Lesefassung (Hohelied 2)
(kommt später)Studienfassung (Hohelied 2)
1 [Frau:]〈a〉 „Ich bin ([nur]〈b〉 eine (die) Lilie〈c〉 in der Scharonebene,
([Nur])〈b〉 eine (die) Iris (Lotusblume?)〈c〉 in den Tälern.“
2 [Mann:]〈a〉 Wie eine Iris (Lotusblume?)〈d〉 unter {den}〈e〉 Disteln (Dornen),
So [ist] meine Freundin〈f〉 unter den Töchtern.“〈g〉
3 [Frau:]〈a〉 „Wie ein Aprikose[nbaum]〈h〉 unter {den}〈e〉 Waldbäumen
So [ist] mein Geliebter unter den Söhnen.〈i〉
In seinem Schatten erfreue ich mich (habe ich Lust) und sitze ich〈j〉
Und seine Frucht [ist] süß an meinem Gaumen.“
Anmerkungen
Auch das siebte Lied (Vv. 1-3) ist ein Bewunderungsdialog. Er setzt ein mit einem kurzen Selbstbeschreibungsabschnitt in V. 1, in dem die Frau ihrem Geliebten wahrscheinlich nur zuraunt, wie gut es ihr mit ihm geht: Die „Täler“ und v.a. die „Scharonebene“ stehen für die fruchtbaren Gegenden Israels; Lilien und Iriden konnten dort besonders gut gedeihen. Geschickt dreht der Mann seiner Geliebten das Wort im Mund um und verwandelt es in V. 2 in ein Kompliment, dass die Frau in V. 3 postwendend zurückgibt und weiterführt.
Die strukturellen Gemeinsamkeiten und vor allem der unvermittelte Einsatz in V. 1 legen nahe, dass Vv. 1-3 noch zum selben Lied gehören wie Hld 1,15-17 (so auch Assis 2009, S. 60; Ehrlich 1914, S. 5).
a | Das Hohelied besteht zu einem großen Teil aus Dialogen. Das Verständnis des Textes wird sehr dadurch erschwert, dass im hebräischen Text nie angegeben ist, wer welche Textteile spricht. Schon in der LXX und VUL haben daher Schreiber sog. „Rubriken“ eingefügt, also mit roter Tinte geschriebene Angaben darüber, welchem Sprecher welche Äußerung zuzuschreiben ist (vgl. dazu Treat 1996, bes. S. 399ff.). Zur Förderung der Verständlichkeit der Üs. folgen wir diesem Beispiel; nur dort, wo in der Exegese größere Uneinigkeit über die Zuordnung einer Äußerung zu einem Sprecher herrscht, folgt darauf noch eine Extrafußnote zur Begründung dieser Zuordnung. (Zurück zu v.1 / zu v.2 / zu v.3) |
b | [nur] - Fokuspartikeln wie „nur“ werden im Heb. auch dort fast nie gesetzt, wo das Dt. sie setzen müsste. So verstehen auch diese Stelle viele Exegeten, weil sie das Mädchen ungerne mit einem solch unverblümten Eigenlob in das Lied einsteigen lassen möchten (z.B. Fox 1985, S. 83; Gordis 1974, S. 50), aber s. die Anmerkungen. (zu v.1) |
c | Lilie + Iris - Die Identität der beiden Blumen ist umstritten und nicht sicher zu erschließen. Über die „Iris“ (Heb. schoschannah) weiß man, dass die Kapitelle von Pfeilern im Tempel die Form dieser Blume hatten (s. 1 Kön 7,22; zum irisförmigen Kapitell s. rechts) und dass es sich um eine Landpflanze handelt (s. Hld 7,3), die Tiere beim Grasen verspeißen konnten (s. Hld 2,16; 4,5; 6,2.3). Das syr. Wort susan („Iris, Lilie“) und das arab. Wort susan/sausan („Iris, Lilie“) legen dann nahe, dass es sich auch hier um eine Iris- oder Lilienart handelt. Die „Lilie“ (Heb. habatselet) wird neben dieser Stelle nur noch in Jes 35,1f. erwähnt; entsprechend gibt es für die Erschließung ihrer Identität noch weniger Anhaltspunkte. Von der Etymologie her könnte es sich um eine Zwiebelpflanze handeln (vgl. Heb. betsal: „Zwiebel“) und in Jes 35,1 übersetzen LXX, VUL, TgJes und Eusebius in seinem Jesaja-Kommentar mit „Lilie“. Es ist gut möglich, dass das nur geraten ist (in unserem Vers übersetzen LXX, VUL allgemein mit „Blume“), aber der beste Anhaltspunkt zu ihrer Identifikation, daher folgen wir einstweilen diesen Üss. „Rose“ ist sehr unwahrscheinlich, da diese nicht in Israel wuchsen; die neuerdings häufige Üs. mit „Lotus“ ist problematisch, weil die Lotusblume eine Wasserpflanze ist, und basiert auf den beiden irrtümlichen Annahmen, dass es keine lilien-/irisförmigen Kapitelle gegeben habe und dass die Lilie nicht in Israel wachsen würde. (zu v.1) |
d | (Zurück zu v.2) |
e | { |
f | meine Freundin - Häufige Bezeichnung für die Geliebte im Hld; s. Hld 1,9.15; 2,2.10.13; 4,1.7; 5,2; 6,4. Außer in Hld 5,2 fällt der Ausdruck stets im Zhg. mit einer Aussage über das Aussehen der „Freundin“; wahrscheinlich hörte ein Israelit bei dem Ausdruck also irgendwie „Schönheit“ mit. (Zurück zu v.2) |
g | Töchtern - d.h., den anderen Mädchen. (Zurück zu v.2) |
h | Aprikose[nbaum] - nicht: „Apfelbaum“; dieser wächst erst seit Kurzem in Palästina (vgl. z.B. Musselman 2012, S. 21; z.St. z.B. auch Bloch/Bloch 1995, S. 149). (Zurück zu v.3) |
i | Söhnen - d.h., den anderen jungen Männern. (Zurück zu v.3) |
j | erfreue ich mich (habe ich Lust) und sitze ich - d.h., „erfreut es mich zu sitzen“ oder „habe ich Lust, zu sitzen“; verbales Hendiadyoin: Ein Vollverb dient eigentlich der näheren Spezifizierung eines anderen Vollverbs. (Zurück zu v.3) |
k | Das Hohelied besteht zu einem großen Teil aus Dialogen. Das Verständnis des Textes wird sehr dadurch erschwert, dass im hebräischen Text nie angegeben ist, wer welche Textteile spricht. Schon in der LXX und VUL haben daher Schreiber sog. „Rubriken“ eingefügt, also mit roter Tinte geschriebene Angaben darüber, welchem Sprecher welche Äußerung zuzuschreiben ist (vgl. dazu Treat 1996, bes. S. 399ff.). Zur Förderung der Verständlichkeit der Üs. folgen wir diesem Beispiel; nur dort, wo in der Exegese größere Uneinigkeit über die Zuordnung einer Äußerung zu einem Sprecher herrscht, folgt darauf noch eine Extrafußnote zur Begründung dieser Zuordnung. (Zurück zu v.3) |