JHWH: Unterschied zwischen den Versionen

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Der hebräische Name {{Hebr}}יהוה{{Hebr ende}} (JHWH) wird im Alten Testament als Eigenname für Gott verwendet. Dieser wird in Ex 3,14 mit einem Wortspiel erläutert: {{Hebr}}אֶֽהְיֶה אֲשֶׁר אֶֽהְיֶה{{Hebr ende}} (Ich bin da [für euch] als Ich-bin-da). Die Verwendung eines konkreten Eigennamens macht deutlich, dass Gott in der Bibel nicht nur als unpersönliches Lebensprinzip oder unerreichbare Wesenheit gesehen wird, sondern als ein persönlicher Gott, der zu den Menschen in Beziehung tritt: nach dem Alten Testament im Bund mit dem Volk Israel, und nach dem Neuen Testament zusätzlich in Jesus Christus.
Das Wort {{Hebr}}יהוה{{Hebr ende}} (gewöhnlich Deutsch '''JHWH''', je nach Umschrift aber auch ''YHWH'') ist im hebräischen Bibeltext der Eigenname Gottes. Sowohl die Aussprache als auch die sprachliche Herkunft des Wortes sind unklar.


== Der Gott JHWH ==
Die Verwendung eines konkreten Eigennamens macht deutlich, dass Gott in der Bibel nicht nur als unpersönliches Lebensprinzip oder unerreichbare Wesenheit gesehen wird, sondern als ein persönlicher Gott, der zu den Menschen in Beziehung tritt: nach dem Alten Testament im Bund mit dem Volk Israel, und nach dem Neuen Testament zusätzlich in Jesus Christus.


Gleichwohl JHWH in der Bibel dargestellt wird als Bundesgott Israels, kann historisch als gesichert gelten, dass JHWH´s Ursprung keineswegs im westsemitischen Kulturraum liegt. Die erste Erwähnung JHWH´s in diesem Kulturraum neben der Bibel ist die moabitische „Victory Stela" / "Mesha Stela" aus dem 9. Jh. v. Chr., auf der JHWH als die offizielle Nationalgottheit Israel´s angegeben wird. Die Tatsache, dass kein früherer Beleg der Verehrung JHWH´s im westsemitischen Kult-raum vorweisbar ist, legt die Vermutung nahe, dass der ursprüngliche JHWH-Kult anders verortet werden muss. Und diese Vermutung kann gestützt werden: Eine Reihe von Texten legt nahe, dass es vor den Israeliten die Völker von Edom und Midian waren, die JHWH verehrten. So gibt es etwa im Korpus der sogenannten „Amarna Letters" zwei ägyptische Texte aus dem 14. bis 13. Jh. v. Chr., die JHWH erwähnen. Allerdings hat er hier nichts mit den Israeliten zu tun; stattdessen wird hier geschrieben von „Yahu im Land der Shoshu-Beduinen". Man geht davon aus, dass dies auf den Raum Edom und Midian bezogen werden muss:
== Vorbemerkung: Der Name JHWH in Bibelübersetzungen ==
: "By the 14th century BCE, before the cult of Yahweh had reached Israel, groups of Edomite and Midianite nomads worshipped Yahweh as their god."<ref>Lemma „Yahweh" 1999, S. 910</ref>.
Das stimmt auch überein mit einigen älteren Passagen aus der Bibel, z.B. (1) Ri 5,4, (2) Dtn 33,2 und (3) Hab 3,3 (zitiert nach EÜ):
: (1) „Herr, als du auszogst aus Seir, / als du vom Grünland Edoms heranschrittest, / da bebte die Erde, die Himmel ergossen sich, / ja, aus den Wolken ergoss sich das Wasser."
: (2) „Der Herr kam hervor aus dem Sinai, / er leuchtete vor ihnen auf aus Seir, / er strahlte aus dem Gebirge Paran, / er trat heraus aus Tausenden von Heiligen."
: (3) „Gott kommt von Teman her, / der Heilige kommt vom Gebirge Paran."


Als Erklärungsmodell für diesen Import des JHWH-Kultes wurde daher schon früh die sogenannte "Keniten-hypothese" gebildet. In ihrer ursprünglichen Form besagte sie mehr oder weniger, dass Moses in einen Midianitischen Klan einheiratete - was ja biblisch gestützt ist. Hier lernte er entweder den Gott JHWH oder auch nur seinen Namen kennen und führte ihn in das israelische Pantheon ein. Gestützt wird diese Hypothese u.a. durch die Rolle Jethros in Exodus. Es hat aber diese Hypothese einige Schwächen, weshalb z.B. Dennis McCarthy die Keniten-hypothese schon 1978 für "erledigt" erklärt.  
Bereits zu biblischer Zeit entwickelte sich die bis heute weit verbreitete Praxis, den Namen nicht auszusprechen und Ersatzlesungen  zu verwenden. Die meisten deutschen Bibelübersetzungen geben den Namen JHWH daher mit „der HERR“ oder auch „der Ewige“ wieder. Einige Übersetzungen verwenden jedoch eine Umschrift einer möglichen (z.B. „Jahwe“) oder mit Sicherheit falschen („Jehova“) Aussprache.


Van der Toorn reagiert 1999 in der zweiten Ausgabe des Dictionary of Deities and Demons mit einer modifizierten Keniten-hypothese auf diese Schwächen. Rein historisch gesehen sollte die Rolle Moses beim Import des JHWH-Kultes nicht überschätzt werden. Aller Wahrscheinlichkeit nach kamen die Israeliten im Gesamt innerhalb der Grenzen Palästinas durch wandernde Midianiten und Keniten in Kontakt mit JHWH und übernahmen von diesen zumindest den Namen, wenn nicht gar den Kult.<ref>Lemma "Yahweh" 1999, S. 912 f.</ref>
Ein Teil des Judentums weitet den Respekt vor dem Gottesnamen auf andere Gottesbezeichnungen sowie auf Papier aus, auf denen diese geschrieben oder gedruckt sind.<ref>Ariela Pelaia: [http://judaism.about.com/od/judaismbasics/a/Why-Do-Some-Jews-Spell-God-G-D.htm „Why Do Some Jews Spell ‘God’ G-d?“]</ref> Bei der Erstellung von Material für gemeinsame Veranstaltungen empfiehlt sich daher eine Absprache im Vorfeld.


Eine genaue Datierung des Importes ist nicht möglich. In jedem Falle fand er höchstwahrscheinlich nach der Ära der Patriarchen und vor der Zeit der Könige - d.h., zwischen dem 14. und dem 9. Jh. v. Chr. - statt. Es muss also davon ausgegangen werden, dass die Patriarchen - historisch gesehen - durchaus noch nicht um den Gott JHWH wussten. In der Tat kann man heute immer häufiger auf die Position stoßen, dass die Patriarchen nicht nur nicht JHWH verehrten, sondern dass Abraham, Isaac und Jacob sogar zu jeweils unterschiedlichen Göttern beteten. Lemaire etwa nimmt die Zuordnung vor, dass der Klan um Abraham einen Gott verehrte, der mal mit ''El Shaddai'', mal mit ''El Elyon'' bezeichnet wurde; die Bene-Jacob dagegen beteten wahrscheinlich zu ''Baal'' und / oder ''El Berit'' und die Gruppe um Isaac zu ''El Olam'' und ''El Roi''.<ref>vgl. Lemaire 2007, S. 15 f.</ref>.<br> Was als relativ gesichert gelten kann, ist, dass JHWH zwar schon kurz vor 1000 v. Chr. von den Israeliten verehrt wurde, seine Erhebung zum Nationalgott aber keinesfalls vor dem Beginn der Königszeit anzusetzen ist. Ebenfalls als relativ wahrscheinlich kann gelten, dass man selbst nach der Erhebung JHWHs zum Nationalgott keinesfalls von einem Monotheismus ausgehen darf; auch zu dieser Zeit wurden neben JHWH andere Gottheiten wie etwa ''Baal'' oder ''Ashera'' verehrt.
Die Vielfalt unterschiedlicher Traditionen im Umgang mit dem Gottesnamen und anderen Gottesbezeichnungen macht es unmöglich, eine für alle zufrieden stellende Lösung zu finden. Darum ist es von Vorteil, dass die Lizenz der Offenen Bibel Bearbeitungen explizit erlaubt.


Ja, mehr noch: Es ist nicht einmal sicher, ob es sich bei „JHWH" wirklich um einen Eigennamen im klassischen Sinne des Wortes handelt, mit dem auf eine einzige, einheitliche Gottheit referiert wurde. Cross führt in seinem Buch „Canaanite Myth and Hebrew Epic" einige Epitheta nach dem Muster ''b´l smd `s lgbr'' - "Ba´l Simd von Gabbar" oder ''b´l hmn `s lbmh'' - „Ba´l von Amanus" an.<ref>Cross 1979, S. 10</ref> Es handelt sich hier um ein ungewöhnliches Phänomen: Der Gott Ba´l wird "aufgesplittet" in mehrere individuelle Ausprägungen. Das Wort ''Ba´l'' wird dadurch von einem Eigennamen zu einem „Typus", unter den dann göttliche Individuen wie eben Ba´l von Amanus, Ba´l von Gabbar und andere fallen. „Ba´l" wird so zu einer Wortart irgendwo zwischen Eigenname und Klassennomen, für die sogar (allerdings gemünzt auf ''el'') eine eigene Bezeichnung vorgeschlagen worden ist: „Title phrase"<ref>vgl. Op den Brouw 1994</ref>. Es ist dies ein gut bezeugtes Phänomen auch für andere Gottheiten im semitischen Kulturraum; auch Formeln mit Hadad (z.B. „Hadad in Sikan") oder Ashtarte („Ashtarte von Kition") sind belegt.<ref>McCarter 1987, S. 140</ref>  Ähnliches gilt - zumindest für den Zeitraum zwischen dem Beginn der Königszeit und der josijanischen Kultzentralisation - auch für JHWH; so sind etwa die Ausdrücke „Yahweh aus Samaria", „Yahweh von Teman", „Yahweh von Hebron" und „Yahweh von Zion" überliefert. Van der Toorn hält es daher für gerechtfertigt, von „local forms of Yahweh" auszugehen.<ref>vgl. Lemma "Yahweh" 1999, S. 919</ref>; und McCarter schreibt:
== Biblische Deutungen des Namens ==
: „At the time of the Israelite monarchy, therefore, the various local manifestations of Yahweh were often quite distinct in the manner of their conceptualization and worship. It is not surprising, then, to discover that there was a tendency [...] for the local Yahwehs to become semi-independent, almost as if they were distinct deities."<ref>McCarter 1987, S. 141 f.</ref>
So gesehen könnte also Cunninghams Rede von der "hybriden Natur des Gottesnamens" sogar treffender sein, als er dies ursprünglich intendierte.<ref>Cunningham 1995, S. 424</ref>. Van der Toorn jedenfalls zieht das Fazit: „The religious situation in early Israel, therefore, was not merely one of polytheism, but also of poly-Yahwism."<ref>Lemma "Yahweh" 1999, S. 919</ref>


== Der Name ''JHWH'' ==
=== JHWH und sein Volk ===


Rätselhaft ist nicht nur die "Herkunft" des Gottes JHWH, sondern auch die Herkunft seines Namens sowie dessen Bedeutung.
In der hebräischen Bibel gibt es mehrere hundert Stellen, wo der Name JHWH mit einer kurzen Gottesprädikation kombiniert wird. Die zwei häufigsten Prädikationen sind „JHWH, der Israel aus Ägypten geführt hat“ (und ähnlich) sowie „JHWH, der Gott unserer Väter Abraham, Isaak und Jakob“ (und ähnlich). Der Bund zwischen JHWH und seinem Volk ist also eine zentrales Element der biblischen Rede von Gott und speziell der Rede von Gott ''als JHWH''.


=== Historisch: Zur Herkunft des Namens ===
Hinsichtlich seiner Häufigkeit wird der Satz „JHWH hat Israel aus Ägypten, aus der Sklaverei geführt“ von manchen Alttestamentlern als wichtigste theologische Aussage des Alten Testaments beschrieben.<ref>Schmidt, Werner H.: Lemma „Gott II“, TRE, S. 611</ref> Der Bekenntnissatz beschreibt die „grundlegende Erwählungstat“,<ref>Schmidt, Werner H.: Lemma „Gott II“, TRE, S. 611</ref> die den Bund zwischen JHWH und seinem Volk konstituiert. Zugleich enthält er mehrere zentrale Aussagen über den biblischen Gott:


Zur Etymologie von „JHWH" gibt es eine schier ungeheuerliche Vielzahl von Vorschlägen. Gegen kaum eine ist nicht auch schon ein Gegenargument gebracht worden, aber es kann gleichzeitig kaum eine von diesen einfach zurückgewiesen werden. Das Folgende sind nur einige der wahrscheinlicheren Vorschläge<ref>vgl. zu diesem Punkt v.a.: Lemma "Yahweh" 1999; McCarthy, Dennis 1978</ref>. JHWH könnte sich herleiten von
* JHWH ist ein ''befreiender Gott'', der sein Volk aus der Sklaverei herausführt.
* JHWH ist ein Gott, der ''in der Geschichte handelt''.
* JHWH ist ein Gott, der zu seinem Volk in ''konkrete Beziehungen'' tritt.


* der Wurzel ''hwy'' - "Der Zerstörer"
Die Beschreibung JHWHs als „der Gott unserer Väter Abraham, Isaak und Jakob“ macht deutlich, dass JHWHs Bund mit seinem Volk kollektive und individuelle Aspekte hat. Der Bund bezieht sich auf das ganze Volk Israel und zeigt sich zugleich in der Lebensgeschichte konkreter Menschen.
* der semitischen Wurzel ''hwy'' / ''hyh'' - „sein". Gegen diese Herleitung spricht allerdings, dass hier der Name einer südsemitische Gottheit durch eine westsemitische Etymologie erklärt würde.
* der Wurzel ''hwh'', „begehren". Allerdings ist diese Wurzel im Hebräischen mit ihrer abwertenden Grundbedeutung negativ konnotiert und so nicht allzu wahrscheinlich.
* der arabischen Wurzel ''hwy'' mit den drei Grundbedeutungen „leidenschaftlich sein", „fallen" und „wehen, blasen". Es spricht einiges für diese Deutung. So ähnelt „JHWH" in seiner Wortbildungsform v.a. Götternamen aus dem arabischen Pantheon, etwa Yagut, Ya´uq, Yahirr, Yagidd und Yumayyit<ref>vgl. Knauf 1984, S. 468</ref>. Eine solche Herleitung wäre darüber hinaus plausibel, weil JHWH Züge eines Sturmgottes vom Hadad-typ aufweist. Mögliche Interpretationen wären dann „er macht fallen", was dann auf die Blitze, die ein Strumgott auf seine Feinde niederfahren lässt, anspielen würde, oder „er weht" - eine Deutung, die schon Wellhausen vertreten hat und der sich auch Knauf anschließt.


Weitere Vorschläge leiten „JHWH" von ganzen Sätzen und Ausdrücken her, etwa
=== Ex 3,14: Ich bin, der ich bin ===
* ''ya huwa'', einem jubelnden Derwisch-Kultruf mit der Bedeutung „Oh, Er!" (Mowinckel)
* das kanaanäische ''yahwi'', „er ist, er ist bekannt" (von Soden)
* JHWH als Abkürzung eines hypothetischen Gottesnamens wie ''el yahwe yisrael'', „El-schafft-Israel" (Freedman)
* JHWH als Abkürzung einer hypothetischen liturgischen Formel wie ''il du yahwi sabaot leres'' etc. (Cross). Diese Herleitung ist komplexer. Der ursprüngliche Gottesname dieser liturgischen Formel ist noch ''il'', also El. Nachdem El als eigenständiger Gott / als Eigenname eines Gottes langsam in Vergessenheit geriet und zu einem bloßen Klassennomen für göttliche Wesen wurde, entwickelte sich das Verb ''yahwi'' zu einem neuen Eigennamen.
* das babylonische ''ya(w)um-ilum'' - „Mein ist Gott". Die Bildung eines Gottesnamens aus einem Pronomen ist allerdings nicht sonderlich wahrscheinlich.
* Das amoritische ''yahwi-ilu'', das es neben -''ilu'' auch in Verbindung mit den Gottesnamen ''Hadad'' und ''Dagan'' gibt. Müsste dies aber, wie vorgeschlagen, gelesen werden als „JHWH ist El", hieße es entsprechend gleichzeitig „JHWH ist Hadad" und „JHWH ist Dagon" - ein solch expliziter Synkretismus ist nicht sehr wahrscheinlich. Abgesehen davon ist die näherliegende Bedeutung dieser Formel ohnehin einfach „El (Hadad, Dagen) lebt / macht leben".


Eine letzte Herleitung wäre die von dem westsemitischen Gott Ya. Dieser ist momentan noch nicht mehr als eine wahrscheinliche Hypothese; sollte die Evidenz für die Existenz eines solchen Gottes allerdings zunehmen, spräche recht viel für diese Etymologie.
Die wichtigste Bibelstelle für eine biblische Herleitung der Bedeutung des Namens JHWH ist [[Exodus_3#s13|Ex 3,13-17]], insbesondere V. 14. Dort offenbart Gott Mose seinen Namen zunächst als {{Hebr}}אֶֽהְיֶה אֲשֶׁר אֶֽהְיֶה{{Hebr ende}} ''ehjeh ašer ehjeh'' (meist Deutsch „Ich bin, der ich bin“) und dann als {{Hebr}}אֶֽהְיֶה{{Hebr ende}} ''ehjeh'' („Ich bin“, V. 14). Der Gottesname wird in V. 15 dann sprachlich deutlich mit dieser Aussage in Verbindung gebracht. Die meisten Exegeten<ref>vgl. z.B. Freedman 1960, S. 152.</ref> verstehen {{Hebr}}יהוה{{Hebr ende}} ''JHWH'' hier als die 3. Person Singular der in der Vorstellung gebrauchten Imperfekt-Form {{Hebr}}אהיה{{Hebr ende}} ''ehjeh'' (1. Sg. Ipf. von {{Hebr}}היה{{Hebr ende}} ''hajah'', „sein, werden“). Neben dem Verb {{Hebr}}היה{{Hebr ende}} ''HJH'' kann {{Hebr}}יהוה{{Hebr ende}} ''JHWH'' auch als Form der arabischen Wurzel ''HWJ''  („leidenschaftlich sein“, „fallen“ und „wehen, blasen“) gelesen werden.<ref>vgl. z.B. Knauf 1984, S. 469.</ref>


=== Exegetisch: Zur Bedeutung des Namens ===
Aber trotz der weitgehenden Übereinstimmung bezüglich der biblischen Herleitung des Namens herrscht in der Frage nach seiner Interpretation noch große Uneinigkeit. Auch wenn man der biblischen Etymologie folgt und sich auf die Wurzel {{Hebr}}היה{{Hebr ende}} HJH verständigt, bleibt unklar, um welche Stammesmodifikation es sich hier handelt: Qal oder Hifil? Qal ist die Grundform, Hifil gibt dem Stamm eine kausative Sinnrichtung. Im Fall von {{Hebr}}היה{{Hebr ende}} HJH macht das Hifil also aus „ich bin/werde“ „ich mache/sorge dafür, dass [etwas] ist/wird“. Zudem kann ''ehjeh ašer ehjeh'' Präsens oder Futur sein. Gesetzt den Fall, dass man sich auf {{Hebr}}יהוה{{Hebr ende}} JHWH als Form der Wurzel HJH verständigt, sind unter anderem folgende Deutungen möglich:


Aufgrund dieser Vielzahl von allesamt berechtigten Vorschlägen und der daraus folgenden Unmöglichkeit, sich einfachhin guten Gewissens für eine dieser alternativen Etymologien zu entscheiden, schlägt Dennis McCarthy vor, „die Etymologie einfach Etymologie sein zu lassen"<ref>McCarthy, Dennis 1978, S. 315)</ref> und die Bedeutung stattdessen lieber direkt aus der Bibel zu erschließen.
* Ich bin, der/was/wie ich bin (Qal)
* Ich verursache, was/wie ich verursache (Hifil)
* Ich werde sein, was/wie ich sein werde (Qal Futur)
* Ich werde verursachen, was/wie ich verursachen werde (Hifil Futur)
* Ich bin, der/was/wie ich sein werde<ref>So etwa Childs, Drubel, vgl. W.J. Drubel, Coventant & Creation: An OT Covenantal Theology, 1984, 84. </ref>
* Schule gemacht hat v.a. in Amerika der Vorschlag Albrights und Haupts, den Text von Ex 3,14 zu lesen als ''`ehjeh `ašer jihjeh'' (Hifil und Qal, also: „Er verursacht, was ins Sein kommt.“).<ref>vgl. z.B. Freedman 1960, S. 152</ref>
* Ich werde wirkend sein, wie ich wirkend sein werde.


Die zentrale Bibelstelle für eine solche „JHWH-Exegese" wäre natürlich, wie oben schon angemerkt, Ex 3,14f. Der überwiegende Großteil der Exegeten liest hier JHWH als die 3.-Pers.-Sg.-Form des 1.-Pers.-Sg.Ausdrucks ''ehyeh'', welches ebenfalls von der Mehrzahl der Exegeten gelesen wird entweder als Form der arabischen Wurzel HWY (s.o.) als eine Form der semitischen Wurzel HYH.
Als inhaltliche Deutungen der Stelle werden u.a. diskutiert:
* Gott lässt sich nicht festlegen und nicht definieren
* Gottes Wesen wird in seinem Handeln erkennbar: Gott sichert Moses zu, für ihn wirkend zu werden und gibt an, dass er aus diesem seinen Wirken erkennbar sei. (Vgl. die sehr häufige biblische Formulierung „JHWH, der dich aus Ägypten geführt hat“.)
* Möglich wäre auch eine Deutung eine ausweichende Antwort, im Sinne von „Welcher Art ich bin, geht dich gar nichts an, sondern nur mich. Ich werde tun, was mir gefällt.“,
* oder als eine schroffe Zurückweisung des Mose im Sinne von „Lass mich gefälligst sein, was ich sein will!“,<ref>vgl. Pannell 2006</ref>
* oder als Versprechen im Sinne von „Ich werde für euch da sein“.


Aber selbst unter der Voraussetzung dieses weitgehenden Deutungskonsens herrscht in der näheren Interpretation große Uneinigkeit. Selbst gesetzt, man habe sich unter den Exegeten z.B. auf HYH geeinigt, bleiben immer noch als Streitpunkte die Frage nach der Konjugation von ''ehyeh'' - handelt es sich hier um Qual oder Hifil? Das ist entscheidend: Handelte es sich hier um Hifil, läge eine kausative Aktionsart vor; aus „ich bin" würde „ich mache sein". Uneinigkeit besteht auch in der Frage, ob ''ehyeh asher ehyeh'' präsentische oder futurische Bedeutung habe. Das heißt, selbst für den Fall, das man darin übereinstimmt, „ehyeh" als Form der Wurzel HYH zu lesen, bleiben folgende mögliche „Unter-Lesarten" bestehen:
Siehe auch: [[Kommentar:Exodus 3]]


* Ich bin, was ich bin
=== Die zehn Gebote ===
* Ich verursache, was ich verursache
* Ich werde sein, was ich sein werde
* Ich werde verursachen, was ich verursachen werde
* Schule gemacht hat v.a. in Amerika weiterhin der Vorschlag Albrights, dies zu lesen als ''yahweh asher yihweh'', „Er verursacht, was ins Sein kommt."


=== Ex 3,14: Eine Beispiel-exegese ===
Die zehn Gebote betonen die zentrale Stellung des Namens: „Ich bin JHWH, dein Gott, der dich aus Ägypten, aus der Sklaverei geführt hat. Du sollst neben mir keine anderen Götter haben.“ und „Du sollst JHWHs, deines Gottes, Namen nicht unnütz gebrauchen, denn JHWH wird denjenigen nicht für unschuldig erklären, der seinen Namen missbraucht.“ (Ex 20,2.3.7) Mit diesen beiden Geboten wird die Bedeutung des Namens in zweifacher Hinsicht betont:


Eine Übersicht über die verschiedenen Deutungen und ihre jeweilige Begründung zu liefern würde den Raum eines Lexikonartikels bei Weitem sprengen. Was wir aus diesem Grunde im Folgenden versuchen wollen, ist eine Synthese aus den wahrscheinlichsten Bestandteilen diverser Deutungen.
1. Der Name dient zur eindeutigen Identifikation JHWHs als des Gottes, der sein Volk aus der Sklaverei befreit hat. Diese Identifikation korrespondiert mit dem Verbot, andere Götter zu verehren. Der Eigenname verhindert eine Verwechselung mit anderen Göttern.


Was man bei einer Auslegung der betreffenden Stelle auf jeden Fall berücksichtigen muss, ist die ursprüngliche Zielgruppe: Bibelhebräisch sprechende Israeliten. Die betreffende Textstelle lautet:
2. Ein Missbrauch dieses Namens wird verboten. Auch andere Bibelstellen verbieten es, den Namen durch unwürdigen Gebrauch (beim Schwören: [[Levitikus_19#s12|Lev 19,12]]; beim Fluchen: [[Levitikus_24#s15|Lev 24,15f]]) zu profanisieren.<ref>Über mehrere hundert Jahre belegen einige Talmud-Stellen, dass das Nicht-Aussprechen des Namens von einigen Rabbinern als strenges, bei Verstoß mit dem Tod zu bestrafendes Verbot interpretiert wurde.</ref>


: Da sagte Gott zu Mose: Ich bin, der ich bin (ehyeh asher ehyeh). Er sagte: So sollst du zu den Söhnen Israels sprechen: „Ich bin" (ehyeh) hat mich zu euch gesandt. Und Gott sagte weiter zu Mose: So sollst du zu den Söhnen Israels sprechen: JHWH (Jahweh), der Gott eurer Vorfahren, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs, hat mich zu euch gesandt.
=== JHWH als „Gott schlechthin“ – und andere Gottheiten ===


Dennis McCarthy weist nun darauf hin, dass allein schon die Assonanz der Aufeinanderfolge ehyeh - ehyeh - ehyeh - yahweh für hebräische Ohren eine Verknüpfung zwischen JHWH und ehyeh als "sein" herstellt: „My point, of course, is that the text exists in itself and can, indeed must, be read as it is. In such a reading, no matter what the possible origins of the texts or parts of it may be, the emphasis on hyh is there."<ref>McCarthy, Dennis 1978, S. 318</ref>
Der Eigenname JHWH für den Gott der Bibel wirft die Frage nach der Existenz anderer Götter auf. Zu dieser Frage gibt es in der Bibel keine einheitliche Antwort. An verschiedenen Bibelstellen findet man unterschiedliche Positionen, die sich gut am Gebrauch der Wörter „El“ (Gott) und „Elohim“ (Gott, Götter) zeigen lassen. Beide Wörter beziehen sich im Normalfall  auf JHWH, manchmal aber auch auf andere Götter.


=> Erstens: Sowohl JHWH als auch ehyeh werden von einem Leser / Hörer der damaligen Zielgruppe automatisch wahrgenommen als Formen des Wortes „sein". Dies ist daher die Bedeutung, die diese Stelle nahelegt.
Das Wort „El“ (Gott) ist sprachlichgeschichtlich zunächst als Anrede an einen Gott (unabhängig von dessen Namen) belegt. Im kanaanäischen Pantheon ist „El“ darüber hinaus auch der Eigenname des höchsten Gottes.<ref>Cross, F.M.: Lemma {{Hebr}}אל{{Hebr ende}}, ThWAT, 259–260.</ref> Die Gleichsetzung von JHWH mit „El“ besagt also mindestens, dass JHWH der höchste Gott ist – oder darüber hinaus, dass JHWH der einzige (oder der einzige bedeutsame) Gott ist.


Bei dem Plural-Wort „Elohim“ ist die Situation ähnlich: Fast immer bezieht es sich auf JHWH und wird dann im Sinne von „Gott schlechthin“ verstanden.<ref>„Einerseits liegt im Gebrauch von {{Hebr}}אלהים{{Hebr ende}} als Ersatz des Gottesnamens eine Abstraktion: Der konkret persönliche, anthropomorph aufgefaste JHWH wird mit der Gottheit schlechthin gleichgesetzt, was eine abstraktere Gottesauffassung nahelegt. Andererseits liegt diese Identifikation in einer Linie mit der monotheistischen Auffassung: Nur wenn es nur einen Gott gibt und geben kann, wird es völlig sinnvoll, den eigenen Gott als Gott schlechthin ({{Hebr}}אלהים{{Hebr ende}} zu bezeichnen.“ (Ringgren, H.: Lemma {{Hebr}}אלהים{{Hebr ende}}, ThWAT, 305.)</ref> JHWH wird also nicht nur als der höchste Gott eines Götter-Pantheons dargestellt, sondern als die einzige wesentliche Gottheit. Verstärkt wird diese Tendenz zum Monotheismus zudem durch Bibelstellen mit universalistischer Ausrichtung. Die biblische Gesamtperspektive ist daher eindeutig monotheistisch.


Ungeachtet der Tatsache, dass historisch der Name JHWH zur Zeit der Patriarchen wahrscheinlich unbekannt war: Die Bibel sagt anders. So heißt es etwa in Gen 4,26: „Zu jener Zeit fing man an, den Namen JHWH zu rufen". Und auch in Ex 3,14 sagt sogar JHWH selbst, er sei "JHWH, der Gott der Vorfahren". Nach der Bibel scheint also der Name JHWH durchaus auch zur Zeit der Patriarchen bekannt gewesen zu sein. Wie aber ist es dann zu erklären, dass Moses hier erst nach dem Namen Gottes fragen muss? Abba bietet hier eine plausible Erklärung an: Das Interrogativpronomen in Ex 3,13 wird im Bibelhebräischen nie für das Erfragen von Personennamen verwendet, sondern nur für Fragen nach ''Qualitäten''. Die treffendere Übersetzung wäre daher „Welcher Art ist dein Name?". Dahinter steckt ein Namensverständnis, das sich radikal von unserem heutigen unterscheidet. Der Name einer Person oder eines Gottes ist nicht arbiträre und zufällige Bezeichnung, sondern im Namen kommt das Wie des Trägers dieses Namens zum Vorschein. Wenn Moses fragt: „Was ist dein Name?", dann fragt er in Wahrheit „Welcher Art ist dein Name?", also „Was bist du für ein Gott?". Das erklärt auch, warum JHWH auf die Frage nach seinem Namen nicht mit „JHWH" oder „Ehyeh" antwortet, sondern mit einem Satz. Des Weiteren wird hierdurch eine Besonderheit von Ex 6,3 erklärbar. Die EÜ übersetzt diesen Vers mit
Dieser monotheistischen Tendenz stehen jedoch einzelne Bibelstellen gegenüber, an denen sich die Wörter „El“ und „Elohim“ auf andere, von JHWH unterschiedene Gottheiten beziehen.<ref>Siehe auf: Ringgren, H.: Lemma {{Hebr}}אלהים{{Hebr ende}}, ThWAT, 291f und 295f.</ref> Eine Verehrung anderer Götter durch Israel wird durchgehend negativ bewertet,<ref>Siehe z.B. 1 Kön 18,24</ref> in Bezug auf Menschen außerhalb Israels gibt es jedoch auch Bibelstellen mit einer neutralen Beschreibung des Polytheismus.<ref>Siehe Jona 1 und mit Einschränkungen 2. Könige 5,17–18.</ref>
:„Ich bin Abraham, Isaak und Jakob als El-Schaddai (Gott, der Allmächtige) erschienen, aber unter meinem Namen Jahwe habe ich mich ihnen nicht zu erkennen gegeben."
Schlachter dagegen überträgt „unter meinem Namen" mit „''nach'' meinem Namen": „nach meinem Namen „HERR" habe ich mich ihnen nicht geoffenbart." Diese zunächst etwas merkwürdig anmutende Übersetzung Schlachters ist in der Tat die treffendere; denn der Urtext hat nicht die Bedeutung „unter diesem Namen", sondern „in der Wesens-Weise, die diesem meinem Namen entspricht".


=> Zweitens: Was in Ex 3,14 geschieht, ist nicht die Offenbarung eines vorher unbekannten Namens, sondern die Auslegung eines bereits bekannten Namens. Ehyeh asher Ehyeh beinhaltet damit das, was JHWH im tieferen Sinne bedeutet.<ref>vgl. hierzu auch McCarthy, Dennis 1978, S. 317)</ref> Dies ist der Unterschied zwischen Mose Gottesverhältnis und dem der Patriarchen: JHWH ist den Patriarchen nicht unter einem anderen Namen erschienen, sondern der Unterschied ist, dass die Patriarchen nicht um die Bedeutung des Gottesnamens und also das Wesen Gottes wussten, demgemäß JHWH sich ihnen gegenüber verhält.
Gemeinsam ist diesen unterschiedlichen Perspektiven, dass die anderen Götter im Vergleich zu JHWH keinerlei Bedeutung haben. Bei allen Bibelstellen ist es angemessen, die anderen Gottheiten als ''nichtig'' zu beschreiben. Ob diese nichtigen Götter als unbedeutende Wesen existieren, oder ob sie eine reine Fiktion sind, ist für die alleinige Orientierung an JHWH nebensächlich.


=== Dtn 6,4: Einzig und allein JHWH ===


Auch die Frage nach Hifil oder Qual und Präsens oder Futur lässt sich mit Abba beantworten: Selbst, wenn es sich hier um ein Hifil handeln würde - in der gesamten Bibel gibt es kein einziges Beispiel, in dem der Kausativ dieses Verbs mit dem Hifil ausgedrückt ist. Für den Kausativ wird stattdessen der Pi´el verwendet. ''Ehyeh'' muss daher als Qual gelesen werden. Ohnehin, so bemerkt auch Schmidt, wäre eine Deutung als Hifil gänzlich ohne Grundlage; allein schon, weil JHWH zur vom betreffenden Text verdichteten Zeit noch überhaupt nicht als Schöpfergott angesehen wurde.<ref>vgl. Schmidt 1988, S. 105; ebd., S. 173; auch: Knauf 1984, S. 468: „Erst im Lauf des 7. Jh. v. Chr. ist Yahwe zum Schöpfergott geworden."</ref> Ebenso: Die Gegenwart des betreffenden Verbs wird in der gesamten Bibel nicht mit der hierigen Imperfektform ausgedrückt, sondern mit dem Perfekt. Die Imperfektform steht in der Bibel stets für die ''Zukunft''.
Die Frage des Monotheismus ist auch zentral für die Deutung von Dtn 6,4: {{Hebr}}שְׁמַע יִשְׂרָאֵל יְהוָה אֱלֹהֵינוּ יְהוָה אֶחָד{{Hebr ende}}


=> Drittens: Nimmt man all dies zusammen, muss als die wahrscheinlichste Lesart von ehyeh asher ehyeh gelten: „Ich werde, der ich werde".
Diese Bibelstelle steht am Anfang des „Schma Jisrael“ (ein zentraler Text des Judentums) und kann sehr verschieden übersetzt werden.


Möglichkeiten sind u.a.:
* JHWH ist unser Gott, einzig [und allein] JHWH. ''(Monolatrie: Alleinverehrung JHWHs)''
* JHWH ist unser Gott. JHWH ist der einzige [Gott]. ''(Monotheismus in Abgrenzung zum Polytheismus)''
* JHWH, unser Gott, ist [genau] ''ein'' JHWH. ''(Abgrenzung zur Annahme mehrerer JHWH-Götter)''
* JHWH, unser Gott, ist ein einiger JHWH. ''(jüdische Deutung: Abgrenzung zur Trinitätslehre<ref>Siehe z.B. die Darstellung von Pinchas Lapide (S. 12–15) in dem Buch: Pinchas Lapide und Jürgen Moltmann: Jüdischer Monotheismus – christliche Trinitätslehre. Ein Gespräch, München 1970, 9–31</ref>)''
* JHWH ist unser Gott, der einzigartige JHWH. ''(Henotheismus: JHWH als der höchste Gott)'' 


Dennis McCarthy wendet sich gegen eine futurische Lesart mit der Bemerkung, „sein" ohne Prädikat müsse absolut verstanden werden. Absolut verstanden würde „ich werde" aber bedeuten, dass der Sprecher noch gar nicht existiert<ref>McCarthy, Dennis 1978, S. 316</ref>. Aber schon eine Seite später bemerkt er selbst: „Sein" dürfe hier nicht im heutigen, von der griechischen Philosophie geprägten Sinn verstanden werden. Im Bibelhebräischen werde noch nicht getrennt zwischen „sein" und „agieren, wirken". Auch das sagt übrigens bereits Abba: „It is ''effective'' presence that is suggested."<ref>Abba 1960, S. 327; vgl. auch Schmidt 1988, S. 177</ref>
Es ist nicht auszuschließen, dass mehrere dieser Varianten gemeinsam das beste Verständnis der Bibelstelle umschreiben.


=>Viertens: Weil die Lesart „sein" (gelesen nach heutigem Verständnis) also offensichtlich problematisch ist, muss der Satz verstanden werden als „Ich werde wirkend sein, wie ich wirkend sein werde."
Eine weitere Frage ist die Zuordnung der beiden Sätze bzw. Satzhälften. Ist JHWH in erster Linie als „unser Gott“ zu beschreiben, oder in erster Linie als „der Eine/Einzige/Einzigartige“, oder sind beide Perspektiven gleich wichtig?


 
Die Antwort hängt davon ab, aus welcher Perspektive man auf diesen Text schaut. Judentum und Christentum teilen die Überzeugung, dass JHWH der einzige Gott ist und als einziger angebetet werden darf. Viele Juden und Christen sind außerdem der Überzeugung, dass sich der Satz „JHWH ist unser Gott“ auf beide Religionen bezieht. Unterschiedliche Positionen gibt es hingegen bei der (Drei-)Einigkeit.
Das ist natürlich noch nicht selbsterklärend. Denn, selbst gesetzt, diese Lesart könne als gesichert gelten, lässt sie mehrere Deutungen zu, die auch allesamt schon vertreten worden sind. So könnte sie gelesen werden
* als eine ausweichende Antwort, im Sinne von „Welcher Art ich bin, geht dich gar nichts an, sondern nur mich. Ich werde tun, was mir gefällt."
* als eine schroffe Zurückweisung Mose im Sinne von „Lass mich gefälligst sein, was ich sein will!"<ref>vgl. Pannell 2006</ref>
* als Versprechen im Sinne von „Ich werde für euch da sein."
Ein Blick auf den Kontext kann helfen, dies besser zu verstehen. Der größere Kontext von Ex 3,14 ist Exodus. JHWH wird in Exodus auf eine besondere Weise charakterisiert; unter Anderem dadurch, dass er selbst Gründe für sein Handeln angibt. Während man beim flüchtigen Lesen von Exodus denken mag, JHWH handle allein aus dem Grund, dass er sein Volk aus der ägyptischen Knechtschaft befreien wolle, gibt er selbst spannenderweise ganz andere Gründe an; etwa in Ex 6,7; 7,5; 9,14; 10,2; 11,7; 14,4; 14,8. So heißt es etwa in Ex 7,5 (nach Schlachter):
:„Und die Ägypter sollen erfahren, daß ich [JHWH] bin, wenn ich meine Hand über Ägypten ausstrecken und die Kinder Israel von ihnen ausführen werden."
oder in Ex 10,2
:„daß du vor den Ohren deiner Kinder und Kindeskinder verkündigest, was ich in Ägypten ausgerichtet und wie ich meine Zeichen unter ihnen bewiesen habe, auf daß ihr erkennet, daß ich [JHWH] bin." <br>
Neben der Befreiung Israels hat JHWH in Exodus also ein weiteres Ziel: Er handelt, um aus seinen Taten als JHWH erkannt zu werden; als JHWH will er sich erweisen.<ref>vgl. McCarthy, Brian 2004, bes. S. 10-12</ref>
 
Eine ähnliche Bedeutung liest auch Erich Zenger in Ex 3,14, indem er es kontextualisiert mit einer weiteren, syntaktisch Ex 3,14 sogar ähnlichen Selbstoffenbarung JHWH´s in Exodus: Ex 33,19-23. Mose bittet JHWH, ihn seine „Herrlichkeit" sehen zu lassen. Und so antwortet JHWH (nach Schlachter):
 
:„Und er sprach: Ich will vor deinem Angesicht alle meine Güte vorüberziehen lassen und will den Namen [JHWHs] vor dir ausrufen, und wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig, und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich; aber mein Angesicht (sprach er) kannst du nicht sehen, denn kein Mensch wird leben, der mich sieht! Doch sprach [JHWH]: Siehe, es ist ein Ort bei mir, da sollst du auf dem Felsen stehen. Wenn dann meine Herrlichkeit vorübergeht ,so stelle ich dich in die Felsenkluft und will dich meiner Hand so lange decken, bis ich vorübergegangen bin. Wenn ich dann meine Hand zurückziehe, so magst du mir hinten nachsehen; aber mein Angesicht soll man nicht sehen!"
 
Zenger kommentiert: „JHWH kann nicht wie eine Götterstatue geschaut werden, sondern er offenbart das Geheimnis seines Namens, indem er seinem Namen gemäß handelt. [...] ''So'' lässt er seine Herrlichkeit vorüberziehen. Nur ''so'' kann er geschaut werden: im Nachher, d.h. im Wahrnehmen seiner Spuren, die er hinterlässt, im gehen hinter ihm her, im Hören auf das, was sein Name sagt, und im nachahmenden Tun dessen."<ref>Zenger 2010, S. 91</ref>
 
So gelesen wird Ex 3,14 auf einmal verständlich. JHWH weicht Mose´ Namensfrage nicht etwa mit einem Verweis auf sein zukünftiges Handeln aus. Die Stelle hat eine andere Bedeutung: Ineins mit der Frage nach dem Namen Gottes fragt Mose nach seinem Wesen. Und Gott antwortet: „Du musst dich gedulden. Mein Wesen kann man nur im Nachhinein verstehen. Auf mein Wesen musst du aus meinem Wirken schließen, weil ich nämlich stets gemäß meines Namens / Wesens wirke (und, nebenbei, Moses: Abraham wusste das noch nicht). Aber, keine Angst, das ist keine Ausflucht: Ich ''werde'' wirken!"<br>
Gott sichert Moses zu, für ihn wirken zu werden und gibt an, dass er aus diesem seinen Wirken erkennbar sei. Dann wirkt er und gibt dazu jeweils an, dass dieses sein Wirken dem Zweck diene, als JHWH erkannt zu werden - und in der Tat wird ja darauf folgend „JHWH, der dich aus Ägypten geführt hat" zu einer feststehenden Formel (vgl. z.B. Ex 32,4; 32,8; Dtn 5,6, 6,12; 8,14; 13,11; 20,1; 1 Kön 12,28; Neh 9,18; Ps 91,11). Als er diese seine Handlungszusage eingehalten hat, erscheint er ein weiteres Mal und tut noch einmal kund, dass er nur „von hinten", im Nachhinein erkennbar ist.
JHWH als der, für den gilt „ehyeh asher ehyeh" ist der „''wirkend sich Erweisende''".


== JHWH und „der HERR“ ==
== JHWH und „der HERR“ ==


In den meisten Bibelübersetzungen wird der Gottesname als HERR wiedergegeben. Dies geht zurück auf eine Besonderheit im biblischen Text.
In den meisten Bibelübersetzungen wird der Gottesname als „der HERR“ wiedergegeben. Dies geht zurück auf eine Besonderheit im biblischen Text.


=== Ketib und Qere ===
=== Ketib und Qere ===
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=== Biblische Ersatzlesungen ===
=== Biblische Ersatzlesungen ===


Die häufigste biblische Ersatzlesung ist '''{{Hebr}}אֲדֹנָי{{Hebr ende}}(„[[Adonai]]“)''' – ein Wort, dass in der Bibel auch sonst oft als Gottesbezeichnung verwendet wird und mit '''mein Herr'''<ref>Die biblischen Handschriften unterscheiden zwischen den beiden Wortformen <em>Adonai</em> und <em>Adoni</em>. Diese Unterscheidung ist jedoch vermutlich sekundär und beides ist gleich zu übersetzen: Es ist „davon auszugehen, daß es im unpunktierten Text keine Differenzierung zwischen den beiden Formen gegeben hat.“ (M.Rösel 2000, 31)</ref> übersetzt werden kann. In dem Wort spiegelt sich eine Beziehungsaussage: {{Hebr}}יהוה{{Hebr ende}} wird als der Herr bekannt, dem der Leser des Bibeltextes vertrauen kann und der allen menschlichen Herren überlegen ist<ref>M.Rösel 2000, S. 229</ref>. Zugleich verweist die biblische Ersatzlesung darauf, dass Gott sich in besonderer Weise als ''der Herr Israels'' erweist: „Daß Gott ‚Herr‘ genannt wird, ist folglich Ausdruck der biblisch-theologischen Einsicht, daß Gott nicht anders als in Beziehung zu seinem Volk gesehen werden kann.“<ref>M.Rösel 2000, S. 230</ref> Christen nehmen für sich in Anspruch, ebenfalls in dieser besonderen Beziehung zu Gott zu stehen, wenn sie Gott als den Herrn der Kirche bekennen.
Die häufigste biblische Ersatzlesung ist '''{{Hebr}}אֲדֹנָי{{Hebr ende}} („[[Adonai]]“)''' – ein Begriff, der in der Bibel auch sonst oft als Gottesbezeichnung verwendet wird und mit '''mein Herr'''<ref>„Die biblischen Handschriften unterscheiden zwischen den beiden Wortformen ''Adonai'' und ''Adoni''. Diese Unterscheidung ist jedoch vermutlich sekundär und beides ist gleich zu übersetzen: Es ist „davon auszugehen, daß es im unpunktierten Text keine Differenzierung zwischen den beiden Formen gegeben hat.“ (M.Rösel 2000, 31)</ref> übersetzt werden kann. In dem Wort spiegelt sich eine Beziehungsaussage: {{Hebr}}יהוה{{Hebr ende}} wird als der Herr bekannt, dem der Leser des Bibeltextes vertrauen kann und der allen anderen Herren überlegen ist.<ref>M. Rösel 2000, S. 229.</ref> Zugleich verweist die biblische Ersatzlesung darauf, dass Gott sich in besonderer Weise als ''der Herr Israels'' erweist: „Daß Gott ‚Herr‘ genannt wird, ist folglich Ausdruck der biblisch-theologischen Einsicht, daß Gott nicht anders als in Beziehung zu seinem Volk gesehen werden kann.“<ref>M.Rösel 2000, S. 230.</ref> (Siehe auch: Artikel zu [[Adonai]].) Christen nehmen für sich in Anspruch, ebenfalls in dieser besonderen Beziehung zu Gott zu stehen, wenn sie Gott als den Herrn der Kirche bekennen.


Bei der Ersatzlesung {{Hebr}}אֲדֹנָי{{Hebr ende}}wird das Possesivsuffix der ersten Person („mein“) selbst in der Gottesrede verwendet: „Ich bin {{Hebr}}יהוה{{Hebr ende}}/''Mein Herr'', dein Gott, der dich herausgeführt hat aus dem Land Ägypten.“ (Dtn 5,6) Die sprachliche Form betont so, dass {{Hebr}}אֲדֹנָי{{Hebr ende}}keine Übersetzung des Namens ist, sondern auf ihn verweist.
Bei der Ersatzlesung {{Hebr}}אֲדֹנָי{{Hebr ende}} wird das Possesivsuffix der ersten Person („mein“) selbst in der Gottesrede verwendet: „Ich bin {{Hebr}}יהוה{{Hebr ende}}/''Mein Herr'', dein Gott, der dich herausgeführt hat aus dem Land Ägypten.“ (Dtn 5,6) Die sprachliche Form betont so, dass {{Hebr}}אֲדֹנָי{{Hebr ende}} keine Übersetzung des Namens ist, sondern auf ihn verweist.


An manchen Bibelstellen steht der Gottesname {{Hebr}}יהוה{{Hebr ende}} direkt neben dem Wort {{Hebr}}אֲדֹן{{Hebr ende}}(„Adon“, Herr). Um sprachliche Doppelungen zu vermeiden, wird dann in den biblischen Handschriften auf das Wort '''{{Hebr}}אֱלֹהִים{{Hebr ende}} („Elohim“, Gott)''' ausgewichen<ref>Die in Qumran gefundenen hebräischen Handschriften verwenden häufig ganz generell die Ersatzlesung {{Hebr}}אֱלֹהִים{{Hebr ende}} für den Gottesnamen. (M.Rösel 2000, 2009)</ref>.
An manchen Bibelstellen steht der Gottesname {{Hebr}}יהוה{{Hebr ende}} direkt neben dem Wort {{Hebr}}אֲדֹן{{Hebr ende}} („Adon“, Herr). Um sprachliche Doppelungen zu vermeiden, wird dann in den biblischen Handschriften auf das Wort '''{{Hebr}}אֱלֹהִים{{Hebr ende}} („Elohim“, Gott)''' ausgewichen.<ref>Die in Qumran gefundenen hebräischen Handschriften verwenden häufig ganz generell die Ersatzlesung {{Hebr}}אֱלֹהִים{{Hebr ende}} für den Gottesnamen. (M.Rösel 2000, 2009)</ref>


Die Ersatzlesungen {{Hebr}}אֲדֹנָי{{Hebr ende}}und {{Hebr}}אֱלֹהִים{{Hebr ende}} werden bis heute im jüdischen Gottesdienst verwendet. Außerhalb des Gottesdienstes verwenden viele Juden andere Ersatzlesungen. Die bekannteste ist '''{{Hebr}}הַשֵׁם{{Hebr ende}} („Haschem“, der Name)'''.
Die Ersatzlesungen {{Hebr}}אֲדֹנָי{{Hebr ende}} und {{Hebr}}אֱלֹהִים{{Hebr ende}} werden bis heute im jüdischen Gebet verwendet. Außerhalb des Gebetes verwenden viele Juden andere Ersatzlesungen. Die bekannteste ist '''{{Hebr}}הַשֵׁם{{Hebr ende}} („Haschem“, der Name)'''.


=== Altgriechische Bibel ===
=== Altgriechische Bibel ===
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Die altgriechische Bibel ([[Septuaginta]], [[Neues Testament]]) folgt meistens der Tradition der Ersatzlesungen und gibt den Gottesnamen mit ὁ κύριος (der Herr) oder mit ὁ θεός (der Gott) wieder.
Die altgriechische Bibel ([[Septuaginta]], [[Neues Testament]]) folgt meistens der Tradition der Ersatzlesungen und gibt den Gottesnamen mit ὁ κύριος (der Herr) oder mit ὁ θεός (der Gott) wieder.


Einzelne griechische Handschriften versuchen eine Umschrift des Gottesnamens wie ΑΩ (AO), Іαουε/Іαουαι (Jaui/Jauai), Іαω (Jao), Іευω (Jeuo) oder Ιαβε (Jabe)<ref>[http://www.bibelwissenschaft.de/nc/wibilex/das-bibellexikon/details/quelle/WIBI/referenz/22127/cache/3cca6e334dae2b0d3ea750f629c72f95/#h3 WiBiLex: Jahwe]</ref>. Auch eine Nachahmung der hebräischen Schriftzeichen {{Hebr}}יהוה{{Hebr ende}} mit griechischen Buchstaben (ΠΙΠΙ) ist belegt<ref>W.Kinzig 2008, 211–213</ref>.
Einzelne griechische Handschriften haben den Gottesnamen in hebräischen Buchstaben oder ahmen die hebräischen Schriftzeichen {{Hebr}}יהוה{{Hebr ende}} mit griechischen Buchstaben (ΠΙΠΙ) nach.<ref>W. Kinzig 2008, 211–213.</ref>
 
== Herkunft ==
 
=== Religionsgeschichte ===
 
Zur Vorgeschichte Israels gibt es sehr wenig gesicherte Erkenntnisse. Das erschwert notwendigerweise auch die Diskussion möglicher religionsgeschichtlicher Theorien zu den Ursprüngen der JHWH-Verehrung. Frühe außerbiblische Hinweise legen den Schluss nahe, dass JHWH bereits in früher Zeit von Edomitern und Midianitern verehrt wurde.
 
Eine genaue Datierung, wann JHWH in Israel mehrheitlich als Bundesgott anerkannt wurde, ist nicht möglich. Was als relativ gesichert gelten kann, ist, dass JHWH zwar schon kurz vor 1000 v. Chr. von den Israeliten verehrt wurde, seine Erhebung zum Nationalgott aber wohl erst nach dem Beginn der Königszeit anzusetzen ist. Ebenfalls als relativ wahrscheinlich kann gelten, dass man selbst nach der Erhebung JHWHs zum Nationalgott noch nicht von einer Allein-Verehrung ausgehen darf; auch zu dieser Zeit wurden neben JHWH andere Gottheiten wie etwa ''Baal'' oder ''Ashera'' verehrt.
 
In der wissenschaftlichen Literatur wird als Frage zur religionsgeschichtlichen Entwicklung diskutiert, ob mit dem Namen JHWH zeitweise mehrere voneinander unterschiedene Lokalgottheiten bezeichnet wurden. Schlussfolgerungen hängen in dieser Frage sehr stark von der wissenschaftlichen Vorgehensweise in der Forschung ab, etwa von der Frage, welchen Stellenwert man den biblischen Berichten als historischen Quellen einräumt.
 
Siehe auch: [[JHWH/Religionsgeschichte]]
 
=== Etymologie ===
 
Ob sich die sprachliche Herkunft des Wortes „JHWH“ rekonstruieren lässt, ist unklar. Es gibt eine Vielzahl von Vorschlägen zur Etymologie von „JHWH“. Gegen kaum einen ist nicht auch schon ein Gegenargument vorgebracht worden, aber es kann gleichzeitig fast keiner der Vorschläge von Vornherein entkräftet werden.
 
Die Bibel leitet den Namen von dem Verb ''hwy''/''hyh'' („sein“) ab. Es ist umstritten, ob es sich hierbei um eine philologische Etymologie oder eine spätere theologische oder Volksetymologie handelt. Zu den diskutierten Theorien gehören außerdem die  Herleitung von ''ḥwy'' („Der Zerstörer“), von ''hwh'' (begehren) oder von arabisch ''hwy'' („leidenschaftlich sein“, „fallen“ und „wehen, blasen“), und viele andere Vorschläge.
 
Siehe auch: [[JHWH/Etymologie]]
 
Aufgrund der Vielfalt an denkbaren Vorschlägen und der daraus folgenden Unmöglichkeit, sich einfach guten Gewissens für eine dieser alternativen Etymologien zu entscheiden, schlägt D.McCarthy vor, „die Etymologie einfach Etymologie sein zu lassen“ und die Bedeutung stattdessen lieber direkt aus der Bibel zu erschließen.<ref>McCarthy 1978, S. 315.</ref>


== Aussprache ==  
== Aussprache ==  


Die Aussprache von {{Hebr}}יהוה{{Hebr ende}} ist völlig unsicher<ref>W.Kinzig 2008</ref>. Die Vielfalt der frühen Umschriften ist ein Hinweis darauf, dass die Aussprache bereits zur Entstehungszeit der späteren biblischen Schriften nicht mehr zuverlässig bekannt war.
Auch die Aussprache von {{Hebr}}יהוה{{Hebr ende}} ist völlig unsicher.<ref>W. Kinzig 2008.</ref> Die Vielfalt der frühen Umschriften ist ein Hinweis darauf, dass die Aussprache bereits zur Entstehungszeit der späteren biblischen Schriften nicht mehr zuverlässig bekannt war.
 
Die Unklarheit über die Aussprache ist möglich, weil in der hebräischen Schrift ursprünglich nur Konsonanten geschrieben wurden. Vokale wurden entweder gar nicht geschrieben oder mit Hilfe der Buchstaben {{Hebr}}י{{Hebr ende}}, {{Hebr}}ו{{Hebr ende}} und {{Hebr}}ה{{Hebr ende}} angedeutet. Es ist somit noch nicht einmal sicher, ob die Buchstaben des Gottesnamens als Konsonanten oder als Vokale zu lesen sind. Wegen der letzten Silbe des Wortes „Halleluja“ (Lobt Jah) ist es jedoch sehr wahrscheinlich, dass der Gottesname mit „Jah“ beginnt.
 
=== „Jahwe“ oder „Jaho“? ===
 
Lange Zeit wurde in der Wissenschaft vertreten, dass der Name JHWH „Jahwe“ ausgesprochen wurde, eine Kurzform JHW jedoch „Jaho“. Als Beleg wurden Zitate in altgriechischen Handschriften von Kirchenvätern genannt.<ref>Siehe z.B. Lemma „{{Hebr}}יהוה{{Hebr ende}}“, ThWAT, Sp. 543.</ref> Der Kirchengeschichtler Wolfram Kinzig hat diese These durch eine ausführliche Untersuchung zu den Kirchenväter-Zitaten des Gottesnamens wiederlegt. Die Aussprache „Jahwe“ lässt sich mit den altgriechischen Texten nicht belegen. Die Aussprache „Jaho“ lässt sich sowohl für JHW als auch für JHWH zwar etwas besser belegen, aber nicht zweifelsfrei beweisen.<ref>„Von den bisher als Beleg für die Aussprache des Tetragramms mit ‚Jahwe‘ herangezogenen Texten hält keiner der näheren Überprüfung stand. Eine ''mögliche'' Aussprache scheint ‚Jahwe‘ gewesen zu sein. Daneben steht aber die Aussprache ‚Jaho‘ bzw. ‚Jao‘. Beide gehen offenbar auf die Graphie {{Hebr}}יהוה{{Hebr ende}} zurück. Die Graphie {{Hebr}}יהיה{{Hebr ende}} wurde ‚Jah-Jah‘ bzw. ‚Jeh-Jeh‘ ausgesprochen.“ (W.Kinzig 2008, 232) „Vermutlich wäre eine Aussprache ‚Jaho‘ der mit ‚Jahwe‘ vorzuziehen.“ (W.Kinzig 2008, 233)</ref> Sicher ist nur, dass ein großer Teil der Kirchenväter-Texte bereits die Konsonanten des Namens nicht zuverlässig überliefert<ref>Neben {{Hebr}}יהוה{{Hebr ende}} findet man auch יהיה{{Hebr ende}} und {{Hebr}}יהוח{{Hebr ende}} (W.Kinzig 2008, 231–232).</ref> und dass es auch bei Aussagen über die Aussprache keine Einheitlichkeit gibt. Belegt sind „Jaho“ und „Iaia“, evt. „Іαω“ (Jao) sowie „Ιαου“ oder „Ιαουε“ oder „Ιαουαι“ (Jau, Jaue, Jauai).<ref>W.Kinzig 2008, 231 </ref> Das für die Aussprache „Jahwe“ oft genannten „Ιαβε“ (Jabe) bezieht sich vermutlich auf ein anderes Wort ({{Hebr}}אֶהְיֶה{{Hebr ende}} oder {{Hebr}}יִהְיֶה{{Hebr ende}}).<ref>W.Kinzig 2008, 225</ref>
 
Ungeachtet dieser Probleme ist sind sowohl „Jahwe“ als auch „Jaho“ mögliche Aussprachen der hebräischen Buchstaben  {{Hebr}}יהוה{{Hebr ende}}.
 
=== „Jehowah“ ===
 
Im Christentum geriet die besondere Punktierung des Namens {{Hebr}}יהוה{{Hebr ende}} im Lauf der Zeit in Vergessenheit. Man bezog sie nicht mehr auf das eigentlich gemeinte Wort {{Hebr}}אֲדֹנָי{{Hebr ende}} (Adonai), sondern setzte sie in die Buchstaben des Gottesnamens ein. Durch dieses Missverständnis entstand die Variante Jehowah (bzw. latinisiert Jehova).<ref>Die Frage, ob die usprüngliche Aussprache des Namens zufälliig ähnliche Vokale wie das Wort „Adonai“ hatte, kann aus linguistischen Gründen verneint werden. (Siehe Lemma „יהוה II“, ThWAT, Sp. 534f;  [http://jewishencyclopedia.com/articles/8568-jehovah Lemma „Jehovah“, Jewish Excyclopedia] von 1906; [http://www.bibelwissenschaft.de/nc/wibilex/das-bibellexikon/details/quelle/WIBI/referenz/22127/cache/3c3fc4f443895cdf25e984115374d8eb/#h4 Lemma „Jahwe“, WibiLex, Abschnitt „Jehova“].)</ref>
 
== Traditionen zum Umgang mit dem Gottesnamen ==
 
=== Andere Übersetzungen ===
 
In den verschiedenen modernen Übersetzungen findet man zahlreiche Wege, den Gottesnamen wiederzugeben. Oft finden sich auch mehrere Varianten in derselben Übersetzung. Die Bibel in gerechter Sprache wechselt zwischen vielen verschiedenen Ersatzlesungen in männlicher und weiblicher Form.


Die Unklarheit über die Aussprache ist möglich, weil in der hebräischen Schrift ursprünglich nur Konsonanten geschrieben wurden. Vokale wurden entweder gar nicht geschrieben oder mit Hilfe der Buchstaben {{Hebr}}י{{Hebr ende}}‎, {{Hebr}}ו{{Hebr ende}} und {{Hebr}}ה{{Hebr ende}} angedeutet. Es ist somit noch nicht einmal sicher, ob die Buchstaben des Gottesnamens als Konsonanten oder als Vokale zu lesen sind. Wegen der letzten Silbe des Wortes „Halleluja“ (Lobt Jah) ist es jedoch sehr wahrscheinlich, dass der Gottesname mit „Jah“ beginnt.
Für eine Zusammenstellung fast aller Ersatzlesungen und ihrer jeweiligen Vor- und Nachteile siehe: [[Datei:Ersatzlesungen Übersicht.pdf]].


Lange Zeit wurde in der Wissenschaft vertreten, dass sich über altgriechische Handschriften die Ausprache „Jahwe“ belegen ließe. Neuere Untersuchungen legen eher die Aussprache „Jaho“ nahe<ref>„Von den bisher als Beleg für die Aussprache des Tetragramms mit ‚Jahwe‘ herangezogenen Texten hält keiner der näheren Überprüfung stand. Eine ''mögliche'' Aussprache scheint ‚Jahwe‘ gewesen zu sein. Daneben steht aber die Aussprache ‚Jaho‘ bzw. ‚Jao‘. Beide gehen offenbar auf die Graphie {{Hebr}}יהוה{{Hebr ende}} zurück. Die Graphie {{Hebr}}יהיה{{Hebr ende}} wurde ‚Jah-Jah‘ bzw. ‚Jeh-Jeh‘ ausgesprochen.“ (W.Kinzig 2008, 232) „Vermutlich wäre eine Aussprache ‚Jaho‘ der mit ‚Jahwe‘ vorzuziehen.“ (W.Kinzig 2008, 233)</ref>.
==== „der HERR“: Übersetzung der biblischen Ersatzlesung ====


=== Die Variante „Jehowah “ ===
Die meisten Übersetzungen verwenden eine Eindeutschung der biblischen Ersatzlesung. Da die extrem wörtliche Übersetzung von {{Hebr}}אֲדֹנָי{{Hebr ende}} als „mein Herr“ an manchen Bibelstellen sprachlich nicht funktioniert („Ich bin ''mein Herr'', dein Gott“, [[Deuteronomium_5#s6|Dtn 5,6]]), wird fast immer „der HERR“ in Anlehnung an die altgriechische Bibel verwendet. Einige Übersetzungen verwenden daneben auch andere Varianten („Gott“, „Jahwe“, „mein/dein/unser/euer Gott/Herr“), wo dies aus inhaltlichen Gründen sinnvoll ist oder wo die biblischen Handschriften die Ersatzlesung ({{Hebr}}אֶלוֹהִים{{Hebr ende}}, „Gott“)  empfehlen.


Im Christentum geriet die besondere Punktierung des Namens {{Hebr}}יהוה{{Hebr ende}} später in Vergessenheit. Man bezog sie nicht mehr auf das eigentlich gemeinte Wort {{Hebr}}אֲדֹנָי{{Hebr ende}}‎ (Adonai), sondern setzte sie in die Buchstaben des Gottesnamens ein. Durch dieses Missverständnis entstand die Variante Jehowah.
==== „JHWH“: Umschrift des Gottesnamens ====


== Übersetzungen ==
In wissenschaftlichen Kommentaren und einigen anderen Übersetzungen begegnet neben der Ersatzlesung „Herr“ auch sehr oft eine Umschrift des Gottesnamens. Neben einer nicht-vorlesbaren Umschrift der hebräischen Buchstaben (JHWH, YHWH) gibt es auch eine Fassung mit Vokalen (Jahwe/Jahwä/Yahweh), die von der ursprünglichen Aussprache jedoch sehr wahrscheinlich abweicht. Die mit Sicherheit falsche, unwissenschaftliche Vokalisierung Jehova (Jehowa/Yehova) findet man gelegentlich in alten christlichen oder jüdischen Übersetzungen sowie in der Übersetzung der Glaubensgemeinschaft „Jehovas Zeugen“.


In den verschiedenen modernen Übersetzungen findet man zahlreiche verschiedene Wege, den Gottesnamen wiederzugeben. Oft finden sich auch mehrere Varianten in derselben Übersetzung. Die Bibel in gerechter Sprache wechselt zwischen fast allen Varianten in männlicher und weiblicher Form.
==== „der Ewige“: Inhaltliche Deutung des Gottesnamens ====


=== Umschrift des Gottesnamens (Ketib) ===
Ein Versuch, den Gottesnamen aufgrund einer inhaltlichen Deutung zu übersetzen, sind die Ersatzlesung „der Ewige“
(beliebt im Judentum sowie als „l’Eternel“ in Frankreich) sowie das an Ex 3,12 anknüpfende „Ich-Bin-Da“. Diese Übersetzungen lassen sich jedoch durch sprachwissenschaftliche Erkenntnisse nicht gut begründen.


{| class="wikitable"
==== Andere Ersatzlesungen ====
!Wieder­gabe
!colspan="3"| Vor- und Nachteile
|-
|JHWH
|colspan="2"|
Übersetzungen, die so vorgehen: viele wissenschaftliche Kommentare


Nachteile:
Die Bibelübersetzung von Martin Buber und Franz Rosenzweig verwendet als Ersatzlesung Personalpronomen („ER“, „DU“, „ICH“, „IHM“, „MEIN“, …).
*'''ungeeignet zum Vorlesen'''
|rowspan="3" valign="top"|
Biblische Ableitung: Umschrift der Konsonanten


Vorteile:
In den Kirchentagsübersetzungen sowie manchen englischen, jüdischen Übersetzungen steht eine Umschrift der biblischen Ersatzlesung („Adonai“). Andere englische, jüdische Übersetzungen haben „the LORD“ oder eine Umschrift der hebräischen Wortes „Ha-Schem“ (der Name). Die Bibel in gerechter Sprache bietet außerdem eine Umschrift der hebräischen Ersatzlesungen „Ha-Makom“ und „Schechina“ als Varianten an.
*'''nicht verwechselbar''' mit anderen biblischen Gottesanreden
*funktioniert '''auch''', wo von '''mehreren Göttern''' die Rede ist (z.B. [[Jona 1|Jona&nbsp;1]], [[Jeremia 2#s8|Jeremia 2,8]], [[1_Könige_18#s21|1 Könige 18,21]])
Nachteile:
*ohne Erklärung '''wenig verständlich''' (Nur wenige deutsche Übersetzungen verzichten auf eine Ersatzlesung.)
*Keine Berücksichtigung der biblischen Ersatzlesung
|-
|Jahwe, …
|
Übersetzungen, die so vorgehen: viele wissenschaftliche Kommentare, World English Bible, Neue Evangelistische Übersetzung, an Einzelstellen auch Einheitsübersetzung


Nachteile:
=== Christliche und jüdische Konfessionen ===
*Die Ergänzung der Vokale ist spekulativ.
*Die Aussprache ist unklar: Heißt es Ja-weh, Jach-weh, Ja-wäh, Jach-wäh, Ja-w<sup>e</sup> oder Jach-w<sup>e</sup>?
|rowspan="2" valign="top"|
Nachteile:
*Das Aussprechen des Namens ist '''liturgisch völlig ungewohnt''' (Christentum) bzw. '''unerwünscht''' (Judentum).
*Keine Berücksichtigung der alt- und neutestamentlichen Tradition, den Gottesnamen nur schriftlich wiederzugeben, ohne ihn vorzulesen. Es bleibt dem Leser/Hörer der Bibelstelle unklar, dass der Gottesnamens mit Verlust der Aussprache „unaussprechlich” geworden ist.
|-
|Jehova
|
Übersetzungen, die so vorgehen: Unrevidierte Elberfelder, American Standard Version, Neue-&#8203;Welt-&#8203;Übersetzung (von Jehovas Zeugen)


Nachteile:
==== Römisch-Katholische Kirche ====
*Die Ergänzung der Vokale ist '''definitiv falsch'''.
|}


=== Übersetzung der biblischen Ersatzlesungen (Qere) ===
Das römisch-katholische Kirchenrecht betont die Offenbarung des Gottesnamens an das Volk Israel und zugleich die Verborgenheit dieses Namens. Gott macht sich durch den Namen verfügbar, „um intimer gekannt und persönlich angerufen werden zu können“.<ref>KKK 203</ref> Zugleich ist der Name „heiliges Geheimnis, wie auch Gott ein heiliges Geheimis ist“.<ref>KKK 206</ref> Dadurch zeigt sich Gott gleichzeitig als verborgener Gott und als ein Gott, „der sich den Menschen nahe macht“.<ref>ebd.</ref>


Die meisten Übersetzungen verwenden eine Eindeutschung der biblischen Ersatzlesung. Da die extrem wörtliche Übersetzung von {{Hebr}}אֲדֹנָי{{Hebr ende}} als „mein Herr“ an manchem Bibelstellen sprachlich nicht funktioniert („Ich bin ''mein Herr'', dein Gott“, [[Deuteronomium_5#s6|Dtn 5,6]]), wird hierbei auf verschiedene Alternativen ausgewichen. Die häufigste Wiedergabe ist ''der HERR'' in Anlehnung an die altgriechische Bibel.
Unter Bezug auf die jüdische und christliche Tradition, den Gottesname nicht auszusprechen, sieht es das römisch-katholische Kirchenrecht vor, dass der Gottesname entsprechend der Nova Vulgata als „Herr“ wiedergegeben wird.<ref>vgl. [[JHWH/Römisch-Katholische Kirche]]</ref>


{| class="wikitable"
Siehe auch: [[JHWH/Römisch-Katholische Kirche]]
!Wieder­gabe
!colspan="2"| Vor- und Nachteile
|-
|der HERR<ref>Andere typografische Variante: „der Herr“</ref><br/>
''(alternativ:''<br/>
''GOTT oder''<br/>
''der GOTT)''
|
Übersetzungen, die so vorgehen: die meisten Übersetzungen (z.B. Lutherbibel, Zürcher Bibel, Elberfelder Bibel, Einheitsübersetzung)


Vorteile:
==== Alt-Katholische Kirche ====
* Durch die große Verbreitung im Deutschen '''bekannt und gewohnt'''
* Basiert auf der '''starken Tradition''', den Gottesnamen als „Herr“ zu übersetzen


Nachteile:
Die Alt-Katholische Kirche verwendet in der Regel die römisch-katholische Einheitsübersetzung mit der Ersatzlesung „Herr“. Auch in der Liturgie hält sie an der Übersetzung „Herr“ fest, obwohl sie insbesondere im Hinblick auf inklusive Sprache Probleme sieht: „So missverständlich das Wort ‚Herr‘ auch sein kann, wir haben kein anderes, um das Bekenntnis zum ‚Kyrios’, zum 'Herrn des Alls und der Menschen' zu übersetzen.“<ref>Von der Website der Alt-Katholiken: [http://www.alt-katholisch.de/information/liturgie/feier-der-eucharistie/inklusive-sprache-im-gottesdienst.html Inklusive Sprache im Gottesdienst] (abgerufen am 28. Januar 2012).</ref>
*'''missverständlich''': „Herr“ im Gegensatz zu „Frau“
*funktioniert nicht gut in der Rede Ungläubiger (z.B. [[Jona 1|Jona&nbsp;1]], [[Jeremia 2#s8|Jeremia 2,8]], [[1_Könige_18#s21|1 Könige 18,21]])
*wird von so vielen Übersetzungen verwendet, dass sehr viele Christen gar nicht mehr wissen, dass es eine Ersatzlesung ist
|rowspan="3" valign="top"|
Biblische Ableitung: Übersetzung einer masoretischen Ersatzlesung


Vorteile:
==== Kirchen der Reformation ====
*Die Ersatzlesung ist so formuliert, dass sie nicht als Eigenname klingt, und vermeidet so eine Verwechselung mit dem Gottesnamen.
*Drückt die Konkretheit der Beziehungen<ref name="beziehungen">Die biblische Ersatzlesung Adonai (mein Herr) wurde „außerhalb wie innerhalb der biblischen Schriften […] zur Bezeichnung eines besonderen Verhältnisses zwischen Gott und Mensch verwendet“ (M.Rösel 2000, 227). „Gott wird also ‚Herr‘ genannt, weil man ihn als den Mächtigen und dennoch Nahen erlebt hat. Dieses Verständnis drückt sich in Psalmen bei bittenden Anrufungen und Vertrauensaussagen aus. Doch Gott wurde auch als ein eifernder Gott erlebt, dem es – um Zions willen – um gemeinschaftstreues Verhalten ging. Dann wurde er als ‚Herr‘ bezeichnet, wenn die Propheten das fehlerhafte Verhalten der ''menschlichen'' Herren anprangerten, wenn die Mißstände in Jerusalem untragbar geworden waren. […] Ambivalenz von persönlicher Nähe und herrscherlicher Macht“ (M.Rösel 2000, 229)</ref> aus, die mit dem Eigennamen JHWH zusammenhängen.


Nachteile:
Nach dem Selbstverständnis der protestantischen Kirchen kann es keine kirchlichen Vorschriften zur Übersetzung der Bibel geben. Der theologische Grundsatz „sola scriptura“ (allein die Schrift) erfordert die Beurteilung der Kirche anhand der Bibel und schließt kirchenrechtliche Vorschriften zur Bibelauslegung oder -übersetzung aus.
*keine Berücksichtigung der alttestamentlichen Tradition, im Schriftbild sowohl den Gottesnamen als auch die Ersatzlesung anzudeuten
*Die Übersetzung macht eine inhaltliche Aussage über Gott, die in den hebräischen Handschriften nur in der Punktierung belegt ist.
*Die Wörter „Herr“  und „Gott“ werden selbst als biblische Gottesbezeichnungen verwendet. Es ist beim Hören unklar, ob im Urtext JHWH steht oder nicht.
*Wenn die Ersatzlesung mit „Herr“ bzw. „Gott“ zusammentrifft, dann
**kommt es zu Doppelungen, oder
**es muss auf eine alternative Ersatzlesung ausgewichen werden, oder
**eines der beiden Wörter muss weggelassen werden.
*Es bleibt für den Leser/Hörer der Bibelstelle unklar, was der Gottesname ist.
|-
|UNSER/EUER GOTT<ref>Andere typografische Varianten: „°Unser Gott°“, „°Unser GOTT°“, „[Unser] GOTT“.</ref><br/>
''(alternativ:''<br/>
''UNSER/EUER HERR)''
|
Übersetzungen, die so vorgehen: nur [http://www.amen-online.de/bibel/ Amen-online]


Biblische Ableitung: Die Bibel selbst verwendet das Wort ''Elohenu'' (unser Gott) meistens als Erläuterung des Gottesnamens: ''JHWH Elohenu'' (JHWH, unser Gott).
Die von den EKD-Kirchen für den Gottesdienst empfohlene Lutherbibel verwendet „HERR“, „der HERR“ oder gelegentlich „GOTT“ entsprechend den hebräischen Ersatzlesungen, ebenso die Zürcher Bibel (herausgegeben von der Reformierten Kirche Kanton Zürich).


Vorteile:
In den Kirchentagsübersetzungen wird der Gottesname mit „Adonai“ wiedergegeben.
*funktioniert '''auch''', wo von '''mehreren Göttern''' die Rede ist (z.B. [[Jona 1|Jona&nbsp;1]], [[Jeremia 2#s8|Jeremia 2,8]], 1 Könige 18,21)


Nachteile:
Die übrigen protestantischen Übersetzungen verwenden verschiedene Lösungen, meistens „der Herr“.
*Für die Gottesrede und die wörtliche Rede ist eine andere Form nötig (''euer'' statt ''unser'').
*Das Vorgehen ist unüblich.
|-
|der GOTT<br/>
''(alternativ:''<br/>
''der HERR)''
|
Übersetzungen, die so vorgehen: keine


Zusätzliche Ableitung:
==== Orthodoxe Kirchen ====
*wörtliche Übersetzung einer altgriechischen Übersetzung, die auch im Neuen Testament sehr häufig als Gottesbezeichnung verwendet wird


Nachteile:
Die orthodoxen Kirchen haben als Grundtext des Alten Testaments die griechische Übersetzung [[Septuaginta]], die den Gottesnamen meistens mit κύριος (Herr) oder θεός (Gott) wiedergibt.
*'''klingt im Deutschen seltsam'''
*funktioniert nicht gut, wo von mehreren Göttern die Rede ist (z.B. [[Jona 1|Jona&nbsp;1]], [[Jeremia 2#s8|Jeremia 2,8]], 1 Könige 18,21)
*Das Vorgehen ist unüblich
|}


=== Andere Ersatzlesungen ===
==== Judentum ====


{| class="wikitable"
Für die jüdische Tradition ist die Heiligkeit des Gottesnamens zentral. Der Gottesname wird dabei von den meisten Juden aus Respekt nicht ausgesprochen. Im Gebet wird in der Regel die biblische Ersatzlesung „Adonai“ bzw. „Elohim“ verwendet, außerhalb des Gebetes von vielen Juden „Ha-Schem“ (der Name). Die rabbinischen Literatur betont die Heiligkeit des Namens außerdem mit Grundsätzen über das würdige Schreiben von Gottenbezeichnungen.<ref>Siehe 1906 Jewish Encyclopedia: [http://jewishencyclopedia.com/articles/11305-names-of-god#anchor10 Names of God (Abschnitt Ehyeh-Asher-Ehyeh)]</ref> Auch wird Papier, auf dem der Gottesname gedruckt oder geschrieben ist, in vielen Synagogen gesammelt und auf dem Friedhof bestattet.<ref>Ariela Pelaia: [http://judaism.about.com/od/judaismbasics/a/Why-Do-Some-Jews-Spell-God-G-D.htm „Why Do Some Jews Spell ‘God’ G-d?“]</ref> Inwieweit dies auch für andere hebräische oder übersetzte Gottesbezeichungen gilt, differiert sehr stark zwischen den verschiedenen jüdischen Traditionen. Einige Juden betrachten das Wort „Gott“ als ähnlich heilig und schreiben darum „G’tt“ oder „G!tt“.
!Wieder­gabe
!colspan="3" valign="top"| Vor- und Nachteile
|-
|GOTT<ref>Andere typografische Variante: Gott</ref>
|colspan="2" valign="top"|
Übersetzungen, die so vorgehen: fast alle Kinderbibeln


Biblische Ableitung: wörtliche Übersetzung einer altgriechischen Übersetzung, die auch im Neuen Testament sehr häufig als Gottesbezeichnung verwendet wird
Als wichtiger Schlüssel zur jüdischen Interpretation des Gottesnamens gilt Ex 3,12–14 mit Gottes Zusage an Abraham (siehe oben). Eine andere Deutung dieser Bibelstelle ist eine jüdische Tradition, die den Namen {{Hebr}}יהוה{{Hebr ende}} als Abkürzung für die hebräischen Worte {{Hebr}}היה הוה יהיה{{Hebr ende}} (er war, er bleibt, er wird sein) versteht.<ref>Siehe 1906 Jewish Encyclopedia: [http://jewishencyclopedia.com/articles/11305-names-of-god#anchor10 Names of God (Abschnitt Ehyeh-Asher-Ehyeh)]</ref> Diese Deutung spiegelt sich darin, dass viele jüdische Übersetzungen den Gottesnamen mit „der Ewige“ wiedergeben.


Vorteile:
Die englische Übersetzung der Jewish Publication Society verwendet bisher das im englischen Sprachraum sehr etablierte „the LORD“. Zur Zeit ist eine Revision in Arbeit, bei der der Gottesname nicht mehr ersetzt, sondern in hebräischer Schrift abgedruckt werden soll.<ref>D. E. S. Stein: [http://www.ubs-translations.org/fileadmin/publications/tbt/technical/TBT_TP_Stein_Jul_07.pdf God’s Name in a Gender-Sensitive Jewish Translation]</ref>
*'''einfach zu verstehen''' (deshalb für elementarisierende Übersetzungen sehr gut geeignet)
*'''fügt der jeweiligen Bibelstelle keine inhaltliche Aussage über Gott hinzu'''


Nachteile:
=== Kritische Anfragen diese Traditionen ===
*„Gott“ kann man nicht nur als Gattungsbezeichnung, sondern auch Eigenname hören. Das Wort ist aber nicht identisch mit dem Gottes&#173;namen.
*Es ist zwar nur eine einzige Form der Ersatzlesung nötig, diese funktioniert aber nur mit Umformulierungen des Bibeltextes:
**Für ''JHWH Elohim'' (JHWH, Gott) braucht man eine Sonderregel wie z.B. das Weglassen des Gottesnamens.
**funktioniert '''nur mit sprachlichen Anpassungen''' des Bibeltextes, wo von '''mehreren Göttern''' die Rede ist (z.B. [[Jona 1|Jona&nbsp;1]], [[Jeremia 2#s8|Jeremia 2,8]], [[1_Könige_18#s21|1 Könige 18,21]])
*Es ist beim Hören unklar, ob im Urtext JHWH, ''Elohim'' oder ''El'' steht.
|rowspan="5" valign="top"|
Nachteile:
*Jeder Hinweis auf den '''Gottes&#173;namen ver&#173;schwindet aus der Über&#173;setzung.'''
*Keine Berücksichtigung der biblischen Ersatzlesung
|-
|ICH, DU, ER
|colspan="2" valign="top"|
Übersetzungen, die so vorgehen: Buber/Rosenzweig


Ableitung: einige hebräische Handschriften<ref>M.Rösel 2000, 208</ref>; die Religionsphilosophie von Martin Buber
Für eine Zusammenstellung der Vor- und Nachteile fast aller Ersatzlesungen siehe: [[Datei:Ersatzlesungen Übersicht.pdf]].


Vorteile:
==== Verdrängung des Namens ====
*'''fügt der jeweiligen Bibelstelle keine inhaltliche Aussage über Gott hinzu'''


Nachteile:
Der christliche Umgang mit dem Gottesnamen JHWH ist in den letzten Jahrzehnten verstärkt in die Kritik geraten.
*keine biblische Ableitung
*an sehr vielen Bibelstellen '''nicht zum Vorlesen geeignet''': Man hört den Unterschied zwischen „er“ und „ER“ nicht
*funktioniert '''nicht''', wo von '''mehreren Göttern''' die Rede ist (z.B. [[Jona 1|Jona&nbsp;1]], [[Jeremia 2#s8|Jeremia 2,8]], [[1_Könige_18#s21|1 Könige 18,21]])
*bezieht sich im Deutschen nicht eindeutig auf Gott
*Für ''Ich, JHWH'' braucht man eine Alternative.
|-
|Ich-Bin-Da<ref name="gross">Auch eine Schreibung in Großbuchstaben wäre möglich.</ref>
|valign="top"|
Biblische Ableitung: In Ex 3,14 erfährt der Gottesname eine Namensauslegung. Das Verb הוה (sein, dasein, existieren) spielt dabei eine wichtige Rolle, da es – so legt es die Namensoffenbarung an Mose nahe – im Gottesnamen zu sehen sei.


Vorteile:
Viele Christen wissen nicht, dass Gott in der hebräischen Bibel einen Eigennamen hat, und dass das Wort „der HERR“ in den bekanntesten Bibelübersetzungen eine Ersatzlesung für diesen Namen ist. Manche  Übersetzungen verzichten sogar auf eine typographische Markierung, wodurch die Existenz des Namens ganz unsichtbar wird. Auch in der christlichen Theologiegeschichte spielt die Existenz des Gottesnamens JHWH nur eine sehr geringe Rolle.
*Drückt die Konkretheit der Beziehungen<ref name="beziehungen"/> aus, die mit dem Eigennamen JHWH zusammenhängen.


Nachteile:
Eine sprachliche Voraussetzung für die geringe Bedeutung des Gottesnamens im Christentum ist die jüdisch-christliche Tradition, den Namen JHWH nicht auszusprechen. Im Anschluss an die altgriechische Übersetzung der hebräischen Bibel umschreibt das Neue Testament den Gottesnamen mit Ersatzlesungen oder mit Passiv-Formulierungen.
*Funktioniert '''an vielen Bibelstellen nicht'''.
*'''fügt''' der jeweiligen Bibelstelle eine '''inhaltliche Aussage über Gott hinzu'''
|rowspan="3" valign="top"|
Vorteile:
*nicht ver&#173;wech&#173;sel&#173;bar mit der Über&#173;setzung anderer bibli&#173;scher Gottes&#173;anreden
*Man kommt mit '''einer einzigen Gottes&#173;bezeich&#173;nung''' aus.


Nachteile:
Der christlich-jüdischen Dialog hat die Frage nach JHWH als dem Gott des Volkes Israel stärker ins Zentrum der christlichen Theologie gerückt.<ref>Evangelische Kirche im Rheinland: [http://www.ekir.de/www/downloads/ekir2008arbeitshilfe_christen_juden.pdf Den Rheinischen Synodalbeschluss zum Verhältnis von Juden und Christen weiterdenken – den Gottesdienst erneuern], Düsseldorf 2008<br/>
*Die '''Ersatz&#173;lesung klingt so, als wäre sie der Gottes&#173;name'''
Klappert, Berthold: Die Trinitätslehre als Auslegung des NAMENS des Gottes Israels. Die Bedeutung des Alten Testaments und des Judentums für die Trinitätslehre, in: Evangelische Theologie 62 (2002), 54–57</ref> Insbesondere die christliche Deutung des Judentums wurde kritisch hinterfragt – einschließlich der theologischen Probleme, die sich aus einem Ignorieren dieser Frage ergeben. Eine solche „Israelvergessenheit“<ref>[http://www.ekir.de/www/downloads/ekir2008arbeitshilfe_christen_juden.pdf Evangelische Kirche im Rheinland 2008], 21</ref> kann antijüdische Tendenzen haben, wenn z.B. die Kirche als alleinige Nachfolgerin der alttestamentlichen Heilsgeschichte beschrieben wird und das aktuelle Judentum mit keinem Wort erwähnt wird.
|-
|der&nbsp;Ewige/<br/>
Lebendige/<br/>
Eine<ref name="gross" />
|valign="top"|
Übersetzungen, die so vorgehen: Tur-Sinai


Nachteile:
Die christliche „Eliminierung des NAMENs“<ref>B.Klappert 2008, 240</ref> steht vor allem deshalb in der Kritik, weil sie mit der „Ersetzung des bleibend erwählten Judentums als Volk Gottes durch die heidenchristliche Kirche als das neue Volk Gottes“ einher gehen kann.
*'''keine biblische Ableitung'''
*funktioniert '''nicht in der Rede Ungläubiger''' (z.B. [[Jona 1|Jona&nbsp;1]], [[Jeremia 2#s8|Jeremia 2,8]])
*'''fügt''' der jeweiligen Bibelstelle eine '''inhaltliche Aussage über Gott hinzu'''
|-
|Adonai/<br/>
Ha-Schem/<br/>
Ha-Makom/<br/>
Schechina<ref name="gross" />
|valign="top"|
Ableitung: Umschrift einer hebräischen Ersatzlesung


Nachteile:
==== „Der HERR“: Sprachwandel und männliches Gottesbild ====
*'''keine biblische Ableitung'''
*'''Klingt''' im Deutschen '''wie ein Eigenname'''.
*ohne Erklärung '''unverständlich'''
*Leute mit Hebräisch-Kenntnissen hören die Ersatzlesung und nicht den Gottesnamen.
*funktioniert '''nicht in der Rede Ungläubiger''' (z.B. [[Jona 1|Jona&nbsp;1]], [[Jeremia 2#s8|Jeremia 2,8]])


Sonderfall ''Adonai'': Die biblische Ersatzlesung wird zwar übernommen, ist aber mit Hebräischkenntnissen stark verwirrend und ohne diese unverständlich.
Der Bibelübersetzer Franz Rosenzweig veröffentlichte kurz vor seinem Tod 1929 einen Aufsatz, in dem er ausführlich die Frage der Wiedergabe des Gottesnamens in Bibelübersetzungen diskutiert.<ref>Franz Rosenzweig: „Der Ewige“. Mendelssohn und der Gottesname, in: Verband der Vereine für Jüdische Geschichte und Literatur in Deutschland (Hrsg.): Gedenkbuch für Moses Mendelssohn, Berlin 1929, 96–114. Eine kommentierte Ausgabe findet man in: Nadine Schmahl: Das Tetragramm als Sprachfigur. Ein Kommentar zu Franz Rosenzweigs letztem Aufsatz, Tübingen 2009, S. 194–219</ref> In diesem Aufsatz weist er auf sprachliche Bedeutungsverschiebungen hin, die die Wiedergabe des Gottesnamens mit „der Herr“ trotz der Nähe zur biblischen Ersatzlesung „Adonai“ (mein Herr) problematisch werden lassen. Er bewertet bei einer Wiedergabe des Namens mit „der Herr“ positiv, dass das Wort „keinen in sich abgeschlossenen Sinn“ habe, „sondern einen über sich selbst hinausweisenden: ‚der‘ Herr ist immer der Herr des jeweils ihm Gegenübergestellten, ihm jeweils Begegnenden, immer ein Wort der Beziehung“.<ref>F. Rosenzweig 1929, 104 (Kommentierte Ausgabe: 207)</ref> Der Inhalt dieser Beziehung habe jedoch in der Übersetzung einen anderen Klang als im Hebräischen, denn im Lateinischen und im Deutschen sei „dominus“ bzw. „der Herr“ das Wort einer „nur herrschenden, nicht helfenden, nur vorstehenden, nicht beistehenden Beziehung.“<ref>F.Rosenzweig 1929, 104–105 (Kommentierte Ausgabe: 208)</ref>
|-
|GOTTESNAME
|valign="top" colspan="3"|
Ableitung: Übersetzung einer hebräischen Ersatzlesung


Vorteile:
Unabhängig von Franz Rosenzweigs Überlegungen kann als weiteres Problem gesehen werden, dass sich der Alltagsgebrauch des Wortes „Herr“ in den letzten Jahrhunderten stark gewandelt hat. Als Martin Luther die Bibel übersetzte, hatten die Herrschaftsbeziehungen eine völlig andere Form als heute. Heute wird das Wort fast nur noch als allgemeine, höfliche Andere für Männer verwendet und praktisch gar nicht mehr als Bezeichung für eine Person, der man untertan ist und die zugleich in einer Fürsorge- und Rechtsprechungspflicht für ihre Untertanen steht.
*'''nicht verwechselbar''' mit anderen biblischen Gottesanreden
*funktioniert '''auch''', wo von '''mehreren Göttern''' die Rede ist (z.B. [[Jona 1|Jona&nbsp;1]], [[Jeremia 2#s8|Jeremia 2,8]], [[1_Könige_18#s21|1 Könige 18,21]])
*Die Ersatzlesung ist so formuliert, dass sie nicht als Eigenname klingt, und vermeidet so eine Verwechselung mit dem Gottesnamen.


Nachteile:
Die beiden Probleme lassen sich zu der unter anderem in der feministischen Theologie vertretenen Kritik zusammenfassen, dass die Ersatzlesung „der Herr“ ein patriarchales und explizit männliches Gottesbild transportiert und so die biblischen Aussagen verfremdet.
*keine biblische Ableitung
*Es bleibt für den Leser/Hörer der Bibelstelle unklar, was der Gottesname ist.
*Der übersetzte Bibeltext ist '''für sehr viele Zwecke ungeeignet''' wie z.B. liturgische Verwendungen (Gebet, Taufspruch) oder ein kurzes Bibelzitat ohne viele Erklärungen
*Keine Berücksichtigung der biblischen Ersatzlesung
|}


== Vertiefende Literatur ==
== Vertiefende Literatur ==


* Lemma "Yahweh" (K. van der Toorn), in: DDD. 2 1999. S. 910-919.
* Raymond Abba: The Divine Name Yahweh, in: JBL 80 (4/61). S. 320-328.
* Raymond Abba: The Divine Name Yahweh, in: JBL 80 (4/61). S. 320-328.
* Rainer Albertz: Religionsgeschichte Israels in alttestamentlicher Zeit I (=Grundrisse zum Alten Testament 8/1). Göttingen, 2 1996.
* Aurelius Augustinus: City of God (=NPNF1-02). New York, 1890.
* [http://www.bibelwissenschaft.de/nc/wibilex/das-bibellexikon/details/quelle/WIBI/referenz/22127/cache/c9f4e5a032246e19cd157c2d92af8c7b/ Bob Becking, Jahwe, in: Wibilex, Stuttgart 2006]
* Frank Moore Cross: Canaanite Myth and Hebrew Epic. Essays in the History of the Religion of Israel. Cambridge u.a., 1997.
* Frank Moore Cross: Canaanite Myth and Hebrew Epic. Essays in the History of the Religion of Israel. Cambridge u.a., 1997.
* David S. Cunningham: On Translating the Divine Name, in: Theological Studies 56 (1995). S. 415-440.
* David S. Cunningham: On Translating the Divine Name, in: Theological Studies 56 (1995). S. 415-440.
* Cornelis Den Hertog: The Prophetic Dimension of the Divine Name: On Exodus 3:14a and Its Context, in: CBQ 64 (2002). S. 213-228.
* Cornelis Den Hertog: The Prophetic Dimension of the Divine Name: On Exodus 3:14a and Its Context, in: CBQ 64 (2002). S. 213-228.
* Fohrer, Georg (1972): History of Israelite religion. London.
* David Noel Freedman: The Name of the God of Moses, in: JBL 79 (2/60). S. 151-156.
* David Noel Freedman: The Name of the God of Moses, in: JBL 79 (2/60). S. 151-156.
* [http://www.academia.edu/1261380/Philosophical_interpretations_of_Exodus_3_14 Jaco Gericke (2012): Philosophical Translations of Exodus 3:14. A historical overview, in: Journal for Semitics 21 (1/2012). S. 125-136.] - (academia.edu)
* Wolfram Kinzig: Eigenart und Aussprache des Tetragramms bei den Kirchenvätern, in:  Heinrich Assel / Hans-Christoph Askani (Hrsg.): Sprachgewinn. Festschrift für Günter Bader, Arbeiten zur Historischen und Systematischen Theologie, Band 11, Berlin / Münster 2008, S. 202–233 ([http://uni-protokolle.de/nachrichten/id/154266/ Pressemitteilung hierzu])
* Wolfram Kinzig: Eigenart und Aussprache des Tetragramms bei den Kirchenvätern, in:  Heinrich Assel / Hans-Christoph Askani (Hrsg.): Sprachgewinn. Festschrift für Günter Bader, Arbeiten zur Historischen und Systematischen Theologie, Band 11, Berlin / Münster 2008, S. 202–233 ([http://uni-protokolle.de/nachrichten/id/154266/ Pressemitteilung hierzu])
* Ernst Axel Knauf: Yahwe, in: VT 34 (4/84). S. 467-472.
* Ernst Axel Knauf: Yahwe, in: VT 34 (4/84). S. 467-472.
Zeile 378: Zeile 256:
* P. Kyle McCarter Jr.: Aspects of the Religion of the Israelite Monarchy: Biblical and Epigraphic Data, in: Patrick D. Miller Jr. u.a. (Hgs): Ancient Israelite Religion. Essays in Honor of Frank Moore Cross. Philadelphia, 1987. S. 137-155.
* P. Kyle McCarter Jr.: Aspects of the Religion of the Israelite Monarchy: Biblical and Epigraphic Data, in: Patrick D. Miller Jr. u.a. (Hgs): Ancient Israelite Religion. Essays in Honor of Frank Moore Cross. Philadelphia, 1987. S. 137-155.
* Brian R. McCarthy: The Characterization of YHWH, The God of Israel, in Exodus 1-15, in: J. Harold Ellens u.a.: God´s Word for Our World I. Biblical Studies in Honor of Simon John De Vries (=JSOT Supplement 388). London, 2004. S. 6-20.
* Brian R. McCarthy: The Characterization of YHWH, The God of Israel, in Exodus 1-15, in: J. Harold Ellens u.a.: God´s Word for Our World I. Biblical Studies in Honor of Simon John De Vries (=JSOT Supplement 388). London, 2004. S. 6-20.
* Dennis J. McCarthy, S.J.: Exod 3:14: History, Philology and Theology, in: CB! 40 (1978). S. 311-322.
* Dennis J. McCarthy, S.J.: Exod 3:14: History, Philology and Theology, in: CBQ 40 (1978). S. 311-322.
* Rien Op Den Brouw: The Problem of the Missing Article in the Use of 'God', in: Religious Studies 30 (1/94). S. 17-27.
* Rien Op Den Brouw: The Problem of the Missing Article in the Use of 'God', in: Religious Studies 30 (1/94). S. 17-27.
* Randall J. Pannell: I Would Be Who I Whold Be! A Proposal for Reading Exodus 3:11-14, in: Bulletin for Biblical Research 16 (2/06). S. 351-353.
* Randall J. Pannell: I Would Be Who I Whold Be! A Proposal for Reading Exodus 3:11-14, in: Bulletin for Biblical Research 16 (2/06). S. 351-353.
* Joseph Ratzinger: Einführung in das Christentum. Vorlesungen über das Apostolische Glaubensbekenntnis. München, 2000.
* Martin Rösel: Adonaj – warum Gott ‚Herr‘ genannt wird, Forschungen zum Alten Testament 29, Tübingen 2000
* Martin Rösel: Adonaj – warum Gott ‚Herr‘ genannt wird, Forschungen zum Alten Testament 29, Tübingen 2000
* Werner H. Schmidt: Exodus (=BKAT II/1). Neukirchen-Vlluyn, 1988.
* Werner H. Schmidt: Exodus (=BKAT II/1). Neukirchen-Vlluyn, 1988.
* Thomas von Aquin: Summa contra gentiles. Darmstadt, 3 2009.
* Erich Zenger: Gott hat niemand je geschaut (Joh 1,18). Die christliche Gottesrede im Angesicht des Judentums, in: Bibel und Kirche 2/10. S. 87-93.
* Erich Zenger: Gott hat niemand je geschaut (Joh 1,18). Die christliche Gottesrede im Angesicht des Judentums, in: Bibel und Kirche 2/10. S. 87-93.
* [http://www.bibelwissenschaft.de/nc/wibilex/das-bibellexikon/details/quelle/WIBI/referenz/22127/cache/c9f4e5a032246e19cd157c2d92af8c7b/ Bob Becking, Jahwe, in: Wibilex, Stuttgart 2006]
* Lemma "Yahweh" (K. van der Toorn), in: DDD. 2 1999. S. 910-919.
* [http://www.vatican.va/roman_curia/congregations/ccdds/documents/rc_con_ccdds_doc_20010507_liturgiam-authenticam_ge.html Liturgiam authenticam. On the Use of vernacular languages in the publication of the books of the Roman Liturgy.]
* [http://www.execulink.com/~dtribe/blog/Name%20of%20God.pdf Letter to the Bishops´ Conferences on "The Name of God", Prot. N. 213/08/L]


== Fußnoten ==
== Fußnoten ==

Aktuelle Version vom 29. August 2023, 16:00 Uhr

Siehe auch die Seite Gottesnamen. Zur Vorgehensweise bei der Übersetzung des Gottesnamens JHWH siehe hier.

Das Wort יהוה (gewöhnlich Deutsch JHWH, je nach Umschrift aber auch YHWH) ist im hebräischen Bibeltext der Eigenname Gottes. Sowohl die Aussprache als auch die sprachliche Herkunft des Wortes sind unklar.

Die Verwendung eines konkreten Eigennamens macht deutlich, dass Gott in der Bibel nicht nur als unpersönliches Lebensprinzip oder unerreichbare Wesenheit gesehen wird, sondern als ein persönlicher Gott, der zu den Menschen in Beziehung tritt: nach dem Alten Testament im Bund mit dem Volk Israel, und nach dem Neuen Testament zusätzlich in Jesus Christus.

Vorbemerkung: Der Name JHWH in Bibelübersetzungen[Bearbeiten]

Bereits zu biblischer Zeit entwickelte sich die bis heute weit verbreitete Praxis, den Namen nicht auszusprechen und Ersatzlesungen zu verwenden. Die meisten deutschen Bibelübersetzungen geben den Namen JHWH daher mit „der HERR“ oder auch „der Ewige“ wieder. Einige Übersetzungen verwenden jedoch eine Umschrift einer möglichen (z.B. „Jahwe“) oder mit Sicherheit falschen („Jehova“) Aussprache.

Ein Teil des Judentums weitet den Respekt vor dem Gottesnamen auf andere Gottesbezeichnungen sowie auf Papier aus, auf denen diese geschrieben oder gedruckt sind.a Bei der Erstellung von Material für gemeinsame Veranstaltungen empfiehlt sich daher eine Absprache im Vorfeld.

Die Vielfalt unterschiedlicher Traditionen im Umgang mit dem Gottesnamen und anderen Gottesbezeichnungen macht es unmöglich, eine für alle zufrieden stellende Lösung zu finden. Darum ist es von Vorteil, dass die Lizenz der Offenen Bibel Bearbeitungen explizit erlaubt.

Biblische Deutungen des Namens[Bearbeiten]

JHWH und sein Volk[Bearbeiten]

In der hebräischen Bibel gibt es mehrere hundert Stellen, wo der Name JHWH mit einer kurzen Gottesprädikation kombiniert wird. Die zwei häufigsten Prädikationen sind „JHWH, der Israel aus Ägypten geführt hat“ (und ähnlich) sowie „JHWH, der Gott unserer Väter Abraham, Isaak und Jakob“ (und ähnlich). Der Bund zwischen JHWH und seinem Volk ist also eine zentrales Element der biblischen Rede von Gott und speziell der Rede von Gott als JHWH.

Hinsichtlich seiner Häufigkeit wird der Satz „JHWH hat Israel aus Ägypten, aus der Sklaverei geführt“ von manchen Alttestamentlern als wichtigste theologische Aussage des Alten Testaments beschrieben.b Der Bekenntnissatz beschreibt die „grundlegende Erwählungstat“,c die den Bund zwischen JHWH und seinem Volk konstituiert. Zugleich enthält er mehrere zentrale Aussagen über den biblischen Gott:

  • JHWH ist ein befreiender Gott, der sein Volk aus der Sklaverei herausführt.
  • JHWH ist ein Gott, der in der Geschichte handelt.
  • JHWH ist ein Gott, der zu seinem Volk in konkrete Beziehungen tritt.

Die Beschreibung JHWHs als „der Gott unserer Väter Abraham, Isaak und Jakob“ macht deutlich, dass JHWHs Bund mit seinem Volk kollektive und individuelle Aspekte hat. Der Bund bezieht sich auf das ganze Volk Israel und zeigt sich zugleich in der Lebensgeschichte konkreter Menschen.

Ex 3,14: Ich bin, der ich bin[Bearbeiten]

Die wichtigste Bibelstelle für eine biblische Herleitung der Bedeutung des Namens JHWH ist Ex 3,13-17, insbesondere V. 14. Dort offenbart Gott Mose seinen Namen zunächst als אֶֽהְיֶה אֲשֶׁר אֶֽהְיֶה ehjeh ašer ehjeh (meist Deutsch „Ich bin, der ich bin“) und dann als אֶֽהְיֶה ehjeh („Ich bin“, V. 14). Der Gottesname wird in V. 15 dann sprachlich deutlich mit dieser Aussage in Verbindung gebracht. Die meisten Exegetend verstehen יהוה JHWH hier als die 3. Person Singular der in der Vorstellung gebrauchten Imperfekt-Form אהיה ehjeh (1. Sg. Ipf. von היה hajah, „sein, werden“). Neben dem Verb היה HJH kann יהוה JHWH auch als Form der arabischen Wurzel HWJ („leidenschaftlich sein“, „fallen“ und „wehen, blasen“) gelesen werden.e

Aber trotz der weitgehenden Übereinstimmung bezüglich der biblischen Herleitung des Namens herrscht in der Frage nach seiner Interpretation noch große Uneinigkeit. Auch wenn man der biblischen Etymologie folgt und sich auf die Wurzel היה HJH verständigt, bleibt unklar, um welche Stammesmodifikation es sich hier handelt: Qal oder Hifil? Qal ist die Grundform, Hifil gibt dem Stamm eine kausative Sinnrichtung. Im Fall von היה HJH macht das Hifil also aus „ich bin/werde“ „ich mache/sorge dafür, dass [etwas] ist/wird“. Zudem kann ehjeh ašer ehjeh Präsens oder Futur sein. Gesetzt den Fall, dass man sich auf יהוה JHWH als Form der Wurzel HJH verständigt, sind unter anderem folgende Deutungen möglich:

  • Ich bin, der/was/wie ich bin (Qal)
  • Ich verursache, was/wie ich verursache (Hifil)
  • Ich werde sein, was/wie ich sein werde (Qal Futur)
  • Ich werde verursachen, was/wie ich verursachen werde (Hifil Futur)
  • Ich bin, der/was/wie ich sein werdef
  • Schule gemacht hat v.a. in Amerika der Vorschlag Albrights und Haupts, den Text von Ex 3,14 zu lesen als `ehjeh `ašer jihjeh (Hifil und Qal, also: „Er verursacht, was ins Sein kommt.“).g
  • Ich werde wirkend sein, wie ich wirkend sein werde.

Als inhaltliche Deutungen der Stelle werden u.a. diskutiert:

  • Gott lässt sich nicht festlegen und nicht definieren
  • Gottes Wesen wird in seinem Handeln erkennbar: Gott sichert Moses zu, für ihn wirkend zu werden und gibt an, dass er aus diesem seinen Wirken erkennbar sei. (Vgl. die sehr häufige biblische Formulierung „JHWH, der dich aus Ägypten geführt hat“.)
  • Möglich wäre auch eine Deutung eine ausweichende Antwort, im Sinne von „Welcher Art ich bin, geht dich gar nichts an, sondern nur mich. Ich werde tun, was mir gefällt.“,
  • oder als eine schroffe Zurückweisung des Mose im Sinne von „Lass mich gefälligst sein, was ich sein will!“,h
  • oder als Versprechen im Sinne von „Ich werde für euch da sein“.

Siehe auch: Kommentar:Exodus 3

Die zehn Gebote[Bearbeiten]

Die zehn Gebote betonen die zentrale Stellung des Namens: „Ich bin JHWH, dein Gott, der dich aus Ägypten, aus der Sklaverei geführt hat. Du sollst neben mir keine anderen Götter haben.“ und „Du sollst JHWHs, deines Gottes, Namen nicht unnütz gebrauchen, denn JHWH wird denjenigen nicht für unschuldig erklären, der seinen Namen missbraucht.“ (Ex 20,2.3.7) Mit diesen beiden Geboten wird die Bedeutung des Namens in zweifacher Hinsicht betont:

1. Der Name dient zur eindeutigen Identifikation JHWHs als des Gottes, der sein Volk aus der Sklaverei befreit hat. Diese Identifikation korrespondiert mit dem Verbot, andere Götter zu verehren. Der Eigenname verhindert eine Verwechselung mit anderen Göttern.

2. Ein Missbrauch dieses Namens wird verboten. Auch andere Bibelstellen verbieten es, den Namen durch unwürdigen Gebrauch (beim Schwören: Lev 19,12; beim Fluchen: Lev 24,15f) zu profanisieren.i

JHWH als „Gott schlechthin“ – und andere Gottheiten[Bearbeiten]

Der Eigenname JHWH für den Gott der Bibel wirft die Frage nach der Existenz anderer Götter auf. Zu dieser Frage gibt es in der Bibel keine einheitliche Antwort. An verschiedenen Bibelstellen findet man unterschiedliche Positionen, die sich gut am Gebrauch der Wörter „El“ (Gott) und „Elohim“ (Gott, Götter) zeigen lassen. Beide Wörter beziehen sich im Normalfall auf JHWH, manchmal aber auch auf andere Götter.

Das Wort „El“ (Gott) ist sprachlichgeschichtlich zunächst als Anrede an einen Gott (unabhängig von dessen Namen) belegt. Im kanaanäischen Pantheon ist „El“ darüber hinaus auch der Eigenname des höchsten Gottes.j Die Gleichsetzung von JHWH mit „El“ besagt also mindestens, dass JHWH der höchste Gott ist – oder darüber hinaus, dass JHWH der einzige (oder der einzige bedeutsame) Gott ist.

Bei dem Plural-Wort „Elohim“ ist die Situation ähnlich: Fast immer bezieht es sich auf JHWH und wird dann im Sinne von „Gott schlechthin“ verstanden.k JHWH wird also nicht nur als der höchste Gott eines Götter-Pantheons dargestellt, sondern als die einzige wesentliche Gottheit. Verstärkt wird diese Tendenz zum Monotheismus zudem durch Bibelstellen mit universalistischer Ausrichtung. Die biblische Gesamtperspektive ist daher eindeutig monotheistisch.

Dieser monotheistischen Tendenz stehen jedoch einzelne Bibelstellen gegenüber, an denen sich die Wörter „El“ und „Elohim“ auf andere, von JHWH unterschiedene Gottheiten beziehen.l Eine Verehrung anderer Götter durch Israel wird durchgehend negativ bewertet,m in Bezug auf Menschen außerhalb Israels gibt es jedoch auch Bibelstellen mit einer neutralen Beschreibung des Polytheismus.n

Gemeinsam ist diesen unterschiedlichen Perspektiven, dass die anderen Götter im Vergleich zu JHWH keinerlei Bedeutung haben. Bei allen Bibelstellen ist es angemessen, die anderen Gottheiten als nichtig zu beschreiben. Ob diese nichtigen Götter als unbedeutende Wesen existieren, oder ob sie eine reine Fiktion sind, ist für die alleinige Orientierung an JHWH nebensächlich.

Dtn 6,4: Einzig und allein JHWH[Bearbeiten]

Die Frage des Monotheismus ist auch zentral für die Deutung von Dtn 6,4: שְׁמַע יִשְׂרָאֵל יְהוָה אֱלֹהֵינוּ יְהוָה אֶחָד

Diese Bibelstelle steht am Anfang des „Schma Jisrael“ (ein zentraler Text des Judentums) und kann sehr verschieden übersetzt werden.

Möglichkeiten sind u.a.:

  • JHWH ist unser Gott, einzig [und allein] JHWH. (Monolatrie: Alleinverehrung JHWHs)
  • JHWH ist unser Gott. JHWH ist der einzige [Gott]. (Monotheismus in Abgrenzung zum Polytheismus)
  • JHWH, unser Gott, ist [genau] ein JHWH. (Abgrenzung zur Annahme mehrerer JHWH-Götter)
  • JHWH, unser Gott, ist ein einiger JHWH. (jüdische Deutung: Abgrenzung zur Trinitätslehreo)
  • JHWH ist unser Gott, der einzigartige JHWH. (Henotheismus: JHWH als der höchste Gott)

Es ist nicht auszuschließen, dass mehrere dieser Varianten gemeinsam das beste Verständnis der Bibelstelle umschreiben.

Eine weitere Frage ist die Zuordnung der beiden Sätze bzw. Satzhälften. Ist JHWH in erster Linie als „unser Gott“ zu beschreiben, oder in erster Linie als „der Eine/Einzige/Einzigartige“, oder sind beide Perspektiven gleich wichtig?

Die Antwort hängt davon ab, aus welcher Perspektive man auf diesen Text schaut. Judentum und Christentum teilen die Überzeugung, dass JHWH der einzige Gott ist und als einziger angebetet werden darf. Viele Juden und Christen sind außerdem der Überzeugung, dass sich der Satz „JHWH ist unser Gott“ auf beide Religionen bezieht. Unterschiedliche Positionen gibt es hingegen bei der (Drei-)Einigkeit.

JHWH und „der HERR“[Bearbeiten]

In den meisten Bibelübersetzungen wird der Gottesname als „der HERR“ wiedergegeben. Dies geht zurück auf eine Besonderheit im biblischen Text.

Ketib und Qere[Bearbeiten]

Bereits zu spät-biblischer Zeit war es üblich, den Gottesnamen aus Respekt nicht auszusprechen und statt dessen Ersatzlesungen zu verwenden. In den biblischen Handschriften stehen daher die Buchstaben des Gottesnamens יהוה gemeinsam mit diakritischen Zeichen (Punktierung) für die Ersatzlesungen. Dasselbe Vorgehen wurde von den Tradenten des Bibeltextes angewandt, wenn sie an einer Bibelstelle unsicher waren, welche Lesart die richtige ist. Beim Übersetzen des Bibeltextes muss stets entschieden werden, ob man den Buchstaben („Ketib“: das Geschriebene) oder der Punktierung („Qere“: das Gelesene) folgt.

Biblische Ersatzlesungen[Bearbeiten]

Die häufigste biblische Ersatzlesung ist אֲדֹנָי („Adonai“) – ein Begriff, der in der Bibel auch sonst oft als Gottesbezeichnung verwendet wird und mit mein Herrp übersetzt werden kann. In dem Wort spiegelt sich eine Beziehungsaussage: יהוה wird als der Herr bekannt, dem der Leser des Bibeltextes vertrauen kann und der allen anderen Herren überlegen ist.q Zugleich verweist die biblische Ersatzlesung darauf, dass Gott sich in besonderer Weise als der Herr Israels erweist: „Daß Gott ‚Herr‘ genannt wird, ist folglich Ausdruck der biblisch-theologischen Einsicht, daß Gott nicht anders als in Beziehung zu seinem Volk gesehen werden kann.“r (Siehe auch: Artikel zu Adonai.) Christen nehmen für sich in Anspruch, ebenfalls in dieser besonderen Beziehung zu Gott zu stehen, wenn sie Gott als den Herrn der Kirche bekennen.

Bei der Ersatzlesung אֲדֹנָי wird das Possesivsuffix der ersten Person („mein“) selbst in der Gottesrede verwendet: „Ich bin יהוה/Mein Herr, dein Gott, der dich herausgeführt hat aus dem Land Ägypten.“ (Dtn 5,6) Die sprachliche Form betont so, dass אֲדֹנָי keine Übersetzung des Namens ist, sondern auf ihn verweist.

An manchen Bibelstellen steht der Gottesname יהוה direkt neben dem Wort אֲדֹן („Adon“, Herr). Um sprachliche Doppelungen zu vermeiden, wird dann in den biblischen Handschriften auf das Wort אֱלֹהִים („Elohim“, Gott) ausgewichen.s

Die Ersatzlesungen אֲדֹנָי und אֱלֹהִים werden bis heute im jüdischen Gebet verwendet. Außerhalb des Gebetes verwenden viele Juden andere Ersatzlesungen. Die bekannteste ist הַשֵׁם („Haschem“, der Name).

Altgriechische Bibel[Bearbeiten]

Die altgriechische Bibel (Septuaginta, Neues Testament) folgt meistens der Tradition der Ersatzlesungen und gibt den Gottesnamen mit ὁ κύριος (der Herr) oder mit ὁ θεός (der Gott) wieder.

Einzelne griechische Handschriften haben den Gottesnamen in hebräischen Buchstaben oder ahmen die hebräischen Schriftzeichen יהוה mit griechischen Buchstaben (ΠΙΠΙ) nach.t

Herkunft[Bearbeiten]

Religionsgeschichte[Bearbeiten]

Zur Vorgeschichte Israels gibt es sehr wenig gesicherte Erkenntnisse. Das erschwert notwendigerweise auch die Diskussion möglicher religionsgeschichtlicher Theorien zu den Ursprüngen der JHWH-Verehrung. Frühe außerbiblische Hinweise legen den Schluss nahe, dass JHWH bereits in früher Zeit von Edomitern und Midianitern verehrt wurde.

Eine genaue Datierung, wann JHWH in Israel mehrheitlich als Bundesgott anerkannt wurde, ist nicht möglich. Was als relativ gesichert gelten kann, ist, dass JHWH zwar schon kurz vor 1000 v. Chr. von den Israeliten verehrt wurde, seine Erhebung zum Nationalgott aber wohl erst nach dem Beginn der Königszeit anzusetzen ist. Ebenfalls als relativ wahrscheinlich kann gelten, dass man selbst nach der Erhebung JHWHs zum Nationalgott noch nicht von einer Allein-Verehrung ausgehen darf; auch zu dieser Zeit wurden neben JHWH andere Gottheiten wie etwa Baal oder Ashera verehrt.

In der wissenschaftlichen Literatur wird als Frage zur religionsgeschichtlichen Entwicklung diskutiert, ob mit dem Namen JHWH zeitweise mehrere voneinander unterschiedene Lokalgottheiten bezeichnet wurden. Schlussfolgerungen hängen in dieser Frage sehr stark von der wissenschaftlichen Vorgehensweise in der Forschung ab, etwa von der Frage, welchen Stellenwert man den biblischen Berichten als historischen Quellen einräumt.

Siehe auch: JHWH/Religionsgeschichte

Etymologie[Bearbeiten]

Ob sich die sprachliche Herkunft des Wortes „JHWH“ rekonstruieren lässt, ist unklar. Es gibt eine Vielzahl von Vorschlägen zur Etymologie von „JHWH“. Gegen kaum einen ist nicht auch schon ein Gegenargument vorgebracht worden, aber es kann gleichzeitig fast keiner der Vorschläge von Vornherein entkräftet werden.

Die Bibel leitet den Namen von dem Verb hwy/hyh („sein“) ab. Es ist umstritten, ob es sich hierbei um eine philologische Etymologie oder eine spätere theologische oder Volksetymologie handelt. Zu den diskutierten Theorien gehören außerdem die Herleitung von ḥwy („Der Zerstörer“), von hwh (begehren) oder von arabisch hwy („leidenschaftlich sein“, „fallen“ und „wehen, blasen“), und viele andere Vorschläge.

Siehe auch: JHWH/Etymologie

Aufgrund der Vielfalt an denkbaren Vorschlägen und der daraus folgenden Unmöglichkeit, sich einfach guten Gewissens für eine dieser alternativen Etymologien zu entscheiden, schlägt D.McCarthy vor, „die Etymologie einfach Etymologie sein zu lassen“ und die Bedeutung stattdessen lieber direkt aus der Bibel zu erschließen.u

Aussprache[Bearbeiten]

Auch die Aussprache von יהוה ist völlig unsicher.v Die Vielfalt der frühen Umschriften ist ein Hinweis darauf, dass die Aussprache bereits zur Entstehungszeit der späteren biblischen Schriften nicht mehr zuverlässig bekannt war.

Die Unklarheit über die Aussprache ist möglich, weil in der hebräischen Schrift ursprünglich nur Konsonanten geschrieben wurden. Vokale wurden entweder gar nicht geschrieben oder mit Hilfe der Buchstaben י, ו und ה angedeutet. Es ist somit noch nicht einmal sicher, ob die Buchstaben des Gottesnamens als Konsonanten oder als Vokale zu lesen sind. Wegen der letzten Silbe des Wortes „Halleluja“ (Lobt Jah) ist es jedoch sehr wahrscheinlich, dass der Gottesname mit „Jah“ beginnt.

„Jahwe“ oder „Jaho“?[Bearbeiten]

Lange Zeit wurde in der Wissenschaft vertreten, dass der Name JHWH „Jahwe“ ausgesprochen wurde, eine Kurzform JHW jedoch „Jaho“. Als Beleg wurden Zitate in altgriechischen Handschriften von Kirchenvätern genannt.w Der Kirchengeschichtler Wolfram Kinzig hat diese These durch eine ausführliche Untersuchung zu den Kirchenväter-Zitaten des Gottesnamens wiederlegt. Die Aussprache „Jahwe“ lässt sich mit den altgriechischen Texten nicht belegen. Die Aussprache „Jaho“ lässt sich sowohl für JHW als auch für JHWH zwar etwas besser belegen, aber nicht zweifelsfrei beweisen.x Sicher ist nur, dass ein großer Teil der Kirchenväter-Texte bereits die Konsonanten des Namens nicht zuverlässig überlieferty und dass es auch bei Aussagen über die Aussprache keine Einheitlichkeit gibt. Belegt sind „Jaho“ und „Iaia“, evt. „Іαω“ (Jao) sowie „Ιαου“ oder „Ιαουε“ oder „Ιαουαι“ (Jau, Jaue, Jauai).z Das für die Aussprache „Jahwe“ oft genannten „Ιαβε“ (Jabe) bezieht sich vermutlich auf ein anderes Wort (אֶהְיֶה oder יִהְיֶה).aa

Ungeachtet dieser Probleme ist sind sowohl „Jahwe“ als auch „Jaho“ mögliche Aussprachen der hebräischen Buchstaben יהוה.

„Jehowah“[Bearbeiten]

Im Christentum geriet die besondere Punktierung des Namens יהוה im Lauf der Zeit in Vergessenheit. Man bezog sie nicht mehr auf das eigentlich gemeinte Wort אֲדֹנָי (Adonai), sondern setzte sie in die Buchstaben des Gottesnamens ein. Durch dieses Missverständnis entstand die Variante Jehowah (bzw. latinisiert Jehova).ab

Traditionen zum Umgang mit dem Gottesnamen[Bearbeiten]

Andere Übersetzungen[Bearbeiten]

In den verschiedenen modernen Übersetzungen findet man zahlreiche Wege, den Gottesnamen wiederzugeben. Oft finden sich auch mehrere Varianten in derselben Übersetzung. Die Bibel in gerechter Sprache wechselt zwischen vielen verschiedenen Ersatzlesungen in männlicher und weiblicher Form.

Für eine Zusammenstellung fast aller Ersatzlesungen und ihrer jeweiligen Vor- und Nachteile siehe: Datei:Ersatzlesungen Übersicht.pdf.

„der HERR“: Übersetzung der biblischen Ersatzlesung[Bearbeiten]

Die meisten Übersetzungen verwenden eine Eindeutschung der biblischen Ersatzlesung. Da die extrem wörtliche Übersetzung von אֲדֹנָי als „mein Herr“ an manchen Bibelstellen sprachlich nicht funktioniert („Ich bin mein Herr, dein Gott“, Dtn 5,6), wird fast immer „der HERR“ in Anlehnung an die altgriechische Bibel verwendet. Einige Übersetzungen verwenden daneben auch andere Varianten („Gott“, „Jahwe“, „mein/dein/unser/euer Gott/Herr“), wo dies aus inhaltlichen Gründen sinnvoll ist oder wo die biblischen Handschriften die Ersatzlesung (אֶלוֹהִים, „Gott“) empfehlen.

„JHWH“: Umschrift des Gottesnamens[Bearbeiten]

In wissenschaftlichen Kommentaren und einigen anderen Übersetzungen begegnet neben der Ersatzlesung „Herr“ auch sehr oft eine Umschrift des Gottesnamens. Neben einer nicht-vorlesbaren Umschrift der hebräischen Buchstaben (JHWH, YHWH) gibt es auch eine Fassung mit Vokalen (Jahwe/Jahwä/Yahweh), die von der ursprünglichen Aussprache jedoch sehr wahrscheinlich abweicht. Die mit Sicherheit falsche, unwissenschaftliche Vokalisierung Jehova (Jehowa/Yehova) findet man gelegentlich in alten christlichen oder jüdischen Übersetzungen sowie in der Übersetzung der Glaubensgemeinschaft „Jehovas Zeugen“.

„der Ewige“: Inhaltliche Deutung des Gottesnamens[Bearbeiten]

Ein Versuch, den Gottesnamen aufgrund einer inhaltlichen Deutung zu übersetzen, sind die Ersatzlesung „der Ewige“ (beliebt im Judentum sowie als „l’Eternel“ in Frankreich) sowie das an Ex 3,12 anknüpfende „Ich-Bin-Da“. Diese Übersetzungen lassen sich jedoch durch sprachwissenschaftliche Erkenntnisse nicht gut begründen.

Andere Ersatzlesungen[Bearbeiten]

Die Bibelübersetzung von Martin Buber und Franz Rosenzweig verwendet als Ersatzlesung Personalpronomen („ER“, „DU“, „ICH“, „IHM“, „MEIN“, …).

In den Kirchentagsübersetzungen sowie manchen englischen, jüdischen Übersetzungen steht eine Umschrift der biblischen Ersatzlesung („Adonai“). Andere englische, jüdische Übersetzungen haben „the LORD“ oder eine Umschrift der hebräischen Wortes „Ha-Schem“ (der Name). Die Bibel in gerechter Sprache bietet außerdem eine Umschrift der hebräischen Ersatzlesungen „Ha-Makom“ und „Schechina“ als Varianten an.

Christliche und jüdische Konfessionen[Bearbeiten]

Römisch-Katholische Kirche[Bearbeiten]

Das römisch-katholische Kirchenrecht betont die Offenbarung des Gottesnamens an das Volk Israel und zugleich die Verborgenheit dieses Namens. Gott macht sich durch den Namen verfügbar, „um intimer gekannt und persönlich angerufen werden zu können“.ac Zugleich ist der Name „heiliges Geheimnis, wie auch Gott ein heiliges Geheimis ist“.ad Dadurch zeigt sich Gott gleichzeitig als verborgener Gott und als ein Gott, „der sich den Menschen nahe macht“.ae

Unter Bezug auf die jüdische und christliche Tradition, den Gottesname nicht auszusprechen, sieht es das römisch-katholische Kirchenrecht vor, dass der Gottesname entsprechend der Nova Vulgata als „Herr“ wiedergegeben wird.af

Siehe auch: JHWH/Römisch-Katholische Kirche

Alt-Katholische Kirche[Bearbeiten]

Die Alt-Katholische Kirche verwendet in der Regel die römisch-katholische Einheitsübersetzung mit der Ersatzlesung „Herr“. Auch in der Liturgie hält sie an der Übersetzung „Herr“ fest, obwohl sie insbesondere im Hinblick auf inklusive Sprache Probleme sieht: „So missverständlich das Wort ‚Herr‘ auch sein kann, wir haben kein anderes, um das Bekenntnis zum ‚Kyrios’, zum 'Herrn des Alls und der Menschen' zu übersetzen.“ag

Kirchen der Reformation[Bearbeiten]

Nach dem Selbstverständnis der protestantischen Kirchen kann es keine kirchlichen Vorschriften zur Übersetzung der Bibel geben. Der theologische Grundsatz „sola scriptura“ (allein die Schrift) erfordert die Beurteilung der Kirche anhand der Bibel und schließt kirchenrechtliche Vorschriften zur Bibelauslegung oder -übersetzung aus.

Die von den EKD-Kirchen für den Gottesdienst empfohlene Lutherbibel verwendet „HERR“, „der HERR“ oder gelegentlich „GOTT“ entsprechend den hebräischen Ersatzlesungen, ebenso die Zürcher Bibel (herausgegeben von der Reformierten Kirche Kanton Zürich).

In den Kirchentagsübersetzungen wird der Gottesname mit „Adonai“ wiedergegeben.

Die übrigen protestantischen Übersetzungen verwenden verschiedene Lösungen, meistens „der Herr“.

Orthodoxe Kirchen[Bearbeiten]

Die orthodoxen Kirchen haben als Grundtext des Alten Testaments die griechische Übersetzung Septuaginta, die den Gottesnamen meistens mit κύριος (Herr) oder θεός (Gott) wiedergibt.

Judentum[Bearbeiten]

Für die jüdische Tradition ist die Heiligkeit des Gottesnamens zentral. Der Gottesname wird dabei von den meisten Juden aus Respekt nicht ausgesprochen. Im Gebet wird in der Regel die biblische Ersatzlesung „Adonai“ bzw. „Elohim“ verwendet, außerhalb des Gebetes von vielen Juden „Ha-Schem“ (der Name). Die rabbinischen Literatur betont die Heiligkeit des Namens außerdem mit Grundsätzen über das würdige Schreiben von Gottenbezeichnungen.ah Auch wird Papier, auf dem der Gottesname gedruckt oder geschrieben ist, in vielen Synagogen gesammelt und auf dem Friedhof bestattet.ai Inwieweit dies auch für andere hebräische oder übersetzte Gottesbezeichungen gilt, differiert sehr stark zwischen den verschiedenen jüdischen Traditionen. Einige Juden betrachten das Wort „Gott“ als ähnlich heilig und schreiben darum „G’tt“ oder „G!tt“.

Als wichtiger Schlüssel zur jüdischen Interpretation des Gottesnamens gilt Ex 3,12–14 mit Gottes Zusage an Abraham (siehe oben). Eine andere Deutung dieser Bibelstelle ist eine jüdische Tradition, die den Namen יהוה als Abkürzung für die hebräischen Worte היה הוה יהיה (er war, er bleibt, er wird sein) versteht.aj Diese Deutung spiegelt sich darin, dass viele jüdische Übersetzungen den Gottesnamen mit „der Ewige“ wiedergeben.

Die englische Übersetzung der Jewish Publication Society verwendet bisher das im englischen Sprachraum sehr etablierte „the LORD“. Zur Zeit ist eine Revision in Arbeit, bei der der Gottesname nicht mehr ersetzt, sondern in hebräischer Schrift abgedruckt werden soll.ak

Kritische Anfragen diese Traditionen[Bearbeiten]

Für eine Zusammenstellung der Vor- und Nachteile fast aller Ersatzlesungen siehe: Datei:Ersatzlesungen Übersicht.pdf.

Verdrängung des Namens[Bearbeiten]

Der christliche Umgang mit dem Gottesnamen JHWH ist in den letzten Jahrzehnten verstärkt in die Kritik geraten.

Viele Christen wissen nicht, dass Gott in der hebräischen Bibel einen Eigennamen hat, und dass das Wort „der HERR“ in den bekanntesten Bibelübersetzungen eine Ersatzlesung für diesen Namen ist. Manche Übersetzungen verzichten sogar auf eine typographische Markierung, wodurch die Existenz des Namens ganz unsichtbar wird. Auch in der christlichen Theologiegeschichte spielt die Existenz des Gottesnamens JHWH nur eine sehr geringe Rolle.

Eine sprachliche Voraussetzung für die geringe Bedeutung des Gottesnamens im Christentum ist die jüdisch-christliche Tradition, den Namen JHWH nicht auszusprechen. Im Anschluss an die altgriechische Übersetzung der hebräischen Bibel umschreibt das Neue Testament den Gottesnamen mit Ersatzlesungen oder mit Passiv-Formulierungen.

Der christlich-jüdischen Dialog hat die Frage nach JHWH als dem Gott des Volkes Israel stärker ins Zentrum der christlichen Theologie gerückt.al Insbesondere die christliche Deutung des Judentums wurde kritisch hinterfragt – einschließlich der theologischen Probleme, die sich aus einem Ignorieren dieser Frage ergeben. Eine solche „Israelvergessenheit“am kann antijüdische Tendenzen haben, wenn z.B. die Kirche als alleinige Nachfolgerin der alttestamentlichen Heilsgeschichte beschrieben wird und das aktuelle Judentum mit keinem Wort erwähnt wird.

Die christliche „Eliminierung des NAMENs“an steht vor allem deshalb in der Kritik, weil sie mit der „Ersetzung des bleibend erwählten Judentums als Volk Gottes durch die heidenchristliche Kirche als das neue Volk Gottes“ einher gehen kann.

„Der HERR“: Sprachwandel und männliches Gottesbild[Bearbeiten]

Der Bibelübersetzer Franz Rosenzweig veröffentlichte kurz vor seinem Tod 1929 einen Aufsatz, in dem er ausführlich die Frage der Wiedergabe des Gottesnamens in Bibelübersetzungen diskutiert.ao In diesem Aufsatz weist er auf sprachliche Bedeutungsverschiebungen hin, die die Wiedergabe des Gottesnamens mit „der Herr“ trotz der Nähe zur biblischen Ersatzlesung „Adonai“ (mein Herr) problematisch werden lassen. Er bewertet bei einer Wiedergabe des Namens mit „der Herr“ positiv, dass das Wort „keinen in sich abgeschlossenen Sinn“ habe, „sondern einen über sich selbst hinausweisenden: ‚der‘ Herr ist immer der Herr des jeweils ihm Gegenübergestellten, ihm jeweils Begegnenden, immer ein Wort der Beziehung“.ap Der Inhalt dieser Beziehung habe jedoch in der Übersetzung einen anderen Klang als im Hebräischen, denn im Lateinischen und im Deutschen sei „dominus“ bzw. „der Herr“ das Wort einer „nur herrschenden, nicht helfenden, nur vorstehenden, nicht beistehenden Beziehung.“aq

Unabhängig von Franz Rosenzweigs Überlegungen kann als weiteres Problem gesehen werden, dass sich der Alltagsgebrauch des Wortes „Herr“ in den letzten Jahrhunderten stark gewandelt hat. Als Martin Luther die Bibel übersetzte, hatten die Herrschaftsbeziehungen eine völlig andere Form als heute. Heute wird das Wort fast nur noch als allgemeine, höfliche Andere für Männer verwendet und praktisch gar nicht mehr als Bezeichung für eine Person, der man untertan ist und die zugleich in einer Fürsorge- und Rechtsprechungspflicht für ihre Untertanen steht.

Die beiden Probleme lassen sich zu der unter anderem in der feministischen Theologie vertretenen Kritik zusammenfassen, dass die Ersatzlesung „der Herr“ ein patriarchales und explizit männliches Gottesbild transportiert und so die biblischen Aussagen verfremdet.

Vertiefende Literatur[Bearbeiten]

  • Raymond Abba: The Divine Name Yahweh, in: JBL 80 (4/61). S. 320-328.
  • Rainer Albertz: Religionsgeschichte Israels in alttestamentlicher Zeit I (=Grundrisse zum Alten Testament 8/1). Göttingen, 2 1996.
  • Aurelius Augustinus: City of God (=NPNF1-02). New York, 1890.
  • Bob Becking, Jahwe, in: Wibilex, Stuttgart 2006
  • Frank Moore Cross: Canaanite Myth and Hebrew Epic. Essays in the History of the Religion of Israel. Cambridge u.a., 1997.
  • David S. Cunningham: On Translating the Divine Name, in: Theological Studies 56 (1995). S. 415-440.
  • Cornelis Den Hertog: The Prophetic Dimension of the Divine Name: On Exodus 3:14a and Its Context, in: CBQ 64 (2002). S. 213-228.
  • Fohrer, Georg (1972): History of Israelite religion. London.
  • David Noel Freedman: The Name of the God of Moses, in: JBL 79 (2/60). S. 151-156.
  • Jaco Gericke (2012): Philosophical Translations of Exodus 3:14. A historical overview, in: Journal for Semitics 21 (1/2012). S. 125-136. - (academia.edu)
  • Wolfram Kinzig: Eigenart und Aussprache des Tetragramms bei den Kirchenvätern, in: Heinrich Assel / Hans-Christoph Askani (Hrsg.): Sprachgewinn. Festschrift für Günter Bader, Arbeiten zur Historischen und Systematischen Theologie, Band 11, Berlin / Münster 2008, S. 202–233 (Pressemitteilung hierzu)
  • Ernst Axel Knauf: Yahwe, in: VT 34 (4/84). S. 467-472.
  • André Lemaire: The Birth of Monotheism. Washington, 2007.
  • P. Kyle McCarter Jr.: Aspects of the Religion of the Israelite Monarchy: Biblical and Epigraphic Data, in: Patrick D. Miller Jr. u.a. (Hgs): Ancient Israelite Religion. Essays in Honor of Frank Moore Cross. Philadelphia, 1987. S. 137-155.
  • Brian R. McCarthy: The Characterization of YHWH, The God of Israel, in Exodus 1-15, in: J. Harold Ellens u.a.: God´s Word for Our World I. Biblical Studies in Honor of Simon John De Vries (=JSOT Supplement 388). London, 2004. S. 6-20.
  • Dennis J. McCarthy, S.J.: Exod 3:14: History, Philology and Theology, in: CBQ 40 (1978). S. 311-322.
  • Rien Op Den Brouw: The Problem of the Missing Article in the Use of 'God', in: Religious Studies 30 (1/94). S. 17-27.
  • Randall J. Pannell: I Would Be Who I Whold Be! A Proposal for Reading Exodus 3:11-14, in: Bulletin for Biblical Research 16 (2/06). S. 351-353.
  • Joseph Ratzinger: Einführung in das Christentum. Vorlesungen über das Apostolische Glaubensbekenntnis. München, 2000.
  • Martin Rösel: Adonaj – warum Gott ‚Herr‘ genannt wird, Forschungen zum Alten Testament 29, Tübingen 2000
  • Werner H. Schmidt: Exodus (=BKAT II/1). Neukirchen-Vlluyn, 1988.
  • Thomas von Aquin: Summa contra gentiles. Darmstadt, 3 2009.
  • Erich Zenger: Gott hat niemand je geschaut (Joh 1,18). Die christliche Gottesrede im Angesicht des Judentums, in: Bibel und Kirche 2/10. S. 87-93.
  • Lemma "Yahweh" (K. van der Toorn), in: DDD. 2 1999. S. 910-919.
  • Liturgiam authenticam. On the Use of vernacular languages in the publication of the books of the Roman Liturgy.
  • Letter to the Bishops´ Conferences on "The Name of God", Prot. N. 213/08/L

Fußnoten[Bearbeiten]

aAriela Pelaia: „Why Do Some Jews Spell ‘God’ G-d?“ (Zurück zu )
bSchmidt, Werner H.: Lemma „Gott II“, TRE, S. 611 (Zurück zu )
cSchmidt, Werner H.: Lemma „Gott II“, TRE, S. 611 (Zurück zu )
dvgl. z.B. Freedman 1960, S. 152. (Zurück zu )
evgl. z.B. Knauf 1984, S. 469. (Zurück zu )
fSo etwa Childs, Drubel, vgl. W.J. Drubel, Coventant & Creation: An OT Covenantal Theology, 1984, 84. (Zurück zu )
gvgl. z.B. Freedman 1960, S. 152 (Zurück zu )
hvgl. Pannell 2006 (Zurück zu )
iÜber mehrere hundert Jahre belegen einige Talmud-Stellen, dass das Nicht-Aussprechen des Namens von einigen Rabbinern als strenges, bei Verstoß mit dem Tod zu bestrafendes Verbot interpretiert wurde. (Zurück zu )
jCross, F.M.: Lemma אל, ThWAT, 259–260. (Zurück zu )
k„Einerseits liegt im Gebrauch von אלהים als Ersatz des Gottesnamens eine Abstraktion: Der konkret persönliche, anthropomorph aufgefaste JHWH wird mit der Gottheit schlechthin gleichgesetzt, was eine abstraktere Gottesauffassung nahelegt. Andererseits liegt diese Identifikation in einer Linie mit der monotheistischen Auffassung: Nur wenn es nur einen Gott gibt und geben kann, wird es völlig sinnvoll, den eigenen Gott als Gott schlechthin (אלהים zu bezeichnen.“ (Ringgren, H.: Lemma אלהים, ThWAT, 305.) (Zurück zu )
lSiehe auf: Ringgren, H.: Lemma אלהים, ThWAT, 291f und 295f. (Zurück zu )
mSiehe z.B. 1 Kön 18,24 (Zurück zu )
nSiehe Jona 1 und mit Einschränkungen 2. Könige 5,17–18. (Zurück zu )
oSiehe z.B. die Darstellung von Pinchas Lapide (S. 12–15) in dem Buch: Pinchas Lapide und Jürgen Moltmann: Jüdischer Monotheismus – christliche Trinitätslehre. Ein Gespräch, München 1970, 9–31 (Zurück zu )
p„Die biblischen Handschriften unterscheiden zwischen den beiden Wortformen Adonai und Adoni. Diese Unterscheidung ist jedoch vermutlich sekundär und beides ist gleich zu übersetzen: Es ist „davon auszugehen, daß es im unpunktierten Text keine Differenzierung zwischen den beiden Formen gegeben hat.“ (M.Rösel 2000, 31) (Zurück zu )
qM. Rösel 2000, S. 229. (Zurück zu )
rM.Rösel 2000, S. 230. (Zurück zu )
sDie in Qumran gefundenen hebräischen Handschriften verwenden häufig ganz generell die Ersatzlesung אֱלֹהִים für den Gottesnamen. (M.Rösel 2000, 2009) (Zurück zu )
tW. Kinzig 2008, 211–213. (Zurück zu )
uMcCarthy 1978, S. 315. (Zurück zu )
vW. Kinzig 2008. (Zurück zu )
wSiehe z.B. Lemma „יהוה“, ThWAT, Sp. 543. (Zurück zu )
x„Von den bisher als Beleg für die Aussprache des Tetragramms mit ‚Jahwe‘ herangezogenen Texten hält keiner der näheren Überprüfung stand. Eine mögliche Aussprache scheint ‚Jahwe‘ gewesen zu sein. Daneben steht aber die Aussprache ‚Jaho‘ bzw. ‚Jao‘. Beide gehen offenbar auf die Graphie יהוה zurück. Die Graphie יהיה wurde ‚Jah-Jah‘ bzw. ‚Jeh-Jeh‘ ausgesprochen.“ (W.Kinzig 2008, 232) „Vermutlich wäre eine Aussprache ‚Jaho‘ der mit ‚Jahwe‘ vorzuziehen.“ (W.Kinzig 2008, 233) (Zurück zu )
yNeben יהוה findet man auch יהיה und יהוח (W.Kinzig 2008, 231–232). (Zurück zu )
zW.Kinzig 2008, 231 (Zurück zu )
aaW.Kinzig 2008, 225 (Zurück zu )
abDie Frage, ob die usprüngliche Aussprache des Namens zufälliig ähnliche Vokale wie das Wort „Adonai“ hatte, kann aus linguistischen Gründen verneint werden. (Siehe Lemma „יהוה II“, ThWAT, Sp. 534f; Lemma „Jehovah“, Jewish Excyclopedia von 1906; Lemma „Jahwe“, WibiLex, Abschnitt „Jehova“.) (Zurück zu )
acKKK 203 (Zurück zu )
adKKK 206 (Zurück zu )
aeebd. (Zurück zu )
afvgl. JHWH/Römisch-Katholische Kirche (Zurück zu )
agVon der Website der Alt-Katholiken: Inklusive Sprache im Gottesdienst (abgerufen am 28. Januar 2012). (Zurück zu )
ahSiehe 1906 Jewish Encyclopedia: Names of God (Abschnitt Ehyeh-Asher-Ehyeh) (Zurück zu )
aiAriela Pelaia: „Why Do Some Jews Spell ‘God’ G-d?“ (Zurück zu )
ajSiehe 1906 Jewish Encyclopedia: Names of God (Abschnitt Ehyeh-Asher-Ehyeh) (Zurück zu )
akD. E. S. Stein: God’s Name in a Gender-Sensitive Jewish Translation (Zurück zu )
alEvangelische Kirche im Rheinland: Den Rheinischen Synodalbeschluss zum Verhältnis von Juden und Christen weiterdenken – den Gottesdienst erneuern, Düsseldorf 2008
Klappert, Berthold: Die Trinitätslehre als Auslegung des NAMENS des Gottes Israels. Die Bedeutung des Alten Testaments und des Judentums für die Trinitätslehre, in: Evangelische Theologie 62 (2002), 54–57 (Zurück zu )
amEvangelische Kirche im Rheinland 2008, 21 (Zurück zu )
anB.Klappert 2008, 240 (Zurück zu )
aoFranz Rosenzweig: „Der Ewige“. Mendelssohn und der Gottesname, in: Verband der Vereine für Jüdische Geschichte und Literatur in Deutschland (Hrsg.): Gedenkbuch für Moses Mendelssohn, Berlin 1929, 96–114. Eine kommentierte Ausgabe findet man in: Nadine Schmahl: Das Tetragramm als Sprachfigur. Ein Kommentar zu Franz Rosenzweigs letztem Aufsatz, Tübingen 2009, S. 194–219 (Zurück zu )
apF. Rosenzweig 1929, 104 (Kommentierte Ausgabe: 207) (Zurück zu )
aqF.Rosenzweig 1929, 104–105 (Kommentierte Ausgabe: 208) (Zurück zu )