Syntax ungeprüft
Anmerkungen
Studienfassung (Amos 4)
1 Hört diesen Spruch,
[Ihr] Kühe vom Baschan〈a〉
Die ([sind] =) ihr seid auf dem Berg Samarias,
Die (bedrücken =) ihr bedrückt Schwache,
Die (misshandeln =) ihr misshandelt Arme,
Die (sprechen =) ihr sprecht zu deren Herren:〈b〉
„Bring! Durst!“〈c〉
2 Es schwört (schwur) der Herr JHWH bei seiner Heiligkeit: ℘ ℘ ℘ ℘ ℘
„Ja, siehe, Tage kommen〈d〉 über euch
Und [dann] werdet ihr weggetragen〈e〉 in Gestachel (an Haken, auf Schilden, in Körben, mit Seilen)
Und eure Nachkommen (euren Rest, euer Ende [wird sein]) in dunkles Dorngestrüpp (an Fischhaken, mit Fischharpunen, in Fischkesseln, in Fischerbooten, in dunkles Dorngestrüpp)〈f〉
3 Und [durch] Durchbrüche〈g〉 werdet ihr gebracht werden (ausziehen)〈h〉 geradewegs,〈i〉
Und geworfen werden ([euch] werfen?)〈j〉 auf den Hermon (?, Bannort?, nach Hermel?, auf eine Festung?, auf den Misthaufen?)!“〈k〉 – Spruch JHWHs.
4 „Kommt [doch] nach Bethel〈l〉 und sündigt,
Nach Gilgal, und sündigt noch mehr. (:)
{Und} Bringt [doch] am Morgen (jeden Morgen) eure Schlachtopfer,
Am dritten Tag (alle drei Tage) eure Zehnten!
5 Räuchert [doch] vom Sauerteig-Gebäck Dankopfer
Und ruft [doch] freiwillige Opfer aus, verkündet['s]!
Denn so liebt ihr's [doch], ihr (Söhne Israels =) Israeliten!“ –
Spruch des Herrn JHWH.〈m〉
6 „Dabei habe ich euch doch gegeben
Unschuld der Zähne (stumpfe Zähne?)〈n〉 in all euren Städten
Und Mangel an Brot in all euren Ortschaften!
Doch ihr seid nicht zurückgekehrt!“ – Spruch JHWHs.
7 „Dabei habe ich euch doch vorenthalten (entzogen) den Regen
als es noch drei Monate zur Ernte [war]!〈o〉
Und ich ließ es regnen auf die eine Stadt
Und auf die andere Stadt ließ ich es nicht regnen;
Ein Acker wurde beregnet
Und der Acker, auf den es nicht regnete,〈p〉 verdorrte ℘ ℘
8 Und es wankten zwei, drei Städte
Zu einer Stadt, um Wasser zu trinken –
Und wurden nicht sitt!〈q〉
Doch ihr seid nicht zurückgekehrt zu mir!“ – Spruch JHWHs.
9 „Ich schlug euch mit [dem Getreide-]Schwärzling und [dem Getreide-]Blässling,〈r〉
Ich ließ vertrocknen (das Wachsen)〈s〉 eure Gärten und Weingärten
Und eure Feigenbäume und eure Olivenbäume fraß die Heuschrecke.
Doch ihr seid nicht zurückgekehrt zu mir!“ – Spruch JHWHs.
10 „Ich sandte gegen euch eine Pest
Nach der Weise Ägyptens,〈t〉
Ich tötete mit dem Schwert eure Jünglinge
Zusammen mit (der Gefangenschaft eurer =) euren gefangenen (euren prächtigen?)〈u〉 Pferden (?)
Und ich ließ aufsteigen den Gestank eurer Heerlager {und zwar}〈v〉 in eure Nase.
Doch ihr seid nicht zurückgekehrt zu mir!“ – Spruch JHWHs.
11„Ich stürzte bei euch um
Entsprechend dem Umsturz Gottes (göttlicher Umsturz?) von Sodom und Gomorrha,〈w〉
Und ihr wurdet (wart) wie ein Holzscheit,
Herausgezogen (gerettet) aus dem Feuer.〈x〉
Doch ihr seid nicht zurückgekehrt zu mir!“ – Spruch JHWHs.
12 „Darum werde ich nun solches mit dir machen, Israel,
[Und] weil ich also dies〈y〉 mit dir machen werde,
Rüste dich, deinem Gott zu begegnen (zu deinem Gott zu rufen?),〈z〉 Israel!“
13 Ja! Siehe (Denn siehe)! Der Berge-Bildner (Donner-Bildner)〈aa〉 und Wind-Schöpfer (Geist-Schöpfer),〈ab〉 ℘
Der dem-Menschen-seine-Klage-Künder (-dessen-Gedanken-Künder?, -seinen-Plan-Künder?, -sein-Werk-Künder?),〈ac〉
Der Morgenröte-zu-Dunkelheit-Macher (zu-Morgenröte-die-Dunkelheit-Macher?, Schwärze-zu-Glanz-Macher?),〈ad〉
Der auf-den-Höhen-der-Berge-Schreiter (-Treter)〈ae〉 –
„JHWH Gott Zebaot (Gott der Heerscharen)“〈af〉 [ist] sein Name, [der spricht:]〈ag〉 ℘ ℘
Anmerkungen
Vv. 1-3 sind ein Strafspruch an alle Israelit:innen, die hier nebenbei sämtlich als Anhänger:innen des israelitischen Stierkults in Samaria vorgestellt werden. Problematisiert werden hier v.a. die kultischen Festmähler, die im Zusammenhang mit diesem Kult veranstaltet wurden (s. gleich). These von Vv. 1-3 ist: Dieser Kult stützt nur noch zusätzlich das korrupte israelitische Gesellschaftssystem: Weil man bei diesen kultischen Festgelagen möglichst viel schmausen wollte, werden die Reichen regelrecht angefeuert, den Armen umso mehr abzupressen, damit dies dann zu den Gelagen an den israelitischen Kultstätten gebracht werden kann (s. auch die Anmerkungen zu Am 4,21-25). Letztlich sind daher alle Anhänger:innen dieses Stierkults schuldig; im Letzten sind sie es, die die Armen ausbeuten. Dafür verurteilt sie JHWH mit einer Umkehrstrafe: Sie, die leben wie die Kühe auf den fetten Baschan-Weiden, werden nun in stacheliges Dorngestrüpp geworfen werden: Sie werden exiliert werden.
Der kurze Abschnitt Vv. 4f. schließt hieran eng an: er behandelt das Opferwesen in Bethel (einer weiteren Stierkultstätte) und Gilgal. Von hier aus erst erkennt man, was mit dem „Kommt! Durst!“ in 4,1 gemeint ist: Angespielt wird auf die Speiseopfer, die Israeliten an Kultstätten zu entrichten hatten. Der größte Teil davon wurde von den reichen Feld- und Vieheignern erbracht, die allein schon als Zehnt ein Zehntel ihrer gesamten Einkünfte an Heiligtümer abtreten mussten. Addiert man hierzu noch die weiteren Abgaben zu anderen Festen und außerdem noch die „freiwilligen Opfer“, konnten diese Opfer-Abgaben leicht ein Fünftel des Ertrags dieser reichen Israeliten ausmachen. Doch für sie war das leicht zu verschmerzen, da sie ihr Gut laut Amos ja hauptsächlich durch Ausbeutung und Bedrückung von Armen erlangten.
Übrigens spricht Gott nach diesen Versen fließend Sarkastisch. Das Amosbuch ist zwar sicher nach der Plünderung (und Vernichtung?) der Kultstätte in Bethel (und wohl auch der in Beerscheba und Gilgal) um 725 v. Chr. verfasst worden (s. Am 5,9); in der Welt des Textes sollen sie aber ja im 9. Jahrhundert gesprochen sein und in dieser Textwelt kann man diese Verse kaum anders denn als bittersten Sarkasmus verstehen, der am Ende nicht mal aufgelöst wird (vgl. nah den ebenso sarkastischen Elija in 1 Kön 18,25; vgl. auch Ps 2,4; 59,9).
Der hieran sich anschließende lange Abschnitt Vv. 6-12 schildert in fünf Schritten, was Gott alles unternommen hat, um Israel zu sich zurückzulocken. Die ersten drei Strophen thematisieren Nahrungsmangel, Wassermangel und wieder Nahrungsmangel, danach wird dies noch gesteigert zu Krieg und schließlich zu „gänzliche Vernichtung“. Doch selbst darauf wird Gott nun „noch einen draufsetzen“ (V. 12).
Strophen 1-3 sind kunstvoll verklammert: Die Wasserstrophe spricht von den Auswirkungen des Regenmangels auf die Felder („Ernte“: 7ab), die Städte (7cd), wieder das Felder (7ef) und wieder die Städte (8a-c), und umklammert wird dies von einer Nahrungsmangel-Strophe über die Städte und Ortschaften (6) und einer Nahrungsmangel-Strophe über die Felder (8), so dass die Abfolge insgesamt ist: Stadt (6) - Feld (7ab) - Stadt (7cd) - Feld (7ef) - Stadt (8a-c) - Feld (9).
Mitgeteilt seien schließlich noch die Gedanken von Snaith (1956, S. 27) über diesen Abschnitt, über die es sich zu meditieren lohnt:
- „In modern days, when so many people think of God as a God of love in such a fashion that He is bound to give men opportunity after opportunity for repentance in an unending succession, it is well to remember such passages of Scripture as this (see also Mt 25,1-13; Mk 13,34-37). There comes a time when the door is shut. There comes a time when the Word of God is‚ Prepare to meet thy God.“
V. 13 ist ein Brückenvers, der mit 13b bereits die Klage im nächsten Kapitel vorbereitet. Dies ist sogar der zentrale Teil dieses kurzen Hymnus auf Gott, denn quer zur poetischen Struktur ist er außerdem ringförmig strukturiert (vgl. Whitley 2015, S. 135):
- Berge-Former
- Wind-Schöpfer
- Klagen-Künder
- Wolken-Macher
- Wind-Schöpfer
- auf-Berge-Treter
Muss man gegen einen solchen Gott im Kampf antreten (V. 12), ist von vornherein klar: Man ist chancenlos. Und stimmt ein solcher Gott bereits im Vorhinein die Klage über seinen gefallenen Gegner an (die im nächsten Kapitel folgen wird), ist klar: Dieser Gegner wird wirklich fallen. Israel ist verloren.
a | Kühe vom Baschan - Unklares und viel diskutiertes Bild. Gemeint sind vielleicht die Verehrer:innen des „Kalbs von Samaria“, einem Gottesbild in einem Heiligtum, das entweder identlisch mit dem Heiligtum von Bethel war und dessen Kultbild wegen der Nähe von Bethel und Samaria eben als „Kalb von Samaria“ bezeichnet werden konnte, oder die Verehrer:innen eines Kultbilds in einem Heiligtum in Samaria selbst, das dort ersatzweise nach der Plünderung Bethels durch Salmanassar um 725 erbaut worden war (s. Hos 8,4f.; 10,5f.; 13,1f. – das ist jedenfalls die natürlichste Bed. der Vv.; für einen alternativen Vorschlag s. Na'aman 2017). Von diesem Heiligtum ist in der Bibel sonst nur noch indirekt in Mi 1,6f. die Rede (was wenig überrascht, da Hos 8,5f. nahelegt, dass es maximal fünf Jahre existierte), seine Existenz ist aber sehr sicher, weil auf einer Inschrift aus dem späten 8. Jhd. aus Kuntilled ´Ajrud vom „JHWH von Samaria“ die Rede ist (KAgr 9,8), was ein Heiligtum in Samaria voraussetzt, und weil auf dem assyr. Nimrud-Prisma berichtet wird, Sargon habe bei seiner endgültigen Einnahme Samarias um 720 v. Chr. auch die dortigen „Götter“ (=Götterbilder) erbeutet (s. TUAT I, S. 382. Hayes/Kuan 1991, S. 168 halten außerdem einen Brief eines assyrischen Beamten für einen weiteren Beleg für dieses Heiligtum in Samaria, dagegen aber richtig Timm 2002.). So gedeutet schließt sich an diese Vv. sehr glatt der Abschnitt Vv. 4f. an, der sonst und für sich genommen unvollständig wäre. Ähnlich deuten bes. Barstad 1984; Koch 1983, S. 46; Jacobs 1985; ähnlich auch Miller 2014, erwogen auch von McLaughlin 2001, S. 115f. Man könnte übrigens davon ausgehen, dass hier nicht allgemein von den Verehrer:innen, sondern von den Priestern dieses Kalbs die Rede ist, weil gelegentlich angenommen wird, dass man für die Abfassungszeit des Amosbuches noch kultische Regelungen voraussetzen muss, nach denen vom „Zehnt“ in V. 4 noch nur die Priester profitierten, weil er in Gänze an Kultstätten abgegeben wurde (s. Gen 14,17-20; 28,22), so dass das „Kommt! Lasst uns trinken!“ nur sinnvoll von den Priestern gesprochen werden könnte. Das stimmt aber nicht sehr gut damit zusammen, wer sonst in Am 3,13-6,14 die Adressaten des Amos sind. Man sollte also davon ausgehen, dass auch zur Zeit dies Amos(-Buches) die den Zehnt abtretenden Israelit:innen bereits von diesem profitierten (s.u.). Das legt auch m.Zeb xiv 8 nahe: „Nachdem Kulthöhen verboten wurden, ... durften allerheiligste Opfer (nur noch) hinter den Vorhängen (des Tempels) gegessen werden, die weniger heiligen Opfer und der zweite Zehnt innerhalb der Mauern (Jerusalems).“ – schon zur Zeit der Kulthöhen also wurde ein Teil des Zehnts an die Kultstätten abgetreten, der größere Teil aber selbst verspeist. Genauer: Dies ist eine Minderheitenmeinung. Zu den anderen beiden verbreiteten: (1) Zum Verständnis des Bildes sind zwei Dinge zu berücksichtigen. Erstens das Bild selbst, zweitens die Genera der folgenden Verben und Pronomen. Das Baschangebirge im Norden Gileads war bekannt für seine fruchtbaren Weiden, weshalb Baschan-Vieh als besonders gut genährtes Vieh sprichwörtlich war, s. noch Num 32,1-5.33; Dtn 32,14; Ps 22,13; Ez 39,18. Von Baschan-Kühen statt Baschan-Stieren ist sonst aber nirgends die Rede. Deshalb denken die meisten, dass das Bild für die Ehefrauen reicher Israeliten stehe (so schon Luther mit einer so krass misogynen Auslegung, dass sie hier kurz widergegeben sei: „Er redet die gottlosen Weiber der Gottlosen an und nennt sie ‚fette Kühe‘. Denn dies Geschlecht ist viel zu schwach, als daß es des Wohlergehens recht gebrauchen könnte, da sie auch sonst die Herzen der Weisen zu plagen pflegen. [... Er spricht:] Unersättlich ist euer Geiz, es ist kein Maß eurer Schwelgerei und eures Prangens. (Denn es ist diesem Geschlechte von Natur eingepflanzt, daß sie diesen Dingen ergeben sind, wenn nicht Gottesfurcht da ist.)“). Mit „Baschan“ wäre dann vielleicht auch noch ein Wortspiel in dieses Bild eingebaut: Das verwandte arab. baṯane heißt w. „fruchtbare Ebene“, ist damit aber gleichzeitig ein Bild für „weiche Mädchen“ (vgl. Wetzstein 1864, S. 509, FN 4; Speier 1953, S. 306f.; das Bild von Frauen als Landschaften findet sich insgesamt ziemlich häufig in der Antike, in der Bibel z.B. deutlich noch in Hld 4,12; Sir 26,20). Darf man dies auch fürs Heb. voraussetzen – was aber sehr unsicher ist –, stünde erstens das ganze Bild für üppige Frauen und spielt zweitens darin auch „Baschan“ allein schon auf üppige Frauen an. „Kühe“ wäre in diesem Bild auch noch gar nicht abwertend: Eine Reihe von kanaanäischen und ägyptischen Göttinnen – gerade auch Liebesgöttinnen, bes. Hathor – wurden mit Kühen assoziiert; der ägyptische Gott Sin und der kanaanäische Gott Baal hatten Geschlechtsverkehr mit einer Kuh, und auch der griechische Gott Zeus hatte etwas Ähnliches mit Io, als sie noch die Gestalt einer Kuh hatte (er zeugt mit ihr den Epaphos durch „Anhauchung“), während seine Frau Hera den Beinamen „die Kuh-Äugige“ hat, was ihre Schönheit hervorheben soll. Zu einigen dieser Mythen vgl. gut Barstad 1984, S. 45-47. Die Verbformen sind schwierig. Die Partizipien in 1d-f sind feminin, was aber leicht auch daran liegen könnte, dass sie mit den fem. „Kühen“ kongruent sind – das einleitende „hört!“ nämlich ist mask. Die Personalpronomen in V. 2 sind dann zunächst wieder mask., ab „eure“ in „eure Nachkommen“ und bis zum Ende von V. 3 wird dann aber wieder zum Fem. gewechselt. Gut erklären lässt sich der mehrfache Genuswechsel aber nicht: Es ist im Heb. zwar möglich, dass auf fem. Adressatinnen mit mask. Formen Bezug genommen wird, warum es hier aber manchmal geschieht und manchmal nicht (bes. auffällig V. 2: `etḵem (mask.) beṣinnot we`aḥaritḵen (fem.) besirot „euch (mask.) an Haken und eure (fem.) Nachkommen an Stacheln“; gerade diese Stelle ließe sich aber sogar sehr gut als G-Shift erklären), ist bisher unerklärt. Häufig werden auch diese fem. Formen der Verben und Personalpronomen als Indizien dafür genommen, dass die Kühe für weibliche Adressatinnen stehen, aber das Fem. lässt sich auch leicht als Kongruenz mit dem fem. „Kühe“ erklären. (2) Daneben war v.a. früher die Deutung verbreitet, dass es sich hier auch um männliche reiche Israeliten oder Fürsten handle (so schon Tg, Hieronymus, Kyrill; auch Rosenmüller, Schmoller; auch Syr macht die Kühe zu „Männern“). Das „Kühe“ statt „Stiere“ sollte dann diese Männer zusätzlich „feminisieren und damit [...] beleidigen. Eine solche Strategie verfolgen z.B. Jes 19,16; Jer 50,37; 51,30; Nah 3,13.“ (Kessler 2021, S. 116). Heute hat diese Position aber kaum noch Vertreter. (Zurück zu v.1) |
b | zu deren Herren - auch, wenn man die „Kühe“ als Frauen ausdeutet, heißt dieses Wort sehr wahrscheinlich nicht „zu euren (Ehe-)Männern“, wie z.B. EÜ, H-R, HER05, MEN, NeÜ, NL und ZÜR 31 übersetzen (ähnlich PAT: „Eheherrn“). Diese Bed. hat `adon („Herr“) nie (auch nicht in Gen 18,12; 1 Kön 1,17; Ps 45,12. In 1 Kön 1,17 gehört das Wort zu einer heb. Höflichkeitsstrategie, s. dort. In Ps 45,12 ist der „Herr“ gleichzeitig König und wird daher so genannt. Wirklich in Frage kommt einzig Gen 18,12; weil es aber so wenig idiomatisch wäre, sollte man diese Stelle besser als Spiel mit Gen 18,3 deuten); sonst wird dafür `isch oder ba´al verwendet. Die „Herren“ sind die Herren der Schwachen und Armen, weil von ihnen der Löwenanteil dessen kommt, was beim israelitischen Opferkult bei kultischen Festmählern verspeist wurde. Wer tatsächlich der Herr ist, sagt dann aber gleich V. 2. (Zurück zu v.1) |
c | Durst! - W. „Wir wollen trinken!“, „Lass uns trinken!“ oder „sodass wir trinken können!“. Im Heb. ist die Zeile aber äußerst knapp formuliert mit nur zwei Wörtern; stilgerechter wie oben. Ob hier noch die Kuh-Metapher waltet und also diese Baschan-Kühe so faul sind, dass man ihnen sogar das Wasser zum Trinken bringen muss, oder ob hier von genusssüchtigen Menschen die Rede ist, die Wein trinken wollen, ist nicht direkt erkennbar; an sich wird aber ja schon mit 1c („Berg von Samaria“) und dann auch hier mit dem „sprechen“ mit der Kuh-Metapher gebrochen; wahrscheinlicher ist daher Letzteres. (Zurück zu v.1) |
d | Klangspiel: jamim ba`im, „Tage kommen“. kommen ist Partizip, nicht Yiqtol, was verwendet würde, wenn hier etwas über die Tage vorausgesagt würde. Gottes Entscheid steht bereits so fest, das schon damit die Tage bereits jetzt am Kommen sind. Exakt gleich Jer 30,3; Ez 30,9; Sach 11,6. Daher auch die dreifache Hervorhebung des Ausspruchs mit „ja“ und „siehe“ und dem Gottesschwur in der vorigen Zeile. Im Heb. ist „bringt!“ in V. 1 und „es kommen“ hier das selbe Wort; in die LF könnte man dieses Wortspiel übertragen mit „ich bringe Tage über euch...“ (Zurück zu v.2) |
e | wegtragen: Wortspiel; nß` heißt im Piel häufig „erhöhen“ (und „unterstützen“) und im Nifal häufig „erhaben sein“. Gerade das wird mit den Angesprochenen hier aber nicht gemacht und gilt nun nicht mehr für sie. Das Wort könnte sowohl Nifal als auch Piel sein. Die einzige Bed., die hier einigermaßen passt, ist in beiden Stammformen die Bed. „etw./jmd. (weg)tragen“ im Nifal (s. 2 Kön 20,17 und Jes 39,6; Jes 49,22; 66,12; Jer 10,5); die Bed. „jmdn fortziehen“ oder „deportieren“ ist nicht belegt. S. dann nächste FN. (Zurück zu v.2) |
f | 2cd sind sehr schwierig, da gleich drei Begriffe unklar sind. Vielleicht wird hier „poetische Gerechtigkeit“ hergestellt: Gerade die Kühe, die auf den fruchtbaren Baschanweiden weideten, werden nun von diesen in dunkles Dorngestrüpp verschleppt. Alternativ müsste man am ehesten an den Transport gefangener Fische denken wie oben rechts und unten links abgebildet. Auch damit würde poetische Gerechtigkeit hergestellt: Gerade sie, die aus Trunksucht die Armen knechteten, werden nun würdelos abtransportiert wie Fische auf dem Trockenen. Genauer: Die drei unklaren Begriffe sind beṣinnot (hier: „an Haken“) und besirot dugah (hier: „an Fischhaken“, w. „Haken der Fischerei“). Dabei ist keiner der Begriffe wirklich unbekannt. (a) Am wenigsten umstritten ist dugah, das nur hier in der Bibel verwendet wird und daher unsicher ist, aber fast stets von dag „Fisch“ abgeleitet wird und dann als „Fischerei“ gedeutet wird (aber s. gleich). (b) Das dazugehörige fem. sirot scheint auf den ersten Blick vom mask. oder fem. (hier also fem.) sir I („Topf, Kessel“) zu kommen. Daneben gibt es ein mask. sir II („Dorn“) mit dem mask. Pl. sirim. (c) ṣinnot ist auf den ersten Blick der Plural des fem. ṣinnah („Schild“), neben dem es außerdem ein ähnliches mask. ṣen („Stachel“) gibt, dessen Pl. aber, da mask., ṣinnim lautete wie in Ijob 5,5; Spr 22,5. Außerdem ist im späten Aramäisch das fem. Wort ṣinna` („Korb“) belegt, dessen Plural ebenfalls wie hier ṣinnot wäre. (1) Auf den ersten Blick scheint daher der Vers zu sagen: „Ihr werdet fortgetragen auf Schilden und eure Nachkommen in Fischereitöpfen.“ oder „...in Körben und Fischereitöpfen.“ Die erste Variante ist sinnlos, so aber PAT. Bei der zweiten Variante wäre zu denken an einen Fischtransport wie oben auf dem Bild unten rechts abgebildet ist. So schon Michaelis, Prätorius 1918, S. 1251 und wesentlich stärker rezipiert Paul 1991. Aber ganz richtig Yoder 2015, S. 101: Das aram. Wort ist zu spät überliefert, als dass man es guten Gewissens schon für die Abfassungszeit des Amos-Buches annehmen dürfte. Außerdem ist ein Kessel kein Transportmittel, und was ein „Fischereikessel“ sein soll, ist auch ungewiss. (2) Wir folgen hier stattdessen, weil er sicher das rundeste Bild ergibt, einem mittlerweile schon wieder weitgehend in Vergessenheit geratenen Vorschlag von Döderlein 1787, S. 170 und Dahl 1795, S. 128, die (wie Michaelis: „schwarze Kessel“, Schegg: „rußige Töpfe“) das Hapax dugah vom Arab. duga („dunkel“) ableiten und als „schwarz, finster“ deuten. Dann: „Ihr werdet (von euren fruchtbaren Weiden) getragen in Gestachel und eure Nachkommen in finsteres Dorngestrüpp“. Das Femininum der Nomina wäre zu erklären als Markierung der Nomen „Stachel“ und „Dorn“ als Kollektivnomina (also „Stachel“ > „Gestachel“, „Dorn“ > „Gedorn“ = „Dorngestrüpp“; vgl. JM § 134p; ähnlich schon GKC §122s). (3) Die meisten orientieren sich heute ebenfalls an den jeweiligen maskulinen Substantiven „Dorn“ und „Stachel“, die hier aber deshalb fem. wären, weil sie künstlich verfertigt sind (gut Maag 1951, S. 190, zum Fem. von Instrumenten vgl. GKC §122m-o; JM §134i). „Dorn“ an sich ist dann noch nicht gut verständlich, aber die Parallele „Fischereistachel“ machte dann klar, dass es sich dann entweder um Angelhaken oder um Fischspeere handeln müsste. „Fischspeer“ wählen viele dann deshalb, weil man annimmt, dass im Alten Israel nicht geangelt worden sei, aber das ist unwahr: In Israel wurden eine ganze Reihe von Angelhaken ausgegraben (s. jüngst Rosenberg/Chasan 2020), darunter einige in Tell el-Kheleifeh, die man heute ins 8.-6. Jhd. v. Chr. datiert (dazu vgl. Pratico 1985). Auch in der Bibel ist es klar belegt, s. Ijob 40,26; Ez 29,4f.; Hab 1,15. Recht schwierig an dieser Deutung ist, dass für Angelhaken im Heb. mit ḥakkah und ḥaḥ / ḥoaḥ (das ebenfalls ursprünglich „Dorn“ heißt) bereits zwei Vokabeln zur Verfügung standen. Yoder 2015, S. 97 will das damit erklären, dass der Hirte Amos mit den „Dornen“ und „Stacheln“ gezielt zwei eigentlich landwirtschaftliche Begriffe auf die Fischerei übertragen hätte – aber warum und wozu? Die Rede von den Haken / Speeren jedenfalls wird dann entweder aufs Angeln übertragen (für eine Abbildung s. rechts; gemeint wäre quasi: „ihr werdet aus eurer Heimat herausgeangelt“. S. z.B. TAF: „man wird euch mit Angeln heraufholen und eure Nachkommen mit Haken zum Fischen“, ähnlich BB, LUT, TUR, ZÜR) oder man geht noch häufiger davon aus, dass sowohl „Haken“ als auch ganz merkwürdig „Fischereihaken“ den Nasenring einer Kuh bezeichne (s. rechts und vgl. Ez 19,9), die von ihrer Weide fortgezogen wird (EÜ: „man holt euch mit Fleischerhaken weg, und was dann noch von euch übrig ist, mit Angelhaken“), oder dass Letzteres ebenso merkwürdig für den Fischspeer stehe, der auch zum Antreiben der Kühe verwendet worden sei (Jeremias 1995: „Man treibt euch fort mit Stacheln und die Letzten von euch mit Harpunen“). Beides stimmt aber nicht mit dem (häufigen) Verb zusammen (s. vorige FN); wenn überhaupt, sollte man daher besser nicht ans Angeln, sondern an den Fisch-Transport denken. (4) Einigermaßen verbreitet ist schließlich noch der Vorschlag von Schwantes 1967, ṣinnot sei mit dem akk. ṣinnatu („Nasenseil“) verwandt (z.B. Fleischer 1989, S. 84; Reimer 1992, S. 92; Soggin 1987; Wolff 1969). Zu denken wäre dann entweder an den assyrischen Usus, Gefangenen in der Tat ein Nasenseil anzulegen (vgl. 2 Kön 19,28 und Jes 37,29; 2 Chr 33,11; Ez 38,4 und s. rechts), oder es waltete auch hiernach noch die Kuh-Metapher und man hätte an Kühe zu denken, die an der Leine gezogen werden (s. ebenfalls rechts). Auch hiergegen spricht aber das Verb in 4c und die Rede vom „Fischspeer“ ist auch hier sehr schlecht motiviert. (Zurück zu v.2) |
g | Durchbrüche in der Mauer einer eingenommenen Stadt, durch die man in sie hinein- oder hinausgelangte, daher auch einfach „Lücke“ in der Mauer (s. z.B. 1 Kön 11,27; Neh 6,1; Ez 22,30; Am 9,11). Gut Philipps 1963: „Through gaps in the walls made by your enemies“. (Zurück zu v.3) |
h | Textkritik: Die Konsonanten lassen sich sowohl als aktives Qal als auch als passives Nifal deuten. MT vereindeutigt durch Vokalisierung und VUL durch Üs. zum Qal, LXX, Sym, Tg, Syr durch Üs. zum Nifal, der nach 2c und vor 3b sicher runder ist. (Zurück zu v.3) |
i | tFN: geradewegs - negedah („vor sich selbst“, nicht: „(die Durchbrüche) vor sich“, wie schon Raschi deutet; dafür müsste das Wort direkt an diese „Durchbrüche“ anschließen), das fem. Gegenstück zum mask. negedo (s. Jos 6,5.20, dazu Allen 1971); vergleichbar ist lefanajw („vor sich“) in Jes 53,2 (dazu vgl. schon Ehrlich 1912b, S. 191). Das Idiom mit der Bed. „geradewegs“, „mitten hindurch“ gibt es auch im Akkadischen (vgl. Driver 1937, S. 48) und Syrischen (vgl. Gordon 1970). (Zurück zu v.3) |
j | Textkritik: Die Konsonanten lassen sich sowohl als aktives Hifil als auch als passives Hofal deuten. VUL vereindeutigt durch Vokalisierung zum Hifil, LXX, Sym, VUL, Syr durch Üs. zum Hofal. An sich ist das nicht weiter problematisch; interessant ist aber, dass das Hifil für gewöhnlich nur transitiv gedeutet werden könnte („ihr werdet X werfen“; vgl. dazu schon Keil 1866, S. 192). Am 4,3 wäre dann nach Am 2,8; 2,13 und 2,15 schon die vierte Stelle, an der nach der Vokalisierung des MT eine transitive Hifilform intransitive Bedeutung haben müsste (s. zu 2,15). (Zurück zu v.3) |
k | Unbekannter Ort. Man denkt zunächst sofort an den Berg Hermon, der aber sonst mit ch statt h wie hier geschrieben wird. Die meisten deuten dennoch so; in Ermangelung einer besseren Alternative sollte man das auch in der LF tun. Ist das wahr, liegt hier außerdem ein Wortspiel vor: „Hermon“ kommt wahrscheinlich von charam („trennen, weihen“); entspreichend ist z.B. cherem' im Heb. der Mischna etwas, dessen Nutzung man sich enthält, weil man es als Opfer für den Tempel oder für Priester widmet („Geweihtes“; z.B. m.Ned ii 4: „[Wenn einer schwören will:] ‚Dies hier gelte mir wie ein cherem für den Himmel!‘, ist [ein solcher Schwur] verboten; wenn [er aber schwören will:] ‚wie ein cherem für Priester‘, ist er erlaubt.“). Stehen die „Baschan-Kühe“ wirklich für Anhänger eines Kultes, ist es äußerst passend, dass sie gerade auf einem „geweihten“ Berg ausgesondert werden. Und auch darüber hinaus herrschte dann hier poetische Gerechtigkeit: Die „Kühe auf dem Berg Baschan“ würden gerade auf den Berg Hermon exiliert, der zum selben Gebirgszug gehört. Es passt allerdings nicht zu Am 5,27, wonach die Israeliten „bis hinter Damaskus“ exiliert werden werden (der Hermon liegt von Israel aus gesehen noch vor Damaskus) und auch nicht dazu, wie es sich tatsächlich verhielt: Die Israeliten wurden nach Assyrien noch weiter im Nordosten verschleppt. Genauer: Ursprünglich waren sicher die Konsonanten hhrmnh. Schon die alten Vrs. deuten diese ganz unterschiedlich: Theod und eine unbekannte gr. Üs. splitten zu hhr mwnh („auf den Berg Mona“), (2) eine Variante in der LXX-Überlieferung ähnlich als „auf den Berg Remman/Ramman/Romman“ (hhrmnh = hhr rmnh, ein schönes Bsp. dafür, dass der selbe Konsonant am Wortende und -beginn nur einmal werden geschrieben musste (s. Textkritik s.v. „Haplographie“), weshalb LXX hier das r quasi verdoppeln kann), (3) eine zweite LXX-Variante als „auf den Hermon“ trotz h statt ch (so auch VUL, Syr), (4) eine dritte als „nach Armenien“ (so auch Sym, Tg; auch noch Michaelis und Struensee). (5) Eine weitere unbekannte gr. Üs. schließlich liest hhr rwmh „der hohe Berg“ (so auch Theod). (6) Andersen/Freedman 1970 haben außerdem auf den im Ugaritischen belegten Ort hrnm in Aram verwiesen, der nach Albright mit „Hermel“ identisch sein soll; der Ortsname hätte sich also so entwickelt: hrnm > hrmn > hrml; von der sonst unbelegten zweiten Variante soll dann hier die Rede sein. (7) + (8) Einigermaßen verbreitete Textkorrektur-Vorschläge sind außerdem noch h`rmnh („zur/auf die Festung“, so z.B. noch Reimer 1992, S. 93; ähnlich TAF; auch Moldenhawer: ihr werdet die Festungen verwerfen = „ihr werdet die Paläste fahren lassen“) und hmdmnh („auf den Misthaufen“, so z.B. noch Garrett 2008), obwohl dies weder ähnlich aussieht noch ähnlich klingt. In CTAT III, S. 654 sind noch ganze 13 weitere Textkorrektur-Vorschläge gesammelt. Die Stelle ist sehr unsicher. Von hier aus erklären sich die meisten dt. Üss. Das „Ihr werdet zum Bannort gejagt/geworfen“ von B-R und NeÜ geht davon aus, dass charmon von charam abgeleitet sei, was entsprechend dem Syr. „Exil“ heißen soll: „der Ort, zu dem man verbannt wird“; Justi und van Ess („ihr werdet ins Harem gestoßen/gezwungen werden“) natürlich davon, dass hrmn mit dem „Harem“ zusammenhängt, was im Heb. aber nicht bezeugt ist. TUR („ihr werft euch ins Netz“) und anscheinend auch R-S („man treibt euch zum Fluss“) verbinden das Wort wohl mit dem in Tg zu Hab 1,15 und häufiger im Mischna und Talmud belegten cherem („Fischnetz, Fischteich“); so nämlich auch Greßmann, der dem Wort die m.W. unbelegte Bed. „Fischplatz“ gibt und so zur schönen Üs. „ihr werdet auf den Fischplatz geworfen“ kommt. TEXT schließlich („ihr werdet eure Götzen wegwerfen“) denkt offenbar mit Ewald („ihr werdet die Rimmona auf den Berg werfen“), dass es neben dem syr. Gott „Rimmon“ (s. 2 Kön 5,18 auch eine weibliche „Rimmona“ gegeben habe, die dann hier zu „Götzen“ verallgemeinert wird. (Zurück zu v.3) |
l | Zu Bethel vgl. 1 Kön 12,25-33: Danach hat der israelitische König Jerobeam das Heiligtum in Bethel (und das in Dan) gerade deshalb gegründet, damit Israeliten ihren Zehnt (s. nächste FN) nicht wie üblich nach Jerusalem, sondern nach Bethel brächten (Vv. 32f.). Gilgal, wo sich sicher ebenfalls ein solches Heiligtum befand, hatte dann wohl eine ähnliche Stellung, obwohl davon in der Bibel sonst nichts mehr überliefert ist. (Zurück zu v.4) |
m | Zum Verständnis von Vv. 4f. s. die Anmerkungen. Nebenbei kritisiert wird hier natürlich das Opferwesen; vgl. gut Koch 1976b, S. 24: „So wird wahrscheinlich das Darbringen von Opfer und Zehntem gerügt, weil es aus Gütern besteht, die von den Armen erpreßt sind [...]. So jedenfalls ist der Sinn im jetztigen Zusammenhang“ – dem nämlich, dass Vv. 4f. direkt nach Vv. 1-3 stehen, wo wieder die „Armen bedrückt und die Bedürftigen misshandelt werden“, worauf sich dann diese beiden Verse anschließen, in denen eine ganze Reihe von Opfertypen aneinandergereiht werden, bei denen Israeliten eigene Gaben an ein Heiligtum bringen mussten, wo sie dann auf verschiedene Weise „geopfert“ wurden. Für die Bedrücker und Misshandelnden sind diese teils sehr hohen Abgaben leicht zu verschmerzen, da sie sie ja mit Gütern bezahlen, die an sich nicht die ihren sind. In späteren rabbinischen Schriften findet sich gerade zu solchen Menschen dann die Sonderregel, dass sie gar nicht berechtigt sind, Feldfrüchte zum Opfern an den Tempel zu bringen, weil sie eben nicht ihre eigenen Güter opfern: m.Bikk i 2: „arisin und hechakorot (zwei Arten von Pächtern), Banditen und Räuber (die fremde Felder durch Unrecht an sich gebracht haben) bringen keine Erstlingsfrüchte dar, weil es heißt: ‚Die Erstlingsfrüchte deines Landes‘ (Ex 23,19)“; t.Ter i 6: „Diebe, Räuber und Enteigner: Ihr Zehnt-Zehnt, ihr Zehnt und ihre freiwilligen Opfer sind gültig. Wenn der (eigentliche) Feld-Eigner aber (noch) hinter ihnen her ist, (sind sie's nicht).“ Genauer: An sich sind die Verse aber nicht sehr gut verständlich. Die im Heb. auffällige Voranstellung von „am Morgen“, „am dritten Tag“ und „vom Sauerteig-Gebäck“ legen eigentlich nahe, dass dies hier jeweils der Knackpunkt sein muss und also die Opfer aufgrund von einer Art Formfehler als Sünde eingestuft werden müssen. Bei keiner dieser Opferhandlungen lässt sich aber mehr erkennen, was diese Formfehler sein sollen. Am ehesten vielleicht dies: Bei den Dankopfern gesäuerter Brote soll der Leser evt. an Lev 2,11; 6,7-10 denken, wo geregelt ist, dass als Speiseopfer ausschließlich ungesäuerte Brote dargebracht werden dürfen (dagegen spricht auch nicht Lev 7,13; anders, als in vielen Amos-Kommentaren zu lesen ist, ist dort nicht dann doch von gesäuertem Brot gerade zum Dankopfer, sondern zum Friedensopfer neben dem Dankopfer die Rede). Bei den freiwilligen Opfern – also Opfern, die man zu den großen Festtagen zu seinen sonstigen obligatorischen Abgaben noch obendrein opfert – lässt der Text gar keine andere Möglichkeit als die, dass das Kritikwürdige die öffentliche Verkündigung derselben ist. Das ließe sich vone einigen späteren jüd. Texten her erklären; dort nämlich findet sich sehr häufig das Ideal, dass freiwillige Gaben nicht aus Ehrsucht und daher öffentlich, sondern im Verborgenen gegeben werden sollen; s. Spr 6,13f.; Mt 6,3f. und später auch m.Ab v 13; b.BB 10a; b.MQ 16a; b.Ket 66b; p.Scheq 5,49b. Für Menschen, die aus Ehrsucht öffentlich gaben, war zu dieser Zeit Spr 18,16 sprichwörtlich, s. p.Hor 3,48a; LevR 5; DtnR 4. Bei den Schlachtopfern soll der Leser dann vielleicht an 2 Kön 16,15 denken: Dort ist geregelt, dass vom Tempel gestellte Opfer der Allgemeinheit morgens, Opfer der Bevölkerung (und des Königs) aber abends dargebracht werden sollen. Vielleicht soll man 4c verstehen als „Bringt eure Schlachtopfer [schon] am Morgen (und begeht also auch darin einen Formfehler)“? Grammatisch wäre das gut möglich; Fokuspartikeln wie „schon“ oder „erst“ werden im Heb. fast nie gesetzt und müssen im Dt. sehr häufig dazugedacht werden. Was der „dritte Tag“ im Zusammenhang mit dem Zehnt soll, ist aber endgültig unverständlich: Der Zehnt war zur Abfassungszeit des Amosbuches die „Kirchensteuer“ des Alten Israel, nämlich die obligatorische Abgabe eines Teils der Erträge eines Jahres aller Feld- und Vieheigner an Kultstätten und ihre Bedienstete, die offiziell als „Opfer“ galt (zur gesch. Entwicklung des Zehnts vgl. am besten Ajah 2012, bes. S. 29) und die gemeinsam mit den Erstlingsfrüchten einmal jährlich zum Wochenfest am jeweiligen Heiligtum entrichtet wurde (s. zum Zehnt auch noch zu V. 1). Nach allem, was wir wissen, dauerte dieses Wochenfest aber nur einen Tag. Möglich wäre höchstens: Gesetzlich und liturgisch begann ein Tag im alten Judentum bereits mit dem Vorabend des vorangegangenen Tags; obwohl er nur einen „liturgischen“ Tag dauert, gliedert sich daher auch heute das Wochenfest noch in erev shavuot („Vorabend des Wochenfests“) und shavuot selbst. Vielleicht kann man also auch hier deuten: „Bringt eure Zehnt [erst] am dritten Tag“, was dann wohl formal ähnlich falsch wäre wie die Darbringung von Schlachtopfern des Volkes am Morgen und wonach der zu verbrennende Teil des Zehnts jedenfalls sicher nicht mehr rechtens geopfert werden konnte. Wirklich naheliegend ist aber keiner dieser Formfehler, daher besser doch mit Koch, obwohl die dreimalige Voranstellung in 4cd.5a sicher erklärungsbedürftig ist. (Zurück zu v.5) |
n | Unschuld der Zähne - d.h. quasi: „jungfräuliche Zähne“, weil sie nichts zu beißen haben. Textkritik: Das Bild ist so ungewöhnlich, dass MT nur von Sym und Theod gestützt wird; LXX, VUL, Tg und Syr haben entsprechend Jes 31,29f.; Ez 18,2 qihjon statt niqjon gelesen; Aq übersetzt frei als „Zahnschmerzen“. Das ist eine äußerst starke Bezeugung, eine spätere Entstehung von qihjon lässt sich aber viel besser erklären als eine von niqjon. (Zurück zu v.6) |
o | D.h. den Winterregen. Israel liegt in einer Klimazone mit einer ausgeprägten Regenphase und einer ausgeprägten Trockenphase; der Winterregen drei Monate vor der Ernte war daher überlebenswichtig. 7ab stehen die Verben im Qatal, ab 7c im Yiqtol, das hier iterative Bed. hat: Nicht nur diesen Winterregen hat JHWH einmal vorenthalten, sondern außerdem ließ er auch danach immer wieder nur unregelmäßig verteilt regnen (s. bes. gut Rudolph 1971). (Zurück zu v.7) |
p | tFN: es regnete kann das Wort eigentlich nicht bedeuten, da der Hifil von matar stets „regnen lassen“ bed. (wie in Gen 2,5; 7,4; 19,24; so ja auch hier 2x in 7c und 7d). Entweder muss man auch hier `amtir (Nifal: „beregnet werden“) lesen, oder wir haben hier die fünfte Stelle nach Am 2,8; 2,13; 2,15; 4,3, wo Hifil auch intransitive Bed. haben kann. Oder aber man leitet nur aus Ps 68,15 (Ps 50,3 ist eine falsche gram. Parallele, da problematisch ja nicht 3. fem. sg. ist, sondern Hif.) ab, dass 3. Pers. Fem. Hif. auch unpers. „es Xt“ bedeuten könne (dort: „es schneit“, hier: „es regnet“), so z.B. Wolff, Rudolph, Paul, Eidevall. Zwei Belegstellen sind für eine solche grammatische Annahme aber eigentlich wirklich zu dünn. (Zurück zu v.7) |
q | 8c ist mit nur fünf Silben extrem kurz. Das wird bewusst so gestaltet sein („Lakonie“) um die Aussage noch vernichtender zu machen: „Nix!“ (Zurück zu v.8) |
r | Schwärzling und Blässling - unsichere Begriffe, wahrscheinlich zwei Getreideschädlinge (s.u.). So auch in den meisten dt. Üss., z.B. „Rost und Mehltau“ (EÜ), „Mehltau und Getreidebrand“ (NeÜ), „Kornbrand und Rost“ (TUR). Nach neueren Lexika und der hebraistischen Botanik wäre das nicht mehr korrekt, ist es aber wahrscheinlich doch (s.u.); üs. am besten wie EÜ; bekannter als „Rost“ ist aber ws. „Stinkbrand“. Genauer: Heb. šiddafon (von šadap wie in Gen 41,6.23.27 – doch auch dieses Wort ist unklar) und jeraqon (wahrscheinlich von jereq, „blass, gelb, grün“, daher Jer 30,6 vom menschlichen Gesicht: „das Blass-Werden“). Beide Wörter beschreiben noch häufiger und stets gemeinsam, wenn Getreide „nichts wird“ (s. Dtn 28,22; 1 Kön 8,37 und 2 Chr 6,28; Hag 2,17, auch noch im rab. Heb.). Auch in der hebraistischen Botanik hält man es gelegentlich für Krankheiten; Löw 1926, S. 40 z.B. erklärt zunächst šiddafon als Rußbrand-Pilzbefall und jeraqon als Schwarzrost-Pilzbefall, Vogelstein 1894, S. 56 denkt umgekehrt, šiddafon sei der Rost. Alternativ leitet man die Bed. gerade aus Am 4,9 ab und hält die beiden Worte für die Folgen von Witterungsverhältnissen, was auch Hag 2,17 nahezulegen scheint, wo als drittes Wort in dieser Reihe „Hagel“ genannt wird. Schon Dalman erklärt daher in AuS I/2, S. 326 šiddafon als Dürre und jeraqon, das von Menschen neben dem Erblassen auch das Gelbwerden durch Gelbsucht bezeichnet (deutlich b.Ber 25a: ein Mensch erkrankt an jeraqon, wenn er nicht pinkelt), als „das Blaßwerden der Spitzen des grünen Getreides infolge von ‚Würmerbildung‘ bei längerer Trockenheit, doch wurde mir auch viel Regen als Ursache genannt“. Noch stärker orientiert sich Ha-Reubeni 1929 an Am 4,9, worin ihm z.B. auch Brenner 1983, S. 164 gefolgt ist: „too much rain causes jeraqon, yellowing of the ears; while little or no rain, together with a drying wind, causes šiddafon“. Auch Löw 1934, S. 486 hat dem später zugestimmt; jeraqon sei dann „das Gelbwerden des Getreides bei übermäßigem Regenfall“. Entsprechend findet sich in manchen dt. Üss. auch „Dürre“ für šiddafon (LUT, ähnlich BB: „Hitze“) und „Vergilbung“ für jeraqon (ELB, MEN, SLT, TAF), das Gesamt als „Dürre und Vergilbung“ aber nur bei B-R („Kornversengung und Vergilbung“). Grundlage dieser Deutung scheint auch die zu sein, dass nach Gen 41 šadap offenbar etwas ist, das der Ostwind tut, šiddafon dann also eine Wirkung dieses Ostwinds wäre, einem häufig als bes. stark (s. Ex 10,13; Ijob 27,21; Ps 48,8; Jes 27,8; Jer 18,17 u.ö.) oder besonders heiß (s. Ez 19,12, Hos 13,15; Jon 4,8) beschriebenem Wind. Entweder würde durch den Ostwind also Getreide umgeknickt, wie das Verb in Gen 41 in den meisten engl. Üss. gedeutet wird (vgl. auch Levy, ChW: „Zerstörung des Getreides durch heftiges Wehen des Ostwindes oder durch Hagelschläge“), oder versengt, wie es in fast allen dt. Üss. findet (so auch KBL, Ges18: „Versengen“. Beide verweisen auch auf arab. `asdafa „schwarz/dunkel werden“, aber das müsste dann ein false friend sein – Getreide wird nicht schwarz oder dunkler, wenn es verdorrt). Die Bed. aus Am 4,9 abzuleiten, geht aber nicht an; Am 4,9 gehört ja gar nicht mehr zur Regenstrophe Am 4,7f. Von Landwirten wurde mir außerdem mitgeteilt, dass es das Phänomen, dass Getreide bei zu viel Regen gelb wird, gar nicht gibt (weshalb immerhin Dalman ja noch den Umweg über den Wurmbefall geht). Am stärksten spricht dagegen aber m.Taan iii 5f.: „Wegen folgender Dinge wird überall die Schofar geblasen (um ein Fasten auszurufen, das Unheil abwenden soll): Wegen šiddafon und jeraqon, Heuschrecke und Grille, wilder Tiere und wegen dem Schwert (=bewaffneter Truppen). Man bläst ihretwegen die Schofar, weil sie wandernde Plagen sind (makkah mehallaket). (6) Einmal [riefen die Ältesten Jerusalems sogar ein Fasten aus], weil in Aschkelon šiddafon gesehen wurde, (so groß), dass man (mit den betroffenen Ähren nur) die Öffnung eines Ofens hätte füllen können.“ Vgl. dann Ex 10,13, wo der Ostwind Heuschrecken nach Ägypten bringt. m.Taan legt also sehr nahe, dass šadap in Gen 41 nicht die direkte Folge des Ostwinds ist, sondern dass das Korn wegen dem (Sporen transportierenden) Ostwind von šiddafon befallen wird, und dass šiddafon und jeraqon derart offenbar vergleichbar sind mit Heuschrecken und Grillen, weshalb sie auch in 1 Kön 8,37 = 2 Chr 6,28 und an unserer Stelle mit diesen zusammen genannt werden. Ähnlich vielsagend b.BM ix 6 und b.BM 105b-106a, wo differenziert wird, dass Heuschreckenbefall und šadap nur einzelne Felder oder eine ganze Gegend betrifft (wie ja in m.Taan iii 6 von einem noch geringfügigeren Befall berichtet wird): Auch dies macht sehr unwahrscheinlich, dass šadap eine Wettereinwirkung ist. Wahrscheinlicher ist also doch etwas wie „(schwarzer) Stinkbrand und (blasser) Mehltau“. (Zurück zu v.9) |
s | Textkritik: Im Heb. (harbot) und allen Vrs. wie in der Alternative. Ist das Wort korrekt und nur bisher noch unverstanden, ist dies ein Klangspiel: harbot klingt ähnlich wie ha`arbeh, „die Grille“. Aber wahrscheinlich ist es nicht korrekt. In älteren Üss. übersetzte man nach den Versionen statt mit „das Wachsen“ gerne mit „die Menge“, aber hierfür wird regelmäßig das vom Vb. abgeleitete Nomen verwendet, nie der Inf. cstr. Verbreitet ist außerdem immer noch die Übersetzung „wiederholt“, aber wieder: Hierfür wird regelmäßig der Inf. abs. harbeh verwendet, nie der Inf. cstr. harbot. Wellhausen und Hoonacker haben deshalb vorgeschlagen, statt הרבת zu lesen חרבת oder החרבת („ich ließ verdorren“). Der graph. Unterschied ist minimal; fast alle Kommentare folgen daher heute einem dieser Vorschläge (z.B. Wolff, Rudolph, Jeremias). Der Einwand in CTAT III:656, der Hif. von rbh würde nie vom Garten gesagt, ist unwahr; in 1QH xviii 26 und Mur 30 ii 19 nämlich vom Baum, was leicht per Synekdoche auf einen Garten übertragen werden könnte. Oder 9bc sind ein Satzteilhyperbaton, bei dem bewusst das Prädikat, das besser zu Zeile b passt, in Zeile a gesetzt wird und umgekehrt (Bspp.: Ps 18,15: „Er warf Pfeile, ... einen Blitz schoss er“; Hld 1,6: „Die Sonne hat auf mich geblickt ... meine Brüder waren gegen mich entbrannt“). Das liegt hier ohnehin nahe, da Heuschrecken v.a. Gräser fressen, Baumblätter dagegen weniger gern – so und so passt also auch die Heuschrecke besser zu den Gärten als zu den Bäumen. An Versuchen, den Text beizubehalten, sind mir nur bekannt: „Die Menge euerer Gärten und Weingärten fraß die Heuschrecke“ (z.B. Niehaus, dazu s.o.), (2) „Wiederholt eure Gärten und Weingärten ... fraß die Heuschrecke“ (z.B. Paul, Kessler; dazu s. ebenfalls o. Das „wiederholt“ an dieser Position ist außerdem so wenig idiomatisch, dass Andersen/Freedman und Garrett es stattdessen noch in Zeile a ziehen wollen. Warum sollte das besser sein? Statt den Vokalen müssten dann eben die Akzente geändert werden.). (3) Sicher am besten: „Als wuchsen eure Gärten und Weingarten, eure Feigen- und Olivenbäume fraß da die Heuschrecke“ (Stuart); doch dann wäre das Wort richtiger übersetzt: „Als sich mehrten...“ (s. Dtn 17,16; 28,63; 1 Sam 14,11; 1 Chr 27,23), nämlich vielleicht durch gaunerische Akkumulationen von Grundstücken. Aber das passt hier wenig. (Zurück zu v.9) |
t | Gemeint sind die Beulen aus Ex 9,10f.. Mit der Wendung „nach der Weise Ägyptens“ wird auch in Jes 10,24.26 auf diese Exoduserzählung angespielt. (Zurück zu v.10) |
u | Textkritik: Der Text ist ganz unsicher. Erstens wird das Subst. „Gefangenschaft“ und das Vb., von dem es abgeleitet ist, sonst nur von Menschen verwendet (Ehrlich 1912b, S. 239). Paul 1991, S. 148 verweist dagegen auf Ex 22,9, aber diese Parallele ist unsicher, da dort das Vb. gut auch untypisch aus stilistischen Gründen verwendet worden sein könnte (er lautet: `o-nischbar `o-nischbah „oder es wird verletzt oder es wird gefangen“). Einige korrigieren den Text von שבי nach צבי („Pracht“ – daher „prächtige Pferde“), aber das hilft auch nicht wesentlich weiter, denn noch problematischer ist ein Anderes: Vor allem ist nämlich zweitens die schiere Existenz dieser Zeile merkwürdig. Zunächst motivisch: Verdichtet wird in Am 4,6-10 die übliche Plagentrias „Hunger, Schwert, Krieg“ (1 Chr 21,12; 2 Chr 20,9; Jer 14,12; 21,7.9; 24,10; 27,8.13; 29,17f.; 32,24.26; 34,17; 38,2; 42,17.22; 44,13; Ez 5,12; 6,11f.; 7,15; 12,16; 28,23), die nur in Ez 5,17; 14,21; 33,27 noch durch „wilde Tiere“ zu einem Plagengeviert erweitert wird. Die Rede von den gefangenen Pferden ist also sehr störend. Sodann rhetorisch: Nach der Rede von den getöteten Jünglingen ist die eigene Nennung der gefangenen und ebenfalls getöteten Pferde sehr antiklimaktisch. An der Üs. von VUL lässt sich das besonders gut erkennen: „Ich tötete eure Jünglinge mit dem Schwert usque ad captivitatem equorum vestrorum, bis dahin, dass ich sogar eure Pferde gefangen nahm!“. Und schließlich poetisch: Wir haben oben die ersten fünf heb. Worte – „Ich sandte gegen euch eine Pest nach der Weise Ägyptens“ – in zwei Zeilen gesplittet, da man dies zumindest in der LF sicher so tun sollte. An sich ist das aber nicht gut zu rechtfertigen; 10b hätte derart ursprünglich nur vier Silben gehabt (bedark mizrajm), was nach fast allen Kolometrikern zu kurz für eine eigene Zeile wäre, und 10ab ist insgesamt eine Paschta-Zaqef-Phrase, was zumindest für Akzentkolometriker als ein Kolon aufzufassen wäre. Ist aber 10ab eine Zeile, wäre poetisch eigentlich geboten, es mit der jetztigen Zeile 10c zu einem Bikolon zusammenzufassen. Das aber lässt die jetztige Zeile 10d mit dem ´im („zusammen mit“) nicht zu; das Wort zwingt, 10c und 10d zu einem Bikolon zusammenzufassen, wonach dann 10a alleine steht und 10e alleine steht, da nach den vorangehenden Strophen sicher auch 10f alleine stehen muss. Poetisch wäre sicher zu erwarten, dass der Text so zu gliedern wäre:
Schwierig ist 10d außerdem historisch: Der Hintergrund der Rede von den gefangenen Pferden ist wahrscheinlich der, dass zum einen Israel eine besonders gut ausgebaute Kavallerie hatte, zum anderen die Assyrer pflegten, Kavallerie und Kriegswagen ihrer besiegten Gegner nach dem Sieg in ihre eigene Armee zu integrieren, weshalb nach dem Fall Samarias sogar ein eigenes Regiment israelitischer Kavalleristen in der assyrischen Armee gebildet wurde (vgl. dazu z.B. Dalley 1985). Man sollte also meinen, dass in einem israelitischen Text aus der Zeit des Amosbuches mit der Rede von „gefangenen Pferden“ auch wirklich von der Gefangenennahme dieser Pferde die Rede ist (so übersetzt z.B. Jeremias 1995: „ich habe eure Jugend mit dem Schwert getötet, eure Rosse wurden zur Kriegsbeute“). Aber so lässt sich der heb. Text nicht verstehen; die natürlichste Bed. von 10d ist diese so antiklimaktische und historisch schwer erklärliche, dass nicht nur die israelitischen Jünglinge getötet wurden – sondern zusammen mit ihnen sogar noch die gefangenen Pferde! Es ist also fast sicher, dass in dieser Zeile etwas fehlerhaft überliefert ist; aber was, konnte man bisher noch nicht herausfinden. (Zurück zu v.10) |
v | Textkritik: MT hat ein Waw vor „in eure Nase“, das in keiner der Vrs. belegt ist. Waws werden in den Vrs. nicht regelmäßig übersetzt; ganz aussagekräftig ist das also nicht. Einige Kommentatoren wollen daher auch dieses Waw als ursprünglich betrachten und erklären es entweder als Waw explikativum („Ich ließ den Gestank aufsteigen, und zwar in eure Nase“) oder als Waw emphaticum („Ich ließ den Gestank aufsteigen – in eure Nase!“), aber ganz richtig Rudolph 1971, S. 171: „Daß w hier das hervorhebende oder erläuternde w sein soll (‚und zwar in eure Nase‘), wirkt lächerlich, da das Riechen mit der Nase keiner Erläuterung bedarf. Es handelt sich um einen reinen Schreibfehler [...].“ (Zurück zu v.10) |
w | D.h. ich vernichtete euch, wie ich einst Sodom und Gomorrha gänzlich vernichtet hatte (s. Gen 18-19). „Umstürzen“ wird noch häufiger für diese restlose Vernichtung von Sodom und Gomorrha verwendet, s. Gen 19,21.25.29; Dtn 29,22; Jer 20,16; 49,18; 50,40; Klg 4,6. Gott spricht hier von sich in der 3. Pers. wie in Am 2,4.8 und wie noch häufig. Soggin 1987 dagegen glaubt, dass `elohim hier wie ein Superlativ verwendet wird (ein „göttlicher = unglaublicher“ Umsturz), wie das noch für einige weitere Stellen diskutiert wird (bes. Ps 36,7; 80,11); ob es diese Konstruktion aber wirklich gibt, ist umstritten, und hier jedenfalls liegt sie nicht näher als die natürlichere Auflösung als „Umsturz Gottes“. (Zurück zu v.11) |
x | D.h. „ein völlig verkohltes Holzscheit“. Sicher nicht: „das man gerade noch so aus dem Feuer gerettet hat“; nach dem Vergleich mit Sodom und Gomorrha wäre das ganz sinnlos. So aber eine ganze Reihe von Kommentaren und Üss. (Zurück zu v.11) |
y | solches + dies sind hier wahrscheinlich eine Art Platzhalter für eine noch weitergehende Strafe, die so schrecklich ist, dass sie gar nicht erst genannt wird. Ein ähnlicher Sprachgebrauch begegnet mit „so“ z.B. sicher in der häufigen Schwurformel „So tue Gott an mir und solches füge er hinzu, [wenn ich nicht X tue]“ (z.B. Rut 1,17; 1 Sam 3,17; 1 Kön 2,23; dazu z.B. JM §165a), mit „dies“ wahrscheinlich in Ps 7,4. Zu dieser Vermeidungsstrategie allgemein s. Schorch 2000, S. 244. So deuten hier allerdings nicht viele (zuletzt erwogen von Koch 1976b, S. 27); für gewöhnlich geht man entweder davon aus, dass „so“ so viel heißen soll wie „wie eben beschrieben“ – „Darum werde ich nun so an dir handeln“ hieße also: „Darum mache ich das Selbe jetzt noch mal!“ (so z.B. Jeremias, Garrett) – oder tatsächlich davon, dass man sich vorstellen muss, dass Amos hier entweder eine Drohgebärde macht oder mit einer Handbewegung auf einen zerstörten Ort zeigt (so z.B. Wolff, Hammershaimb, Paul). (Zurück zu v.12) |
z | Rüste dich, zu begegnen ist viel wahrscheinlicher als „Bereite dich darauf vor, (um Vergebung) zu rufen“: Der Liqtol von qara` steht 121x in der Bibel und heißt stets „begegnen“, nie „rufen“ (vgl. Youngblood 1971). Die Stelle lässt sich daher entweder deuten als unspezifisches „bereite dich darauf vor, mir, deinem Gott, zu begegnen (ich will dir nämlich erscheinen)“, wie dies aber nur in Ex 19,11.15.17 begegnet, wo kun die spezielle Bed. „sich-Reinhalten“ hat, oder es ist viel wahrscheinlicher eine Drohung: Rüste dich (wie Spr 21,31; Ez 7,14; 38,7), mir in einem Kampf gegenüberzutreten (wie Num 21,23; Jos 8,14; Ijob 39,21 u.ö.). In der jüd. Tradition aber hat sich auf Basis dieses Verses eine ganz eigene Auslegungstradition entwickelt. qara` wurde dort nämlich doch sehr häufig aufs Gebet bezogen und daraus dann verschiedenste Forderungen für die Vorbereitung aufs Gebet abgeleitet. Noch heute legt man wegen diesem Vers auf Basis von b.Schab 10a ein spezielles Gewand zum Beten an, um sich so „fürs Gebet zu rüsten“. Andere in der jüd. Tradition geforderte Vorbereitungen aufs Gebet, die alle aus diesem Vers abgeleitet werden: Man soll vor dem Gebet aufs Klo gehen (t.Ber ii 19; b.Ber 23a; j.Ber 4d. j.Meg 71c spezifiziert: Kleine Geschäfte muss man vorher erledigen, große darf man bis nach dem Gebet zurückhalten); sich Socken anziehen (auch b.Schab 10a), nüchtern sein (b.Ber 51b). (Zurück zu v.12) |
aa | Textkritik: Donner-Bildner statt „Berge-Bildner“ nach LXX, diese las also hr´m statt hrjm (הרעם statt הרים). Die anderen Vrs. stützen aber alle MT; kaum einer hält daher LXX für ursprünglicher. (Zurück zu v.13) |
ab | Das zweite Attribut Gottes – „Schöpfender des Windes/Geistes“ – wurde in der chr. Tradition sehr stark diskutiert. Für alte christliche Leser musste dieses Attribut nämlich so klingen, als habe Gott den Heiligen Geist geschaffen. Hinzu kommt, dass die LXX das folgende „der Kündende seiner Klage“ (מה שחו) als „seinen Gesalbten, seinen Messias“ las (משחו), sodass der Text von 13ab nach der LXX für alte Christen klingen musste wie „der den Donner bildete, den Heiligen Geist erschuf und der den Menschen seinen Messias vorhersagte / identifizierte“. Es ist natürlich ausgeschlossen, dass dies die ursprüngliche Bedeutung dieser beiden Zeilen war, hat aber zu einer ganzen Reihe sehr faszinierender Auslegungen der Kirchenväter geführt und wurde vor allem wichtig für die frühchristliche Auseinandersetzung mit den Arianern. Für zwei Bspp. s. Athanasius, Ep ad Ser i 3; Didymus, De spirito sancto 14ff. (Zurück zu v.13) |
ac | Fast alle übersetzen wie in einer der beiden ersten Alternativübersetzungen; gemeint wäre also entweder, dass Gott sogar die geheimsten Gedanken des Menschen kennt und ihm das irgendwann (z.B. beim Endgericht) auch mitteilt (vgl. Ps 49,11; 139,2; 1 Kor 4,5), oder dass Gott dem Menschen freimütig mitteilt, was seine eigenen Gedanken und Pläne sind. Beides ist fast ausgeschlossen. Das Wort ist sonst nirgends in dieser Form belegt (ßech), wird aber von fast allen für identisch gehalten mit dem häufigeren ßich, das dann als „Gedanke, Plan“ erklärt wird. Diese Bed. hat ßich aber nie, sondern ßich steht stets für laute sprachliche Äußerungen, speziell den klagenden Ausruf (vgl. Müller 1969; daher auch Aq: „seine Anweisung“, Sym: „seinen Klang“, Quinta: „sein Geplappere“ (!), VUL: „seine Rede“, Syr: „seine Preisung“, nur evt. Theod: „sein Wort/sein Gedanke“. Zu LXX s. vorige FN, zu Tg gleich.). Weil man dies also wenig zu Gott passend erachtet, deutet man dann aber wie beschrieben ßich um, erfindet neue Wörter (Dijkstra 1998, S. 251: ßich sei identisch mit șich, das im Heb. ebenfalls nicht belegt ist, im Ug. aber „aufrufen“ heißt und daher hier „Gebrüll“ heißen soll) oder korrigiert den Text nach Tg („sein Werk“) zu ma´aßehu. Warum die Bed. „Klage“ Auslegern so schwierig scheint, ist ein Rätsel; im direkt folgenden Vers (Am 5,1) stimmt Gott ja wirklich einen Klagegesang auf Israel an. Am 4,13 bereitet also sicher Am 5,1ff. vor. (Zurück zu v.13) |
ad | Gemeint ist wahrscheinlich, dass JHWH als Wettergott durch Sturmgewölk die Morgendämmerung verhindern kann. Der Morgen ist in der Bibel häufig die Zeit des hilfreichen Einschreitens Gottes. Doch dieser Morgen findet nun gar nicht statt; Gott überwölkt ihn. Wenige Üss. wie in den Alternativen. Alternative 2 übrigens nicht erst bei Paul 1991, sondern schon bei Gordis 1978, S. 115. Beide Alternativen sind sehr unwahrscheinlich; Alternative 1 widerspräche der üblichen heb. Wortstellung, Alternative 2 muss beiden Wörtern Bedd. geben, die denen gerade entgegengesetzt sind, die sie sonst haben. (Zurück zu v.13) |
ae | Im Alten Orient hatte man häufig die Vorstellung, dass gerade Wettergötter (wie JHWH als Wind-Schöpfer hier sicher dargestellt wird) besonders auf Bergen anwesend waren. Dass eine solche Gottheit daher über die Höhen der Berge schreitet oder auf die Höhen der Berge tritt, gehört dort zu den verbreitetsten Motiven zur Darstellung dieser Gottheiten; s. z.B. die beiden Abbildungen rechts, in der Bibel s. noch Mi 1,3; ähnlich Ijob 9,8. Man beachte übrigens, dass die betreffende Gottheit auf beiden Siegeln einen Bullen als Attributtier hat; auch das findet sich noch häufiger auf altorientalischen Darstellungen und macht noch einmal etwas wahrscheinlicher, dass die Kühe, von denen V. 1 spricht, die Kühe des Bullen JHWH sein sollen. (Zurück zu v.13) |
af | Gott Zebaot (Gott der Heerscharen) - „Zebaot“ ist ein häufig vorkommendes Attribut Gottes: Er ist nicht nur „einfach so“ Gott, sondern der höchste Gott, der als solcher an der Spitze der himmlischen Heerscharen steht. Je nach Zeit sind darunter die göttlichen Himmelskörper, andere Götter oder Engel verstanden worden. Hier wird durch diesen Beinamen natürlich JHWH speziell als kriegerischer Gott vorgestellt – und diesem soll Israel nun gegenübertreten. Ausnahmsweise sollte man daher hier in der LF nicht als „Mächtigster Gott“ übersetzen (s. Gottesnamen), sondern z.B. „Gott der himmlischen Heere“. (Zurück zu v.13) |
ag | Die wörtliche Ausführung dieser Klage folgt im nächsten Kapitel. Um dies klarer zu machen, haben wir hier dieses [, der spricht:] eingefügt. (Zurück zu v.13) |