Hohelied 1

Aus Die Offene Bibel

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Lesefassung (Hohelied 1)

(kommt später)

Studienfassung (Hohelied 1)

1 Das Lied der Lieder,a welche [sind] (welches [ist])b von (für, über, nach Art von) Salomon


2 [Frau:]c „Er küsse michd mit Küssen (mit einigen von den Küssen) seines Mundes!e
Oh!, (Denn) deine Liebkosungenf [sind] besser als Wein;g
3 An Geruch [sind] deine Öleh (deine Öle)i gut ([Sie sind] besser als der Geruch deiner Öle; Oh!, der Geruch deiner Öle [ist] gut!):j
Öl, [das] ausgegossen wird,k ist dein Name (bist du selbst)!l
Darum lieben dich die jungen Frauen.


4 Zieh mich! Hinter dirm wollen wir [ja alle] herrennen! –
Der Könign brachte mich in seine Zimmer!
Wir wollen jubeln und uns freuen über dich,
Wir wollen deine Liebkosung mehr als Wein preisen (riechen?o)!g
Aufrichtig (Mit Recht? die Gerechten, Gerechtigkeitp) lieben sie dich!“


q


5 [Frau:]c „Schwarz [bin] ich, aber [trotzdem] (und)r schön, [oh] Töchter Jerusalems!s
Wie die Zelte Kedars,t wie die Zelteu Salomos!v
6 (Seht nicht auf mich=) Seht nicht auf mich herab, (Wollt ihr mich nicht ansehen...!?;w Fürchtet mich nicht!) weil ich so schwarzx [bin],
Weil die Sonne auf mich geblickt hat!
Die Söhne meiner Muttery waren gegen mich entbrannt;z
Sie haben mich zur Hüterin der Weinberge gemacht –
Meinen Weingarten, der mein [ist], habe ich nicht gehütet.“


q


7 [Frau:]c „Sag mir, [du,] den meine Seele liebt,aa
Wo du weiden wirst,
Wo du lagern lassen wirst am Mittag,
Damit ich nicht sein muss (werde) als Verschleierte (wie eine Wandernde)ab
Bei [den] Herden deiner Gefährten!“


8 [Mann (Töchter Jerusalems):]cac „Wenn du es {dir} nicht wissen wirst,
Schönste unter den Frauen,
Folge {dir} den Spuren der Schafe
Und weide deine Zicklein (Brüste)ad
Bei den Zelten der Hirten!“


q


9 [Mann:]c „Pferden (meinen Pferden, einer Stute, meiner Stute)ae vor den Wagen des Pharaoaf
Mache ich dich vergleichbar (vergleiche ich dich),ag meine Freundin!ah
10 Lieblich [wären (sind)] deine Wangen (Backen) zwischen den Banden (in Zaumzeug),ai
Dein Hals zwischen den Perlen (?).aj
11 Goldene Bande (Goldenes Zaumzeug)ai will ich (wollen wir)ak dir machen [lassen],
Mit Punkten aus Silber!“al


q


12 [Frau:]c „Solange (bis [dorthin], wo) der Könign auf seiner Coucham [ist],
Gibt meine Nardean ihren Duft.
13 Ein Myrrhensäckchenao [ist] mir mein Geliebter,
Ruhendap zwischen meinen Brüsten.
14 Eine Hennadoldeao [ist] mir mein Geliebter
In (aus)aq den Weingärten von En-Gedi.“


q


15 [Mann:]c „Siehe! (Fürwahr!), schön [bist du, (ist)] meine Freundin!ah
Siehe! (Fürwahr!), schön [bist du (ist)]! Deine Augen [sind] Tauben ([wie die von] Tauben)!“ar


16 [Frau:]c „Siehe (Fürwahr!), schön [bist du, (ist)] mein Geliebter; ja, lieblich;
Ja, unser Bett [ist] grün:
17 Die Balken unseres Hauses (unserer Häuser)as [sind] Zedern (Zedernholz),
Unsere Täfelung (unser Balken) [sind] Zypressen (Zypressenholz).“

Anmerkungen

Das Hohelied ist eine Sammlung von Liebesliedern, die miteinander nur in „lockerem Zusammenhang“ (Krinetzki 1964, S. 80) stehen. Die vielen Wort-, Satz- und Motiv-Wiederholungen im Verlauf des Hoheliedes legen aber nahe, dass mindestens einige dieser Lieder vom selben Autor stammen. In die selbe Richtung weisen stilistische Züge, die vielen der Lieder gemeinsam sind, z.B. die gehäufte Verwendung seltener, oft aus dem Aramäischen stammender Wörter oder die ungewöhnliche Häufung von Assonanzen.at Dazu passt auch, dass durch die acht Kapitel hindurch nur drei Sprecher-„typen“ identifizierbar sind: Frau, Mann und die immer wieder auftretenden „Töchter Jerusalems“. Und auch die Tatsache, dass viele eigentlich voneinander unabhängige Lieder durch ähnliche Motive mit den jeweils benachbarten Liedern zusammenhängen, führt dann zum selben Schluss: Das Hohelied ist ein einheitliches Werk. „Natürlich handelt es sich hierbei nicht um eine narrative Einheitlichkeit, sondern eine lyrische Einheitlichkeit.“ (Barbiero 2011, S. 18; ähnlich z.B. Exum 1998, S. 230-232). Dem heutigen Leser legt sich das ohnehin nahe, denn die Überschrift zeichnet das ganze Buch aus als „Lied“ - im Singular.
Für diese Anmerkungen heißt das: Die Lieder sind als selbständige Einheiten zu erläutern. Da sie aber nicht zufällig an dem Ort stehen, an dem sie stehen, ist bei ihrer Erläuterung jeweils auch der nähere und weitere Kontext zu berücksichtigen.


V. 1 nennt man die „Überschrift“ des Hoheliedes. Wahrscheinlich gehört sie wie die Psalmüberschriften nicht ursprünglich zum Text, sondern ist später hinzugefügt worden. Dahin weist vor allem, dass eine andere Relativpartikel („welche“) verwendet wird als im restlichen Hohelied, nämlich `ašer statt še. Diese Zuschreibung des Hoheliedes an Salomo ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass dieser mehrfach im Hohelied erwähnt wird, dass er nach biblischer Überlieferung ganze 1005 Lieder verfasst hat (s. 1 Kön 5,12) und ein gewaltiger Frauenheld war (s. 1 Kön 11,3; so gut Exum).


Das erste Lied (Vv. 2-4) ist ein Sehnsuchtslied. Ein besonderer Zug dieses Sehnsuchtsliedes aber ist, dass untypischerweise (vgl. im Hld dagegen Hld 8,1-3; auch sonst wird in antiken Sehnsuchtsliedern die Sehnsucht üblicherweise nicht gestillt) die drei erwünschten Dinge direkt erfüllt werden: Der Wunsch nach den Liebkosungen in 1,2a mit dem Ausruf in 1,2b-3, der Wunsch nach dem hinter-dem-Geliebten-hergezogen-Werden in 1,4a mit dem Ausruf in 1,4b und der Wunsch nach dem jubeln-Können in 1,4cd in mit dem Ausruf in 1,4e. Das erste und das letzte Lied sind damit „sittliche Gegensätze“: Dort nämlich wird ein sehr viel harmloserer Wunsch (mit dem selben „viele – ich“-Wechsel: Viele wollen's, mir gewähre es!) nicht erfüllt. Zur richtigen Einordnung des hier Geschilderten sei betont, dass der Inhalt dieses ersten Liedes im hellenistischen Israel unerhört war: In Fragen der Sexualität und Geschlechterrollen war die Kultur der damaligen Zeit so repressiv, dass Frauen idealiter nicht einmal mehr ihr Haus verlassen sollten, nicht in Sichtweite oder gar Kontakt mit Männern – selbst Verwandten! – kommen durften, sich, wenn es sich doch nicht vermeiden ließ, beim Verlassen des Hauses verschleiern mussten etc. (vgl. daz z.B. Ilan 2006, S. 122-134). Das Hohelied setzt also ein mit einem moralischen Paukenschlag: Was die Frau hier erzählt, war sittlich sehr klar zu verurteilen. Das selbe gilt für die beiden folgenden Lieder, die als sittliches Negativ ebenfalls ihr sittliches Positiv am Ende des Hld haben.
Der moralische Paukenschlag ist sogar noch lauter, wenn man sich beim Verständnis der Rede von der Parfumierung und vom Wein in diesem hellenistischen Text von vergleichbaren Texten in der gr. Literatur leiten lässt: Dort nämlich sind Öle und Parfums Aphrodisiaka (in den Deipnosophisate XV 37 etwa ist ein Fragment von Archilochus (7. Jhd. v. Chr.) überliefert, in dem eine Frau „so sehr parfümiert an Haupt und Brust ist, dass selbst ein Greis sich in sie verlieben muss“) und werden daher regelmäßig beim Geschlechtsverkehr verwendet.au Wissenschaftlich hat diesen Usus Theophrast in De Odoribus 58 aufgearbeitet, wo auch erläutert wird, dass in dieser Situation das Parfum oft erst noch mit Wein vermischt wurde, bevor es auf die Bettstatt aufgetragen wurde. Ein ähnlicher Brauch ist auch schon überliefert in Spr 7,17, wo die Sprecherin erklärt, ihr Bett mit Myrrhe, Aloe und Zimt parfümiert zu haben, um in V. 18 ihren Liebhaber aufzufordern: „Komm, lass uns uns an Liebkosungen berauschen bis zum Morgen!“ Das Parfumgemisch, auf das hier offenbar angespielt wird, nannte man früher „das Ägyptische“: Hergestellt wurde es, indem man Zimt, Myrrhe und andere Zutaten in Wein löste, um so den Geruch des Parfums süßer zu machen (vgl. ebd. 28.30.44). Was wegen den „Küssen“ und den „Liebkosungen“ ohnehin naheliegt, wird durch die Einspielung von „Wein“ und „Ölen“ noch verstärkt: Das Hohelied eröffnet ganz unverhohlen mit einer Sex-Szene.


Das zweite Lied (Vv. 5f.) gehört zur Gattung der „Selbstbeschreibungen“av „Schwarz bin ich, aber trotzdem schön!“, sagt sie; und: „schaut nicht auf mich herab, weil ich so schwarz bin“, und fügt dann noch eine Erklärung an, wie es zu dieser ihrer schwarzen Hautfarbe kam. Grund dafür ist, dass eine schwarze Hautfarbe nicht dem damals geltenden Schönheitsideal entsprach (s. Hld 5,10; bes. auch Klgl 4,7f.). Auch hierfür finden sich häufig Parallelen v.a. in griechischen Texten. Z.B. heißt es in einem Epigramm von Asklepiades:

Und wenn sie [=Didyme] auch dunkel gefärbt ist: Was macht das? Das gilt auch für Kohlen, doch wenn man jene
entzündet, leuchten sie wie Rosenknospen!(AG V 210)aw

Auf den ersten Blick scheint also das zweite Lied eine Selbstverteidigung zu sein: Man soll doch nicht auf sie herabsehen, weil sie so schwarz ist; sie ist schwarz und trotzdem schön! So versteht das Lied z.B. gut Hunter 2000, S. 122f. – doch wäre dann schwer verständlich, was ein solches Lied in einer Sammlung von Liebesliedern zu suchen hätte. Der Schlüssel zum richtigen Verständnis findet sich in der Struktur von V. 6, wo auffällig das Pferd von hinten aufgezäumt wird: „Ich bin schwarz – das deshalb, weil die Sonne auf mich geblickt hat – das deshalb, weil meine Brüder mir gezürnt und mich zur Weingartenhüterin eingesetzt haben – das deshalb, weil ich „meinen Weingarten, der mir gehört“, nicht gehütet habe.“ Das ganze Lied mündet auf diese Weise in den auffälligen Satz „Meinen Weingarten, der mir gehört, habe nicht gehütet.“ Dass Mädchen Weingärten hüten mussten, dürfte in der Tat vorgekommen sein; man vgl. z.B. P.Anastasi I 24.2: „Du wirst ein kleines Mädchen finden, das den Garten bewacht. Sie befreundet sich mit dir als Genossen und gibt dir die Farbe ihres Schoßes.(Üs. nach COS und Ringgren). Auffällig ist der Satz aber erstens wegen der unnötigen Wiederholung der Besitzangabe: „Mein Weingarten, der mir gehört“. Auffällig ist er außerdem, weil es ja Unsinn wäre, wenn die Brüder die Sprecherin zur Weingartenhüterin gemacht hätten, nachdem sie schon ihren eigenen Weingarten nicht gehütet hatte. Und auffällig ist er schließlich, weil eine Frau gar kein Land besitzen konnte, wenn es in ihrer Familie gleichzeitig erbberechtigte Brüder gab (s. Erbe/Erbrecht (AT) (WiBiLex)). „Mein Weingarten, der mir gehört“ ist daher sicher symbolisch zu verstehen. Ein recht starkes Indiz für die Bedeutung ist, dass schon in der sumerischen und griechischen Lyrik Gärten und Landschaften häufiger für den weiblichen Unterleib stehen.ax In die lat. Dichtung hat dies Eingang gefunden als das Motiv des hortus puella, des „Mädchens als Garten“ – etwa in der Anthologia Latina, Epigramm 885:

Der Garten der Hesperiden, oh Sabelle, ist gepflegt,
Unser noch gepflegterer Garten aber sind die Mädchen!

Dies ist dann wohl auch hier die Bedeutung des zweiten „Weingartens“: Die Sprecherin hat ihre Jungfräulichkeit verloren. Die geschilderte Geschichte der Sprecherin lässt sich dann von Ex 22,16 her erklären: Für gewöhnlich waren ein Mann und eine unverheiratete Frau nach vorehelichem Geschlechtsverkehr zur Heirat verpflichtet; s. Ex 22,15f.; Dtn 22,28f.; m.Kid i 1 u.ö. Ausnahme war die, dass im Falle einer „Verführung“ der Vater und/oder die Brüder der Verführten durchaus gegen diese Heirat waren (s. eben Ex 22,16). Häufig dürfte ein solches Heiratsverbot nicht vorgekommen sein, da die Verheiratung einer entjungferten Frau im Alten Israel sehr schwierig war. Diese Situation haben wir uns hier aber offenbar vorzustellen: Dass die Liebende sich verführen lassen hat, hat ihre Brüder so sehr erzürnt, dass sie die Heirat zwischen Verführer und Verführter untersagt, sie in die Weingärten der Familie verbannt und so zu einem Single-Dasein verdammt haben. Dort lebt sie nun mit diesem schweren Schicksal in Schande, und auch dafür steht wohl symbolisch ihre „Schwärze“; verständlich ist also ihre Bitte an die Jerusalemerinnen, sie nicht anzusehen.
Was in diesem Lied geschildert wird, ist also nichts Schönes. Ganz im Gegensatz zum vorletzten Lied, Hld 8,11f., wo die Sprecherin entschieden erklärt, „ihren Weingarten, der ihr gehört“, hüten zu wollen: Ähnlich wie das letzte Lied zum ersten ist hier das vorletzte Lied das „sittliche Positiv“ zu diesem zweiten Lied.


Das dritte Lied (Vv. 7-8) ist ein Rendezvous-Antrag einer Ziegenhirtin an einen Schafhirten, mit dem ein mittägliches Stelldichein organisiert werden soll. Schon sprachlich ist der Text als Dialog erkennbar, denn ganz auffällig fehlt hier jegliches Merkmal für hebräische Lyrik; stattdessen wird sehr prosaisch zweimal ein einzelner Satz durch Enjambements in jeweils fünf Zeilen aufgeteilt.
Hirten machten um die Mittagszeit Rast und ließen ihr Vieh weiden; da also wäre es dem Pärchen möglich, sich einander zu widmen – wenn sie nur zueinander fänden. Denn dies war leichter gesagt als getan: Weibliche Hirten konnten ihre Tiere vermutlich nur in Dorfnähe weiden (s. gleich und vgl. Dalman, AuS VI, S. 213.232), daher versteht es sich, dass sie nicht weiß, wo sich ihr Geliebter aufhält; zumal Hirten bisweilen beträchtliche Wege zurücklegen müssen konnten, um ihr Vieh vom Nachtlager zum mittäglichen Weideplatz zu bringen.
Damit, dass sie dennoch zu ihm kommen möchte, nimmt sie ein nicht geringes Risiko auf sich: Vor allem unverschleiert umherlaufende Frauen liefen Gefahr, mindestens belästigt zu werden, wenn sie ohne Begleitung auf fremde Männer stießen. Im Koran (Al-Ahzab 33,59) etwa wird das Kopftuchgebot gerade damit begründet: „Oh Prophet! Sprich zu deinen Frauen und deinen Töchtern und zu den Frauen der Gläubigen, sie sollen ihre Übergewänder reichlich über sich ziehen. So ist es am ehesten gewährleistet, dass sie erkannt und nicht belästigt werden.“ „Erkannt werden“ sollen sie vermutlich als zu einem muslimischen Mann gehörig: Der Brauch, eine Frau bei und ab ihrer Hochzeit zu verschleiern, war im ganzen Alten Orient verbreitet (vgl. gut van der Toorn 1995; Galter 2021), und die Verschleierung als Zeichen dafür, dass eine Frau vergeben und nicht zu belästigen ist, haben wir uns wohl auch für die Bibel zu denken. So verschleiert sich Rebekka in Gen 24,65 erst, als sie in die Sichtweite ihres künftigen Ehemanns kommt, und in der Geschichte von Tamar ist der Schleier der Gegensatz zu ihrer Witwenkleidung: Da legte sie die Witwenkleidung ab und bedeckte sich mit einem Schleier und verschleierte sich... Danach ging sie los, legte ihren Schleier ab und zog ihre Witwenkleidung an. (Gen 38,14.19):

„In early Oriental tradition the veil symbolized a state of distinction and luxury rather than feminine modesty. [...] It bespoke woman's inaccessibility not so much in a sexual sense but as a sanctified possession of her husband.“ (Brayer 1986, S. 139)

In m.Ket vii 6 ist es daher sogar ein Scheidungsgrund, wenn eine verheiratete Frau sich nicht verschleiert.
Wahrscheinlich ist dies der Hintergrund für das „als Verschleierte“ in V. 7: Die Hirtin fürchtet, statt auf ihren Geliebten auf andere Hirten zu stoßen, von denen sie als allein durch die Gegend ziehendes, unverheiratetes Mädchen belästigt werden könnte, wogegen sie sich nur schützen konnte, indem sie durch Verschleierung die Verheiratete spielte. In etwa die selbe Bedeutung hätte es, wenn man der Textvariante „wie eine Wandernde“ folgt: Sie hat Angst, auf ihrer Wanderung in die Nähe der anderen Hirten zu kommen.ay
Die Antwort kommt überraschend und ist der Grund dafür, dass viele Exegeten das kleine Lied der Gattung „Scherzgespräch“ zuordnen: Anstatt Auskunft zu geben über den eigenen Weideplatz, so dass die Geliebte die anderen Hirten umgehen kann, schickt er sie geradewegs in das Nachtlager derselben. Verstärkt wird dies durch die Doppeldeutigkeit des Wortes „Zicklein“ (s. zum Wort): „Weide deine Zicklein (=Brüste) bei den Zelten der Hirten“ wäre dann geradezu eine Aufforderung, sich den anderen Hirten hinzugeben (vgl. z.B. Fox; Elliott 1989, S. 54; Bergant 2001, S. 18). Auffällig ist diese Doppeldeutigkeit in diesem dritten Lied auch deshalb, weil auch im drittletzten Lied von den Brüsten der Frau die Rede ist, diese dort aber gerade als unzugänglich und wohlgehütet dargestellt werden. Ein drittes Mal bildet derart ein „sittlichen Negativ“ mit seinem entsprechenden Positiv einen Rahmen um den Rest des Hld.


Vv. 9-11 lassen sich auf zwei Weisen verstehen. In der Regel hält man es für ein Bewunderungslied: der Sprecher preist die durch ihren Schmuck noch unterstrichene Schönheit seiner Geliebten, indem er sie mit prächtig geschmückten Pferden vergleicht. Ab V. 10 spricht er also nicht mehr von Pferden, sondern von seiner geschmückten Geliebten, und begeistert beschließt er in V. 11, ihr noch exquisiteren Schmuck anfertigen zu lassen. Vergleichen könnte man dann z.B. folgendes Liebesgedicht von Nabû und Tašmetu:

[Tašmetu:] „Mein Herr, steck mir einen Ohrring an;
Lass mich dir im Garten Lust bereiten!
Nabû, mein Herr, steck mir einen Ohrring an,
Lass mich dir in der Schreibschule Lust bereiten!“
[Nabû:] „Meine Tašmetu, ich werde dir Reifen aus Karneol anstecken!
... deine Reifen aus Karneol!“ (Üs. nach Nissinen 1998, S. 588)

Wahrscheinlicher ist aber, dass das zweimal verwendete Wort tor (s. FN ac) nicht Schmuckstücke bezeichnet, sondern prächtiges Zaumzeug (so bereits Ibn Ezra). Das passt zu Parallelen in der gr. Literatur; auch dort nämlich ist der Vergleich von Frauen mit gezäumten Pferden nicht selten, nämlich meist als Bild dafür, eine Frau dazu zu bringen, sich in jemanden zu verlieben. Am bekanntesten ist sicher Anakreons Gedicht an ein thrakisches Fohlen, mit dem sehr wahrscheinlich ein Mädchen gemeint ist:

Thrakisch Füllen, warum wirfst du doch
auf mich so schräge Blicke?
Grausam fliehst du mich, du traust
mir wohl des Klugen wenig zu?
Aber wisse nur, ich wollte
dich aufs allerbeste zäumen,
Und dich fest im Zügel haltend lenken
um das Ziel der Bahn.
Jetzt noch weidest du im Grünen,
spielst umher in leichten Sprüngen,
Denn es mangelt noch ein Reiter,
der der Schule kundig ist.(Üs.: Mörike; weitere Bspp. in Walter 2019, S. 15-17.)

Es ist sehr gut möglich, dass unser Lied besser entsprechend diesem Gedicht von Anakreon zu verstehen ist: Der Sprecher möchte seine Angebetene den „Pferden vor den Wägen des Pharao“ – also Kriegspferden; ähnlich wilden Pferden wie thrakische Pferde (die von den Thrakern ebenfalls vor ihre Streitwägen gespannt wurden)gleich machen (V. 9), nämlich indem er sie sie durch Zügel zähmt (V. 11). Wie gut gefiele sie ihm doch in solchen Zügeln (V. 10)!az Ein sehr ähnliches Bild findet sich in Hos 11,4, wo Gott sein Volk mit „Seilen der Liebe“ zieht, was dann umschrieben wird mit „das Joch um die Wangen binden“, womit sicher ebenfalls Zaumzeug gemeint ist, da auch Pferde und Rinder ein Joch natürlich nicht auf den Wangen tragen.


Das fünfte Lied (Vv. 12-14) ist ein Bewunderungslied, in dem die Sprecherin den Duft ihres Geliebten preist. Für ein ganz ähnliches Motiv s. das Eigenlob der Weisheit in Sir 24,15; auch oben Hld 1,3. Während man in V. 12 noch denken könnte, die Sprecherin preise ihren eigenen Duft, der bis zum König dringt, machen Vv. 13-14 klar: „der König“, „meine Narde“, „ein Myrrhensäckchen“ und „eine Hennadolde“ sind alles Ausdrücke für den wunderbar duftenden Geliebten, der auf seiner Couch so nahe bei ihr liegt, dass man ihn mit dem „Myrrhensäckchen zwischen ihren Brüsten“ vergleichen kann.

Columbarium in Hirbat Midras
Mosaik, 1. Jh.; Palästina: Ägyptisches Columbarium. (c) Zissu, Boaz: This Place is for the Birds, in: BAR 35/3, 2009.
Die nächsten drei Verse sind die erste Strophe des sechsten Liedes (Hld 1,15-2,7).ba Motivisch ist es eng mit dem vorigen Lied verwandt, wo der Geliebte mehrfach als duftende Pflanze beschrieben wurde: auch von Hld 1,15-2,7 ist das vereinigende Motiv die Veschmelzung von menschlicher und „pflanzlicher“ Dimension. In Vv. 15-17 wird das Liebesnest des Päärchens unter Zedern und Zypressen zu ihrem Palast. Vv. 1-3 werden beide Geliebten zu Blumen; Vv. 2-3ab wiederholen dabei auf dieser metaphorischen Ebene die Aussagen von Vv. 15-16a.bb Und in Vv. 4-7 wird das „Haus“ noch einmal umdefiniert zum „Weinhaus“ und die Vereinigung des Päärchens zu „Traubenkuchen und Aprikosen“.

Mit dieser Vereinigung in der Wildnis wird natürlich ein Tabu gebrochen; man vgl. z.B., wie die Mutter in 4 Makk 18,7f. ihre eigene Tugend herausstellt:

Ich war eine keusche Jungfrau und überschritt nicht die Schwelle meines Vaterhauses: Im Gegenteil hütete ich die ausgebaute Rippe [gemeint ist der weibliche Körper; s. Gen 2,21f.]: Mich schändete kein Verderber in der Wildnis/an einsamen Ort, kein Schänder auf dem Feld; auch durch Betrug vedarb mir kein Verderber die Keuschheit meiner Jungfräulicheit gleich der Schlange [, als diese Eva verführte, s. Gen 3,13].


Was in Hld 1,15-2,7 geschildert wird, wiederspricht jeder israelitischen Tugendvorstellung. Dass man sich davor hüten muss, diese Strophen als eine Art Hochgesang auf die freie Liebe aufzufassen, zeigen ohnehin deutlich die letzten Verse des Liedes.


Hld 1,15-17 ist sehr ekstatisch gesprochen, sowohl das dreimalige „Siehe/Fürwahr!“ als auch das zweimalige „Ja!“ dienen dazu, die Aussagen noch stärker zu machen: Es handelt sich hier nicht um nüchterne Lobessprüche, sondern jubilierende Lobpreisungen der Schönheit des jeweils anderen.
„Meine Freundin, du bist schön“, beginnt der Mann, und: „Deine Augen sind Tauben“. Wie diese Metapher zu verstehen ist, ist umstritten. „Aus dem Kontext können wir jedenfalls sicher darauf schließen, dass [sie] als Kompliment [gemeint] ist“ (Longman 2001, S. 108) und offenbar mit der Schönheit der Geliebten zusammenhängt. Das Bild der Geliebten als „Taube“ findet sich noch öfter im Hohelied: In Hld 2,14 wird die Geliebte selbst als „Taube in den Felsspalten, im Versteck in der Felswand“ bezeichnet, und in Hld 4,1 wird unser V. 15 noch einmal auführlicher wiederholt: „Deine Augen sind wie Tauben hinter deinem Schleier.“ Auch in unserem Kapitel war wenige Verse zuvor vom Schleier die Rede.
Weil Tauben gefragte Opfertiere waren und zum Beispiel auch bei der Seefahrt verwendet wurden, züchtete man sie in sog. „Columbarien“; zwei schöne Abbildungen kann man rechts betrachten. Entweder sind mit den „Felsspalten, dem Versteck in der Felswand“ diese gemeint oder ihre natürliche Variante, also natürliche Höhlen im Fels, in die Tauben sich zurückziehen. Lässt man sich beim Verständnis unseres Verses von Hld 2,14; 4,1 leiten, müsste man so erklären, dass das Hervorblicken der Augen der Geliebten von hinter ihrem Schleier (natürlich) als schön und reizend empfunden wurde, daher besungen wird und zu diesem Zweck gleichgesetzt wird mit der aus ihrem Felsversteck hervorspitzenden Taube.
Die Geliebte gibt das Kompliment zurück: „Auch du bist schön, mein Geliebter!“. Die folgenden Zeilen machen klar, woher die ekstatische Stimmung rührt: Die Liebenden liegen beieinander in einem Liebesnest unter Bäumen. Passend wird daher im letzten Vers auch dieses gepriesen und metaphorisch zum Königspalast überhöht (Zu Zedern und Zypressen als königliches Bauholz s. 1 Kön 5,22.24; zu Zedern noch 2 Sam 7,2; zu Zypressen noch 1 Kön 6,15).

aLied der Lieder - Eine der Weisen, im Heb. einen Superlativ zu bilden: „Das schönste Lied“. (Zurück zu v.1)
bwelche [sind] (welches [ist]) - der Nebensatz lässt sich entweder auf das Lied („Salomo hat dieses schönste aller Lieder geschrieben“) oder auf der Lieder beziehen („Dieses Lied ist das schönste von Salomos Liedern“). Diese zweite Auflösung ist wahrscheinlicher, da für die erste Auflösung die Relativpartikel welche(s) unnötig wäre (s. die vielen Psalmüberschriften ohne Relativpartikel; so richtig Rudolph). (Zurück zu v.1)
cDas Hohelied besteht zu einem großen Teil aus Dialogen. Das Verständnis des Textes wird sehr dadurch erschwert, dass im hebräischen Text nie angegeben ist, wer welche Textteile spricht. Schon in der LXX und VUL haben daher Schreiber sog. „Rubriken“ eingefügt, also mit roter Tinte geschriebene Angaben darüber, welchem Sprecher welche Äußerung zuzuschreiben ist (vgl. dazu Treat 1996, bes. S. 399ff.). Zur Förderung der Verständlichkeit der Üs. folgen wir diesem Beispiel; nur dort, wo in der Exegese größere Uneinigkeit über die Zuordnung einer Äußerung zu einem Sprecher herrscht, folgt darauf noch eine Extrafußnote zur Begründung dieser Zuordnung. (Zurück zu v.2 / zu v.5 / zu v.7 / zu v.8 / zu v.9 / zu v.12 / zu v.15 / zu v.16)
dWortspiel: Die Konsonanten von jiššaqeni („er küsse mich“) sind die selben wie von jašqeni („er gebe mir zu Trinken“); schon hier wird der Vergleich der Liebkosungen mit Wein in der nächsten Zeile vorbereitet (gut Morphy). (Zurück zu v.2)
eKüsse seines Mundes - die Extra-Nennung von „seines Mundes“ ist nicht überflüssig, da im Alten Orient auch der Nasenkuss verbreitet war: das Aneinanderreiben der Nasen als Zeichen der Zuneigung, wie wir das heute noch als „Eskimokuss“ kennen. Intimer war aber der Mundkuss (vgl. Fox), und dieser wird hier ersehnt.
tFN: Das mi- („mit / mit einigen von“) ist daher eher ein sog. Min instrumenti („Er soll mich mit Mund-küssen küssen!“) als ein Min partitivum (Einige der Küsse seines Mundes sollen auch mich treffen“). (Zurück zu v.2)
fLiebkosungen - Eher nicht: „Liebe“ (so viele Üss.); dod meint md. im Hohelied recht eindeutig sexuelle Handlungen (vgl. z.B. Bloch/Bloch; Garrett). (Zurück zu v.2)
gWein ist hier ein Symbol für das sehr Gute, das nur durch die „Liebkosungen“ des Geliebten noch übertroffen wird. Zu V. 2 s. ganz ähnlich Sir 40,20. V. 4 meint dann etwas wie „Mehr preisen, als wir Wein preisen würden“, nämlich eben, nachdem der Angebetete ihnen Grund zu dieser Preisung gegeben hat. Zum Grund, warum hier gerade Wein als Vergleichspunkt gewählt wird, s. die Anmerkungen. (Zurück zu v.2 / zu v.4)
hÖle - das altisraelitische Pendant zu Parfumen. S. dazu die Anmerkungen. (Zurück zu v.3)
iTextkritik: [deine] (deine) - In 6QCant (der bei Weitem ältesten erhaltenen heb. Handschrift v. Hld 1,3) und VUL fehlt das „deine“ (das -ka in šemaneka), das sich im MT und den übrigen alten Üss. findet. Das könnte gut die ursprüngliche Textversion sein: „deine“ wäre dann als Brachylogie aus der vorigen Zeile zu ergänzen; der Effekt dieser brachylogischen Formulierung ist ein Binnenreim: šemanim tobim („Öle gut“). MT und die alten Üss hätten dann das „deine“ zur Vereindeutigung auch im Text ergänzt. Möglich wäre theoretisch auch, dass ein Schreiber gerade zur Herstellung dieses Binnenreims das -eka durch -im ersetzt hat. Da aber dadurch gleichzeitig der Gleichklang von šemaneka („deine Öle“) und šemeka („dein Name“) zerstört worden wäre, ist das erste wahrscheinlicher. (Zurück zu v.3)
jtFN: An Geruch [sind] deine Öle gut ([Sie sind] besser als der Geruch deiner Öle; Oh!, der Geruch deiner Öle ist gut) - w. „l-Duft (von) Öle(n) gut/besser“; das l- ist entweder Lamed zur Markierung eines Dativs der Referenz (Zum Riechen / An Geruch sind sie gut“; so z.B. Fox, Murphy, Exum, Fishbane), Lamed comparativum (Als der Duft sind sie besser“; so Loretz, Pope) oder Lamed emphaticum (Oh!, ist der Duft deiner Öle gut!“, so z.B. Gerlemann, Garrett). Von der Formulierung her lässt sich zwischen diesen Alternativen kaum entscheiden; nach der Akzentuierung ist aber (1) gemeint, da bei einer Constructusverbindung nicht „Duft“, sondern „Öle“ Paschta tragen müsste.
So und so wurde sicher zu dieser Formulierung gegriffen, um Vv. 2f. chiastisch gestalten zu können: „(a) gut/besser (b) deine Liebkosungen (c) als Wein – (c') an Geruch (b') deine Öle (a') gut/besser“ (gut z.B. Bloch/Bloch). (Zurück zu v.3)
kTextkritik: Öl, [das] ausgegossen wird - Nach mask. „Öl“ erwartete man auch das folgende Partizip „ausgegossen“ als Mask.; turaq aber ist Fem. (statt mask. muraq). Pope und Exum erwägen, dass dies ein (seltener) Fall von Genus-Inkongruenz sei, wonach dann MT unproblematisch wäre, aber warum die beiden Wörter inkongruent verwendet worden sein sollen, wäre unklar. LXX, Aq, VUL und Tg übersetzen jedenfalls alle, als stünde muraq. Wahrscheinlicher war dies also eher ein reiner Schreibfehler (vgl. die graph. sehr ähnlichen תרק und מרק). (Zurück zu v.3)
ldein Name - häufiger Wechselbegriff für „du selbst“: Der Geliebte selbst ist „Mr. Parfum“, „Mr. Wohlgeruch“. Im MT wird diese Gleichsetzung unterstrichen durch den Gleichklang von „deine Öle“ und „dein Name“: šemaneka - šemeka.
Ein Nebeneffekt der Formulierung mit „dein Name“ ist, dass in diesen ohnehin schon sehr sinnlichen Versen auch noch eine Synästhesie zu finden ist: „dein Name (akustisch) ist ausgegossenes Öl (olfaktorisch + visuell).“ (Zurück zu v.3)
mZieh mich! Hinter dir... - Meist übersetzt als „Zieh mich hinter dir her! Lass uns rennen!“, so dass „uns“ sich auf die Geliebte und den Geliebten bezöge. Das liegt recht fern: Erstens zeigen die Akzente des MT (d.h. die Zeichen, mit denen die Schreiber des MT angezeigt haben, wie der Satz auszusprechen ist), dass der Text aufzuteilen ist zwischen „Zieh mich“ und „hinter dir“ und nicht zwischen „zieh mich hinter dir [her]“ und „lass uns rennen“ (richtig schon Hirt 1762, S. 71f.). Auch LXX teilt den Text so auf. Und zweitens ist es vor allem sehr unwahrscheinlich, dass die Frau ihren Geliebten im Folgenden dazu auffordern sollte, dass er gemeinsam mit ihr über sich selbst jubeln und seine eigenen Liebkosungen preisen soll. Richtiger daher van Ess: „Ziehe mich! Dir eilen wir nach!“; z.B. auch Daland 1888, S. , der den Text als Drama aufgefasst hat: „Court Lady: ‚Draw me - ‘ Chorus of Ladies: ‚- after thee will we run.‘“; ebenso Pouget 1948: „Shulamite: ‚Take me!‘ Daughters of Jerusalem (enthusiastically): ‚We shall run after thee!‘“. Zu absolutem „Zieh mich“ s. Hos 11,4. Alle wollen hinter ihm herlaufen, aber sie soll er ziehen. Strukturell entspricht dies damit recht genau dem letzten Lied, Hld 8,13f.: Auch dort lauschen „die Gefährten“ auf die Geliebte, doch nur ihn soll sie ihre Stimme hören lassen. (Zurück zu v.4)
nKönig - Kosename für den Geliebten. Ähnlich wird der Geliebte z.B. in ägyptischen Liebesliedern als „Prinz“ und in akkadischen Texten als „Herr“ und „Meister“ bezeichnet (vgl. Loretz; Fox; Held 1961, S. 5). (Zurück zu v.4 / zu v.12)
oriechen - so nach mehreren ma. jüd. Auslegern auch Gordis, Ringgren, Pope, Zakovitch, Exum, Fishbane, da das sehr häufige Wort zakar gelegentlich auch im Zhg. mit der Annahme eines Räucheropfers verwendet wird. Lev 2,2.9; Jes 66,3 und v.a. Lev 6,8 sprächen dann nicht von „Gedächtnis-/Preisopfern“, sondern von „Duftopfern“, in Lev 24,7 würde das Brot nicht zum „Gedächtnis/Preis“ dienen, sondern als „Duft“, und in Ps 20,4 sollte JHWH nicht der Opfer des Angesprochenen „gedenken“, sondern an ihnen „riechen“. Am nähesten ist Hos 14,8: „Sie sollen blühen wie ein Weinstock, dessen Ruf vs. Duft wie der Wein des Libanon ist.“ Mindestens bei Lev 2,2.9; 6,8; Jes 66,3 und Hos 14,8 liegt das auch wirklich nahe, aber hier macht doch der Parallelismus mit „jubeln und freuen“ schon wahrscheinlich, dass „preisen“ gemeint ist. (Zurück zu v.4)
ptFN: „Aufrichtig“ nach Ringgren. Fast alle Kommentare und Üss. wählen stattdessen „mit Recht“, aber das ist problematisch; s. gleich. Nach beiden Deutungen wäre das wörtl. „aufrecht, gerecht, Gerechtigkeit“ bedeutende Wort zu konstruieren als adverbialer Akkusativ der Art und Weise: „[auf] aufrechte [Weise], [mit] Recht“ (z.B. JM §126d).
Genauer: Die übliche Deutung ist nicht sehr wahrscheinlich; vermutlich ist dies ein false friend: Dafür, dass das entsprechende heb. Wort wie das Dt. neben „gerecht“ auch „berechtigt“ bedeuten kann, fehlen sonst alle Indizien (so richtig z.B. Fox). Auch die alten Üss. deuten daher nicht so: LXX hat „Gerechtigkeit liebt dich“, VUL „Gerechte lieben dich“, Sym „gerecht sind, die dich lieben“; Syr löst den Satz zusätzlich anders auf: „... mehr als Wein preisen, / mehr als Gerechtigkeit deine Liebe!“ In den Rubriken von LXX und VUL (s. FN c) wird wegen dieser Schwierigkeit zusätzlich eine Erklärung des Wortes geliefert: Im Codex Vaticanum findet sich die Rubrik „Die jungen Frauen rufen dem Ehemann den Namen der Braut zu: ‚Gerechtigkeit‘ hat dich geliebt!“, im Codex Venetus: „Die jungen Frauen geben der Braut den Nachnamen ‚Gerechtigkeit‘.“ und in einigen VUL-Hss.: „Die jungen Frauen rufen dem Bräutigam den Namen der Braut zu“ (was offensichtlich gar nicht zur VUL-Üs. passt, sondern aus einer weiteren, uns unbekannten LXX-Version übernommen sein wird). Das „Gerechtigkeit“ von LXX wird also jeweils wörtlich verstanden und dann auf die Braut oder die jungen Frauen bezogen. In 6QCant ist eine weitere Textvariante überliefert, die ähnlich zu deuten wäre: „sie sind geliebter als die Gerechten“.
Das wäre hier sogar passend: Was hier geschieht, war im Alten Israel offensichtlich moralisch höchst verwerflich – ein von vielen Frauen umschwärmter Mann zieht eine davon auf seine Kammer und beginnt, sie zu liebkosen. Man kann sich gut vorstellen, dass diese Verwerflichkeit damit unterstrichen wird, dass die, mit denen dies nicht geschieht, danach als „die Gerechten“ bezeichet werden können. Wohl daher z.B. noch LUT 12: „Die Frommen lieben dich“. Entsprechendes geschieht aber noch häufiger im Hld, und nie wird dort auch nur angedeutet, dies Verwerfliche sei auch wirklich verurteilenswert; außerdem würde man dann sicher feminines „Gerechte“ erwarten, nicht wie hier maskulines.
Andere Vorschläge zur Deutung finden sich mehrere in der neueren Bibelwissenschaft; auf breitere Zustimmung ist bisher keiner gestoßen und für keine davon gibt es sonderlich starke Argumente. Zu nennen sind v.a.: (1) Fox gibt mešarim (hier: „aufrecht“) im Anschluss an Raschi und ibn Ezra eine neue Bed., die komplett aus den Kontexten dieses Verses, von Hld 7,10 und von Spr 23,31 abzuleiten sei: „Geradeaus-Wein“ = „Wein der Glattheit“ =„leicht fließender Wein“: „Wir wollen deine Liebkosungen preisen! / Mehr als leicht fließenden Wein lieben sie dich“; ähnlich zu Hld 7,10 schon LUT 84 und SLT); (2) Fishbane; Gaster 1961, S. 195 und Noegel/Rendsburg 2009, S. 73f. FN 27 verstehen als eine Wein-Sorte: „junger Wein“ („Wir wollen deine Liebkosungen mehr als Wein preisen / mehr als jungen Wein lieben sie dich“); (3) ähnlich Gordis: „starker Wein“. Auf große Zustimmung ist keiner der drei Vorschläge gestoßen. (4) Der Vorschlag von Tur-Sinai 1954, S. 368f. und Biernot/Lombaard 2014 („Erektionen lieben dich“) bedarf wohl keinen Kommentars. (Zurück zu v.4)
qDas Hohelied besteht aus mehreren, voneinander mehr oder weniger unabhängigen Einzelliedern (s. näher die Anmerkungen). Wo jeweils ein neues Lied beginnt, ist im hebräischen Text nicht erkennbar; wir haben daher zur Steigerung der Verständlichkeit jeweils dort ein Sternchen eingefügt, wo unserer Meinung ein neues Lied beginnt. (Zurück zu v.4 / zu v.6 / zu v.8 / zu v.11 / zu v.14)
raber [trotzdem] (und) - Das Heb. kann beides bedeuten. Nach antiken Parallelen (s. die Anmerkungen) ist die Primärübersetzung etwas wahrscheinlicher; das antike Schönheitsideal war eine möglichst helle Hautfarbe (die auch zeigte, dass man es nicht nötig hatte, im Freien zu arbeiten). An der Bed. der Strophe ändert sich allerdings nichts, wenn man hier mit „und“ übersetzte; in der LF wäre dies daher vielleicht vorzuziehen, da bei einer Üs. „aber trotzdem“ sich manche Leser:innen vielleicht an dieser Stelle stören könnten und so die Akzeptabilität litte. (Zurück zu v.5)
sTöchter Jerusalems = „Jerusalemerinnen“. (Zurück zu v.5)
tKedar: Die Kedarener waren ein in Zelten wohnender Beduinenstamm. Zelte wurden damals auch aus der Wolle schwarzer Ziegen hergestellt, daher sind die „Zelte Kedars“ ein gutes Symbol für Schwärze.
Wortspiel: Die Konsonanten des Wortes qedar sind auch die Konsonanten des Wortes qadar („schwarz werden“). (Zurück zu v.5)
uZelte - Das Wort heißt nicht „Zeltdecken“ oder gar „Wandbehänge“, wie sich das in vielen Üss. findet, sondern ist, wie das aus dieser Stelle und Jes 54,2; Jer 4,20; 10,20; 49,29 hervorgeht, klar ein Synonym zum vorigen „Zelte.“ Wahrscheinlich ist „Zelte Salomos“ ein poetischer Ausdruck für „Salomos Palast“, das Symbol für Schönheit und Pracht schlechthin (vgl. Eidelkind 2012, S. 327).
Textkritik: Viele Exegeten und Üss. korrigieren allerdings den Text von šelomoh („Salomo“) zu šalmah („wie die Zelte Salmas“), ein arabischer Beduinenstamm. Diese Korrektur lässt sich mit keiner der alten Üss. stützen und ist daher abzulehnen. (Zurück zu v.5)
vHyperbaton: = „schwarz wie die Zelte Kedars, schön wie die Zelte Salomos.“ (so gut z.B. Krinetzki, Stadelmann, Fishbane). (Zurück zu v.5)
wWollt ihr mich nicht ansehen...!? - Verneinte rhetorische Frage (wie noch häufig) zum Ausdruck einer starken Aufforderung: „Schaut mich an...!“ (vgl. Exum 1981, S. 417f.; Gerhards 2000, S. 63-66; Gerhards 2010, S. 208); der Satz könnte also sowohl als eine starke Ablehnung als auch als eine starke Aufforderung gelesen werden. (Zurück zu v.6)
xso schwarz - Heb. šeḥarḥoret; einzig hier belegte Variante zum üblichen šaḥor. Solche Verdopplungen von Konsonanten (hier: ḥr: šeḥarḥoret) machen das so gebildete Wort häufig emphatischer; das ist wohl auch hier die Bed: „so schwarz“ (so schon ibn Janah). Andere fassen diese Wortbildungsform dagegen als Abschwächung: „[nur], weil ich ein bisschen schwärzlich bin“ (so z.B. Zakovitch; schon ibn Ezra). Das seltene Wort ist aber wohl v.a. aus klanglichen Gründen gewählt, um so am Ende dieser Doppelzeile Zischlaute anhäufen zu können, was die beiden inhaltlich verwandten Zeilen auch lautlich miteinander in Zhg. bringt: še`ani šearoret šeššezafatni hašemeš („weil ich so schwarz [bin], weil auf mich geblickt hat die Sonne“). (Zurück zu v.6)
ySöhne meiner Mutter - d.h. meine Vollbrüder, im Ggs. zu meinen Halbbrüdern, den Söhnen der anderen Frauen meines Vaters. Hier wohl statt „Brüder“ verwendet, weil „Schwester“ im Hld öfter als Kosename für die Geliebte verwendet wird; bei „Brüder“ hätte die Gefahr bestanden, dass man die „Brüder“ als ihre Geliebten missverstehen könnte. S. Hld 8,1, die einzige Stelle im Hld, wo das Wort „Bruder“ fällt: Dort ist es gerade auf den Geliebten bezogen. (Zurück zu v.6)
zentbrannt - nämlich im Zorn. Wortspiel (Satzteil-Hyperbaton): Das Wort für „entbrannt“ passt eigentlich besser zur Sonne als zu den Brüdern, denn das ist hier ihre Rolle: Sie hat die Frau „verbrannt“, also „gebräunt“ (vgl. Ijob 30,30: „Meine Haut ist schwarz geworden, / mein Leib ist vor Hitze verbrannt“; zu ähnlichen Wortspielen s. z.B. Ps 18,15: „Er warf Pfeile ... Einen Blitz schoss er“; Am 5,21: „Ich hasse, verwerfe eure Opfer / und eure Versammlungen mag ich nicht riechen“). Auf diese Weise wird der Zhg. der beiden Zeilen auch auf der Ebene der Wortbedeutung ausdrücklich gemacht: Dass die Sonne sie „verbrannt“ hat, ist letztlich darauf zurückzuführen, dass ihre Brüder gegen sie „entbrannt“ sind. (Zurück zu v.6)
aaden meine Seele liebt - d.h. „den ich liebe“; „meine Seele“ ist im Heb. ein häufiger Wechselbegriff für „ich“. (Zurück zu v.7)
abTextkritik: als Verschleierte (wie eine Wandernde) - MT, wahrscheinlich 6QCant und LXX haben „Verschleierte“. Syr, Sym, VUL und Tg aber übersetzen etwas wie „Wandernde“. Das könnte bedeuten, dass ihnen statt k´th die Konsonanten kt´h vorlagen. Möglicherweise hat aber auch das Wort im MT selbst auch die zweite Bedeutung „herumwandern“, nach der diese Versionen dann übersetzt hätten (vgl. z.B. Ginsburg; so schon Raschbam). Viele Exegeten und Üss. folgen dieser Variante; vgl. z.B. gut Bloch/Bloch; zuletzt Fishbane. Die Bedeutung wäre so und so aber wahrscheinlich recht ähnlich, s. die Anmerkungen. (Zurück zu v.7)
acMann (Töchter Jerusalems) - Eine ganze Reihe von Auslegern verstehen diese Anweisung als Aussage nicht des Mannes, sondern der Töchter Jerusalems; die meisten, weil sie die Äußerung als Abweisung der Frau verstehen. Einige wenige halten außerdem die Hirten oder gar den Dichter für die Sprecher. Nichts zwingt zu diesem Verständnis und „da in 7 der Geliebte angeredet wird, ist es natürlich, daß dieser und nicht sonst jemand in 8 antwortet.“ (Rudolph 1962, S. 125). (Zurück zu v.8)
adtFN: Brüste - Wohl ein Wortspiel. Die „Zicklein“ entsprechen dem Bild der Gazellenkitze in Hld 4,5; 7,4, die dort klar für die Brüste der Frau stehen. Das Wort selbst findet sich noch mal in Hld 1,13f.: Dort ist der „Myrrhensack-Geliebte“ zwischen den Brüsten der Geliebten eine Hennadolde in den Weingärten von En-Gedi, dem „Quell der Zicklein“. Darüber hinaus ist die Form auffällig und lässt sich auch, passend zu den zwei weiblichen Brüsten, als femininer Dual verstehen (so z.B. Peetz 2015, S. 91), wohingegen das Wort sonst üblicherweise Maskulinum ist (aber vgl. 11QPs 28,4, wo das Wort ebenfalls im Fem. steht). Vgl. zu diesem dritten Lied schließlich das drittletzte Lied, wo ebenfalls von den Brüsten der Frau die Rede ist. Offensichtlich soll mit den „Zicklein“ also (auch) recht unverblümt auf die Brüste der Frau angespielt werden. Eventuell – dahin weist zumindest, dass dann die Brüste sowohl als Gazellenkitze als auch als Zicklein bezeichnet würden – war dies im gesprochenen Hebräisch sogar ein häufigeres Bild für weibliche Brüste; ähnlich wie etwa das deutsche „Möpse“, das französische „nichons“ („Nestlinge“) oder die englischen Worte „tits“ (auch: „Meisen“) und „puppies“ („Welpen“). (Zurück zu v.8)
aetFN: Pferden (einer Stute, meiner Stute) - Heb. susati, von sus („Pferd“). Das Suffix -i könnte entweder (1a) als Possessivpronomen „mein“ oder (1b) als bedeutungsloser „Hireq compaginis“ verstanden werden (daher „meine“ vs. „eine“), und das Suffix -at- könnte das Wort entweder (2a) als Femininum oder (2b) als Kollektivbegriff markieren (daher „Stute“ vs. „Pferde“). Möglich ist daher jede der vier obigen Deutungen und jede ist schon vertreten worden. Da die folgenden „Wagen“ im Plural stehen, ist (2b) wahrscheinlicher als (2a) (so schon LXX und VUL) und da die Pferde nicht vor die Wagen des Sprechers, sondern die des Pharao gespannt sind, ist (1b) wahrscheinlicher als (1a) (so schon ibn Ezra). Für (1b) und (2b) z.B. Gerhards 2010, S. 331 FN 31. (Zurück zu v.9)
aftFN: Mit V. 9 beginnt eine Reihe von Versen bis Hld 2,2, die alle kein Athnach haben, sondern Zaqef, wo man Athnach erwarten könnte. Sehr kurze Verse wie diese sind selten noch an anderen Stellen so akzentuiert; erklären konnte dies bisher aber noch niemand. Vielleicht sind sie schlicht so kurz, dass nirgends eine Sprechpause gemacht worden wäre, die Athnach entsprochen hätte? (Zurück zu v.9)
agmache ich vergleichbar (vergleiche ich) - Meist: „vergleiche ich dich“. Das Wort damah an sich ist nicht selten; selten ist es aber in der hier verwendeten Stammform Piel, so dass mit dieser Stelle vergleichbar nur Jes 40,18.25 und Jes 46,5 sind. An beiden Stellen ist die Bed. von dmh Piel aber sehr wahrscheinlich nicht „vergleichen“, sondern „vergleichbar machen(so richtig Kön, S. 70; so zur Stelle auch ZLH, S. 175). Das stimmt zusammen mit der Bed. des Wortes im Hithpael, dem reflexiven Gegenstück des Piel: Auch dmh Hithpael heißt deutlich und auch nach allen geläufigen Lexika nicht „sich vergleichen“, sd. „sich gleich machen, gleichstellen“ – s. Jes 14,14 vom anmaßenden Menschen: „Ich will hinaufsteigen in die Höhe der Wolken, mich dem Höchsten gleichstellen!“ Diese Bed. liegt hier ohnehin näher, da in V. 11 davon die Rede ist, dass der Sprecher seiner Geliebten die torim, die Grund des Vergleichs in V. 9 sind, erst noch anfertigen will. (Zurück zu v.9)
ahmeine Freundin - Häufige Bezeichnung für die Geliebte im Hld; s. Hld 1,9.15; 2,2.10.13; 4,1.7; 5,2; 6,4. Außer in Hld 5,2 fällt der Ausdruck stets im Zhg. mit einer Aussage über das Aussehen der „Freundin“; wahrscheinlich hörte ein Israelit bei dem Ausdruck also irgendwie „Schönheit“ mit. (Zurück zu v.9 / zu v.15)
aiBanden (Zaumzeug) - Heb. torim; unbekanntes Wort. Meist abgeleitet von akk. târu („sich umwenden“), woraus dann abgeleitet wird, dass das Wort für „herumgehende“, also „runde“ Schmuckstücke oder für Schmuckstücke, die irgendwie um Frauenwangen „herumgehen“, stehe. Selbst nach dieser Ableitung ist klar, dass der Vergleichspunkt zwischen den geschmückten Wangen der Frau und den Pferden das Zaumzeug dieser Pferde ist (so z.B. auch Rudolph, Murphy, Garrett). Zu vergleichen sind aber ohnehin eher aram. tura` („Schnur, Band“); akk. ṭurru(m) („Band, Knoten“) und ug. tr, ein unsicheres Wort, dass aber wie hier drei Mal im Zhg. mit Pferden und Pferdewagen steht (UT 1121; 1122.1-7; 1127.6f.) und bei seiner vierten Verwendung (KTU 1.16 III 2: Das „tr von Erde und Himmel“) offenbar eine Verbindung von Himmel und Erde bezeichnet und daher sinnvoll von Dietrich/Loretz 1978, S. 424f. mit „Band“ übersetzt wird. Wahrscheinlicher ist hier also nicht von Kettchen oder Ringen die Rede, die dann erst noch mit Zaumzeug verglichen werden müssten, sondern direkt vom Zaumzeug: Von „Pferdebanden“. Zum Sinn s. die Anmerkungen. (Zurück zu v.10 / zu v.11)
ajPerlen (?) - Heb. ḥaruzim, ein weiteres unbekanntes Wort. Vielleicht hängt es zusammen mit dem arabischen ḫaraz („Perle“). Da sie am Hals getragen werden, könnten „Perlenketten“ gemeint sein (so schon Raschi; auch LXX und VUL übersetzen mit „Ketten“). Aber s. auch hier die Anmerkungen. (Zurück zu v.10)
akwill ich (wollen wir) - W. „wollen wir“. Da niemand sonst in diesem Lied erwähnt wird, handelt es sich wahrscheinlich wie z.B. in Gen 1,26 um einen „Plural deliberationis“ mit Sg.-Bed. (so z.B. Krinetzki). (Zurück zu v.11)
alMit Punkten aus Silber! - d.h. wohl „mit Silber granuliert“ (so gut Bloch/Bloch, Stadelmann). „Granulation“ ist eine antike Goldschmiedetechnik, bei der Goldflächen mit kleinen Kügelchen aus Gold oder anderen Metallen verziert werden (vgl. Granulation (Goldschmiedekunst) (Wikipedia)) – der Geliebte will ihr das Kostbarste vom Kostbaren anfertigen lassen. (Zurück zu v.11)
amCouch - Heb. mesab; im Biblischen Heb. hat es sonst die Bed. „Umgebung“. Hier besser nach dem Mischna-Heb. zu verstehen als „Couch, Divan“, die um einen Tisch herum angeordnet waren (daher viele Üss.: „Tafelrunde“; inspiriert von LXX: „Tisch“); vgl. z.B. Pope, Fox. (Zurück zu v.12)
anNarde - teurer Duftstoff aus dem Himalaya-Gebirge. Zur Verwendung von Nardenparfum bei Tisch s. noch Mk 14,3; Joh 12,3. (Zurück zu v.12)
aoMyrrhensäckchen (V. 13) + Hennabündel (V. 14) - Neben dem Auftragen von duftenden Ölen war im Alten Israel eine alternative Weise der Parfumierung das Tragen aromatischer Substanzen um den Hals (vgl. Pope). Das ist mit dem Myrrhensäckchen gemeint; auch die Hennadolden (für eine Abbildung s. hier) wurden wahrscheinlich in solchen Säckchen getragen. Zur Verwendung vom Myrrhenparfum im Bett s. noch Spr 7,17f.. Vgl. auch Sappho 96 D,10-22: „Nun, so will ich dich dran erinnern, weil du's vergißt, wieviel Glück und wie Schönes wir hier erlebt: ... Viel Girlanden aus duftenden Blumen hast du dir um den weichen Hals umgehängt, die geflochten aus Blüten fein; und mit glänzendem Myrrhenöl hast du dir deine schöne Haut eingesalbt und mit Salbe, die fürstliche heißt, und gelagert auf weichem Bett ... hast verströmt du die Sehnsucht nach ...(Üs. nach Treu). (Zurück zu v.13 / zu v.14)
apRuhend - Könnte sich sowohl auf das Myrrhensäckchen als auch auf den Geliebten beziehen; sicher bewusst so formuliert: Nicht nur lexikalisch, sondern auch grammatisch verschwimmt „Mr. Parfum“ und „echte“ Parfumierung. (Zurück zu v.13)
aqIn (aus) - Die Präp. b- heißt meist „in“, seltener auch „aus“, wofür aber eigentlich die Präp. m- verwendet würde. Hier wohl wg. eines Wortspiels: En-Gedi, steht wahrscheinlich sowohl für die Qualität des Hennaparfums (da in dieser Oase an der Westküste des Toten Meeres in der Tat auch heute noch Henna wächst und archäologische Funde vermuten lassen, dass dort früher außerdem Parfums produziert wurden; vgl. Pope, Fishbane) – daher „aus den Weingärten“ – als auch über den Ortsnamen („Zickleinsquell“) für die Brüste des Geliebten, zwischen denen der Geliebte „als Hennadolde“ liegt (s. zu V. 8) – daher „in den Weingärten“. (Zurück zu v.14)
arDeine Augen sind Tauben! - Umstrittene Metapher; s. die Anmerkungen. Alternativ sind zu ihrer Aufschlüsselung die verschiedensten Vorschläge gemacht worden; z.B., dass die Farbe von Tauben gemeint sei (graublau), die Form von Tauben (weil Augen in der antiken Ikonographie manchmal in Taubenform dargestellt wurden), die Konnotation von Tauben (Unschuld), der Symbolwert der Taube (gelegentlich nämlich: Taube=Götterbote; u.a. von Liebesgottheiten, daher „Liebesbote“) usw. (Zurück zu v.15)
astFN: Häuser: Plural mit Sg.-Bed.; vgl. GKC §124q (Zurück zu v.17)
atAssonanzen - Verwendung von Wörtern, die ähnliche Laute enthalten; vgl. dazu kürzlich sehr gut Noegel/Rendsburg 2009, S. 63-127. (Zurück zum Text: at)
auBspp.: In Plautus´ Komödie „Casina“ erkennt eine Ehefrau am parfümierten Kopf ihres Mannes, dass dieser wieder auf Frauenjagd war (237f.); ebenso in Meleagers Epigramm AG V 175. In Aristophanes´ „Ekklesiazusen“ dagegen ist gerade der nicht parfümierte Kopf Beweis dafür, dass Praxagora nicht von einem Geliebten kommt (522-5), worauf Blepyrus ausruft: „Kann denn eine Frau keinen Sex mehr haben, ohne parfümiert zu sein!?“ Vgl. auch die urkomische „Sex-Szene mit Hindernissen“ in Aristophanes, Lysistrata 938-947. (Zurück zum Text: au)
avMan beachte die Häufung der Worte für „ich“, „mich“ und „mein“. Im Heb. ist das noch auffälliger als in der Übersetzung; jedes dieser im Dt. eigenständigen Wörter ist im Heb. nämlich das Suffix -i, so dass neun der 15 Wörter im heb. Text auf -i enden: „Wollt ihr mich nicht ansehen, weil ich so schwarz bin, weil auf mich die Sonne geblickt hat? Die Söhne meiner Mutter waren gegen mich entbrannt. Sie haben mich der Weingärten gemacht. Meinen Weingarten, der mir gehört, habe ich nicht gehütet.“ (Zurück zum Text: av)
awZwei weitere Beispiele: Im Papyrus Oxyrhynchus XV nr. 1800 heißt es von Sappho: „Von Aussehen scheint sie höchst unansehnlich gewesen zu sein und sehr häßlich, denn ihr Gesicht war von dunkler Farbe, die Gestalt sehr klein.(Üs.: Treu). Und Gerhards zitiert gut auch Theokrits zehnte Idylle: „Anmutige Bombayka, ‚Syrerin‘ nennen dich alle, / verdorrt, sonnenverbrannt, ich allein aber [nenne dich] honiggelb. / Auch das Veilchen ist schwarz und die beschriebene Hyazinthe, / aber dennoch hält man sie in den Kränzen für die besten [Blumen].(Üs.: Gerhards 2010, S. 213) (Zurück zum Text: aw)
axZu den sumerischen Texten vgl. Cooper 1972, S. 161; Falkenstein 1964, S. 116; Pope; für das Gr. Archilochus, frg. 196W („Garten“); Anakreon, frg. 122 („Apfelgarten“); Aristophanes, Lysistrate 88f. („Steppe“); Euripides, Zyklop 168-71 und Weish 2,7-9 („Wiese“; zu Weish vgl. Hübner 1985, S. 2*; Schmitt 1986, S. 46); Sir 26,20 („Feld“); vgl. auch den häufigen Ausdruck „Säen und Pflügen“ für den ehelichen Verkehr (z.B. Platon, Kratylos 406b; Menander, Perikeiromene 894f.; Lukian, Timon 17; Plutarch, Moralia 144B; Euripides, Ion 1090-103). (Zurück zum Text: ax)
ayEinen ähnlichen Zhg. hat kürzlich Giszczak 2015 vermutet, der glaubt, „damit ich nicht sein muss wie eine Verschleierte bei den Herden deiner Gefährten“ solle die Angst der Hirtin ausdrücken, einen der anderen Hirten als den Geliebten heiraten zu müssen. Sehr viel verbreiteter ist die Position, die die Verschleierung der Tamar in Gen 38 als Zeichen für ihren Prostituiertenstand lesen möchten und daher diese Stelle so deuten, dass die Hirtin fürchtet, von den anderen Hirten für eine Prostituierte gehalten zu werden. Doch vor dem Hintergrund anderer altorientalischer Gebräuche, wo gelegentlich Prostituierten das Tragen von Kopftüchern sogar explizit verboten ist (z.B. in Assyrien, s. TUAT I/1 88 §40), ist das unwahrscheinlich; auch Rebekka in Gen 24 will sich mit ihrer Verschleierung ja sicher nicht als Prostituierte präsentieren. Andere verstehen den Schleier z.B. als bloße Tarnung, um nicht erkannt zu werden (z.B. Murphy), als Trauerkleidung (z.B. Raschi) oder als Ausdruck der Schüchternheit der Hirtin (z.B. Assis). Es ist sogar vorgeschlagen worden, das Wort meine „damit ich nicht mein Gewand ablausen muss“, also mich in Gegenwart der anderen Hirten zu Tode langweile und daher mein Gewand nach Läusen durchsuche (z.B. Fuerst, Emerton 1996, NEB) – sicher eher ein Zeichen dafür, wie schwer verständlich dieser Ausdruck ist, denn ein ernstzunehmender Deutungsvorschlag. (Zurück zum Text: ay)
az
Assyrisches Wagenpferd. Zeichnung nach einem Relief im British Museum von Rawlinson 1871, S. 417.
Zu den „goldenen Zügeln mit Perlen“ vergleichen kann man z.B. die „goldgezäumten“ Pferde von Ares und Athene in Homer, Il 5,358.363.720 u.ö., die goldenen Zügel in JosAs 5,5, die goldfarbig verzierten Zügel in STT 366:8, die bronzenen dardarah-Verzierungen von Zügeln in PBS 2/2 54:8 und das rechts abgebildete Zaumzeug eines assyrischen Wagenpferdes; aus späterer Zeit außerdem folgende Zeilen aus einem jerusalemer Klagelied auf den Tod einer jungen Frau:
O die junge Stute, unter den Pferden eine schnell eilende,
ihre Zügel sind mit Perlen und Korallen besetzt.(Üs.: Littmann);

und ähnlich folgende Zeilen aus einem arabischen Lied:

Vor dem Zelte des jungen Fürsten
steht eine junge Stute mit weißem Stirnmal
und angeschirrt mit Gold,
sie wird nicht in die Wüste hinausgelassen.(Üs.: Musil) (Zurück zum Text: az)
baHld 1,15-17 und Hld 2,1-3 betrachten z.B. auch Assis 2009, S. 60 und Ehrlich 1914, S. 5 als zusammenhängend; Hld 2,1-3 und Hld 2,4-7 z.B. Fischer 2010, S. 51 und Fox 1985, S. 95. Meistens werden diese drei Teile aber als einzelne Lieder genommen. (Zurück zum Text: ba)
bb„Du bist schön, meine Freundin“ = „Wie eine Iris unter Disteln ist meine Freundin unter den Töchtern“ und „Du bist schön, mein Geliebter; ja, lieblich“ = „Wie ein Aprikosenbaum unter Waldbäumen ist mein Geliebter unter den Söhnen [...,] seine Frucht ist süß an meinem Gaumen.“ (Zurück zum Text: bb)