Richter 13

Aus Die Offene Bibel

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Studienfassung (Richter 13)

1 {Und} Die (Söhne Israels=) Israeliten taten wieder (weiterhin), was in den Augen JHWHs böse (schlecht) [war].
Da (gab sie JHWH in die Hand der=) lieferte sie JHWH den Philistern aus für 40 Jahre.


2 Es war ein Mann aus Zoraa aus dem Clanb der Daniten. Sein Name war Manoach (=Ruhe, Ruheort, Heimstatt).c Seine Fraud war unfruchtbar und gebar nicht (hatte nicht(s) geboren). 3 Da erschien (ließ sich sehen) ein Bote JHWHs der Frau. Er sagte ihr:

„Siehe doch: du bist unfruchtbar und (Siehe doch, du Unfruchtbare:) du hast nicht geboren
Und wirst [nun aber] empfangen und wirst gebären einen Sohn!
4 So achte nun darauf, nicht zu trinken Wein oder Bier (Alkohol, Grappa, Weinschorle und unverdünnten Wein)e
Und nicht zu essen alles Unreine!

5 Denn siehe: Du wirst schwanger werden (bist schwanger)f und wirst gebären (bist gebärend)f einen Sohn.
Ein Schermesser darf nicht an sein Haupt kommen,
Denn ein Nasiräer des Gottes JHWH [wird] der Knabe vom Mutterleib an [sein].
Er ist's, der beginnen wird, zu retten Israel
(aus der Hand der=) Vor den Philistern.“


6 Die Frau kam (bei)g und sagte zu ihrem Mann {wie folgt}: „Ein Mann Gottes ist zu (bei) mir gekommen. Sein Aussehen [glich] dem Aussehen eines Boten Gottes, gar fürchterlich (sehr ansehnlich, mächtig).h Ich habe ihn (nicht)i gefragt, woher er sei, aber (und) nicht [einmal]j seinen Namen hat er mir gesagt. 7 Er sagte:

‚Siehe, du bist unfruchtbar und (du Unfruchtbare:) du wirst gebären (bist gebärend)f einen Sohn.k
So trinke nun kein Wein und Bier
Und iss alles Unreine nicht,
Denn ein Nasiräer des Gottes JHWH [wird] der Knabe [sein] von Mutterleib an
Bis zum Tag seines Todes!‘“


8 Da betete Manoach zu JHWH und sagte: „Bitte, Herr! Der Mann Gottes, den du gesandt hast, komme doch noch einmal zu uns und lehre uns, was wir tun sollen für (an) dem Knaben,l der geboren werden wird (soll)!“ 9 Gott (hörte auf die Stimme=) erhörte die Bitte Manoachs. Also kam der Bote Gottes noch einmal zur (bei der) Frau, als diese [gerade] (saß=) sich aufhielt auf dem Feld und ihr Mann Manoach nicht bei ihr war. 10 Da eilte die Frau und rannte und erzählte ihrem Mann. Sie sagte zu ihm: „Siehe, erschienen ist mir der Mann, der gekommen ist (am Tag=) anderntags (?)m zu mir!“n 11 Da erhob sich und ging Manoach hinter seiner Frau her. Als er zum Mann kam, fragte er ihn: „Bist du der Mann, der gesprochen hat zu der Frau?“ Er sagte: „(Ich [bins]=) Ja“.o 12 Manoach sagte: „Dann: [Wenn] eintrifft deine Worte,(Nun möge / Dann: Möge deine Worte eintreffen!)p was soll sein das Gesetz des Knaben und sein Tun (das Tun für ihn)?“q 13 Der Bote JHWHs sagte zu Manoach:

„Auf alles, was ich zur Frau sagte, soll sie achten.
14 Von allem, was aus dem Stock des Weins hervorgeht, soll sie nicht essen;
Wein und Bier darf sie nicht trinken,
Alles Unreine darf sie nicht essen.
Alles, was ich ihr auftrug, möge sie achten.“


15 Manoach sagte zu dem Boten JHWHs: „Wir würden dich (doch=) gerne aufhalten und vor dir Ziegen-Böckchen bereiten (um vor dir ein Ziegen-Böckchen zuzubereiten)!“ 16 Der Bote JHWHs sagte zu Manoach:

„Wenn du mich aufhältst,
Werde ich (von deinem Brot=) von deiner Speise nicht essen.
Wenn du aber ein Rauchopfer bereitest,
dem JHWH sollst du es räuchern!“r

Weil Manoach nicht wusste, dass er ein Bote JHWHs war,s 17 sagte Manoach zu dem Boten JHWHs: „Wert ist dein Name? Wenn deine Worte eintrifft,u wollen wir dich ehren!“ 18 Der Bote JHWHs sagte zu ihm: „(Warum dies=) Was soll das, dass du nach meinem Namen fragst? Er [ist ja] wunderbar (Er lautet: ‚Wunderbar‘)v 19 Manoach nahm ein Ziegen-Böcklein und das Speiseopfer und stieg empor auf den Felsen,w um es dem JHWH und [dem] Wundersamen zu bereiten (brachte [es] darf auf dem Felsen dem JHWH. Und er vollbrachte ein Wunder, um[s] zu tun).x {Und Manoach und seine Frau sahen es}y

20 Und als {es geschah, dass} die Flamme von aufz dem Altar himmelwärts emporstiegen, stieg der Bote JHWHs in der Flamme des Altars empor. Manoach und seine Frau sahen es und (fielen auf ihre Gesichter=) warfen sich nieder erdenwärts. 21 Und der Bote JHWHs erschien nicht wieder dem Manoach und seiner Frau.aa Da verstand Manoach, dass jener ein Bote JHWHs [gewesen war]. 22 Manoach sagte zu seiner Frau: „(Sterbend sterben werden wir=) Wir sind so tot! Denn Gott haben wir gesehen!“ 23 Seine Frau sagte ihm: „Würde es JHWH gefallen, uns zu töten, hätte er nicht (aus unseren Händen das=) das von uns dargebrachte Rauchopfer und Speiseopfer angenommen und uns nicht all dies sehen lassen und uns nicht derart belehrt.“


24 Die Frau gebar einen Sohn und nannte seinen Namen „Simson“ (=Sonne?, der Starke?, der Höfling?).ab Der Knabe wuchs aufac und JHWH segnete ihn. 25 Der Geist JHWHs begann, ihn aufzurühren im (ihn zu leiten ins)ad Lager von Danae zwischen Zora und Eschtaol.af

Anmerkungen

Mit Kapitel 13 beginnt eine Sammlung von Erzählungen über Simson, den letzten der großen Richter im Richterbuch. Der letzte Richter überhaupt dagegen wird erst Samuel sein (s. 1 Sam 7,6), der dann das Richteramt abschaffen und Israels ersten König installieren wird. Wie schon seine Vorgänger ist auch Simson keine durchweg positive Figur: Ab Kapitel 14 bedient sich Gott gerade seiner (nach biblischer Vorstellung verwerflichen) Schwäche für philistäische Frauen, um damit zu beginnen, die Israeliten aus der Hand der Philister zu befreien. Damit dies gelingen kann, segnet er ihn gleichzeitig mit übermenschlicher Stärke. Beides zusammen führt dazu, dass die Simson-Saga die unterhaltsamste unter den Erzählungen des Richterbuches ist.

Sie ist daher z.B. auch die, die mit Abstand am häufigsten in der neuzeitlichen Kunst zu Dramen (z.B. Milton: Samson Agonistes; Sachs: Samson fiel durch die Jahrtausende), Oratorien (z.B. Händel: Samson), Opern (z.B. Saint-Saëns: Samson et Dalila) und Popsongs (z.B. Tina Turner: Delilah's Power) ausgearbeitet, verfilmt (z.B. DeMille 1949; Philipps 1984; Roeg 1996; MacDonald 2018), gemalt und in Kinderbibeln nacherzählt wurde. Simsons Widerpart Delila in Kap. 16 hat es sogar zur musikalischen Trope gebracht, Delilah ist in der modernen Musik ein Symbolname für eine unglücklich geliebte Frau (z.B. Tom Jones: Delilah; Kiss: Modern Day Delilah; Plain White T's: Hey There Delilah; Queen: Delilah; Van Stephenson: Modern Day Delilah; aktuell: Swinem: Liar (Delilah) uvm.).

Ein weiterer Grund für diese Unterhaltsamkeit könnte sein, dass der Simson-Zyklus wahrscheinlich eine längere Textgeschichte hatte: Üblicherweise geht man heute davon aus, dass zunächst mehrere Sagen, Legenden und Anekdoten über den mächtigen Simson in Ri 14-15 gesammelt wurden, wozu dann später (ein) Redaktor(en) das märchenhafte Kap. 16 und das ganz anders geartete und überwiegend biblischen Stoffen nachgebildete Kap. 13 hinzugefügt haben, was dann eben den Kapiteln Ri 14-16 ihren sagen- und märchenhaften Charakter gab.

Es ist gut möglich, dass diese Rekonstruktion richtig ist; dann aber ist der Simson-Zyklus ein Meisterwerk biblischer Redaktionskunst. Ziemlich glatt nämlich lässt sich aus dem Gesamt der einzelnen Teile eine sie vereinigende Thematik ablesen: Im Zentrum des Simson-Zyklus stehen mit Ri 14,10-19 und Ri 16,4-22 zwei Erzählungen darüber, wie ein Geheimnis Simsons durch seine philistäische Verlobte oder Geliebte an die Philister verraten wird. Daran schließen sich in Ri 15 und Ri 16,23-30 jeweils Erzählungen über die Folgen dieses Verrats an. Vorangestellt ist Ri 14-16 schließlich die Vorgeschichte Simsons in Ri 13. Und lässt man sich beim Verständnis dieser Vorgeschichte von Ri 14-16 leiten, erkennt man schnell, dass auch hier das Hauptaugenmerk ebenfalls gar nicht der Ankündigung von Simsons Geburt liegt, sondern auf der Thematik „Geheimnis und Offenbarung“:

Wie viele Kapitel des Richterbuches beginnt auch Ri 13 in V. 1 zunächst mit der „Sündenformel“ und der „Übereignungsformel“ (Groß 2009, S. 648): Weil die Israeliten gesündigt haben, übereignet sie JHWH an die Philister, unter deren Knechtschaft sie 40 Jahre lang zu leben haben.
In V. 2 folgt nicht wie bei den vorigen Stellen, dass die Israeliten darauf zu Gott flehen, sondern ein zweiter Einleitungssatz führt mit Manoach und seiner Frau die beiden Eltern Simsons in die Geschichte ein. Wie viele Mütter wichtiger Figuren der biblischen Heilsgeschichte ist auch die Mutter Simsons unfruchtbar (man denke z.B. an Isaaks Mutter Sara in Gen 16-18, an Jakobs Mutter Rebekka in Gen 25, an Josephs Mutter Rahel in Gen 30, an Samuels Mutter Hannah in 1 Sam 1, an Johannes Mutter Elisabet in Lk 1 und weitere). Simson wird daher ein Geschenk Gottes nicht nur an die Israeliten sein, sondern auch an sie persönlich.
Obwohl untypischerweise weder die Israeliten um Befreiung noch Manoachs Frau um Fruchtbarkeit gebetet haben, erbarmt sich JHWH ihrer – offenbar aus reiner Gnade – und schickt in V. 3 einen Engel zur Frau, um ihr die frohe Botschaft zu bringen: Sie wird einen Sohn empfangen. Dieser wird nach Vv. 4f. nicht nur ein Gottesgeschenk an Frau und Volk sein, sondern darüber hinaus auch noch ein „Nasiräer“, und dies ungewöhnlicherweise sogar „von Mutterleib an“.

Was genau dieses Nasiräertum im Simsonzyklus bedeutet, ist nicht ganz klar. V.a. aus Num 6 wissen wir zwar, was ein Nasiräer grundsätzlich war und was grundsätzlich für ihn galt: Nasiräer waren Menschen, die sich selbst durch ein Gelübde für einige Zeit Gott weihten, wonach sie sich an besondere Reinheitsgebote wie insbesondere (1) den Verzicht auf Alkohol und (2) die Vermeidung des Kontakts mit Leichen zu halten hatten und sich außerdem (3) nicht die Haare schneiden durften. Einige Ausleger:innen glauben, dass dies das Leitthema des Simsonzyklus sei: In Ri 13 werde Simson zum Nasiräer bestimmt, in Ri 14,5-9 aber komme er in Kontakt mit Aas, in Ri 14,10-20 veranstalte er ein Trinkgelage, in Ri 15 gerate er durch seine Kriegshandlungen in Kontakt mit vielen Leichen und in Ri 16 schließlich lasse er sich auch noch seine Haare scheren; der rote Faden der Simson-Saga sei also, wie Simson Schritt für Schritt mit allen Nasiräergelübden breche.
Das ist aber zunächst schon literarisch keine sehr stimmige Auslegung: Wie wir gleich sehen werden, erklärt es schon die auffällige Gestaltung von Ri 13 überhaupt nicht. In Ri 14,10-20 ist nur in V. 10 von dem Trinkgelage die Rede und es ist auch gar nicht klar, ob Simson selbst überhaupt zur Flasche greift. In Ri 15 wird nur in zwei Versen von Simsons Kämpfen berichtet. Ri 16 stimmte mit dieser Auslegung gut zusammen, aber von den vorangehenden Kapitel werden für diese Deutung nur sechs Verse berücksichtigt und gerade die so bestimmende Verrats-Thematik nicht. Zudem ist ungewiss, ob man Ri 13-16 überhaupt mit Num 6 zusammenlesen darf. In mehrerlei Hinsicht unterscheiden sich nämlich schon in unseren zwei Versen die Nasiräerbestimmungen für Simson von denen aus Num 6. Erstens wird Simson nicht durch Gelübde zum Nasiräer auf Zeit, sondern „von Mutterleib an“. Das Selbe wird in 1 Sam 1,22 von Samuel berichtet. Zweitens wird das Alkoholverbot gar nicht über ihn verhängt, sondern über seine Mutter (s. zu V. 4). Von dem Verbot des Kontakts mit Leichen aus Num 6 wird gar nichts verlautet. Auch in Ri 16,17 erwähnt Simson von den dort erwähnten Nasiräerbestimmungen nur das Scherverbot. Möglicherweise gab es also neben dem Nasiräerstand auf Zeit einen lebenslangen Nasiräerstand, für den andere Regeln galten (so z.B. schon die Mischna in m.Naz 1,2), oder die Unterschiede zwischen Num 6 einerseits und Ri 13-16 und 1 Sam 1 andererseits sind damit zu erklären, dass die Kapitel aus unterschiedlichen Jahrhunderten stammen und der Nasiräerstand sich in der Zwischenzeit entwickelt hat. So und so fährt man gewiss am besten, wenn man unsere Vv. 4-5 als wichtige Grundlage von Ri 16 liest, die aber in Ri 14-15 zu vernachlässigen sind.

Nach diesen Versen wissen Leser:innen also bereits, dass Simson Gottesgeschenk sein wird, „Super-Nasiräer“ und Retter seines Volkes. Vv. 24f. werden dann schließlich ergänzen, dass Gott mit ihm ist und dass Simson dabei auch noch von Gottes Geist geleitet wird. So viele Würden werden in diesem Kapitel also auf Simson gehäuft, dass Leser:innen sich nach Kapitel 13 geradezu einen kleinen Messias erwarten müssten.

Wäre es nur das Anliegen von Ri 13, die Bedeutung Simsons schon durch den Bericht seiner Vorgeschichte zu unterstreichen und Simsons Nasiräertum einzuführen, hätte der Verfasser bereits hier aufhören und direkt zu diesen Vv. 24f. überleiten können. Das aber tut er nicht: Erst jetzt beginnt der längste Abschnitt Vv. 6-23 von Ri 13, der überwiegend nicht von Simsons Mutter, sondern von seinem Vater Manoach handelt – genauer nämlich davon, wie ihm, der noch nichts von seinem Sohn und dessen Geschick weiß, erstens seine Frau die Ankündigung des Engels nur teilweise weitererzählt, wie ihm auf seine Rückfrage der Engel sogar noch mehr verschweigt, und wie er drittens erst schritt- und teilweise hinter die Identität des Engels kommt.
Angestoßen wird diese Verwechslungsgeschichte dadurch, dass Manoachs Frau den Boten in V. 6 beschreibt als „Mann Gottes, dessen Aussehen dem Aussehen eines Boten Gottes glich, gar fürchterlich“, und dessen Herkunft und Identität ihr leider unbekannt seien. Um die Wiederkunft dieses „Mannes“ betet dann Manoach in V. 8, und seine Frage danach, ob er besagter „Mann“ sei, bejaht der Engel in V. 11 sogar. Dass er tatsächlich ein Engel sei, deutet sich zwar ironischerweise im Bericht seiner Frau bereits an; recht eigentlich muss es Manoach aber wegen ihrer und des Engels Formulierungen verborgen bleiben. Ähnlich muss Manoach überhaupt erst um seine Wiederkunft beten, weil seine Frau die Botschaft des Engels in V. 7 so sehr verkürzt hat: Ausgespart hat sie in ihrem Bericht, welche Gebote ihr Sohn zu befolgen haben wird – er darf seine Haare nicht schneiden – und welches Schicksal ihm bestimmt ist – er wird Israel retten –, und genau dies sind daher die beiden Aspekte, nach denen Manoach in V. 12 (anders als in V. 8) fragen wird.

In der Tat erhört Gott Manoachs Gebet in V. 8, sendet in V. 9 seinen Engel aber auch diesmal nicht „zu uns“ – also Manoachs Frau und ihm selbst –, sondern nur zu dieser. Das wird gleich fünffach betont: In V. 10 durch die beiden im Hebräischen überflüssigen „mir“ (s. zum Vers), v.a. aber durch die Formulierung von V. 9: „Gott erhörte die Bitte Manoachs. Also kam der Bote Gottes noch einmal zur Frau (!), als diese sich gerade auf dem Feld aufhielt (!) und ihr Mann Manoach nicht bei ihr war (!).“ Nachdem sie ihn in Vv. 10f. hinzugeholt hat, beantwortet ihm der Engel in V. 13f. seine Fragen, scheint diese dabei aber gezielt misszuverstehen nicht als Fragen nach Bestimmungen für und Bestimmung von seinem Sohn, sondern nur danach, was Manoach ohnehin bereits von seiner Frau berichtet wurde (s. zu V. 12). Und selbst hiervon spart er auffällig alles aus, was mit Simson selbst zu tun hat; einzig die Speisevorschriften für Manoachs Frau werden noch einmal breiter ausgefaltet.

Danach beginnt in V. 15 ein neuer Handlungsbogen, der die beiden von Manoachs Frau in V. 6 aufgeworfenen Fragen beantworten wird und der sehr deutlich aus Ri 6 abgeschrieben worden ist: Manoach will wie dort und wie Abraham in Gen 18 seinen göttlichen Besucher bewirten. Anders als dort schlägt Manoachs Besucher dieses Angebot aber aus und in V. 16 dagegen vor, stattdessen JHWH ein Opfer zu bereiten. Als darauf Manoach ihn in V. 17 nach seinem Namen fragt, wird ihm auch dies (ähnlich wie dem Jakob in Gen 23 und dem Mose in Ex 3) verwehrt: Der Name des Engels ist nach V. 18 zu „wunderbar“ für Manoach. Manoach begreift immer noch nicht, und so will er in V. 19 den Engel offenbar durch einen Trick doch dazu verführen, mit ihm zu speisen, indem er neben dem Speiseopfer doch auch ein Ziegenböcklein zum Opferaltar bringt. Doch bevor er seinen Plan in die Tat umsetzen kann, vollbringt der Engel in V. 20 wie in Ri 6,19-21 ein Wunder am Opferfeuer – ähnlich wie dort nämlich gerade, dass er einfach in den Flammen himmelwärts verschwindet. Da endlich begreift Manoach im auffällig formulierten V. 21. Gerade darin, dass der Engel nun verborgen ist und bleibt, entbirgt sich seine göttliche Natur: „Der Bote JHWHs erschien Manoach und seiner Frau nicht mehr. Da verstand Manoach, dass er ein Bote JHWHs gewesen war.“
Wie Gideon in Ri 6,22f. fürchtet er darauf um sein Leben und muss in V. 23 erst wieder von seiner Frau beruhigt werden. Ihr Hinweis auf das Speiseopfer und das Gesehene bezieht sich dabei zurück den Opferabschnitt Vv. 15-20, ihr Verweis auf das Gehörte auf die Prophezeiung des Engels in Vv. 3-14. Die letzten beiden Verse schlagen den Bogen zurück zu V. 2, indem die „Unfruchtbare, die nicht gebar“ aus V. 2b nun in V. 24 einen Sohn „gebiert“ und indem dieser Sohn von Manoach „aus Zora vom Daniten-Clan“ (V. 2a) nun in V. 25 beginnt, von Gottes Geist „im Dan-Lager zwischen Zora“ und Eschtaol umhergetrieben zu werden.

Damit ist diese erste Geschichte des Simson-Zyklus an ihr Ziel gelangt. Und es ist eine merkwürdige Geschichte. Ihr Hauptaugenmerk liegt überraschenderweise nicht auf der Verkündigung des Gotteskindes Simson durch den Engel an Manoachs Frau, die bereits in V. 5 zu Ende erzählt ist. Stattdessen liegt es ab V. 6 mehr auf dem Geschehen von Verkündigung an sich, insofern auch auf Nachfrage ihrem Mann Manoach das Schicksal seines Sohnes in Vv. 8-14 gerade nicht klarer wird, und indem ihm in Vv. 15-21 auch die Identität des Verkünders erst schrittweise aufgeht. Oder vielmehr: Ebenfalls gerade nicht aufgeht. Denn davon, „woher er sei“, wird nur klar, dass es „himmelwärts“ gelegen ist, und auch von seinem Namen nur so viel, dass dieser „wunderbar“ ist. Diese Unverfügbarkeit des Gottesboten wird zusätzlich mindestens dadurch unterstrichen, dass Manoach in diesem zentralen Abschnitt gleich doppelt abgewiesen wird (vgl. sehr gut Römheld 1992, S. 37), und außerdem dadurch, dass Manoachs Bitte in V. 9 nur annähernd entsprochen und seine Frage in V. 12 sphinxhaft nur gegen den Strich beantwortet wird.
Manoachs Frau spielt dabei spätestens ab V. 12 und bis V. 22 nur noch eine Nebenrolle. Dass man in der neueren Auslegung zumeist annimmt, die Frau stehe hier im Zentrum der Geschichte und Manoach sei ganz unbedeutend für dieselbe, ist daher massiv überzogen. Aber es ist wirklich so, dass in dieser Geschichte über Offenbarung und Erkenntnis dem Manoach alles Wissen erst durch seine Frau vermittelt werden muss: Nur ihr erscheint der Engel; sie empfängt die erste Verkündigung, sie überliefert ihm die zweite, sie muss ihm auch erst die dritte ermöglichen, und bis zum Ende hat sie mehr Kenntnisse über ihren Sohn als dieser. Auch die Natur des Verkündigers scheint sie bereits zu Beginn immerhin erahnt zu haben, und selbst dann, als ganz am Ende auch Manoach sie erfasst, muss sie diese seine Erkenntnis erst noch ins rechte Licht rücken. „Informationspolitisch“, so könnte man sagen, steht damit Manoachs Frau zu ihrem Mann im selben Verhältnis wie in Kapitel 16 Delila zu den Gazatitern und im nun folgenden Kapitel 14 Simsons Verlobte zu den Timnäern. Was dies zur Bedeutung des ganzen Simson-Zyklus austrägt, darauf werden wir im letzten Kapitel noch einmal zurückkommen müssen.

aZora - heute = Khirbet Sar'ah in Palästina, für eine Karte s. die Anmerkungen von Ri 14. Im AT überwiegend israelitische Stadt im Stammesgebiet von Juda zwischen Jerusalem und dem Gebiet der Schefela am Meer, wo zu Simsons Zeit die Philister siedelten. Hier aber ist Zora noch Wohnort der Daniten. Davon, wie sie u.a. aus Zora ans nördliche Ende Israels umsiedeln, berichtet Ri 18. (Zurück zu v.2)
bClan - Eigentlich sind die Daniten einer der zwölf Stämme Israels, nicht nur ein Clan (also eine soziale Größe zwischen Großfamilie und Stamm). Warum sie hier als „Clan“ bezeichnet werden, ist unklar. Bar 2018, S. 3 fasst gut die vier Positionen zusammen, die aktuell am häufigsten diskutiert werden:
(1) Der Sprachgebrauch könnte unauffällig sein, denn Ri 18,19 könnte man so werten, dass man „Clan“ auch i.S.v. „Stamm“ verwenden konnte (so schon Radak; auch LXXB, L übersetzt mit „Stamm“). Ist das so, kannten aber jedenfalls die Übersetzer von LXXB diesen Sprachgebrauch nicht, die das offenbar schwierige Wort mit zwei unterschiedlichen Begriffen gleichzeitig übersetzten („vom Volk der Familie der Daniten“).
(2) Ist es dennoch wahr, dann vielleicht deshalb: In Num 26 werden die einzelnen Clans der zwölf Stämme aufgezählt. Anders als die anderen Stämme bestand der Stamm Dan nur aus dem Clan der Schuchamiter (Num 26,42), vielleicht konnte deshalb im Falle von Dan „Stamm“ und „Clan“ derart austauschbar verwendet werden können.
(3) Nicht alle Daniten wohnten in Zora; vielleicht werden deshalb diejenigen Daniten, die in Zora wohnten, nur als „Clan“ bezeichnet.
(4) Vielleicht schließlich handelte es sich bei den Danitern, die ja in der direkten Nachbarschaft der Philister lebten, nur noch um einen stark geschrumpften Stamm, und dies soll mit diesem Sprachgebrauch angezeigt werden. Letzteres ist die Mehrheitsmeinung; so z.B. auch Bartusch 2003, S. 168. Sehe ich (S.W.) richtig, gibt es hierfür aber keine Indizien. (Zurück zu v.2)
cManoach - Ein äußerst auffälliger Name für einen Daniten – litten nach Ri 18,1 doch gerade diese darunter, dass einzig sie noch keine endgültige Heimstatt gefunden hatten (so richtig z.B. Webb 2012). Gewiss verweist dieser Name auch bereits voraus auf dieses Kapitel.
Brettler 2002, S. 48, der zu jenen gehört, die glauben, dass Manoach in diesem Kapitel durchweg negativ dargestellt würde, will auch schon den Namen als Kritik lesen: „Mr. Couch-Potato“. Eine schöne Idee, aber haltlos. (Zurück zu v.2)
dDie Frau bleibt das ganze Kapitel hindurch namenlos, daher waren mehrere Traditionen zu ihrem Namen im Umlauf: Laut LAB 224 hieß sie Eluma, Midrasch NumR 10,5 identifiziert sie mit der Hatzlelponi aus 1 Chr 4,3. Auch der Grund für ihre Namenlosigkeit ist unklar. Am sinnvollsten wohl z.B. ALTER und McCann 2002: „Frau“ ist ein Leitwort in Ri 13-16; dass Manoachs Frau hier stets als „Frau“ bezeichnet wird, führt dazu, dass das Wort, das erst ab Ri 14 wirklich bedeutsam werden wird, schon in diesem Kapitel sehr häufig fallen kann. Erwägenswert ist und häufig wiederholt wurde auch die Mutmaßung von Reinhartz 1992, S. 27: Knackpunkt des Kapitels ist u.a., dass auch der gleich auftauchende Engel seinen Namen nicht verrät. Dass damit sowohl Frau als auch Engel namenlos bleiben, nähert die beiden Figuren einander an und steigert so Würde und Bedeutung von Frau Manoach. (Zurück zu v.2)
eBier (Grappa, Weinschorle und unverdünnten Wein) - heb. šekar, irgendein alkoholisches Getränk. Weil es so regelmäßig in der Fügung „Wein und šekar“ steht, nimmt man meistens an, dass es sich entweder um das zweithäufigste alkoholische Getränk Israels handelt (also Bier), was sich zusätzlich dadurch stützen lässt, dass das babylonische šikaru ebenfalls „Bier“ bezeichnet, oder um irgendein anderes aus der Traube gewonnenes Getränk, z.B. unverdünnten Wein im Gegensatz zum für gewöhnlich verdünnten jajn (so Radak) oder z.B. ein Traubenlikör wie Grappa (so z.B. ALTER). Dt. Üss. übersetzen i.d.R. allgemein mit „Alkohol“ (z.B. LUT; so auch ibn Ezra, der glaubt, dies sei die „wörtliche“ Bed. des Wortes) oder mit „Bier“ (z.B. ). Letzteres ist sinnvoller, da „Wein und Alkohol“ kein gutes Wortpaar bilden, und weil das verwandte Wort im Babylonischen dies ohnehin klar am wahrscheinlichsten macht.
Warum der Frau hier Alkohol verboten wird, ist unklar. Klar ist, dass nach Num 6 auch Nasiräer keinen Alkohol konsumieren durften, und dass die Bezüge zwischen V. 14, wo Manoachs Frau auch der Genuss von Trauben verboten wird, und Num 6,4 sogar noch näher sind.
(1) Wenige ignorieren diese nahen Bezüge und erklären das Alkoholverbot stattdessen damit, dass schon die alten Israelten darum gewusst hätten, dass Alkoholkonsum zur Zeit der Schwangerschaft Embryonen schädigen kann. Aber dafür gibt es neben unserem Vers keine Indizien. In b.Ket 60b-61a wird schwangeren Frauen sogar Weinkonsum empfohlen, weil dies angeblich zu besonders kräftigen Kindern führe. Anders allenfalls b.Yom 82b-83a, wo ein Beispiel dafür geschildert wird, dass die Söhne von Frauen dann moralisch gut geraten, wenn sie während der Schwangerschaft abstinent blieben, und moralisch schlecht geraten, wenn sie es nicht taten (vgl. zur Diskussion Abel 1997).
(2) Weit häufiger erklärt man sich diese Stelle wegen den nahen Bezügen zu Num 6 daher damit, hier würden die eigentlich für Simson geltenden Nasiräer-Vorschriften untypischerweise auf die Mutter übertragen, weil dieser ja zum Nasiräer von Mutterleib an berufen sei. Auch das ist keine ganz einfache Annahme. Erstens spricht die Struktur des Textes in diesem Vers (anders als in V. 7, vgl. auch Exum 1980, S. 49) dagegen: (A) Trink keinen Alkohol und iss nichts Unreines, (B) denn du wirst einen Sohn empfangen und gebären. (A') Diesem dürfen die Haare nicht geschnitten werden, (B') denn er wird ein Nasiräer sein. Folgt man dieser Struktur, hat das Verbot von Alkohol und unreinen Speisen nichts mit Simsons Nasiräertum zu tun, sondern mit der Schwangerschaft der Frau schlechthin. Zweitens ist das Verbot unreiner Speisen gar keine Nasiräer-Vorschrift, sondern galt für alle Israelit:innen. Die Hälfte der Gebote in V. 4 sind also gar keine Nasiräer-Vorschriften. Dennoch ist dies die Deutung, die sich sehr einheitlich in neueren Kommentaren findet.
(3) Vielleicht sollte man sich den Vers wegen dieser Schwierigkeiten besser so erklären: Unser Kapitel ist sicher u.a. abgeschrieben von 1 Sam 1 (so alle Redaktionskritiker von Ri 13). Dort wird der Hannah nicht von einem Engel, sondern vom Hohepriester Eli ein Sohn verheißen, der als einziger neben Simson ebenfalls zum Nasiräer vom Mutterleib an bestimmt war – und es wird ihr erst dann in V. 17 verheißen, nachdem sie in V. 15 erklärt hat, sie habe „weder Wein noch šekar getrunken“. Der Verzicht auf „Wein und šekar“ vor Beginn einer Schwangerschaft von Gottes Gnaden kann also leicht nebst anderem aus diesem Kapitel herausgesponnen worden sein, ohne direkt etwas mit Simsons Nasiräertum zu tun zu haben. Sollte das richtig sein, wäre die Nähe von Ri 13,4-5 zu Num 6,3-4 aber ein arg großer Zufall; auch diese Erklärung ist also nicht unproblematisch.
Für den weiteren Verlauf der Geschichte ist das Verbot zum Glück irrelevant und diese Unklarheit wiegt daher nicht schwer. (Zurück zu v.4)
ftFN: Anders als in V. 3, wo sicher futurisch gedeutet werden muss, könnten die drei Klauseln in Vv. 5.7 sowohl futurisch als auch u.a. präsentisch gedeutet werden. Die Präsens-Deutung liegt sehr fern, so aber dennoch einige Kommentare. S. dazu näher auf der Kommentarseite zu V. 5. (zu v.5 / zu v.7)
gkam (bei) - heb. bo` („kommen“) ist auch Euphemismus für Geschlechtsverkehr. Weil Frau Manoach gleich sagen wird, der Engel sei „zu (bei) ihr gekommen“ und weil weiterhin das „du wirst schwanger werden“ in V. 5 auch „du bist schwanger“ bedeuten könnte, nehmen viele Ausleger an, hier solle mindestens angedeutet werden, dass der Engel und die Frau Verkehr hatten und Simson bei diesem Verkehr gezeugt worden sei (z.B. Ackerman 1998, S. 181-207; Bal 1988, S. 73f.; Bartelmus 1979, S. 95f.; Brettler 2002, S. 45-49; Klein 1989, S. 144; ähnlich z.B. Knauf 2016). Dies sei auch der Grund für Simsons Stärke, vgl. Gen 6,1-4. Schon die ältesten Ausleger scheinen diese Vieldeutigkeit gespürt zu haben; Josephus begründet in JosAnt §279 Manoachs Handeln in V. 8 z.B. mit Manoachs Eifersucht. Aber warum Simson so stark ist, wird in Ri 14-15 und Ri 16 ja sogar auf zwei unterschiedliche Weisen begründet; mehr als dieses mehrdeutige Wort und die mehrdeutige Form in Vv. 5.7 lässt sich für diese Deutung also nicht fruchtbar machen. Das macht sie eher unwahrscheinlich. Dagegen sprechen sich daher z.B. auch Butler 2009, Groß 2009, Webb 2012 und Bar 2018, S. 9 aus. (Zurück zu v.6)
hEine merkwürdige Beschreibung. Wahrscheinlich dient sie v.a. dazu, die Identität des Boten im Bericht von Manoachs Frau zu verschleiern; s. in den Anmerkungen. Man muss sich nach dieser Beschreibung aber dennoch fragen, wie der Engel eigentlich aussah: Offenbar wie ein Mensch (als „Männer Gottes“ werden i.d.R. Menschen beschrieben, s. Dtn 33,1; 9,6-10; 1 Kön 17,18 u.ö.), aber nicht wie ein gewöhnlicher, sondern „wie ein Mann, der (1) aussieht wie ein Bote Gottes, also / und außerdem (2) gar fürchterlich“. Wie hat man sich das Aussehen eines solchen Mannes vorzustellen? Auch die alten Übersetzer schienen sich das gefragt zu haben: LXXA leitet nicht ab von jara` („fürchten“), sondern von ra`ah („sehen“, daher „ansehnlich), Tg von mara` („mächtig sein“, daher „mächtig), Syr offenbar von syr. nur („erschrecken“, daher „ich zitterte sehr“). Ähnlich auffällig dann V. 13, wo der Engel Manoachs Frage danach, ob er „der Mann, der mit der Frau gesprochen habe“ sei, bejaht (auch dazu s. die Anmerkungen): Offenbar sind Gottesboten nach der Vorstellung des Autoren „Männer“, weshalb man sie leicht mit diesen verwechseln kann und was dann in unserem Kapitel eine der Grundlagen für den geheimnisvollen Charakter des Gottesboten sein kann. (Zurück zu v.6)
iTextkritik: Wortlaut mit Harlé / Roqueplo 1999, S. 199 und Nelson 2017 z.B. nach LXX. Dagegen MT u.a. Textzeugen: „Ich habe ihn nicht gefragt“. S. dazu näher auf der Kommentarseite.
Das ist eine wichtige Variante. Viele Ausleger:innen wollen daraus, dass gleich Manoach anders als seine Frau die Natur des Engels gar nicht erahnt und dann auch noch nach seinem Namen fragt, ableiten, dass Manoach viel begriffsstutziger als seine Frau sei. Hat schon seine Frau nach dem Namen des Boten gefragt, verliert diese Deutung ihr wichtigstes Fundament. Gleichzeitig lässt sich hierin vielleicht ein Grund für diese Variante erkennen: Vielleicht wollten alte Schreiber die Dummheit Manoachs abmildern und ließen eben deshalb bereits Manoachs Frau nach dem Namen des Boten fragen. Dieses möglicherweise erkennbare Motiv für eine Textänderung verleiht der MT-Variante weiteres Gewicht. Da so bisher aber noch kein:e Ausleger:in argumentiert hat, folgen wir einstweilen der LXX-Variante. (Zurück zu v.6)
j[einmal] - Fokuspartikeln wie „nur“, „selbst“, „nicht einmal“ etc. werden im Heb. häufig auch dort nicht gesetzt, wo das Dt. ihrer bedarf, und müssen daher aus dem Kontext ergänzt werden. S. z.B. zu Ps 17,3; Hld 2,1; Am 4,5. Hier erfüllt aber ohnehin wie im Heb. üblich die Wortstellung mit vorangestelltem „seinen Namen“ diese Fokus-Funktion. (Zurück zu v.6)
kMan beachte: Der Satz entspricht sehr dem in V. 3, ist aber in jeder Klausel zusammengekürzt: Er sagte mir: Siehe doch, du bist unfruchtbar und hast nicht geboren und wirst nun aber empfangen und gebären einen Sohn. Das Selbe gilt auch für ihre Wiedergabe von V. 4: So achte darauf, dass trinke nun kein Wein und Bier und iss alles Unreine nicht, und ein Schermesser darf nicht an sein Haupt kommen, denn ein Nasiräer des Gottes JHWH wird der Knabe von Mutterleib an [bis zum Tag seines Todes] sein. Er ist's, der beginnen wird, zu retten Israel vor den Philistern.). S. dazu näher in den Anmerkungen. (Zurück zu v.7)
lfür den Knaben tun - die meisten neueren Üss. sinnvoll: „wie wir mit ihm umgehen sollen“. Tg und Syr aber: „wie wir ihm dienen können“, was der heb. Wortlaut auch bedeuten kann. Um das offenzulassen, sollte man besser wie oben übersetzen. (Zurück zu v.8)
m(am Tag=) anderntags (?) - unklarer Ausdruck, w. „am Tag“ (so z.B. B-R, de Wette, TUR). Daher z.B. LUT: „heute“, ZÜR: „neulich“, : „damals“. Die meisten Üss. „an jenem Tag“; sie folgen damit nicht MT, sondern LXX, Tg und Syr (s. die Kommentarseite). Beeilt sich die Frau so sehr, dass sie sich in ihrer Hast verhaspelt? Aber übersetze in der LF am besten mit der Mehrheitsübersetzung. (Zurück zu v.10)
nMan beachte die beiden eigentlich überflüssigen „mir“. Umso stärker wird damit betont, dass der Engel, um den Manoach gebetet hatte, gerade nicht ihm erschienen ist, sondern ein weiteres Mal nur der Frau. (Zurück zu v.10)
oEntgegen der Auskunft vieler Kommentare kein ungewöhnlicher Dialog. Dass Manoach sich zur Gesprächseröffnung der Identität seines Gesprächspartners versichert, ist im Hebräischen üblich; s. bes. offensichtlich 1 Kön 18,7 und z.B. auch Gen 27,24; 2 Sam 2,20; 9,2; 20,17; 1 Kön 13,14 u.ö. und vgl. Lande 1949, S. 39. Und auf die Frage „Bist du's?“ ist „ich“ nicht auffällig knapp, sondern die (abgewandelte) Wiederholung einer Phrase aus einer Anrede ist im Bibelhebräischen die gewöhnliche Weise, „Ja“ zu sagen (vgl. Greenstein 1989). „Bist du's?“ – „Ich.“ entspricht also: „Guten Tag.“ – „Guten Tag.“ und hat keine besonderen „Untertöne“ (Webb 2012) oder zeugt von einem besonderen Misstrauen (Bar 2018, S. 9; so schon Abravanel). Ins Dt. sollte es aber dennoch besser nicht zu frei übersetzt werden; die Formulierung ist wichtig für das Verständnis des Kapitels. S. in den Anmerkungen. (Zurück zu v.11)
pDann: [Wenn] eintrifft (nun möge eintreffen) deine Worte - Das dann (w. „nun“), das wohl nur markieren soll, dass es nach der Rede von „dem Tag“ in V. 11 nun ans aktuell Anstehende geht, ist im heb. Stil ungewöhnlich. Auch das zweite Wort ist merkwürdig: Ein Singular-Verb regiert ein Plural-Objekt (zu beidem s. näher auf der Kommentarseite). Beide grammatischen Phänomene sind bisher unerklärt. Verhaspelt sich nun nach seiner Frau auch Manoach selbst? (Zurück zu v.12)
qsein Gesetz und Tun - Schwer zu übersetzen. Der Witz an dieser Frage ist, dass sie sich theoretisch schon so verstehen ließe, dass Manoach danach fragt, „was sie für den Knaben tun sollen“ (V. 8): „Was wird sein die Ordnung für ihn und das Tun an ihm?“ Chisholm 2013 paraphrasiert daher den ersten Teil mit „How should the child be raised?“, Houtman 2004, S. 2 den zweiten Teil mit „... und wie sollen wir ihn behandeln?“; ähnlich schon Tg und NumR 10. Aber natürlicher ist die Frage so zu verstehen, dass Manoach nach dem Schicksal des Knaben fragt: „Was wird seine Ordnung und sein Tun sein?“ Gut Stipp 1995, S. 350: „Was wird die Lebensordnung des Knaben und seine Tätigkeit sein?“; Nelson 2017: „What is to be the boy's rule of life and what is he to do?“ Der Engel folgt sozusagen den Deutungen von Chisholm und Houtman und spart daher sogar noch mehr von seiner ursprünglichen Botschaft aus, als es die Frau in V. 7 tat. Dass er schon mit dieser Antwort Manoach zurückweisen würde, wie es in vielen Kommentaren heißt (Boling 1975: „He ignores Manoah's question“; Schneider 2000: „He was almost rebuffed by the messenger“; Stipp 1995, S. 350: „Die Auskunft hat mit Manoachs Frage gar nichts zu tun“ u.ö.), ist aber zu viel gesagt.
Witzigerweise und sicher nicht zufällig deutet schon Manoach selbst an, was eigentlich Antwort auf seine Frage in diesem Vers wäre: mišpat („das Gesetz“) leitet sich ab von šapat („richten, ordnen“), von dem auch šopet („Richter“) abgeleitet ist. Aber gerade und selbst dies lässt der Engel hier ganz unerwähnt. (Zurück zu v.12)
rJHWH ist im Heb. prima vista durch die Wortstellung besonders betont. Warum? Richtig Groß 2009: „Welche Opposition sollte das signalisieren? Nicht mir, dem Boten, sondern JHWH? Aber es fehlt jeder Hinweis, daß Manoach dem Boten ein Opfer hätte darbringen wollen.“ Kimchi fabuliert daher, in Manoachs Umfeld habe man üblicherweise fremden Göttern geopfert, daher werde Manoach hier noch eigens gewarnt.
Am besten erklärt man sich die Wortstellung daher als Stilmittel biblischer Poesie. Die ersten beiden und die zweiten beiden Zeilen sind parallel: (a) Wenn (b) du aufhältst (c) mich in der ersten Zeile entspricht offensichtlich (a') Wenn (b') du darbringst (c') ein Rauchopfer in der dritten, und damit entspricht (d) nicht (e) ich werde essen (f) dein Brot in der zweiten Zeile (g) dem JHWH (e') räuchere (f') es in der vierten. Das unerwartete Element (g) hat zwei Effekte: Erstens beginnt so sowohl die zweite als auch die vierte Zeile mit einem Wort mit l-Anlaut: lo` („nicht“) und laJHWH („dem JHWH“). Übrigens enden die beiden Zeilen außerdem in der ursprünglichen Aussprache mit dem selben Vokalmuster: balaḥmeka („von deinem Brot“) und ta´lennah („räuchere es“). Zweitens wird so wie häufig in der bibl. Poesie der grammatische Parallelismus aufgelockert, indem ein Satz mit Verb in Spitzenstellung durch einen parallelen Satz mit Nomen in Spitzenstellung variiert wird (zu diesem Stilmittel vgl. bes. Lunn 2006, z.B. S. 95-97). Ist das richtig, signalisiert die Voranstellung in diesem Fall keine besondere Betonung; zu deuten ist dann: „Essen will ich nicht, aber bei einem Opfer, da wäre ich dabei.“ (Zurück zu v.16)
sSo übersetzt diese Zeile gut Nelson 2017. Andere Üss. halten sie für einen selbständigen Satz, der dann den Rest von V. 16 begründen müsste: „Er sagte (dies), denn Manoach wusste nicht, dass er ein Bote JHWHs war.“ Nelsons Deutung ist runder. (Zurück zu v.16)
tWer statt dem zu erwartenden „Was“. Einige Ausleger:innen und Grammatiker glauben, das sei in der heb. Grammatik zulässig (z.B. Kim 1993, S. 140; IBHS 18.2d; Meyer II S. 13), aber vgl. dagegen Gen 32,28 (IBHS denkt, hier würde mit „Was ist dein Name“ nach der Bedeutung des Namens statt dem Namen selbst gefragt, aber Jakobs Antwort zeigt ja deutlich, dass dem nicht so ist). Die meisten Ausleger:innen erklären sich die Frage daher stattdessen damit, dass Manoach vor Verwirrung nur noch stammle. S. ähnlich zu V. 12. (Zurück zu v.17)
udeine Worte trifft ein - Pl.-Objekt + Sg.-Verb wie oben in V. 12; s. dort. Ein weiterer Stammler von Manoach? (Zurück zu v.17)
vEr ist ja wunderbar (Er lautet: ‚Wunderbar‘) - Nach Ps 139,6 zu urteilen: „Er ist zu wunderbar, [als dass du ihn begreifen könntest](Houtman 2004, S. 3: „Er übersteigt dein Fassungsvermögen“; Nelson 2017: „It is incomprehensible“; so die meisten Ausleger:innen). Einige dagegen glauben, dies sei tatsächlich der Name des Engels: Pal`i (z.B. Butler 2009: „It is Miraculous“; Grimm 1981, S. 92: „Er ist 'peli`y). So schon NumR 10,5; ähnlich wohl schon LAB 42: „Er lautet Fadahel“, offenbar via pal`i`el („Wunderbar [ist] Gott“), was wirklich ein typischer Engel-Name wäre. Dem muss kein anderer Text zugrunde liegen: Von einigen Namen gibt es sowohl eine Kurzform ohne Gottestitel als auch eine Langform mit Gottestitel, und Namensträger konnten sowohl mit Kurzform als auch mit Langform bezeichnet werden. Der Prophet Micha (Mi 1,1) etwa heißt daher in Jes 26,18 „Michajahu“ („Wer ist wie Jahu“). Ähnlich auch Tg mit einer etwas komplizierteren Deutung: Das aramäische pl` bedeutet „absondern, trennen“. Das aramäische prš heißt neben „trennen“ außerdem „interpretieren, auslegen“; wohl auf diesem Weg daher Tg: „Er lautet: ‚Ausleger‘“ und in V. 19: „Er, der auslegt, was zu tun ist“ (vgl. auch Radak).
In der jüdischen Tradition wurde dann weiter fabuliert, der Name des Engels sei wohl insofern „zu wundersam“ und daher „verborgen“, als er – entweder der Engel selbst oder nur sein Name – sich beständig ändere und daher von Menschen nicht gefasst werden könne (z.B. Midrasch GenR 78; Midrasch Sifre Num 42; PRE 4; Jalkut Schimoni nach Midrasch Tanchuma; Raschi). (Zurück zu v.18)
wder Fels in V. 19 und der Altar in V. 20 haben vermutlich deshalb bestimmten Artikel, obwohl sie vorher nicht erwähnt wurden, weil es sich um einen bekannten Kultort der Region handelte, der auch heute noch erhalten ist. Vgl. Hanauer 1885; Schick 1887, S. 140f.. (Zurück zu v.19)
xSchwierigste Stelle des Kapitels. Groß 2009, Sicre 2018 u.a. verzichten sogar ganz auf eine Übersetzung, da sich dem Wortlaut nur schwer ein Sinn abgewinnen lässt. Die Übersetzung oben ist ein neuer Vorschlag nach Tg. Was Manoach hier tut, wäre dann also ein Kompromiss: Er will JHWH ein Opfer darbringen, aber dem Engel ein Ziegenböcklein bereiten will er dennoch ebenfalls. Dass er sich auf den Vorschlag des Engels einlässt, wird zusätzlich dadurch unterstrichen, dass er die ungewöhnliche Wortstellung des Engels aus V. 16 übernimmt (also nicht: „um's zu bereiten dem JHWH“, wie man im Heb. erwarten würde, sondern „um's dem JHWH zu bereiten“).
tFN + Textkritik: Man muss für die Übersetzung oben erstens von den hebräischen Akzenten absehen (was aber alle Übersetzungen tun) und zweitens mit Tg davon ausgehen, dass sich l- („dem“) in lJHWH („dem JHWH“) brachylogisch (=> Brachylogie) auch auf wmpl` („und der Wundersame“, fast das selbe Wort wie pl`j [„wunderbar“] im vorangehenden Vers) bezieht.
Das sind zwei nicht ganz einfache Zusatzannahmen, aber die sonst verbreiteten Übersetzungen sind unmöglich. Sollte der Vorschlag oben nicht annehmbar sein, sollte man besser verfahren wie Groß und Sicre.
Auf den ersten Blick müsste man übersetzen wie in der Alternative. Da das offensichtlich unmöglich ist, sind v.a. drei Übersetzungsvarianten besonders verbreitet:
(1) Scheinbar die beiden Worte des MT (w-mpl` l-´ßwt, „und-er_vollbrachte_ein_Wunder/war_wundersam um-zu_tun“) übersetzt z.B. LUT („...er brachte es dem Herrn dar. Und Wunderbares geschah.“), („... er brachte es dem Herrn dar und er vollbrachte etwas Wunderbares“).
Aber erstens erforderte mpl` („er tut Wunderbares“) kein zusätzliches ´ßh („tun“). Zweitens und vor allem: Selbst, wenn man davon ausgeht, dass mpl` „Wunderbares“ oder „Wundergewirktes“ bedeute und daher doch mit ´ßh („tun“) konstruiert werden könnte, wäre unerklärlich, warum dies dann mit der Präposition l- und im Infinitiv (um zu tu-en) konstruiert wäre. Drittens muss man dafür davon ausgehen, dass wajja´al in V. 19 etwas anderes bedeutet als in V. 20; einmal nämlich „er brachte dar“, das zweite Mal „er stieg empor“. LUT muss schließlich auch noch viertens davon ausgehen, mpl` sei impersonaler Sg. (man vollbrachte ein Wunder“, so z.B. auch Spronk 2019), das hier wie ein Passiv-Verb verwendet würde („es wurde vollbracht ein Wunder“ > „ein Wunder geschah“). Diese verbreitete Übersetzung ist also unmöglich. Die ersten drei Punkte sprechen auch gegen die nächsten beiden Übersetzungen, gegen die außerdem noch spricht, dass sie darüber hinaus noch den Text ändern müssen:
(2) Ebenfalls verbreitet ist in dt. Üss. die Annahme, nach JHWH sei ein weiteres h zu w verdorben, w-mpl` sei also als h-mpl` Relativsatz zu JHWH und man könne dann übersetzen: „... er brachte es auf dem Felsen dar dem JHWH, der Wunder tut“ (z.B. GN: „ein Opfer für den Herrn, der Wunder tut“). Das sollen auch schon LXXL, N, VL und VUL bezeugen, z.B. VUL: offerens Domino, qui facit mirabilia („er brachte es da dem JHWH, der Wunder vollbringt“). Könnte mpl` l´ßwt diese Bedeutung haben, wäre dies textkritisch gesehen die erste Wahl, aber s. zu (1) – fast sicher haben auch diese Textzeugen nur frei etwas aus dem vorliegenden Wortmaterial herausgesponnen.
(3) Schließlich auch noch verbreitet ist in neueren Kommentaren die verwandte Annahme, nach JHWH sei zwischen (!) w- und -mpl` ein weiteres JHWH oder (noch schwieriger) ein hw` („dieser“) entfallen, so dass man übersetzen könnte: „... er brachte es auf dem Felsen dar dem JHWH, und JHWH / und dieser vollbrachte ein Wunder“ (so z.B. NeÜ: „Dann tat Jahwe etwas Wunderbares“; SLT: „Und Er vollbrachte ein Wunder“). Die erste Variante hat ebenfalls leichte Stütze in LXXA („er brachte des dar dem Herrn, dem Wunder vollbringenden Herrn“). (Zurück zu v.19)
yTextkritik - Der selbe Satz wie in V. 20; vermutlich durch einen Schreiberfehler aus diesem Vers schon hier eingedrungen (richtig z.B. BHQ). Gegen die neuere Übersetzung „Als Manoach und seine Frau zusahen, 20 geschah's, dass...“ vgl. richtig Groß 2009, S. 674: „es geschah“ ist im Heb. klar Signal für einen neuen Satz. (Zurück zu v.19)
zvon auf - im Heb. unauffällig; hier aber statt Genitiv („Flamme des Altars“ wie im nächsten Satz) gewählt, um neben dem „emporsteigenden“ Manoach, der „emporsteigenden“ Flamme und dem „emporsteigenden“ Engel (jeweils: ´alah) ein weiteres Wort mit der Lautfolge ´al zu haben: me´al, „von auf“. Dazu kommt die „Flamme“ (halahab) und der „Bote“ (mal`ak) – der ganze erste Teil des Verses wird durchwaltet vom Klang al. Manoach und seine Frau machen dann zwar auch eine ´al-Bewegung – aber in die entgegengesetzte Richtung, sie „fallen auf ihre Gesichter“ = beugen sich zur Erde nieder (schön beobachtet von Boling 1975; Exum 1980, S. 54). (Zurück zu v.20)
aaSperriger Vers; die Abfolge der beiden Sätze ist schwer zu verstehen. BB und GN stellen gar diesen und den nächsten Satz um, um eine kohärentere Satzfolge zu erhalten. Aber s. in den Anmerkungen; die Sperrigkeit hat wahrscheinlich einen guten Grund. Auch zum gleich folgenden und im Heb. eigentlich überflüssigen da s. dort. (Zurück zu v.21)
abSimson (=Sonne?, der Starke?, der Höfling?) - Unklarer Name. Zu unterschiedlichen Deutungen s. gleich; vorweg: Ursprünglich hieß Simson eigentlich „Samson“. So überliefern seinen Namen auch LXX, VUL und VL, nur MT bietet den Namen in der Form „Simson“ (und Syr in der Form „Semson“). Grund ist das Lautgesetz der „Attenuation“: Folgten im Hebräischen zwei Silben aufeinander, deren erste eine geschlossene, unbetonte a-Silbe war, wurde etwa zwischen dem 2. und 5. Jhd. n. Chr. nach und nach dieses a zu i abgelautet. LXX hat hier also die ältere Namensform, MT die jüngere. Vgl. ähnlich z.B. LXX Kaslon vs. MT Kislon; LXX Dabri vs. MT Dibri; LXX Zamma vs. MT Zimma usw. In deutschen Übersetzungen findnen sich beide Varianten, das ÖVBE empfiehlt aber (leider!) die Schreibweise „Simson“. Zu den Deutungen des Namens:
(1) Die meisten Ausleger:innen deuten als šamš („Sonne“) + Diminutivsuffix -on (daher: „Sönnchen“). -on ist in heb. Namen aber selten (nie?) Diminutivsuffix. Besser deutet man den Namen daher als Kurzform für „[Gott ist] die Sonne“ / „Die Sonne [ist Gott](so MSSAP §136; DAHPN; vgl. einerseits auch den amurritischen Namen Śamśi-haddu [[der Gott] Haddu ist meine Sonne“], andererseits z.B. den heb. Namen Uri [„Licht [ist Gott]]). Diese Deutung ist auch deshalb naheliegend, weil sich nahe an Simsons Geburtsort die Stadt „Beth-Schemesch“ befand, also „Sonnen-Tempel“: Offenbar wurde im Alten Israel in dieser Gegend (wie auch anderswo) besonders die Sonne als Gott verehrt. Dass gerade das Gotteskind Simson einen solchen Namen trägt, ist dann ganz verblüffend.
(2) Verkomplizierend kommt hinzu, dass Josephus in JosAnt V 8.4 §285 erklärt, der Name bedeute nicht „Sonne“, sondern „der Starke“; Josephus hat also offenbar nicht abgeleitet von šamš („Sonne“), sondern von šaman („stark sein“, s. Ri 3,29; Ez 34,16). Der Name passte dann offensichtlich sehr gut zu seinem Träger. Diese Deutung lässt sich noch weiter dadurch stützen, dass Simsons weiblicher Widerpart in Kapitel 16 Delilah heißt. Früher deutete man dies als „Nacht“, was gut zur ersten Deutung passte; richtiger wird man den Namen aber deuten müssen als „die Kleine“ oder „die Dünne“ (s. dort). Dagegen spricht allerdings, dass das Wortbildungsmuster, nach dem aus šaman der Name šamšon gebildet werden könnte, im Hebräischen sonst nicht belegt ist.
(3) Eine dritte mögliche Deutung hat Abravanel vorgeschlagen (vgl. auch Segert 1984, S. 459): Abzuleiten sei von šamaš („Höfling/Page sein“); gerade der wilde Mann „Simson“ wäre dann also ironischerweise wörtlich „der Höfling“, wie der Danit Manoach ironischerweise „Heimat“ heißt. (Zurück zu v.24)
acwuchs heran - vielleicht ein Wortspiel: Neben heb. gadal „aufwachsen“ gab es möglicherweise ein zweites heb. Wort gadal mit der Bed. „drehen, flechten“, was vielleicht schon auf Simsons sieben Haarsträhnen in den nächsten Kapp. anspielen könnte. Die Existenz des Wortes ist aber unsicher; vgl. z.B. THAT I 401). (Zurück zu v.24)
adaufrühren (leiten) - unsicheres Wort. Prima vista von pa´am („aufrühren“) wie in Gen 41,8; Dan 2,1.3 („jmds Geist ist aufgerührt=in Aufruhr“); auch Ps 77,5. Von Gottes Geist wird dies sonst aber nie gesagt. Vielleicht deshalb leiten LXX, VUL und Syr stattdessen vom Nomen pa´am („Schritt“) ab: „er begann, ihn zu begleiten“ (LXX) / „ließ ihn reisen“ (Syr). Am besten wohl Groß 2009: „Er begann, ihn umherzutreiben“ – ein Kompromiss aus beiden Optionen. (Zurück zu v.25)
aeLager von Dan - „Lager“ heißt v.a.: Keine befestigte Ortschaft. Wahrscheinlich handelt es sich beim maḥaneh Dan nicht um ein bestimmtes Dorf zwischen den beiden befestigten Städten Zora und Eschtaol, sondern der Ausdruck ist Bezeichnung u.a. des Tals zwischen diesen beiden Städten, mit dem diese danitische Region als ihr nur vorläufiger Wohnort kenntlich gemacht werden sollte (aber s. noch nächste FN). In Ri 18,12 kann daher auch eine andernorts gelegene Gegend westlich von Kirjat-Jearim als „Lager von Dan“ bezeichnet und dann auch so benannt werden. Ist das richtig, treibt Gottes Geist Simson also schon hier aus der städtischen Kultur hinaus; das wird in den folgenden Kapp. bedeutsam werden.
Strukturspiel: Der Ausdruck schlägt einen Bogen zurück zu V. 2: Simsons Vater kommt „aus Zora, aus dem mišpaḥah=Clan (!) der Daniten“, Simson wird umhergetrieben im „maḥaneh=Lager (!) von Dan, zwischen Zora [und Eschtaol]“. Überdies ist „Mano(a)ch und seine Frau“ (mnwḥ w`štw) in V. 2 beinahe ein Anagramm von „Lager“ und „Eschtaol“ (mḥnh ...w ... `št`wl). (Zurück zu v.25)
afEschtaol - Stadt nahe Zora. Identität etwas ungewiss. Diskutiert werden v.a. das heutige Khirbet Deir Shubeib und Ishwa, letzteres aber hauptsächlich wegen der Namensähnlichkeit, die wahrlich nicht groß ist. Für eine Karte s. die Anmerkungen zu Ri 14. Ausgrabungen zeigen, dass beide Orte in der Eisenzeit besiedelt waren. Ishwa liegt grob zwischen Zora und Khirbet Deir Shubeib; man könnte also davon ausgehen, dass das maḥaneh Dan doch befestigt war und also mit dem heutigen Ishwa identisch ist. Die Stadt hatte das selbe Schicksal wie diese Stadt: In Jos 19,41 war sie noch danitisch, nach Jos 15,33 dagegen später eine judäische Stadt. (Zurück zu v.25)