Richter 15: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Die Offene Bibel

Wechseln zu: Navigation, Suche
KKeine Bearbeitungszusammenfassung
KKeine Bearbeitungszusammenfassung
Zeile 29: Zeile 29:
{{S|1}} Nach [einigen] Tagen, in den Tagen der Weizenernte<ref>''In den Tagen der Weizenernte'', also im Mai/Juni und gerade, als der Weizen reif ist – das wird in Vv. 4f. wichtig werden. Wann sich die Geschehnisse aus Kap. 14 zugetragen haben, wissen wir nicht, es ist also unklar, wie viel Zeit nach Simsons zornigem Weggang verstrichen ist. Auch der Ausdruck ''nach [einigen] Tagen'' ist nicht sehr aussagekräftig, da gerade nicht „nach ''vielen'' Tagen“ wie z.B. in [[Josua 23#s1 |Jos 23,1]] gesagt wird.</ref> {geschah's: Es}  besuchte Simson seine Frau mit einem Ziegen-Böcklein. Er sagte: „Ich will (Lass mich) kommen zu meiner Frau in die (bei meiner Frau in der) Kammer!“<ref>''Ich will zu meiner Frau in die Kammer kommen (Ich will bei meiner Frau in der Kammer kommen)'' - Entweder geht also Simson davon aus, mit besagter Frau ordentlich verheiratet zu sein und sie mit seinem zornigen Weggang in Ri 14,19 nur „stehen gelassen“ zu haben. ''In die/der Kammer kommen'' heißt dann weiter entweder „Ich will sie besuchen [um mich mit ihr zu versöhnen]“, und das Ziegen-Böcklein ist in diesem Zusammenhang das antike Pendant einer Schachtel Pralinen (schön Boling 1975). Oder wie noch häufiger ist ''kommen'' ein Euphemismus für „Geschlechtsverkehr haben“; „Ich will bei meiner Frau in der Kammer kommen“ hieße also: „Ich habe Lust auf Sex mit meiner Frau“. Auch dann hätte die Ziege gewiss die selbe Funktion und ist nicht wie in [[Genesis 38#s17 |Gen 38,17]] der Preis, den man auch einer Prostitutierten zahlen würde. Beide Deutungen lassen aber das „''in die Kammer'' kommen“ unerklärt; noch besser deutet man daher wie Yadin 2002, S. 417 und Sicre 2018: Der Hochzeits-Ritus im Alten Israel wurde nach dem siebentägigen Fest damit abgeschlossen, dass der Bräutigam mit seiner Angetrauten in eine speziell hergerichtete Hochzeitskammer zog (aus der sich später die jüdische ''Chuppa'' entwickeln sollte). Davon ist hier die Rede: Simson hat sich beruhigt und will nun seine Hochzeitsfeier ordentlich mit diesem Ritus abschließen.<br />In jedem Fall darf man nicht davon ausgehen, dass die Frau tatsächlich noch in ihrem Vaterhaus „in ihrer Kammer“ wohnt (so Ehrlich 1910, S. 134); dass sie noch eine Kammer in ihrem Vaterhaus hätte, ist nur eine falsche Annahme Simsons.</ref> Aber ihr Vater (gab's=) erlaubte ihm nicht, zu kommen.
{{S|1}} Nach [einigen] Tagen, in den Tagen der Weizenernte<ref>''In den Tagen der Weizenernte'', also im Mai/Juni und gerade, als der Weizen reif ist – das wird in Vv. 4f. wichtig werden. Wann sich die Geschehnisse aus Kap. 14 zugetragen haben, wissen wir nicht, es ist also unklar, wie viel Zeit nach Simsons zornigem Weggang verstrichen ist. Auch der Ausdruck ''nach [einigen] Tagen'' ist nicht sehr aussagekräftig, da gerade nicht „nach ''vielen'' Tagen“ wie z.B. in [[Josua 23#s1 |Jos 23,1]] gesagt wird.</ref> {geschah's: Es}  besuchte Simson seine Frau mit einem Ziegen-Böcklein. Er sagte: „Ich will (Lass mich) kommen zu meiner Frau in die (bei meiner Frau in der) Kammer!“<ref>''Ich will zu meiner Frau in die Kammer kommen (Ich will bei meiner Frau in der Kammer kommen)'' - Entweder geht also Simson davon aus, mit besagter Frau ordentlich verheiratet zu sein und sie mit seinem zornigen Weggang in Ri 14,19 nur „stehen gelassen“ zu haben. ''In die/der Kammer kommen'' heißt dann weiter entweder „Ich will sie besuchen [um mich mit ihr zu versöhnen]“, und das Ziegen-Böcklein ist in diesem Zusammenhang das antike Pendant einer Schachtel Pralinen (schön Boling 1975). Oder wie noch häufiger ist ''kommen'' ein Euphemismus für „Geschlechtsverkehr haben“; „Ich will bei meiner Frau in der Kammer kommen“ hieße also: „Ich habe Lust auf Sex mit meiner Frau“. Auch dann hätte die Ziege gewiss die selbe Funktion und ist nicht wie in [[Genesis 38#s17 |Gen 38,17]] der Preis, den man auch einer Prostitutierten zahlen würde. Beide Deutungen lassen aber das „''in die Kammer'' kommen“ unerklärt; noch besser deutet man daher wie Yadin 2002, S. 417 und Sicre 2018: Der Hochzeits-Ritus im Alten Israel wurde nach dem siebentägigen Fest damit abgeschlossen, dass der Bräutigam mit seiner Angetrauten in eine speziell hergerichtete Hochzeitskammer zog (aus der sich später die jüdische ''Chuppa'' entwickeln sollte). Davon ist hier die Rede: Simson hat sich beruhigt und will nun seine Hochzeitsfeier ordentlich mit diesem Ritus abschließen.<br />In jedem Fall darf man nicht davon ausgehen, dass die Frau tatsächlich noch in ihrem Vaterhaus „in ihrer Kammer“ wohnt (so Ehrlich 1910, S. 134); dass sie noch eine Kammer in ihrem Vaterhaus hätte, ist nur eine falsche Annahme Simsons.</ref> Aber ihr Vater (gab's=) erlaubte ihm nicht, zu kommen.
{{S|2}} Ihr Vater sagte (dachte): „(Denkend habe ich gedacht=) Ich war gewiss: (Hassend hasst du sie=) Du hasst sie gewiss (Du hast dich gewiss von ihr scheiden lassen)!<ref>''Hassen'' ist in heb. Eheverträgen auch Terminus technicus für die Scheidung; vgl. Morrow 2017 zu Scheidungsurkunden aus Elephantine und s. in der Bibel [[Deuteronomium 24#s3 |Dtn 24,3]]. So deuten unsere Stelle auch Boling 1975 und Webb 2012 und auch Polzin 1980, S. 189; Kim 1993, S. 268; Galpaz-Feller 2006, S. 125. Groß 2009 wendet ein, dass das Wort in [[Richter 14#s16 |Ri 14,16]] nicht in diesem Sinn verwendet werde, aber das hat wenig Aussagekraft; es ist sehr gut möglich, dass diese Deutung richtig ist. Die meisten dt. Üss. übersetzen aber schlicht mit „hassen“; die Übersetzungsvarianten wollen wahrscheinlich nur dies „hassen“ schwächer machen und zeugen nicht von einer anderen Deutung: BB: „Ich war mir sicher, dass du sie satthast“; GN: „Ich dachte, du hättest genug von ihr“; MEN: „Ich mußte doch fest annehmen, daß du nichts mehr von ihr wissen wolltest“; NeÜ: „Ich dachte, du wolltest nichts mehr mit ihr zu tun haben.“; SLT: „Ich dachte, du hast sie gewiss verschmäht“. Am besten übersetzt man wie NeÜ; das lässt beide Optionen offen.</ref> Da gab ich sie deinem (Genossen=) Trauzeugen<ref>''Trauzeugen'' - zum Wort s. zu [[Richter 14#s20 |Ri 14,20]].</ref> [zur Frau]. Ist nicht ihre jüngere Schwester besser (schöner?)<ref>''besser (schöner?)'' - w. „besser“. Das heb. Wort kann genauer verschiedenstes meinen und wird in dt. Üss. daher meist konkretisiert zu „schöner“ (z.B GN, EÜ, LUT, SLT, ZÜR; so schon Josef Qara). Nach den Geschehnissen von Kap. 14 können wir uns aber z.B. auch vorstellen: „nicht so verräterisch wie die ältere Schwester und ''damit'' besser“ (so Malbim). Übersetze besser allgemein mit „besser“; ohnehin trägt ja „schöner“ ganz unnötig zusätzlichen Sexismus in die Üs. ein.</ref> als sie? Es sei doch sie statt jener dein[e Frau]!“<ref>Auffällig assonante Äußerung; jedes Wort nach ''Ist nicht'' endet auf ''-a'': ''`aḥot'''ah''' haqatan'''ah''' ṭob'''ah''' mimmen'''ah'''? tihy-n'''a`''' lek'''a''' taḥte'''ha!''''' Das ist um so auffälliger nach der doppelten Infinitivkonstruktion zu Beginn der Rede („Denkend dachte ich: Hassend hasst du sie!“). Die kritische Information dagegen – „Da gab ich sie deinem Genossen“ – besteht im Heb. aus nur zwei Worten und geht damit im restlichen Redeschwall des Vaters geradezu unter: ''wa`ettenennah lemere´eka''.</ref> {{par|Genesis|29|15|30}} {{par|1 Samuel|18|17|19}}
{{S|2}} Ihr Vater sagte (dachte): „(Denkend habe ich gedacht=) Ich war gewiss: (Hassend hasst du sie=) Du hasst sie gewiss (Du hast dich gewiss von ihr scheiden lassen)!<ref>''Hassen'' ist in heb. Eheverträgen auch Terminus technicus für die Scheidung; vgl. Morrow 2017 zu Scheidungsurkunden aus Elephantine und s. in der Bibel [[Deuteronomium 24#s3 |Dtn 24,3]]. So deuten unsere Stelle auch Boling 1975 und Webb 2012 und auch Polzin 1980, S. 189; Kim 1993, S. 268; Galpaz-Feller 2006, S. 125. Groß 2009 wendet ein, dass das Wort in [[Richter 14#s16 |Ri 14,16]] nicht in diesem Sinn verwendet werde, aber das hat wenig Aussagekraft; es ist sehr gut möglich, dass diese Deutung richtig ist. Die meisten dt. Üss. übersetzen aber schlicht mit „hassen“; die Übersetzungsvarianten wollen wahrscheinlich nur dies „hassen“ schwächer machen und zeugen nicht von einer anderen Deutung: BB: „Ich war mir sicher, dass du sie satthast“; GN: „Ich dachte, du hättest genug von ihr“; MEN: „Ich mußte doch fest annehmen, daß du nichts mehr von ihr wissen wolltest“; NeÜ: „Ich dachte, du wolltest nichts mehr mit ihr zu tun haben.“; SLT: „Ich dachte, du hast sie gewiss verschmäht“. Am besten übersetzt man wie NeÜ; das lässt beide Optionen offen.</ref> Da gab ich sie deinem (Genossen=) Trauzeugen<ref>''Trauzeugen'' - zum Wort s. zu [[Richter 14#s20 |Ri 14,20]].</ref> [zur Frau]. Ist nicht ihre jüngere Schwester besser (schöner?)<ref>''besser (schöner?)'' - w. „besser“. Das heb. Wort kann genauer verschiedenstes meinen und wird in dt. Üss. daher meist konkretisiert zu „schöner“ (z.B GN, EÜ, LUT, SLT, ZÜR; so schon Josef Qara). Nach den Geschehnissen von Kap. 14 können wir uns aber z.B. auch vorstellen: „nicht so verräterisch wie die ältere Schwester und ''damit'' besser“ (so Malbim). Übersetze besser allgemein mit „besser“; ohnehin trägt ja „schöner“ ganz unnötig zusätzlichen Sexismus in die Üs. ein.</ref> als sie? Es sei doch sie statt jener dein[e Frau]!“<ref>Auffällig assonante Äußerung; jedes Wort nach ''Ist nicht'' endet auf ''-a'': ''`aḥot'''ah''' haqatan'''ah''' ṭob'''ah''' mimmen'''ah'''? tihy-n'''a`''' lek'''a''' taḥte'''ha!''''' Das ist um so auffälliger nach der doppelten Infinitivkonstruktion zu Beginn der Rede („Denkend dachte ich: Hassend hasst du sie!“). Die kritische Information dagegen – „Da gab ich sie deinem Genossen“ – besteht im Heb. aus nur zwei Worten und geht damit im restlichen Redeschwall des Vaters geradezu unter: ''wa`ettenennah lemere´eka''.</ref> {{par|Genesis|29|15|30}} {{par|1 Samuel|18|17|19}}
{{S|3}} Da sagte Simson zu ihm:<ref name="V. 3">'''Textkritik''': ''ihm'' und ''euch'' nicht nach MT übersetzt, sondern nach LXX u.a. S. näher auf der [https://offene-bibel.de/mediawiki/index.php?title=Kommentar:Richter_15 Kommentarseite]. Im MT steht statt dem ersten Wort „ihnen“, was man übrigens, wenn man es für ursprünglich hält, besser i.S.v. „''über'' sie“ fasst (richtig Ehrlich 1910, S. 134).</ref> „Nun (dieses Mal)<ref>Prima vista ''dieses Mal'' im Gegensatz zu [[Richter 14#s19 |Ri 14,19]]. Wenn dieser Vers aber wirklich erst später hinzugefügt wurde (s. dort), ist hier besser nicht zu deuten „dieses Mal im Gegensatz zu einem anderen Mal“, sondern „in diesem Fall; wenn/da das so ist“ (vgl. ähnlich [[Genesis 46#s30 |Gen 46,30]]; [[Deuteronomium 10#s17 |Dtn 10,17]] und [[Jeremia 16#s21 |Jer 16,21]] nach V. 20). Vgl. SLT: „Nun bin ich unschuldig, wenn...!“</ref> (bin ich unschuldig vor den Philistern=) können mir die Philister nichts vorwerfen,<ref>Wortspiel mit V. 7: Hier ''niqqeti m-'' („ich bin unschuldig im Urteil von“), dort ''niqqamti'' („ich habe mich gerächt“). Beide Ausdrücke betonen, dass Simsons Reaktion nur angemessen ist.<br />Vielleicht wird wegen diesem Wortspiel die Präp. ''m-'' verwendet. Diese nämlich macht den Ausdruck schwierig. Nicht: „Ich bin unschuldig den Philistern gegenüber“ (so die meisten). ''naqah'' mit der Präp. ''m-'' heißt sonst stets entweder „von [einer Schuld] gegenüber X freigesprochen werden“ oder „von [einem Versprechen] gegenüber X entbunden werden“. Beides macht hier keinen Sinn, wenn man nicht mit Burney 1920 deuten möchte: „Ich bin frei gegenüber den Philistern“, d.h. „werde nach meiner Blutrache meine Schuldigkeit getan haben“. Möglich bleibt als dritte Option daher „ich bin unschuldiger ''als'' die Philister“ (BigS) oder am besten „ich bin unschuldig ''nach dem Urteil'' der Philister“, sc.: „Die Philister können mir nichts vorwerfen, wenn...“ (vgl. Studer 1842 und Wong 2021, der aber lieber V. 3 an V. 7 angleichen will. So schon Ehrlich 1910, S. 134; beide übersehen aber, dass ''niqamti'' in V. 7 mit ''b-'' statt mit ''m-'' steht).</ref> wenn ich euch<ref name="V. 3" /> Schlimmes<ref>Wortspiel: ''Schlimmes'' ist im Heb. ''ra´ah'', „Trauzeuge“ in V. 2 sehr ähnlich ''merea´''. Simsons handeln ''passt'' auf das der Philister, wie dies ja auch im ganzen Satz zum Ausdruck kommt.</ref> antue!“
{{S|3}} Da sagte Simson zu ihm:<ref name="V. 3">'''Textkritik''': ''ihm'' und ''euch'' nicht nach MT übersetzt, sondern nach LXX u.a. S. näher auf der [https://offene-bibel.de/mediawiki/index.php?title=Kommentar:Richter_15 Kommentarseite]. Im MT steht statt dem ersten Wort „ihnen“, was man übrigens, wenn man es für ursprünglich hält, besser i.S.v. „''über'' sie“ fasst (richtig Ehrlich 1910, S. 134).</ref> „Nun (dieses Mal)<ref>Prima vista ''dieses Mal'' im Gegensatz zu [[Richter 14#s19 |Ri 14,19]]. Wenn dieser Vers aber wirklich erst später hinzugefügt wurde (s. dort), ist hier besser nicht zu deuten „dieses Mal im Gegensatz zu einem anderen Mal“, sondern „in diesem Fall; wenn/da das so ist“ (vgl. ähnlich [[Genesis 46#s30 |Gen 46,30]]; [[Deuteronomium 10#s17 |Dtn 10,17]] und [[Jeremia 16#s21 |Jer 16,21]] nach V. 20). Vgl. SLT: „Nun bin ich unschuldig, wenn...!“; ähnlich Allioli nach VUL: „Von nun an bin ich schuldlos...“</ref> (bin ich unschuldig vor den Philistern=) können mir die Philister nichts vorwerfen,<ref>Wortspiel mit V. 7: Hier ''niqqeti m-'' („ich bin unschuldig im Urteil von“), dort ''niqqamti'' („ich habe mich gerächt“). Beide Ausdrücke betonen, dass Simsons Reaktion nur angemessen ist.<br />Vielleicht wird wegen diesem Wortspiel die Präp. ''m-'' verwendet. Diese nämlich macht den Ausdruck schwierig. Nicht: „Ich bin unschuldig den Philistern gegenüber“ (so die meisten). ''naqah'' mit der Präp. ''m-'' heißt sonst stets entweder „von [einer Schuld] gegenüber X freigesprochen werden“ oder „von [einem Versprechen] gegenüber X entbunden werden“. Beides macht hier keinen Sinn, wenn man nicht mit Burney 1920 deuten möchte: „Ich bin frei gegenüber den Philistern“, d.h. „werde nach meiner Blutrache meine Schuldigkeit getan haben“. Möglich bleibt als dritte Option daher „ich bin unschuldiger ''als'' die Philister“ (BigS) oder am besten „ich bin unschuldig ''nach dem Urteil'' der Philister“, sc.: „Die Philister können mir nichts vorwerfen, wenn...“ (vgl. Studer 1842 und Wong 2021, der aber lieber V. 3 an V. 7 angleichen will. So schon Ehrlich 1910, S. 134; beide übersehen aber, dass ''niqamti'' in V. 7 mit ''b-'' statt mit ''m-'' steht).</ref> wenn ich euch<ref name="V. 3" /> Schlimmes<ref>Wortspiel: ''Schlimmes'' ist im Heb. ''ra´ah'', „Trauzeuge“ in V. 2 sehr ähnlich ''merea´''. Simsons handeln ''passt'' auf das der Philister, wie dies ja auch im ganzen Satz zum Ausdruck kommt.</ref> antue!“
{{S|4}} Und Simson zog los und fing<ref>Wortspiel: ''er zog los ... er fing'' ist im Heb. ''wajjelek wajjilkod''.</ref> 300 Füchse (Schakale).<ref>Das heb. Wort ''šu´al'' kann wahrscheinlich beide Tiere bezeichnen; vgl. v.a. [[Psalm 63#s11 |Ps 63,11]] (Füchse sind keine Aasfresser, Schakale schon, vgl. ThWAT VII, S. 1194). V.a. ältere Ausleger:innen haben das Wort auch hier als „Schakal“ erklärt, weil Schakale angeblich zutraulicher seien als Füchse und weil Schakale (in der Tat) Herdentiere, Füchse dagegen Einzelgänger sind – beide Faktoren sollen es „realistischer“ machen, dass Simson hier in kurzer Zeit gleich 300 davon fängt. Dass auch heute noch z.B. Boling 1975; Groß 2009 und Sicre 2018 dieser Deutung folgen, ist recht eigentlich nur eine Nachwirkung dieser „realistischen“ Epoche der Bibelerklärung. Richtig dagegen erstens z.B. Studer 1842; Moore 1906; Burney 1920: Es ist ja offensichtlich, dass hier gerade eine ''fantastische'' Leistung Simsons geschildert werden soll, und auch mit Schakalen wäre sie nicht realistischer als mit Füchsen. Zweitens sprechen einige Parallelen aus der gr. Literatur stark für Füchse statt Schakale. Z.B. schon die, dass der Fuchs anders als der Schakal im Gr. auch den Kosenamen „Feuerschweif“ hat. Bes. aber die beiden folgenden nah verwandten Erzählungen: Ovid berichtet in Fasti IV 679-712 von einem Jüngling, der einen Fuchs fängt, ihn dafür bestrafen will, ihre Hühner gerissen zu haben, ihn daher mit Stroh umwickelt und dies anzündet, woraufhin aber der Fuchs ihm entwischt und ihre Getreidefelder in Brand steckt. Sogar noch näher ist die 11. Fabel von Babrios (1./2. Jhd. n. Chr.): „''Dem Fuchs, dem Feind der Weinstöcke und der Gärten, wollte einer eine neuartige Misshandlung antun, zündete seinen Schwanz an, band noch Werg daran und ließ ihn davonlaufen. Dem aber wies eine darüber wachende Gottheit den Weg zu den Feldern dessen, der ihn vorwärts trieb mit der Last des Feuers.''“ (Üs.: Holzberg). Offenbar bedient sich der Autor der Simson-Erzählungen hier also an einem geläufigen griechischen Motiv und spricht dann wirklich von Füchsen, nicht Schakalen.</ref> Dann nahm er Fackeln, wandte Schwanz zu Schwanz, setzte eine Fackel zwischen [je] zwei Schwänze in die Mitte,  
{{S|4}} Und Simson zog los und fing<ref>Wortspiel: ''er zog los ... er fing'' ist im Heb. ''wajjelek wajjilkod''.</ref> 300 Füchse (Schakale).<ref>Das heb. Wort ''šu´al'' kann wahrscheinlich beide Tiere bezeichnen; vgl. v.a. [[Psalm 63#s11 |Ps 63,11]] (Füchse sind keine Aasfresser, Schakale schon, vgl. ThWAT VII, S. 1194). V.a. ältere Ausleger:innen haben das Wort auch hier als „Schakal“ erklärt, weil Schakale angeblich zutraulicher seien als Füchse und weil Schakale (in der Tat) Herdentiere, Füchse dagegen Einzelgänger sind – beide Faktoren sollen es „realistischer“ machen, dass Simson hier in kurzer Zeit gleich 300 davon fängt. Dass auch heute noch z.B. Boling 1975; Groß 2009 und Sicre 2018 dieser Deutung folgen, ist recht eigentlich nur eine Nachwirkung dieser „realistischen“ Epoche der Bibelerklärung. Richtig dagegen erstens z.B. Studer 1842; Moore 1906; Burney 1920: Es ist ja offensichtlich, dass hier gerade eine ''fantastische'' Leistung Simsons geschildert werden soll, und auch mit Schakalen wäre sie nicht realistischer als mit Füchsen. Zweitens sprechen einige Parallelen aus der gr. Literatur stark für Füchse statt Schakale. Z.B. schon die, dass der Fuchs anders als der Schakal im Gr. auch den Kosenamen „Feuerschweif“ hat. Bes. aber die beiden folgenden nah verwandten Erzählungen: Ovid berichtet in Fasti IV 679-712 von einem Jüngling, der einen Fuchs fängt, ihn dafür bestrafen will, ihre Hühner gerissen zu haben, ihn daher mit Stroh umwickelt und dies anzündet, woraufhin aber der Fuchs ihm entwischt und ihre Getreidefelder in Brand steckt. Sogar noch näher ist die 11. Fabel von Babrios (1./2. Jhd. n. Chr.): „''Dem Fuchs, dem Feind der Weinstöcke und der Gärten, wollte einer eine neuartige Misshandlung antun, zündete seinen Schwanz an, band noch Werg daran und ließ ihn davonlaufen. Dem aber wies eine darüber wachende Gottheit den Weg zu den Feldern dessen, der ihn vorwärts trieb mit der Last des Feuers.''“ (Üs.: Holzberg). Offenbar bedient sich der Autor der Simson-Erzählungen hier also an einem geläufigen griechischen Motiv und spricht dann wirklich von Füchsen, nicht Schakalen.</ref> Dann nahm er Fackeln, wandte Schwanz zu Schwanz, setzte eine Fackel zwischen [je] zwei Schwänze in die Mitte,  
{{S|5}} entzündete Feuer an den Fackeln, sandte [sie] in die Feldfrüchte<ref name="Feld">''in die Feldfrüchte'' + ''bis zur Feldfrucht'' - eigentlich: „Zwischen das stehende Getreide“ im Pl. und „bis zum stehenden Getreide“ im Sg.; im Heb. unterscheidet man zw. ''qamah'' „Gesamt stehenden Getreides“ auf einem ganzen Feld (so hier) und ''qanah'' „einzelner Getreidehalm“ (vgl. Vogelstein 1894, S. 51). Sonst wird ''qamah'' stets im Sg. verwendet, nur hier im Pl.; wohl, um zu betonen, dass die Feldfrüchte gleich mehrerer Felder verbrannt werden.</ref> der Philister und verbrannte vom Garbenhaufen bis zur Feldfrucht<ref name="Feld" /> und bis zum Weingarten vom Olivenbaum (?).<ref>''vom Garbenhaufen bis zur Ähre und bis zum Weingarten vom Olivenbaum'' - Offenbar chiastisch formuliert, um zu unterstreichen, wie vollumfänglich die Feldfrüchte der Philister verbrannt werden: ''(a) vom Garbenhaufen (b) bis zum Feld (b') und bis zum Garten (a') vom Olivenbaum'', also sowohl das geerntete als auch das noch stehende Getreide, die Weinreben in den Weingärten und die Olivenbäumen ebendort. Die Üs. „Olivengärten“ statt „bis zum Garten vom Olivenbaum“ z.B. in BigS, GN, HfA, SLT orientiert sich stattdessen einer antiken jüdischen Auslegung. S. näher auf der [https://offene-bibel.de/mediawiki/index.php?title=Kommentar:Richter_15 Kommentarseite].<br />Ähnlich soll wohl die rasche Satzfolge und das Durcheinander in Vv. 4f. die Mühe Simsons unterstreichen, die dann diese außerordentlichen Folgen zeitigen wird – ganz auffällig wird in diesen Vv. nämlich wieder und wieder (a) vom Fuchs(schwanz) (b) zur Feuer(fackel) und zurück gewechselt: ''Simson zog los und fing '''(a)''' 300 Füchse. Dann nahm er '''(b)''' Fackeln, wandte '''(a)''' Schwanz zu Schwanz, setzte '''(b)''' eine Fackel '''(a)''' zwischen [je] zwei Schwänze in die Mitte, entzündete '''(b)''' Feuer an den Fackeln, sandte '''(a)''' [sie] [!] in die Feldfrüchte der Philister '''(b)''' und verbrannte vom Garbenhaufen bis zur Feldfrucht und bis zum Weingarten vom Olivenbaum.''</ref>
{{S|5}} entzündete Feuer an den Fackeln, sandte [sie] in die Feldfrüchte<ref name="Feld">''in die Feldfrüchte'' + ''bis zur Feldfrucht'' - eigentlich: „Zwischen das stehende Getreide“ im Pl. und „bis zum stehenden Getreide“ im Sg.; im Heb. unterscheidet man zw. ''qamah'' „Gesamt stehenden Getreides“ auf einem ganzen Feld (so hier) und ''qanah'' „einzelner Getreidehalm“ (vgl. Vogelstein 1894, S. 51). Sonst wird ''qamah'' stets im Sg. verwendet, nur hier im Pl.; wohl, um zu betonen, dass die Feldfrüchte gleich mehrerer Felder verbrannt werden.</ref> der Philister und verbrannte vom Garbenhaufen bis zur Feldfrucht<ref name="Feld" /> und bis zum Weingarten vom Olivenbaum (?).<ref>''vom Garbenhaufen bis zur Ähre und bis zum Weingarten vom Olivenbaum'' - Offenbar chiastisch formuliert, um zu unterstreichen, wie vollumfänglich die Feldfrüchte der Philister verbrannt werden: ''(a) vom Garbenhaufen (b) bis zum Feld (b') und bis zum Garten (a') vom Olivenbaum'', also sowohl das geerntete als auch das noch stehende Getreide, die Weinreben in den Weingärten und die Olivenbäumen ebendort. Die Üs. „Olivengärten“ statt „bis zum Garten vom Olivenbaum“ z.B. in BigS, GN, HfA, SLT orientiert sich stattdessen einer antiken jüdischen Auslegung. S. näher auf der [https://offene-bibel.de/mediawiki/index.php?title=Kommentar:Richter_15 Kommentarseite].<br />Ähnlich soll wohl die rasche Satzfolge und das Durcheinander in Vv. 4f. die Mühe Simsons unterstreichen, die dann diese außerordentlichen Folgen zeitigen wird – ganz auffällig wird in diesen Vv. nämlich wieder und wieder (a) vom Fuchs(schwanz) (b) zur Feuer(fackel) und zurück gewechselt: ''Simson zog los und fing '''(a)''' 300 Füchse. Dann nahm er '''(b)''' Fackeln, wandte '''(a)''' Schwanz zu Schwanz, setzte '''(b)''' eine Fackel '''(a)''' zwischen [je] zwei Schwänze in die Mitte, entzündete '''(b)''' Feuer an den Fackeln, sandte '''(a)''' [sie] [!] in die Feldfrüchte der Philister '''(b)''' und verbrannte vom Garbenhaufen bis zur Feldfrucht und bis zum Weingarten vom Olivenbaum.''</ref>

Version vom 30. Dezember 2022, 23:36 Uhr

Syntax ungeprüft

SF zuverlässig.png
Status: Zuverlässige Studienfassung – Die Übersetzung ist vollständig, erfüllt die Übersetzungskriterien und wurde mit einigen Standards der Qualitätssicherung abgesichert. Verbesserungen sind noch zu erwarten.
Kann-erstellt-werden.png
Status: Lesefassung kann erstellt werden – Wer möchte, ist zum Einstellen einer ersten Übertragung in die Lesefassung eingeladen, die später als Grundlage für Verbesserungen dient (Weitere Bibelstellen zum Übertragen). Auf der Diskussionsseite ist Platz für Rückfragen und konstruktive Anmerkungen.

Studienfassung (Richter 15)

1 Nach [einigen] Tagen, in den Tagen der Weizenerntea {geschah's: Es} besuchte Simson seine Frau mit einem Ziegen-Böcklein. Er sagte: „Ich will (Lass mich) kommen zu meiner Frau in die (bei meiner Frau in der) Kammer!“b Aber ihr Vater (gab's=) erlaubte ihm nicht, zu kommen. 2 Ihr Vater sagte (dachte): „(Denkend habe ich gedacht=) Ich war gewiss: (Hassend hasst du sie=) Du hasst sie gewiss (Du hast dich gewiss von ihr scheiden lassen)!c Da gab ich sie deinem (Genossen=) Trauzeugend [zur Frau]. Ist nicht ihre jüngere Schwester besser (schöner?)e als sie? Es sei doch sie statt jener dein[e Frau]!“f 3 Da sagte Simson zu ihm:g „Nun (dieses Mal)h (bin ich unschuldig vor den Philistern=) können mir die Philister nichts vorwerfen,i wenn ich euchg Schlimmesj antue!“ 4 Und Simson zog los und fingk 300 Füchse (Schakale).l Dann nahm er Fackeln, wandte Schwanz zu Schwanz, setzte eine Fackel zwischen [je] zwei Schwänze in die Mitte, 5 entzündete Feuer an den Fackeln, sandte [sie] in die Feldfrüchtem der Philister und verbrannte vom Garbenhaufen bis zur Feldfruchtm und bis zum Weingarten vom Olivenbaum (?).n


6 Da fragten (sagten) die Philister: „Wer hat das getan?“o
(Sie sagten=) Man antwortete: „Simson, der Schwiegersohn des Timnäers, weil [dieser] seine Frau genommen und seinem (Genossen=) Trauzeugen gegeben hat.“
Da zogen die Philister hinauf und verbrannten sie und ihren Vater mit {dem} Feuer.


7 Da sagte Samson zu ihnen: „Wenn ihr solches tun dürftet...! Erst, wenn ich mich an euch gerächt haben werde,p {und} werde ich danach aufhören!“q 8 Also schlug er sie, (an) Schienbein über (auf, samt) Hüfte,r [mit] (großem=) hartem Schlag. Dann zog er hinab und blieb (wohnte) in der (einer) Fels-Spalte von Etam.s


9 Da zogen die Philister hinauf, schlugen in Juda ein Lager auf und verteiltent sich in Lehi (=Kinnbacke).u 10 Da (sagten=) fragten die Männer von Juda: „Warum seid ihr gegen uns hinaufgezogen?“
Sie (sagten=) antworteten: „Um Simson zu binden, sind wir hinaufgezogen; um ihm zu tun, wie er uns getan hat!“ 11 Da zogen 3000 Mann aus Juda in die Fels-Spalte von Etam hinab. Sie sagten zu Simson: „Weißt du [denn] nicht, dass die Philister über uns herrschen? Was hast du uns [da an]getan!?“
Er (sagte=) antwortete ihnen: „Wie sie getan haben, so habe ich ihnen getan.“ 12 Sie sagten ihm: „Um dich zu binden, sind wir hinabgestiegen, um dich in die Handv der Philister zu übergeben.“
Simson (sagte=) antwortete ihnen: „Schwört mir, dass ihr mich nicht töten und ihnen [so] übergeben werdet, auch,w wenn ihr mich schlagen werdet!“x 13 Sie (sagten=) antworteten ihm wie folgt: „Nein! {sondern} (Bindend binden=) Nur binden werden wir dich – und in ihre Hand übergeben –, aber dich (tötend töten=) töten, das wollen wir nicht!“
Da banden sie ihn mit zwei neueny Seilen und brachten ihn hinauf aus dem Felsen.


14 Er erreichte Lehi, die Philister aber kamen ihm schreiendz entgegen.aa
Da drang der Geist JHWHs in ihn ein,ab und die Seile, die an seinen Armen [waren], wurden wie Flachs, das im Feuer verbrennt, und die Bande schmolzen von seinen Händen. 15 Er fand einen frischen Kieferknochen eines Esels,ac streckte seine Hand aus, nahm [ihn] und schlug mit ihm 1000 Mann. 16 Dann sagte Simson:

„Mit dem Kieferknochen eines Esels
[schlug ich] Haufen, Doppel-Haufen,ad
Mit dem Kieferknochen eines Esels
Schlug ich 1000 Mann!“

17 (Und es geschah=) Als er geendet hatte zu reden, warf er den Kieferknochen aus seiner Hand. [Daher] nannte er (man) diesen Ort „Ramat Lehi“ (=Kieferknochen-Anhöhe).ae


18 Er hatte (sehr=) großen Durstaf und rief JHWH zu {und sagte}: „Du (gabst=) [warst's doch, der] gegeben hat in die Hand deines Knechts diese große Rettung!ag Und jetzt sollte ich vor Durst sterben und in die Hand der Unbeschnittenen fallen!?“
19 Da spaltete Gott den Felsen (?)ah der in Lehi (im Kieferknochen) [war]. Wasser kam daraus hervor, [jener] trank, seine Lebenskraft kehrte zurück und er lebte (lebte [wieder] auf). Darum nannte er (nennt man) seinen (=des Wassers) Namen „En Haqqore“ (=Quelle des Rufers)(, die in Lehi [ist] bis zu( diesem=)m heutigen Tag=). Bis zum heutigen Tag gibt es sie in Lehi.

20 Und er war Richter Israels in den Tagen der Philister 20 Jahre [lang].

Anmerkungen

Die rechtlichen Verwicklungen nach Kap. 14 deutet man am besten so: Am Ende des Hochzeitsfests, aber noch vor Vollzug seiner Ehe, ist Simson wütend nach Hause abgereist. Diese Ehe will er daher in V. 1 nun doch endgültig schließen, indem er mit seiner Verlobten den Ritus des Brautgemachs vollzieht. Sein Schwiegervater in spe jedoch teilt ihm V. 2 mit, dass er nun leider seine Verlobte mit einem anderen verheiratet hat, da er davon ausgehen musste, dass Simson kein Interesse mehr an einer Ehe mit ihr hat. Fatalerweise hat er sie dabei mit dem einzigen verheiratet, mit dem er sich rechtlich durchaus nicht verheiraten hätte dürfen (s. zu Kap. 14); erbost ist sich Simson daher in V. 3 sicher, nun selbst in den Augen der Philister im Recht zu sein, wenn er diesem Volk die Schandtat des Schwiegervaters heimzahlt. Aus V. 6 lässt sich herauslesen, dass es sich auch wirklich so verhält: Hier noch gehen die Philister nicht gegen Simson vor, um ihm seine Übeltat zu heimzuzahlen, sondern gegen seinen Schwiegervater, um dessen Verbrechen zu bestrafen.
Michaelis 1774, S. 134 wendet gegen diese Logik ein:

nun habe ich recht usf. - In der That hatter er es wol nicht. Daß Ein Philister ihn beleidiget hatte, gab ihm kein Recht, das ganze Volk anzugreifen, wenn ihm dis nicht Gerechtigkeit versagte, und V. 6. werden wir sehen, daß sie dis gewiß nicht gethan haben würden.

Aber es ist dies ein üblicher Zug rechtlichen und moralischen Denkens im Alten Testament: Übeltaten sind nicht nur Übeltaten nur einer Person. Sie sind vielmehr „ansteckend“, es ist daher rechtens, wenn etwa Gott eine Sünde „bis in die dritte und vierte Generation“ bestraft (Ex 34,6), wenn Gott droht, ob der Sünde Jonas eine ganze Schiffsbesatzung zu versenken (Jon 1) oder wenn nach der Sünde Achans in Jos 7,1 angeblich „ganz Israel gesündigt hat“ (Jos 7,10f.), deshalb unterzugehen droht und daher insgesamt Buße tun muss. Was hier geschieht, entspricht ganz dieser Logik: Nur der Schwiegervater Simsons hat verbrecherisch gehandelt. Simson wie auch die Philister gehen aber davon aus, dass dafür rechtens das ganze Philistervolk zu bestrafen ist, und wie dann in Jon 1 Jona von der Schiffsbesatzung ins Meer geworfen und in Jos 7 Achan vom eigenen Volk getötet werden muss, um „die Sünde aus ihrer Mitte auszurotten“, so rotten hier dann die Philister mit der Verbrennung der Schuldigen die Sünde aus ihrer Mitte aus. Dies wiederum ist dann Vf. 7-8 Anlass für Simson, (wieder: rechtens) Blutrache zu nehmen („Wenn ihr dies tut...“).

Die Fuchs-Aktion in Vv. 4f. soll wahrscheinlich einmal mehr die Cleverness Simsons betonen: V. 5 spielt deutlich auf Ex 22,5 an, wo geregelt wird, dass der Verursacher von Feldbränden mit seiner Brandstiftung strafpflichtig wird. Dieses Gesetz wird dadurch umgangen, dass Simson die Füchse zu Brandstiftern macht. Die brandstiftenden Füchse sind ein verbreitetes Motiv in der gr. Literatur; s. zum Wort „Füchse“. Neu ist, dass die Füchse „an den Schwänzen zusammengebunden“ werden; ohne Zweifel soll das die Effizienz der Füchse noch steigern, die dann in ihrer Panik die Fackeln hin und her zerren. Dabei reicht in der gr. Literatur schon ein Fuchs, um ganze Felder zu entflammen; die Steigerung zu 300 Füchsen und das Verbinden der Schwänze wird also wirklich riesige Mengen an Getreide vernichtet haben, was dann ja auch durch die Formulierung des Endes von V. 5 unterstrichen wird.

Bis hierhin hat sich die Spirale der Gewalt noch ordentlich und rechtlich einwandfrei nach oben geschraubt. Nach V. 8 steht im MT ein sog. Setumah, ein großer Einschnitt, der u.a. signalisiert, dass nun ein neuer Handlungsbogen beginnt. Und in der Tat: An sich sind nun Schuld und Gegenschuld abgeglichen, und was nun folgt, hat eine ganz neue Qualität: Nun fällt in V. 9 das ganze Philistervolk in Juda ein und presst das ganze Judäervolk, um Simsons habhaft zu werden. Woraufhin in V. 11 das ganze Judäervolk gegen Simson ins Feld marschiert: Nun herrscht Krieg! Wer daran letztlich Schuld hat, ist gar nicht klar: Simsons Braut, weil sie Simson durch ihren Verrat vergrault hat? Simson, weil er vor Vollzug seiner Ehe abgereist ist? Sein Schwiegervater, weil er Simsons Verlobte ausgerechnet mit seinem Trauzeugen verheiratet hat? Oder die Philister, weil sie mit ihrem Kriegszug in V. 9 endgültig zu weit gegangen sind? Im Recht fühlen sich jedenfalls sowohl Simson als auch die Philister; stark kommentiert Groß 2009, S. 706f.:

Auf raffinierte Weise lässt der Erzähler Worte der Philister im Mund Simsons und der Judäer wiederkehren. Die Judäer reden 12c [„Um dich zu binden, sind wir herabgekommen“] wie die Philister 10d [„Um Simson zu binden, sind wir hinaufgekommen“]; sie sind deren williges Instrument. Simson seinerseits spricht, wenn auch in gegenläufigem Sinn, 11g-h [„Wie sie mir getan haben, so habe ich ihnen getan!“] wie die Philister in 10d-e [„um ihm zu tun, wie er uns getan hat!“]: Der Konflikt hat schon so viele Phasen durchlaufen, dass beide Seiten in Vergeltung und Gegenvergeltung sich im Recht wähnen und keine der beiden mehr weiß, wer eigentlich begonnen hat.

Dass es gerade die Judäer sind, die sich in Vv. 11-13 zum Instrument der Philister machen lassen, muss man durchaus betonen: Am Anfang des Richterbuches waren sie noch die Lichtgestalten. Nun ist es mit ganz Israel sogar so weit gekommen, dass selbst sie nicht nur die Herrschaft der Philister rundweg als gegeben anerkennen, sondern sogar Gottes erwählten Richter an sie ausliefern wollen.
Gott aber macht ihnen einen Strich durch die Rechnung: Wie im Löwenabschnitt in Ri 14, auf den V. 14 in seiner Formulierung auch deutlich anspielt, wird Simson wieder vom Geist Gottes erfüllt. Man muss sich wohl hinzudenken, dass Simson daraufhin von übermenschlicher Kraft erfüllt wird und so seine Fesseln zerreißen kann; jedenfalls fasern sie ihm in der Folge ebenso von den Armen wie später noch einmal in Ri 16,9. Offensichtlich auf die Kraft des Gottesgeistes zurückzuführen ist dann aber in V. 15 die nächste Heldentat Simsons: Nur mit dem Kieferknochen eines Esels bewaffnet erschlägt er ganze 1000 Mann. Er steht damit in guter Tradition; v.a. im Richter- und den Samuelbüchern vollbringen Richter und Recken immer wieder ähnliche Heldentaten mit ungewöhnlichen oder ärmlichen Waffen: Ehud mit einem selbst gemachten Dolch (Ri 3,15-22), Schamgar mit einem Ochsenziemer (Ri 3,31), Jael mit Hammer und Zeltpflock (Ri 4,21), Gideon mit Widderhörnern (Ri 7,22), David mit einer Steinschleuder (1 Sam 17,49), Jischbaal mit einer Streitaxt (2 Sam 23,8), Abischai mit einem Speer (2 Sam 23,18) und Benaja mit einem Stecken (2 Sam 23,21).

Nach dem Prahllied in V. 16 endet das Kapitel in Vv. 18-20 mit einer Legende, die einen weiteren Ort in der Umgebung mit dem Leben Simsons in Verbindung bringen soll, wie das direkt zuvor auch schon V. 17 getan hat: Der Ort heißt „Lehi“, weil Simson dort mit einem leḥi („Kieferknochen“) gekämpft hat, und die Quelle an diesem Ort heißt „En Haqqore“ („Quelle des Rufers“), weil Simson dort um diese Quelle Gott angerufen hat.

aIn den Tagen der Weizenernte, also im Mai/Juni und gerade, als der Weizen reif ist – das wird in Vv. 4f. wichtig werden. Wann sich die Geschehnisse aus Kap. 14 zugetragen haben, wissen wir nicht, es ist also unklar, wie viel Zeit nach Simsons zornigem Weggang verstrichen ist. Auch der Ausdruck nach [einigen] Tagen ist nicht sehr aussagekräftig, da gerade nicht „nach vielen Tagen“ wie z.B. in Jos 23,1 gesagt wird. (Zurück zu v.1)
bIch will zu meiner Frau in die Kammer kommen (Ich will bei meiner Frau in der Kammer kommen) - Entweder geht also Simson davon aus, mit besagter Frau ordentlich verheiratet zu sein und sie mit seinem zornigen Weggang in Ri 14,19 nur „stehen gelassen“ zu haben. In die/der Kammer kommen heißt dann weiter entweder „Ich will sie besuchen [um mich mit ihr zu versöhnen]“, und das Ziegen-Böcklein ist in diesem Zusammenhang das antike Pendant einer Schachtel Pralinen (schön Boling 1975). Oder wie noch häufiger ist kommen ein Euphemismus für „Geschlechtsverkehr haben“; „Ich will bei meiner Frau in der Kammer kommen“ hieße also: „Ich habe Lust auf Sex mit meiner Frau“. Auch dann hätte die Ziege gewiss die selbe Funktion und ist nicht wie in Gen 38,17 der Preis, den man auch einer Prostitutierten zahlen würde. Beide Deutungen lassen aber das „in die Kammer kommen“ unerklärt; noch besser deutet man daher wie Yadin 2002, S. 417 und Sicre 2018: Der Hochzeits-Ritus im Alten Israel wurde nach dem siebentägigen Fest damit abgeschlossen, dass der Bräutigam mit seiner Angetrauten in eine speziell hergerichtete Hochzeitskammer zog (aus der sich später die jüdische Chuppa entwickeln sollte). Davon ist hier die Rede: Simson hat sich beruhigt und will nun seine Hochzeitsfeier ordentlich mit diesem Ritus abschließen.
In jedem Fall darf man nicht davon ausgehen, dass die Frau tatsächlich noch in ihrem Vaterhaus „in ihrer Kammer“ wohnt (so Ehrlich 1910, S. 134); dass sie noch eine Kammer in ihrem Vaterhaus hätte, ist nur eine falsche Annahme Simsons. (Zurück zu v.1)
cHassen ist in heb. Eheverträgen auch Terminus technicus für die Scheidung; vgl. Morrow 2017 zu Scheidungsurkunden aus Elephantine und s. in der Bibel Dtn 24,3. So deuten unsere Stelle auch Boling 1975 und Webb 2012 und auch Polzin 1980, S. 189; Kim 1993, S. 268; Galpaz-Feller 2006, S. 125. Groß 2009 wendet ein, dass das Wort in Ri 14,16 nicht in diesem Sinn verwendet werde, aber das hat wenig Aussagekraft; es ist sehr gut möglich, dass diese Deutung richtig ist. Die meisten dt. Üss. übersetzen aber schlicht mit „hassen“; die Übersetzungsvarianten wollen wahrscheinlich nur dies „hassen“ schwächer machen und zeugen nicht von einer anderen Deutung: BB: „Ich war mir sicher, dass du sie satthast“; GN: „Ich dachte, du hättest genug von ihr“; MEN: „Ich mußte doch fest annehmen, daß du nichts mehr von ihr wissen wolltest“; NeÜ: „Ich dachte, du wolltest nichts mehr mit ihr zu tun haben.“; SLT: „Ich dachte, du hast sie gewiss verschmäht“. Am besten übersetzt man wie NeÜ; das lässt beide Optionen offen. (Zurück zu v.2)
dTrauzeugen - zum Wort s. zu Ri 14,20. (Zurück zu v.2)
ebesser (schöner?) - w. „besser“. Das heb. Wort kann genauer verschiedenstes meinen und wird in dt. Üss. daher meist konkretisiert zu „schöner“ (z.B GN, , LUT, SLT, ZÜR; so schon Josef Qara). Nach den Geschehnissen von Kap. 14 können wir uns aber z.B. auch vorstellen: „nicht so verräterisch wie die ältere Schwester und damit besser“ (so Malbim). Übersetze besser allgemein mit „besser“; ohnehin trägt ja „schöner“ ganz unnötig zusätzlichen Sexismus in die Üs. ein. (Zurück zu v.2)
fAuffällig assonante Äußerung; jedes Wort nach Ist nicht endet auf -a: `aḥotah haqatanah ṭobah mimmenah? tihy-na` leka taḥteha! Das ist um so auffälliger nach der doppelten Infinitivkonstruktion zu Beginn der Rede („Denkend dachte ich: Hassend hasst du sie!“). Die kritische Information dagegen – „Da gab ich sie deinem Genossen“ – besteht im Heb. aus nur zwei Worten und geht damit im restlichen Redeschwall des Vaters geradezu unter: wa`ettenennah lemere´eka. (Zurück zu v.2)
gTextkritik: ihm und euch nicht nach MT übersetzt, sondern nach LXX u.a. S. näher auf der Kommentarseite. Im MT steht statt dem ersten Wort „ihnen“, was man übrigens, wenn man es für ursprünglich hält, besser i.S.v. „über sie“ fasst (richtig Ehrlich 1910, S. 134). (zu v.3)
hPrima vista dieses Mal im Gegensatz zu Ri 14,19. Wenn dieser Vers aber wirklich erst später hinzugefügt wurde (s. dort), ist hier besser nicht zu deuten „dieses Mal im Gegensatz zu einem anderen Mal“, sondern „in diesem Fall; wenn/da das so ist“ (vgl. ähnlich Gen 46,30; Dtn 10,17 und Jer 16,21 nach V. 20). Vgl. SLT: „Nun bin ich unschuldig, wenn...!“; ähnlich Allioli nach VUL: „Von nun an bin ich schuldlos...“ (Zurück zu v.3)
iWortspiel mit V. 7: Hier niqqeti m- („ich bin unschuldig im Urteil von“), dort niqqamti („ich habe mich gerächt“). Beide Ausdrücke betonen, dass Simsons Reaktion nur angemessen ist.
Vielleicht wird wegen diesem Wortspiel die Präp. m- verwendet. Diese nämlich macht den Ausdruck schwierig. Nicht: „Ich bin unschuldig den Philistern gegenüber“ (so die meisten). naqah mit der Präp. m- heißt sonst stets entweder „von [einer Schuld] gegenüber X freigesprochen werden“ oder „von [einem Versprechen] gegenüber X entbunden werden“. Beides macht hier keinen Sinn, wenn man nicht mit Burney 1920 deuten möchte: „Ich bin frei gegenüber den Philistern“, d.h. „werde nach meiner Blutrache meine Schuldigkeit getan haben“. Möglich bleibt als dritte Option daher „ich bin unschuldiger als die Philister“ (BigS) oder am besten „ich bin unschuldig nach dem Urteil der Philister“, sc.: „Die Philister können mir nichts vorwerfen, wenn...“ (vgl. Studer 1842 und Wong 2021, der aber lieber V. 3 an V. 7 angleichen will. So schon Ehrlich 1910, S. 134; beide übersehen aber, dass niqamti in V. 7 mit b- statt mit m- steht). (Zurück zu v.3)
jWortspiel: Schlimmes ist im Heb. ra´ah, „Trauzeuge“ in V. 2 sehr ähnlich merea´. Simsons handeln passt auf das der Philister, wie dies ja auch im ganzen Satz zum Ausdruck kommt. (Zurück zu v.3)
kWortspiel: er zog los ... er fing ist im Heb. wajjelek wajjilkod. (Zurück zu v.4)
lDas heb. Wort šu´al kann wahrscheinlich beide Tiere bezeichnen; vgl. v.a. Ps 63,11 (Füchse sind keine Aasfresser, Schakale schon, vgl. ThWAT VII, S. 1194). V.a. ältere Ausleger:innen haben das Wort auch hier als „Schakal“ erklärt, weil Schakale angeblich zutraulicher seien als Füchse und weil Schakale (in der Tat) Herdentiere, Füchse dagegen Einzelgänger sind – beide Faktoren sollen es „realistischer“ machen, dass Simson hier in kurzer Zeit gleich 300 davon fängt. Dass auch heute noch z.B. Boling 1975; Groß 2009 und Sicre 2018 dieser Deutung folgen, ist recht eigentlich nur eine Nachwirkung dieser „realistischen“ Epoche der Bibelerklärung. Richtig dagegen erstens z.B. Studer 1842; Moore 1906; Burney 1920: Es ist ja offensichtlich, dass hier gerade eine fantastische Leistung Simsons geschildert werden soll, und auch mit Schakalen wäre sie nicht realistischer als mit Füchsen. Zweitens sprechen einige Parallelen aus der gr. Literatur stark für Füchse statt Schakale. Z.B. schon die, dass der Fuchs anders als der Schakal im Gr. auch den Kosenamen „Feuerschweif“ hat. Bes. aber die beiden folgenden nah verwandten Erzählungen: Ovid berichtet in Fasti IV 679-712 von einem Jüngling, der einen Fuchs fängt, ihn dafür bestrafen will, ihre Hühner gerissen zu haben, ihn daher mit Stroh umwickelt und dies anzündet, woraufhin aber der Fuchs ihm entwischt und ihre Getreidefelder in Brand steckt. Sogar noch näher ist die 11. Fabel von Babrios (1./2. Jhd. n. Chr.): „Dem Fuchs, dem Feind der Weinstöcke und der Gärten, wollte einer eine neuartige Misshandlung antun, zündete seinen Schwanz an, band noch Werg daran und ließ ihn davonlaufen. Dem aber wies eine darüber wachende Gottheit den Weg zu den Feldern dessen, der ihn vorwärts trieb mit der Last des Feuers.(Üs.: Holzberg). Offenbar bedient sich der Autor der Simson-Erzählungen hier also an einem geläufigen griechischen Motiv und spricht dann wirklich von Füchsen, nicht Schakalen. (Zurück zu v.4)
min die Feldfrüchte + bis zur Feldfrucht - eigentlich: „Zwischen das stehende Getreide“ im Pl. und „bis zum stehenden Getreide“ im Sg.; im Heb. unterscheidet man zw. qamah „Gesamt stehenden Getreides“ auf einem ganzen Feld (so hier) und qanah „einzelner Getreidehalm“ (vgl. Vogelstein 1894, S. 51). Sonst wird qamah stets im Sg. verwendet, nur hier im Pl.; wohl, um zu betonen, dass die Feldfrüchte gleich mehrerer Felder verbrannt werden. (zu v.5)
nvom Garbenhaufen bis zur Ähre und bis zum Weingarten vom Olivenbaum - Offenbar chiastisch formuliert, um zu unterstreichen, wie vollumfänglich die Feldfrüchte der Philister verbrannt werden: (a) vom Garbenhaufen (b) bis zum Feld (b') und bis zum Garten (a') vom Olivenbaum, also sowohl das geerntete als auch das noch stehende Getreide, die Weinreben in den Weingärten und die Olivenbäumen ebendort. Die Üs. „Olivengärten“ statt „bis zum Garten vom Olivenbaum“ z.B. in BigS, GN, HfA, SLT orientiert sich stattdessen einer antiken jüdischen Auslegung. S. näher auf der Kommentarseite.
Ähnlich soll wohl die rasche Satzfolge und das Durcheinander in Vv. 4f. die Mühe Simsons unterstreichen, die dann diese außerordentlichen Folgen zeitigen wird – ganz auffällig wird in diesen Vv. nämlich wieder und wieder (a) vom Fuchs(schwanz) (b) zur Feuer(fackel) und zurück gewechselt: Simson zog los und fing (a) 300 Füchse. Dann nahm er (b) Fackeln, wandte (a) Schwanz zu Schwanz, setzte (b) eine Fackel (a) zwischen [je] zwei Schwänze in die Mitte, entzündete (b) Feuer an den Fackeln, sandte (a) [sie] [!] in die Feldfrüchte der Philister (b) und verbrannte vom Garbenhaufen bis zur Feldfrucht und bis zum Weingarten vom Olivenbaum. (Zurück zu v.5)
oStark Spronk 2019: Wer hat das getan? ist geradezu ein Refrain. Im nächsten Vers begründet Simson seine Reaktion mit „Wenn ihr solches tut...“; die Judäer rufen daraufhin aus: „Was hat du uns getan!?“, und in Vv. 10f. behaupten sowohl Simson als auch die Philister, sie hätten nur „getan, wie mir/uns getan wurde“. Auch dieses Sprachspiel unterstreicht die Folge aus Aktion, Reaktion und Gegenreaktion, die hier geschildert wird. (Zurück zu v.6)
ptFN: Die Grammatik ist schwierig zu deuten. Wahrscheinlich so: Der zweite Satz ist Vordersatz zum dritten und wird durch sog. „Waw apodoseos“ von diesem getrennt: „Erst, wenn ..., {und} dann...“. Das einleitende „Wenn“ leitet wie häufig (s. Ges18, S. 70) eine abgebrochene Selbstverfluchung ein: „Wenn ihr solches tun dürftet...!“; hinzudenken muss man sich: „...[soll mir Gott dies und jenes antun]“. D.h. also: „Auf keinen Fall dürft ihr solches tun!“. Vgl. ähnlich konstruiert Gen 42,15. S. näher auf der Kommentarseite. So schon TUR: „Wenn ihr solches tut..., erst, wenn ich Rache an euch genommen, nachher werde ich ablassen!“ Recht gut dann BB: „Wenn ihr [solches tut], dann gnade euch Gott! Ich werde [nicht ruhen], bis ich mich an euch gerächt habe!“ (Zurück zu v.7)
qIn dt. Üss. meist recht gut übersetzt als „Ich werde nicht eher ruhen, als ich mich an euch gerächt habe!“ Denkbar ist in diesem Kontext auch, dass mit „danach will ich aufhören“ der Rückzug Simsons in die Felsspalte in V. 8 gemeint ist. Ähnlich schon Metzudat David: „Weil ihr das Vergehen an mir gerächt habt, will ich euch nicht auf ewig Feind sein, sondern nur noch einmal bestrafen“: Die Blutrache, die nun noch ansteht, ist, wird Simson noch üben; danach soll es mit Gewalt und Gegengewalt aber genug sein. Gut dann Boling 1975: „But thereafter, I quit!“. Allerdings muss man dafür die Grammatik der beiden ersten Sätze von V. 7 anders und unwahrscheinlicher deuten: „Wenn ihr auch solches tut, werde ich mich dennoch an euch rächen! Aber danach werde ich aufhören.“ (so LUT 45; TAF; Jongeneel 1868, S. 19). (Zurück zu v.7)
r(an) Schienbein über (auf, samt) Hüfte - unbekannter Ausdruck, nur hier im AT. Am besten lässt man ihn in der LF weg, wie das auch GN tut. Das Idiom ist leider völlig unklar.
Verschiedene Deutungen: (0) Schon Tg kannte ihn offenbar nicht; Tg und danach auch Raschi, Radak und Metzudat David übersetzen fantasievoll: „Fußsoldat samt Kavallerist“, da Kavalleristen sich fortbewegen, indem sie Pferde mit ihren Schienbeinen lenken, und Fußsoldaten, indem sie ihre Hüften bewegen. Die meisten dt. Üss. übersetzen etwas à la „Er zerschlug ihnen Schenkel und Hüften mit gewaltigen Schlägen“ (SLT, TEX, van Ess) oder allgemeiner „Er zerbrach ihnen mit gewaltigen Schlägen die Knochen“ (, HER05, LUT, ZÜR).
(1) Zapletal 1906 und Boling 1975 hoffen, der Ausdruck bedeute das selbe wie das folgende „mit hartem Schlag“. Aber das steht ja eben schon im Folgenden und ist damit am unwahrscheinlichsten die Bed. des Ausdrucks.
(2) Nelson 2017 hält den Ausdruck für eine Variante des dt. „er zog ihnen die Füße weg“, gemeint wäre also, dass Simson die Philister dergestalt niederwirft, dass ihre Schienbeine höher als ihre Hüfte sind. So offenbar auch HfA, NeÜ: „Er schlug auf die Philister ein, bis sie alle am Boden lagen.“
(3) Dagegen Ryan 2007 denkt offenbar an Roundhouse Kicks; für ihn wären Simsons Schenkel höher als seine Hüften, weil er mit den Schienbeinen die Philister niedertrat.
(4) Ähnlich allgemeiner Burney 1920, Block 1999 und Webb 2012, die den Ausdruck nach der alten Deutung von Castellus und Clericus als Wrestling-Idiom erklären wollen, aber richtig Spronk 2019: Gerade beim Wrestlen durfte man gar nicht zuschlagen.
(5) Spronk 2019 selbst erklärt am witzigsten: „Hüfte“ soll Wechselbegriff für „Hoden“ sein und entsprechend „Schienbein auf Hüfte“ bedeuten, dass Simson die Philister straft, indem er sie in die Weichteile tritt. Harmloser schon Matthew Poole: Er tötete sie nicht, sondern lähmte sie mit Tritten gegen die Hüfte.
Oder (6) Gesenius hat die witzigste Erklärung: „Er [zerriss sie so, dass] Schenkel über Hüfte lagen, mit hartem Schlag“ (Thesaurus, S. 990). Ähnlich besser Rosenmüller 1835: „Er schlug sie an Schienbein und Hüfte“ = „Er schlug ihnen Arm und Bein entzwei“.
(7) JosAnt V.8 §297 übersetzt: „Er schlug sie in der Ebene“. Offenbar hat er also das maskuline jarek („Hüfte“) wie das feminine jarekah als „Tal, Hang“ verstanden wie in Ri 19,1.18. Meistens sind damit aber die äußersten Regionen eines Landes oder der ganzen Erde gemeint. Ähnlich könnte man das hebräische šok („Hüfte“) wie das aramäische Homonym verstehen, das „Straße, Marktplatz“ bedeutet, und dann „Er schlug sie [in] jarek und šok“ als „Er schlug sie in Stadt und Land“ deuten. Ähnlich schon Sebastian Castalion, Matthew Poole; ähnlich offenbar auch R-S: „Er schlug sie ganz gewaltig auf Hügeln und in Tälern.“
(8) Ganz merkwürdig schließlich einige christliche Ausleger, die es als Zeichen des Erstaunens oder Schreckens interpretieren, wenn jemand sein Bein an seine Hüfte legt (Nikolaus von Lyra, Jakob Bonfrère, Cornelius a Lapide). So noch Allioli und Nachfolger: „Er schlug sie mit schweren Streichen, so daß sie vor Schrecken ihre Waden an ihre Hüften legten.“ (Zurück zu v.8)
sFels-Spalte von Etam - Gemeint ist wahrscheinlich eine natürliche Höhle am Wadi Isma´in, die man heute auch wirklich als Me´arot Šimšon („Simson-Höhlen“) bezeichnet; vgl. Schick 1887, S. 143-146; Gaß / Zissu 2005. Etam und das gleich folgende Lehi in V. 9 liegen nicht mehr im zugelosten Stammesgebiet der Daniten, sondern in dem der Judäer; nun wird also ein weiterer Volksstamm in den Konflikt zwischen Simson und den Philistern hineingezogen.
Der Name ist interessant: Wahrscheinlich hängt er zusammen mit ´ajt, das in 1 Sam 25,14 „schreien“ bedeutet. Gehen wir davon aus, dass statt sa´ip („Spalte“) wirklich ursprünglich `apik („Fluss, Höhlung“) im Text gestanden hat (s. auf der Kommentarseite), zieht sich Simson in die „Fels-Höhlung des Schreiers“ oder wirklich wie in LXX, VL „an den Fels-Quell des Schreiers“ zurück. Das stimmt erstaunlich gut zusammen mit dem Quell, den Gott in V. 18 im etwa eine halbe Wegstunde entfernten Lehi aus dem Felsen entspringen lässt und den Simson / man dann in V. 19 „Quelle des Rufers“ nennt; der Name der Lokalität in Etam wäre dann also Inspiration für die Namensgabe in V. 19 gewesen. Der Name Etam ist wahrscheinlich noch heute erhalten im Namen der Quelle ´Atan, die wirklich in dieser Gegend aus dem Fels entspringt. (Zurück zu v.8)
tverteilten - w. „breiteten sich aus“; daher us. übersetzt: , PAT: „sie streiften in Lehi umher“; HER05: „sie besetzten das Land bis nach Lehi“, SLT: „sie ließen sich in Lechi nieder“. (Zurück zu v.9)
uLehi - gemeint ist vielleicht, da LXXA, B, L, Aq und Sym bisweilen mit siagon („Kinnbacke“) übersetzen, die Ruine Ḥirbet eṣ-Sijjagh, etwa eine halbe Wegstunde entfernt vom Wadi Isma´in (Schick 1887, S. 153; Gaß 2007, S. 378f.; Webb 2012). (Zurück zu v.9)
vVgl. wieder gut Spronk 2019, S. 435: Hier fällt das erste Mal ein weiteres Leitwort von Ri 15, nämlich jad („Hand“): Simson soll „in die Hand“ der Philister gegeben werden (hier und V. 13). Zu diesem Zweck werden „seine Hände“ gebunden (V. 14). Nachdem er sich befreit hat, nimmt er einen Knochen in „seine Hand“ (V. 15), wirft ihn dann wieder „aus seiner Hand“ (V. 17); preist Gott, dass er ihm den Sieg „in die Hand gegeben“ hat (V. 18a) und fürchtet am Ende dann doch wieder, nun „in die Hand der Philister“ zu fallen. Spronk 2019 und Kim 1993, S. 296 erklären gut, dass dies den „Wandel der Situation Simsons“ zusätzlich unterstreiche: Gefangener der Philister – Krieger gegen die Philister – Sieger über die Philister – beinahe doch Beute der Philister. (Zurück zu v.12)
wTextkritik: nicht töten und ihnen [so] übergeben werdet, auch fehlt in MT und den meisten Textzeugen; es ist hier nach einem Vorschlag von Kim 1993, S. 160 aus LXXA, O, L und VL übersetzt. Das erklärt auch das „Nein“ besser, mit der die Judäer in V. 13 ihre Antwort einleiten: Doch, sie werden Simson übergeben, aber doch gewiss nicht töten, sondern nur binden. S. näher auf der Kommentarseite. (Zurück zu v.12)
xMit im Heb. betontem ihr; der Schwur wird also wahrscheinlich eingefordert, um sicherzustellen, dass Simson sich nicht gegen seine Volksgenossen zur Wehr setzen muss, sondern allein die Philister attackieren kann (so z.B. Crenshaw 1978, S. 88; Groß 2009; Webb 2012). (Zurück zu v.12)
yLies: Gleich mit zwei! Und dann auch noch mit neuen, also äußerst schwer zerstörbaren Seilen! (Zurück zu v.13)
zschreiend - wahrscheinlich i.S.v. „triumphierend brüllend“, so , GN, HfA u.a.: „mit Triumphgeschrei“. Sonst meist nach LUT übersetzt mit „jauchzend“. Rabbi Culi stellt sich in Meam Loez vor, sie seien Simson Beleidigungen ausrufend entgegengelaufen. (Zurück zu v.14)
aakamen ihm schreiend entgegen - die selbe gram. Konstruktion wie in Ri 14,5 (s. näher dort auf der Kommentarseite), w.: „die Philister jauchzten, ihm begegnend“. Gut Kim 1993, S. 289: „Ohne Zweifel in Anlehnung an Ri 14,5 formuliert, um die Philister mit dem Löwen zu parallelisieren“; nach diesem begegnet Simson nun seinen nächsten „Gefährdern“. (Zurück zu v.14)
abdrang ein - So THAT II, s.v. צלך. Das Wort bezeichnet hier wie in Ri 14,6 offenbar ein machtvolles oder „gewaltsames“ Eindringen des Geistes JHWHs in Simson, so dass „[mit Macht]“ ergänzt werden könnte. (Zurück zu v.14)
ac
Bild 1: Ägyptisches Holz-Handmesser. (c) Emery 1938, pl. 15
Bild 2: Neolithisches Handmesser (Rek.), Dagon Museum. CC BY-SA 3.0
Bild 3: Handmesser des Iolaos. (c) Cook 1940, S. 796
Bild 4: „Handmesser“ des Schamasch. (c) IAA 1965-69
Kieferknochen eines Esels - Keine so absurde Waffe, wie man zunächst denken könnte; ein Esels-Kieferknochen konnte außerdem wirklich zufällig herumliegen: Tier-Kieferknochen wurden vielerorts und auch im Alten Orient als Erntemesser verwendet. Für eine schöne Rekonstruktion s. z.B. Bild 2. Erhalten sind davon aus dem alten Orient aber nur hölzerne Nachbildungen, z.B. auf Bild 1 ein Fund aus Ägypten. Auch Iolaos, der Neffe des Herakles, wird in der griechischen Kunst d.ö. mit einem solchen gezahnten Erntemesser als Waffe dargestellt, s. Bild 3. Gelegentlich kann man lesen, dass das selbe auch für die Götter Marduk und Schamasch gelte (z.B. Barb 1972, S. 388). Aber das scheint ein Mythos zu sein; diese „Sicheln“ sind offensichtlich Sägen. Für ein schönes Bsp. s. Bild 4. Die Zähne solcher Knochen-Sicheln nutzten sich schnell ab; schon vor biblischer Zeit ging man daher dazu über, statt echten Zähnen Steine in die Knochen einzusetzen. Daher hier die Betonung, dass es ein „frischer“ Unterkieferknochen war: Die Zähne waren noch nicht abgenutzt. (Zurück zu v.15)
adHaufen, Doppel-Haufen - Umstrittenste Stelle der Simson-Saga. Der MT lautet prima vista eigentlich: „Mit dem Kieferknochen eines Esels – eines Esels, eines Doppel-esels...“. Am besten deutet man das als irreguläre Assonanz: Gemeint wäre eigentlich ḥomer ḥomeratajim („ein Haufen, ein Doppel-Haufen“), für den Gleichklang mit ḥamor („Esel“) in Zeile a ist dies aber vokalisiert worden als ḥamor ḥamoratajim („ein Esel, ein Doppel-Esel“, so Studer 1842; Keil 1863; für weitere Beispiele dieses Phänomens s. bei Am 5,25). Ähnlich deuten heute die meisten aktuellen Ausleger:innen (z.B. Webb 2012; Chisholm 2013; Knauf 2016; Nelson 2017; Spronk 2019). „Haufen, Doppel-Haufen“ könnte dann entweder die Menge der lebendigen Feinde meinen, die Simson erschlägt (so z.B. H-R, TAF und van Ess „Mit dem Eselskinnbacken schlug ich eine Rotte, zwei Rotten!“), oder die Menge der Leichen, die Simson aufhäuft (so z.B. : „Mit dem Kinnbacken eines Esels einen Haufen, zwei Haufen!“). Vgl. für eine ähnliche Konstruktion mit dem selben Wort Ex 8,10: „Sie sammelten sie [zu] Haufen, Haufen“ = „zu Haufen über Haufen“. Mehrere Ausleger:innen verweisen auch auf die grammatisch noch nähere Parallelstelle Ri 5,30, wo ebenfalls zwei Mal ein Wort im Dual auf ein Wort im Sg. folgt: „Ein Mutterleib, ein Doppel-Mutterleib pro Männerkopf“ und „gefärbter Stoff, gefärbter Doppelstoff“. Diese Stelle ist aber genau so umstritten wie unsere; wenig überraschend hat daher niemand wirklich etwas aus dieser Parallele gemacht; wahrscheinlich ist aber auch dort zu deuten: „Frauen über Frauen für jeden Mann, Stoffe über Stoffe für jeden Gefangenen!“.
Wie auch immer man unsere Stelle deutet; klar ist, dass Zeile b mit Zeile a klang-spielt. Zwei ähnliche Versuche, das Wortspiel ins Dt. zu transportieren: Meier 1856, S. 101: „Mit dem Backen des Packesels, ein Pack, zwei Pack...!“ (fast ebenso Jongeneel 1868, S. 19); TUR: „Mit des Esels Backen Packen über Packen, mit des Esels Backen schlug ich tausend Mann!“. Weniger sinnvoll BB: „Mit einem Eselskinnbacken konnte ich eine Menge packen“.
Andere Deutungen: (1) Nach der Vokalisierung im MT lautete das „Haufen, Doppelhaufen“ oben wie gesagt eigentlich: „Esel, Doppelesel“. Einige Ausleger:innen haben an dieser Bed. angesetzt:
(1a) Im Midrasch BerR 98,13 wird das heb. terijah („frisch“) in V. 15 von gr. tria („drei“) abgeleitet, Simson hätte also einen „Dreier-Esels-Kieferknochen gefunden“. Entsprechend wird dann unsere Stelle verstanden: „Mit dem Kieferknochen eines Esels – genauer: eines mit Zwillingen schwangeren Esels – mit besagtem Kieferknochen also...“
(1b) Umgekehrt deuteten Allioli, Loch/Reischl, Pfaff und Arndt in ihren Üss. „Esel des Doppelesels“ als Ausdruck für einen jungen (da von zwei Eseln gezeugten) Esel. Arndt: „Mit eines Esels Kinnbacken, mit dem Kinnbacken eines jungen Esels...“; wörtlicher Pfaff: „Ein Esel, der von Eseln herkömmt“.
(1c) Witzig schließlich Tomaso Malvenda: Mit dem Kieferknochen eines Esels von doppelter Größe.
(2) Frolov 2013 kombiniert beide Deutungen zum „Doppelhaufen von Eseln“. Wie das sprachlich möglich sein soll und welchen Sinn das haben soll, weiß ich nicht.
(3) LXX, VL und VUL vokalisieren sicher, JosAnt V.8 §301 wahrscheinlich und Tg und Syr vielleicht anders als MT, nämlich statt ḥamor ḥamoratajim als ḥamor ḥimmarti-m. LXX übersetzt das mit „anstreichend strich ich sie an“, das hier aber wie häufig im Sinne von „überstreichen“ = „auslöschen“ zu nehmen ist; VL und VUL danach klarer mit „(auslöschend) habe ich sie ausgelöscht“. Zu JosAnt s. zu (3e), zu Tg und Syr bei (3c). Die ersten drei leiten also das doppelte Wort von ḥamar I ab („anstreichen“, s. Ex 2,3). So wollen auch BHS, CTAT und BHQ vokalisieren. Auch viele Ausleger:innen. Keiner deutet dieses Wort aber wie LXX, VL und VUL; stattdessen werden neben ḥamar I („anstreichen“) diverse gleichlautende Verben angenommen:
(3a) Zenner 1888, S. 256 leitet stattdessen ab von ḥamar II („rot sein“ und im Piel „röten, rot einfärben“, vgl. Ijob 16,16): „Wie hat er sie gefärbt? Natürlich rot, indem er ihnen die Köpfe blutig schlug.“ So wahlweise auch Burney 1920; auch HER05, PAT: „Mit einem Eselskinnbacken schlug ich sie blutig“; SLT: „Mit dem Eselskinnbacken färbte ich sie rot.“
(3b) Ähnlich: Anzunehmen sei nach dem arabischen ḥamara ein heb. Verb ḥamar III mit der Bed. „häuten, abschaben“; „häutend habe ich sie gehäutet“ wäre also wie bei R-S und ZÜR 31 zu deuten: „ich habe sie gründlich geschunden“. So z.B. Michaelis 1792, S. 831; Zapletal 1906, S. 72; CTAT und wahlweise Butler 2009; sehr ähnlich MEN, TEX: „Mit dem Eselskinnbacken habe ich sie gründlich geschoren!“.
(3c) Anzunehmen sei ein Verb ḥamar IV „aufhäufen“, vgl. eben das Nomen ḥomer („Haufen“). Im Aramäischen gibt es dieses Verb. „Anhäufend habe ich [sie] angehäuft“ soll dann heißen: „ich habe ihre Leichen übereinandergestapelt“. So z.B. ursprünglich Michaelis 1774, S. 140 („Ich habe sie dicke übereinander gehäuft“); auch Moore 1906; Soggin 1981. Ähnlich deuten das Verb bereits Tg, Syr und Raschi, die außerdem ebenfalls so vokalisiert haben könnten (aber s. auf der Kommentarseite); Harrington / Saldarini übersetzen den Tg: „By the jawbone of an ass I have thrown them in piles“. So wohl LUT: „Mit eines Esels Kinnbacken habe ich sie über den Haufen geworfen.“.
(3d) Es gibt ein Verb ḥamar V mit der Bed. „brennen, kochen“ (s. Ps 46,4; 75,9). Davon wollen Houbigant 1777b und Albright 1968, S. 22 das Verb ableiten; „(auf)kochend habe ich (auf)gekocht“ soll nach Houbigant heißen: „ich habe [sie] durcheinandergebracht“ (s. Sir 4,2, wo das Verb wahrscheinlich bildlich „aufregen“ bedeutet), nach Albright dagegen: „Wütend habe ich gewütet“ (so wohl auch in Sir 42,3).
(3e) Gelegentlich ein Verb ḥamar VI von ḥamor („Esel“) abgeleitet. (3e1) die Bed. von „be-eselnd habe ich sie be-eselt“ soll also sein: „ich habe sie sehr zu Eseln gemacht“. So wahlweise Burney 1920; Martin 1975; auch NIV: „With a donkey's jaw-bone I have made donkeys of them.“ (3e2) Alternativ wie Levesque 1900: Im Französischen gibt es ein Verb rossér, das wörtlich „wie ein Pferd behandeln“ bedeutet, aber eigentlich den Sinn „verprügeln“ hat. Entsprechendes nimmt L. für das Heb. an (vgl. Num 22,23!), wonach dann zu übersetzen wäre wie z.B. in NL: „Mit dem Kinnbacken eines Esels habe ich sie gründlich verprügelt!“ So vielleicht auch Sicre 2018: „Con la quijada de un burro, zurra que zurro...“ = „Mit dem Kieferknochen eines Esels, Schlag um Schlag...“. (3e3) Ganz ähnlich Kim 1993, S. 144.292, der aber für „be-eseln“ die Bed. „wie einen Esel forttreiben“ annimmt: „With a donkey's jawbone, I drove them on like donkeys“. Dies könnte auch die Basis für JosAnt V.8 §301 sein: „Auch rühmte er sich, dass er die Feinde zum Teil erschlagen [=Zeile d], zum Teil in die Flucht getrieben [= Zeile b?] habe.“ Vielleicht folgt dies aber nur der selben Logik wie die Üs. von Arndt, der auf V. 9 verweist und annimmt, alle anderen neben diesen 1000 Philistern müssten also geflohen sein. (Zurück zu v.16)
aeKieferknochen-Anhöhe oder „Kieferknochen-Wurf“; gespielt wird vielleicht mit dem Verb ramah („werfen“), obwohl in 17a für „Wegwerfen“ ein anderes Wort verwendet wird (schön Zapletal 1906, S. 72; Groß 2009; ähnlich schon Studer 1842). Noch einmal anders Allioli, der rum („erhöhen“) i.S.v. „aufheben“ nimmt: „er nannte den Namen dieses Ortes Ramath-Lechi, welches man dollmetschet Aufheben des Kinnbackens.“ Ramat (Konsonanten: rmt) klang-spielt außerdem wahrscheinlich mit ḥamoratajim („Doppel-Esel“, Konsonanten: mrtjm; ähnlich Kim 1993, S. 293). Vielleicht wurde gerade deshalb dort der ungewöhnliche Dual verwendet. (Zurück zu v.17)
afAuslegungsgeschichte: hatte Durst - Witzig Midrasch BerR 98,13: „Wer [so viel] plappert, wird [eben] durstig“. Alternativ deuten Fishelis / Fishelis 1995 und Bar 2018 dieses „plappern“ als „arrogant sprechen“, Gott hätte Simson also mit Durst gestraft, weil er in V. 17 so arrogant gesprochen habe. Das liest wahrscheinlich zu viel in das aram. paṭpiṭ („plappern, schnattern“); so deutet aber auch JosAnt V.8 §301: „Samson aber wurde durch diese Tat übermütiger als billig und schrieb dieselbe nicht der Hilfe Gottes, sondern seiner eigenen Kraft zu. Auch rühmte er sich, dass er die Feinde zum Teil erschlagen, zum Teil in die Flucht getrieben habe. Als er darauf von heftigem Durst geplagt wurde, erkannte er, dass alle menschliche Kraft schwach sei und Gott allein alles vermöge...(Üs.: Clementz). So danach auch Ambrosius, Brief 35; später auch Jakob Bonfrère und Cornelius a Lapide. (Zurück zu v.18)
agdu gabst diese große Rettung in die Hand deines Knechts, oder freier: „Du warst's doch, der mir diese große Rettung ermöglichte!“. Von sich selbst als „dein Knecht“ zu sprechen, ist im Heb. eine häufige Höflichkeitsstrategie beim Sprechen zu Höhergestellten wie insbesondere Gott; „geben in die Hand“ ist ein häufiger Wechselausdruck für „verleihen, gewähren“. (Zurück zu v.18)
ahFelsen - Unsicheres Wort. Was grob gemeint ist, ist aber klar; „gespalten“ werden können in einer Landschaft nur Felsen. Mit „Fels“ übersetzen daher auch frei manche Tg-Mss und Josephus in JosAnt V.8 §301. Hier geschieht dann Ähnliches wie in Ex 17,6; Num 20,11; Ps 78,15.20; Ps 105,41; Jes 48,21.
Genauer: Das Wort steht nur noch in Spr 27,22 und bed. dort „Mörser“; außerdem ist heb. makteš in Zef 1,11 auch ein Ortsname, was hier aber nichts hilft. Abgeleitet ist das Wort von kataš („schlagen, stoßen“), gespielt wird also auch damit, dass Samson hier die Philister „geschlagen“ hat. Entsprechend heißt das aramäische makteš „Schlag, Wunde“.
(1) LXXL, Aq und Theod orientieren sich an Spr 27,22: „er spaltete den Mörser“. Gemeint ist dann wahrscheinlich eine „Mulde“ oder „Grube“ in der Landschaft. Vgl. so fast sicher t.Nid 8,6: „Einmal gingen Arbeiter wegen Regen [in eine Höhle], und als sie mit den Schaufeln in ihren Händen gruben, fanden sie einen Mörser voll Knochen“, also eine Knochengrube. Mit „Mulde“ übersetzen fast alle neueren Ausleger:innen und die allermeisten dt. Üss, obwohl das Nomen nicht sehr gut zum Verb „spalten“ passt.
(2a) Dagegen am Aramäischen orientieren sich LXXA, O, R, SyH: „die Wunde im Kieferknochen“. Das Selbe ist vielleicht die Basis von (2b) Sym, VUL und anderen Tg-Mss: „den Backenzahn“. Raschi leitet diese Bed. aber stattdessen aus (1) ab, weil der Kieferknochen, auf dem Zähne sitzen, wie ein Mörser geformt sei, und ältere Ausleger aus dem Griechischen, da dort „Mörserchen“ auch „Backenzahn“ bedeutet. Mit „Backenzahn“ übersetzen jedenfalls auch BigS, LUT 45, ZÜR; ähnlich TAF: „das Gebiss“. Diese Deutung war früher recht beliebt; Gott hätte dann das Wunder vollbracht, den Kieferknochen zu einem Trinkgefäß zu verwandeln, dem nie der Trank ausging (vgl. 1 Kön 17,16; so z.B. Johannes von Damaskus, Orthodoxer Glaube 4.15; so wahrhaftig wahlweise selbst noch Spronk 2019), oder er hätte – noch kurioser – aus dem Boden eine Quelle sprudeln lassen, die durch den Backenzahn ins Freie floss (Ambrosius, Brief 35; Nikolaus Serarius, Jakob Bonfrère, Matthew Poole). Dagegen aber richtig erstens Keil 1863: Dagegen spricht die Formulierung „der Backenzahn(?), welcher im Kieferknochen ist“. Dagegen zweitens richtig Bertheau 1883: Dagegen spricht der bestimmte Artikel (der Backenzahn(?)), da in einem Kieferknochen davon ja mehrere sitzen. Dagegen schließlich drittens richtig Moore 1906: Dagegen spricht der letzte Satz von V. 19.
(3a) LXXB leitet die Bedeutung aus dem Verb „spalten“ und dem Produkt „Wasser“ ab: „er spaltete die Zisterne“. (3b) Ähnlich VL, die sich nur am Verb orientiert: „er spaltete den Riss“, (3c) und Syr, die sich am „Kieferknochen“ orientiert: „Er spaltete den Kiefer“. Letzteres könnte übrigens auch einen anderen Wortlaut bezeugen, den dann auch BerR 98,13 bezeugte: „Nach Rabbi Levi hieß der Ort Lehi, nach den [anderen] Rabbinen dagegen Maktesch.“ (Zurück zu v.19)