder, wenn man statt jtrm das graphisch sehr ähnliche jtdm liest, wie das viele tun, ihre Zeltpflöcke) heraus (nämlich durch Sünden, die dann eben automatisch Strafen Gottes nötig machen), dann fallen diese Zelte nun mal ein, d.h. sterben die Menschen nun mal – und zwar aus eigener Schuld. Der Sinn entspricht dann recht deutlich dem vom das-Unheil-selbst-gesät-Haben in V. 8.
Alternativ Buttenwieser: Der Mensch und sein Leben wird im Heb. noch häufiger metaphorisch als Textilie dargestellt, s. Ijob 10,11; Ps 139,13; Jes 38,12; ähnlich Ijob 7,6. Vgl. auch den Personennamen Sabak-Jahu und die Kurzform Sibbekai „JHWH / [JHWH] hat gewoben“ für „JHWH / [JHWH] hat den Namensträger geschaffen“. Sehr verwandt wäre dann das häufigere arabische Bild vom Sterben als dem „Abschneiden einer Schnur“, von dem Fischer 1913, S. 121 einige Bspp. zusammengetragen hat, z.B. „die Kümmernisse, die die Lebensalter abschneiden“; „so geht ja jeder Lebende zugrunde, und jedes Seil, noch so fest gedreht, reißt einmal ab“ oder der Ausdruck „er schnitt sein Band ab“ und „Abschneidendes schnitt ihn ab“ für „er starb“ (wie ähnlich Ijob 6,9; 8,14; 27,8). Doch die Aussage wäre dann banal: „Sterben die Menschen, dann sterben sie.“ Eine dritte Deutung: Nachdem oben von der Motte und im Folgenden von Menschenhäusern die Rede war, könnten diese beiden Bilder hier verschmelzen und die Menschenhäuser metaphorisch als Motten-„häuser“, also ihre Gespinste, die nach Ijob 27,18 allzu leicht zu zerstören sind, vorgestellt werden: „Wird ihnen ihr Gespinst vernichtet, dann sterben sie!“ Zum Mottengespinst vgl. Riede 2002, S. 115-7. Nach dieser Deutung würde hier noch einmal wie in V. 11 auf den Tod von Ijobs Kindern in 1,18f. angespielt. Allzu zufriedenstellend ist keine dieser Deutungen. (Zurück zu v.21)