Rut 1

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Lesefassung (Rut 1)

(in Erstellung)

1 Als Israel noch keine Könige hattea gab es dort eine Hungersnot. Da verließ ein Mann Betlehem in Juda, um sich in Moab niederzulassen, zusammen mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen. 2 Der Mann hieß Elimelech, seine Frau Noomi und seine beiden Söhne Machlon und Kiljon. Sie waren Efratiter aus Betlehem. Und so kamen sie nach Moab und blieben dort. 3 Da starb Elimelech und hinterließ Noomi mit ihren beiden Söhne. 4 Sie heirateten sich moabitische Frauen . Ihre Namen waren Orpa und Rut . Nach etwa zehn Jahre 5 starben auch Machlon und Kiljon und Noomi war ganz allein, ohne Kinder und ohne Mann.

Anmerkungen

awörtlich: "Zur Zeit der Richter". (Zurück zu Lesefassung v.1)

Studienfassung (Rut 1)

1 Zur Zeit (in den Tagen) des Richtens der Richterb war (herrschte) eine Hungersnot im Landc (kam eine Hungersnot über das Land). Da verließd ein Mann Betlehem in Juda (machte sich ein aus Betlehem in Juda [stammender] Mann auf)e, um sich in {dem Gebiet von} (bei den Feldern von)f Moabg niederzulassenh - er, seine Frau und seine beiden Söhnei.
2 Der Name des Mannes [war] Elimelech (Gott ist König) und der Name seiner Frau [war] Noomi (lieblich) und die Namen seiner beiden Söhne [waren]j Machlon (krank?)k und Kiljon (schwindend?)k. [Sie waren] Efratiterl aus Betlehem in Juda. Und so kamen sie {in das Gebiet von} [nach] (zu den Feldern von) Moab und blieben dort.
3 Da starbm Elimelech, der Mann Noomis, und sie hinterblieb, sie und ihre beiden Söhnei.
4 Sie nahmen sich moabitische Frauen (Sie gingen Mischehen mit moabitischen Frauen ein?)n. Der Name der einen [war] Orpa (Nacken?, Wolke?)k und der Name der anderen [war] Rut (Freundin?, Sättigung?)k.o Sie wohnten etwa zehn Jahre dort.
5 Da starbenm auch diese beiden - Machlon und Kiljon -, und es hinterblieb die Frau, ohne ihre beiden Kinderp und ohne ihren Manni.


6 Und sie begann, zurückzukehrenq - sie und ihre Schwiegertöchterr - aus {dem Gebiet von} (von den Feldern von)f Moab, weil sie in {dem Gebiet von} (bei den Feldern von)f Moab gehört hattes, dass JHWH sein Volk besucht hattet, indem er ihm Brotu gegeben hatte. 7 Und sie verließ den Ort, wo sie gewesen war, und ihre beiden Schwiegertöchter [waren] bei ihr (standen unter ihrer Aufsicht?v).
Und sie gingen auf dem Weg (zogen des Weges), um in das Land Juda zurückzukehren.

8 Da sagte Noomi zu ihren beiden Schwiegertöchtern:
„Geht! Kehrt zurückw, jede in das Haus ihrerx Muttery!z
JHWH erweise euchx Güteaa, so wie ihr sie den Toten und mir erwiesen habt:
9 JHWH vergelte es euchx damit, dass (JHWH gebe, dass) ihr Ruheab findetac - jede im Haus ihres Mannesad!“
- und sie küsste sie. Da erhoben sie ihre Stimmen, weintenae 10 und sagten zu ihr: „Nein! ({Nein!})af Mit dir wollen wir zu deinem Volk zurückkehren!“

11 Da sagte Noomi:
„Kehrt zurück, meine Töchter! Warum wollt ihr mit mir gehen?
Sind mir [etwa] noch mehr Söhne im Leib, sodass sie eurex Männer werden könnten?
12 Kehrt zurück, meine Töchter, geht!
Denn ich bin zu alt, um [die Frau] eines Mannesag zu werden.
[Selbst,] wenn ich sagte: ‚Es gibt [noch] Hoffnung für mich‘...
ja,ah [selbst, wenn]ai ich [noch] diese Nacht [die Frau] eines Mannesag würde...
ja,ah [selbst, wenn]ai ich sogar [bereits] Söhne geboren hätte (gebären würde) -
13 würdet ihr deshalb (darauf, auf diese)aj warten wollen,
bis sie erwachsen sein würden?
Würdet ihr an deshalb (darauf, an diese)aj gebunden sein wollenak,
indem ihr nicht [die Frau] eines Mannesag seid?al
Nein, meine Töchter! Ach, mir ist es um euretwillenx sehr bitter, dassam die Hand JHWHs gegen mich gingan. 14 Und noch einmal erhoben sie ihre Stimme und weintenao.
Dann küsste Orpa ihre Schwiegermutter und (aber) Rut hängte sich an sie.ap

15 Da sagte sie:
{Siehe}aq, deine Schwägerin kehrt zu ihrem Volk und ihrem Gott (ihren Göttern) zurückar -
kehre [also]aq [auch du] mit (hinter)ar deiner Schwägerin zurück!“ 16 Da sagte Rut:
„Bestürme mich nicht, dich zu verlassen,
vom mit-dir-[Sein]as zurückzukehren!
Nein! (Denn) Dahin, wohin du gehen wirst, will ich gehen,
und da, wo du rasten wirst, will ich rasten;
dein Volk [sei] mein Volk ([denn] dein Volk [ist] mein Volk)
und dein Gott [sei] mein Gott (und dein Gott [ist] mein Gott);
17 da, wo du sterben wirst, will ich sterben
und dort will ich begraben werden!
Solches tue mir JHWH und solches füge er hinzu, wenn nicht [einzig]at der Tod uns scheiden wird.au

18 Da sah sie, wie entschlossenav sie war, mit ihr zu gehen.
Da hörte sie auf, zu ihr zu sprechen.

19 Und so gingen die beidenx [gemeinsam]aw, bis sie nach Betlehem kamen.


{Und es war,} Als sie nach Betlehem kamen, geriet die ganze Stadt wegen ihnen außer sich. Doch dann sagten sieax (und sie sagten): „Ist das [nicht] ([wirklich]) Noomi?“ay 20 Da sagte sie zu ihnen:
„Nennt mich nicht ‚Noomi‘ (lieblich),
nennt mich ‚Mara‘ (bitter) -
denn Schaddaiaz hat mich sehr verbittert! 21 Ich [war] vollba, als ich ging (Voll ging ich),
doch leerba lässt mich JHWH zurückkehren (bringt mich JHWH zurück, ließ mich JHWH zurückkehren).
Warum [also] nennt ihr mich ‚Noomi‘,
obwohl JHWH mich erniedrigt hat (gedemütigt hat, gegen mich Zeugnis abgelegt hat)bb;
obwohl Schaddai mir Leid zugefügt (Böses angetan) hat!?“

22 So alsobc kehrte Noomi zurück.
Und Rut, die Moabiterin, ihre Schwiegertochter, [war] bei ihr, die zurückkehrtebd aus {dem Gebiet} (von den Feldern von)f Moab.
Diese [beiden]x kamen nach Betlehem zu Beginn der Gerstenernte.

Anmerkungen

Das Rutbuch ist eine in Kunstprosa abgefasste juristische Parabel. Zum Verständnis und zur rechten Würdigung des ersten Kapitels tun also einige Anmerkungen zur Struktur und zu den rechtlichen Hintergründen Not:
Die Hauptpersonen des Rutbuches sind neben Boas (s. Kap. 2) die Israelitin Noomi und die Moabiterin Rut. Kapitel 1 schildert die Vorgeschichte, nämlich schildert es, wie die ungewöhnliche Zweiergruppe Noomi + Rut zusammengefunden hat.

Vv. 1-5 dienen dabei dazu, Noomis Angehörige durch ihre sukzessiven Tode aus der Geschichte zu nehmen. Dies ist auf eine kunstvolle Weise gestaltet; die Verse funktionieren ein wenig wie das Kinderlied „10 kleine Negerlein“:

  • V. 1: [Es waren] er, seine Frau und seine beiden Söhne
    [Elimelech stirbt]
  • V. 3: Sie hinterblieb; sie und ihre beiden Söhne
    [Die beiden Söhne sterben]
  • V. 5: Sie hinterblieb; die Frau, ohne ihre beiden Kinder und ohne ihren Mann (vgl. Zenger 1986, S.d 32)

Und damit ist eine ursprünglich intakte Familie zusammengeschrumpft auf eine Witwe, die zu alt ist, um noch Kinder bekommen zu können, und ihre beiden ebenfalls verwitweten Schwiegertöchter, die zu allem Überfluss auch noch Moabiterinnen sind (s. u.).

Witwenschaft ist im Alten Orient eine soziale Krisensituation (vgl. näher Witwe und Waise (WiBiLex)): Frauen hatten in der patriarchalisch strukturierten Gesellschaft des Alten Israel weder Erb- noch Besitzrecht (s. Num 27,8-11be). Weil neben dem Besitz auch die Rechtspflege und der Kult in den Händen der Männer lag, waren Witwen zudem rechtlich und religiös benachteiligt; mit dem Tod ihres Ehemannes stand also eine Witwe auf einmal mit leeren Händen und ohne rechtlichen Status da.
Als Ausweg bot das israelitische Recht die sog. „Schwagerehe“ (s. dazu näher die Anmerkungen zu Kap. 4): Eine Witwe ohne männliche Nachkommen konnte mit dem Bruder ihres verstorbenen Ehegatten ein Kind zeugen, das dann rechtlich als Nachkomme des Verstorbenen galt und dessen Erblinie fortführen konnte. Doch Noomi ist zu alt, um noch Kinder bekommen zu können (V. 12) - möglich wäre daher nur, dass Rut oder Orpa durch die Schwagerehe einen Nachkommen Machlons oder Kiljons zeugten, der die Erblinie dieser beiden fortführen und durch den die drei Witwen dann indirekt doch wieder Recht auf Besitz haben würden. Aus dieser Perspektive ist es daher auch naheliegend, dass Noomi Rut und Orpa mit nach Israel nimmt, obwohl ihnen dort als ausländische Witwen ein äußerst schweres Schicksal bevorsteht.

Dies ist der Ausgangspunkt des Rutbuches; V. 6 bietet die Personenkonstellation (1) Noomi <=> (2) „ihre beiden Schwiegertöchter“ (auf die sich Noomi in ihren Reden in Vv. 8-13 auch immer wieder mit sog. „Dual-Pronomen“ bezieht, s. FN w zu Vv. 8.9.11.13).
Vv. 6-19 dienen dazu, diese Personenkonstellation umzuschichten: Auch Orpa muss aus der Geschichte genommen werden, damit am Ende die besagte Zweiergruppe Noomi + Rut übrig bleiben kann. Vv. 6-7 schildert zunächst, wie die beiden Gruppen immer mehr zusammenwachsen. Dieses Zusammenwachsen wird gar nicht expliziert, sondern drückt sich nur in der raffinierten Formulierung des Abschnitts aus: Der erste Reiseabschnitt wird widerum in drei Etappen aufgeteilt (unterstrichen) und für jede dieser Etappen wird eine andere grammatische Konstruktion verwendet, mit der die Gruppe bezeichnet und derart immer enger zusammengeschlossen wird (gefettet):

  • (a): V. 6: Sie begann, zurückzukehren - sie und ihre Schwiegertöchter. (Eine sog. „gespaltene Koordination“; s. FNn h.q.r)
  • (b): V. 7a: Sie verließ den Ort, wo sie gewesen war, und ihre beiden Schwiegertöchter waren bei ihr. (Singular + Ergänzung)
  • (c): V. 7b: Sie gingen auf dem Weg, um in das Land Juda zurückzukehren. (Plural)

In Vv. 8-18 dann wird Orpa aus dieser neu gebildeten Dreiergruppe herausgenommen, damit es am Ende nur noch von Noomi und Rut heißen kann:

  • (d): V. 19a: Diese zwei beiden gingen, bis sie nach Betlehem kamen. (Plural + Dual-pronomen)

Orpa allerdings verschwindet erst nach einer längeren und regelrecht verrückten Diskussion, in der jeder zu seinem eigenen Nachteil argumentiert: Noomi möchte überraschenderweise ihre beiden Schwiegertöchter wieder nach Hause schicken (obwohl ja gezeigt wurde, wie sehr Noomi davon profitieren würde, wenn die beiden sie begleiteten) und ihre beiden Schwiegertöchter möchten sich dem überraschenderweise widersetzen und Noomi nach Israel begleiten (obwohl ihnen als moabitischen Witwen dort, wie gesagt, ein äußerst schweren Schicksal bevorstünde).
Noch überraschender ist die Diskussion, wenn man folgendes bedenkt: Die Schwagerehe war nicht nur ein Recht von Witwen, sondern auch ihre Pflicht: Solange die Möglichkeit einer Schwagerehe bestand, war eine Witwe nicht frei, zu gehen, wohin sie wollte oder zu heiraten, wen sie wollte (vgl. z.B. Belkin 1970, S. 280.283), da sie immer noch als Ehefrau des Verstorbenen angesehen wurde.bf Noomi begeht also recht sicher einen von vielen Rechtsbrüchen im Rutbuch (zu zwei sicheren Rechtsbrüchen s.u.), als sie in V. 8 Rut und Orpa von ihrer Schwagerehenpflicht entbinden und nach Hause schicken will (s. FN x).bg
Sowohl die Diskussion als auch gar Noomis Wille zum Rechtsbruch - sogar zu ihrem eigenen Nachteil - als auch die Tatsache, dass diese Diskussion nicht schon in Moab, sondern irgendwo zwischen Moab und Israel geschieht, lässt sich nur durch dies oben genannte „Zusammenwachsen“ der Gruppe erklären.

Nur bei Orpa hat Noomi Erfolg: Orpa kehrt nach Moab zurück; Rut dagegen bleibt hartnäckig. Ausschlaggebend dafür, dass Noomi letztendlich doch zulässt, dass Rut sie begleitet, ist dann deren berühmter Schwur in Vv. 16f:

Dahin, wohin du gehen wirst, will ich gehen,
und da, wo du rasten wirst, will ich rasten;
Dein Volk sei mein Volk
Und dein Gott sei mein Gott;
Da, wo du sterben wirst, will ich sterben
Und dort will ich begraben sein! (vgl. Hongisto 1985, S. 22; ähnlich Gow 1984, S. 312)

Im Zentrum dieses wundervollen Schwurs steht also Ruts Wille, zu Noomis Volk und zu ihrem Gott gehören zu wollen. Doch das ist verboten: Rut ist Moabiterin. Das ist schon ein Problem für die Ehe zwischen Machlon und Rut: Mischehen - bes. mit Ammonitern und Moabitern - waren Israeliten strengstens untersagt (s. Dtn 7,1-3; auch Neh 13,1-3.23-27 zu Dtn 23,4f), da bei Mischehen die Gefahr bestand, fremdländische Frauen könnten ihre Ehemänner dem JHWH-Glauben abspenstig machen (s. Dtn 7,4). Die Ehen von Kiljon und Orpa und von Machlon und Rut widersprechen also dem israelitischen Recht und sind so der erste Rechtsbruch im Rutbuch. Ebenso problematisch ist Ruts Herkunft aber für die eben genannte Willensbekundung: Auch die Aufnahme von Moabitern in die „Gemeinde des Herrn“ ist verboten (s. noch mal Dtn 23,4), weil sie „den Israeliten einst nicht mit Brot und Wasser entgegengekommen seien“ (s. Dtn 23,5). Dass Noomi dennoch zulässt, dass Rut sie begleitet, ist also deutlich ein weiterer Rechtsbruch; und beide Rechtsbrüche werden dem Leser zu allem Überfluss in V. 22 - dem letzten Vers des Kapitels - noch einmal eingehämmert, damit auch dem Letzten klar wird, was das eigentlich bedeutet, das da im ersten Kapitel vor sich geht:

So also kehrte Noomi zurück,
und Rut, die Moabiterin (!), ihre Schwiegertochter (!), war bei ihr (!).
Diese beiden (!) kamen nach Betlehem (!).
(Plural + Dual-Pronomen (s.o.)).bh

bdes Richtens der Richter - Die Begriffe „Richter“ und „Richten“ dürften in der LF missverständlich sein, da es sich bei den biblischen Richtern natürlich nicht um Richter im heutigen Sinn des dt. Wortes handelte, sondern um eine Art Stammesführer. Sinnvoll daher Holmstedt 2010: „Als noch die Häuptlinge regierten,...“; eleganter sicher die Paraphrase von de Waard/Nida 1992, S. 5 und T4T: „Als Israel noch keine Könige hatte...“. (Zurück zu v.1)
cim Land - d.h. in Israel. Übersetze daher vielleicht besser: „...herrschte ein Hungersnot in Israel“ (de Waard/Nida 1992, S. 6). (Zurück zu v.1)
dZur Zeit des Richtens ... herrschte ... . Da verließ - Oder: Zur Zeit des Richtens der Richter, als eine Hungersnot im Land herrschte, verließ... (vgl. syntaktisch ähnlich Ex 12,41; dazu z.B. Nic §30).
tFN: W.: „Und es war in den Tagen des Richtens der Richter. Und es war eine Hungersnot im Land. Und es verließ...“ - Sowohl die Zeitangabe „in den Tagen des Richtens der Richter“ als auch die Information über die Hungersnot wird eingeleitet durch das Verb wajähi („und es war“). Eine solche Doppelung von wajähi findet sich zwar sehr selten in der Bibel, ist aber unproblematisch: Das erste wajähi ist zusammen mit bime („in den Tagen von“) eine stehende Wendung für die Einführung einer neuen Erzählzeit, entsprechend einfach dem dt. „zur Zeit von...“ (vgl. z.B. Holmstedt 2010, S. 52). Und das zweite wajähi ist entweder ebenso aufzufassen (und dann nach der Auflösung in der FN zu deuten) oder ist ein Kopulaverb im Hauptsatz „[Zur Zeit des Richtens der Richter] war (=herrschte) eine Hungersnot im Land.“ (vgl. z.B. Harmelink 2011, S. 212; so die meisten Üss.) und dann aufzulösen wie in der Primärübersetzung. (Zurück zu v.1)
everließ ein Mann Betlehem in Juda (machte sich ein aus Betlehem in Juda [stammender] Mann auf) - Beide Auflösungen sind gleichermaßen möglich. Nach der primären Auflösung würde die Reise näher beschrieben („Ein Mann ging fort, und zwar ging er fort aus Betlehem in Juda“); nach der alternativen Auflösung der Mann („ein Mann ging fort, und zwar ein aus Betlehem in Juda stammender Mann“). Da die Information, die die Alternativauflösung bieten würde, aber ja in V. 2 geliefert wird, sollte man besser nach der primären Auflösung deuten. (Zurück zu v.1)
fin {dem Gebiet von} (bei den Feldern von) (Vv. 1.6) + aus {dem Gebiet von} (von den Feldern von) (V. 6.22) - Heb. ßadeh (Gebiet, Feld). Mit diesem Wort wird hier - wie oft - nur angezeigt, dass es sich beim folgenden Ortsnamen um einen Ortsnamen handelt („im Gebiet Moab“, d.h. „in Moab“) und sollte dann besser unübersetzt bleiben.
Fischer 2001, S. 124 dagegen deutet den Begriff als sprechenden Begriff: Elimelech und seine Familie verlassen Betlehem ob einer Hungersnot und emigrieren daher zu den [Getreide-]Feldern Moabs. Diese Deutung basiert allerdings auf einer Analyse von ßäde als Plural. Das Wort lässt sich im MT aber auch als Sg. analysieren, und weil einige Mss. - darunter auch ein Ms. aus Qumran, das älter ist als der MT - das Wort in einer Wortform bieten, die unmissverständlich Sg. ist und weil weiterhin auch die Versionen ganz einheitlich mit Sg. übersetzen, ist auch im MT die Analyse des Wortes als Sg. deutlich vorzuziehen. (Zurück zu v.1 / zu v.6 / zu v.22)
gMoab - östlicher Nachbarstaat Israels (für näheres s. Moab / Moabiter (WiBiLex)). Wegen verschiedener kriegerischer Konflikte ist Moab im AT meist negativ belegt; auch im Richterbuch (s. Ri 3,12-30). Noch dazu ist Moab nicht einmal eine naheliegende Wahl für die Hungerflucht: Im Gegensatz zum klassischen Emigrationsland Ägypten unterliegt Moab in etwa den selben klimatischen Bedingungen wie Israel, und obwohl es wegen der gebirgigen Lage Moabs theoretisch möglich wäre, dass wegen der dortigen höheren Niederschlagsmenge Israel unter einer kurzen Hungersnot leidet, Moab aber nicht, ist es ganz unmöglich, dass Moab nicht von den klimatischen Verhältnissen betroffen wäre, die in Israel eine Hungersnot von zehn Jahren verursachen.
Hinter der der Entscheidung des Erzählers für Moab stehen daher sicher andere Gründe; s. das Ende der Anmerkungen. (Zurück zu v.1)
hniederzulassen - Heb. gur bedeutet nicht einfach „wohnen“, sondern bezeichnet das dauerhafte Siedeln von zugereisten Ausländern. Ebach 1998, S. 281 umschreibt seinen Status hier sehr gut mit „Hungerasylant“; dies oder ähnliches wäre wohl wirklich eine sinnvolle Übersetzung: „um in Moab Asyl zu suchen“.
Ein ger („Siedler, Asylant“) hat in der Bibel häufig einen schweren Schicksalsschlag hinter sich (wegen dem er überhaupt erst ausgereist ist), ist in der Regel arm und hat rechtlich nicht den selben Status wie ein Einheimischer (so z.B. auch Würthwein 1969, S. 10 - allerdings hat er aufgrund dieses rechtlichen Sonderstatus einige Rechte eben doch - im Unterschied zum nokri, dem bloßen „Ausländer“). Elimelech und seine Familie werden also schon durch die Verwendung dieses Wortes in eine sozial sehr tief stehende Schicht eingeordnet. (Zurück zu v.1)
iein Mann ... - er, seine Frau und seine beiden Söhne (V. 1) + sie hinterblieb, sie und ihre beiden Söhne (V. 3) + es hinterblieb die Frau, ohne ihre beiden Kinder und ohne ihren Mann - Wenn im Hebräischen eine Sache von mehreren Subjekten ausgesagt werden soll, kann sie auch nur von einem Subjekt ausgesagt werden, das dann nach dieser Aussage mit einem (Pro-)Nomen noch einmal aufgegriffen und um die weiteren Subjekte erweitert wird („gespaltene Koordination“; vgl. z.B. JM §146c2; ad loc. Holmstedt 2010, S. 57f). Normalerweise sollte man im Dt. daher Vv. 1.3 besser übersetzen: „ein Mann, seine Frau und seine beiden Söhne verließen...“ (V. 1) resp. „sie und ihre beiden Söhne hinterblieben“ (V. 3); auch V. 5 würde man normalerweise natürlich besser übersetzen als „Die Frau hinterblieb“. Hier aber ist diese Konstruktion bewusst gewählt; s. die Anmerkungen. (Zurück zu v.1 / zu v.3 / zu v.5)
jtFN: die Namen seiner beiden Söhne [waren] - W. „der Name seiner beiden Söhne [war]“, aber s. JM §136l: „[... Das Hebräische hat] die Tendenz, in Fällen, in denen etwas in ähnlicher Weise für mehrere Individuen gilt, Singular statt Plural zu setzen [...].“ Übersetze daher wie angegeben. (Zurück zu v.2)
kMachlon (krank?) + Kiljon (schwindend?) (V. 2) + Orpa (Nacken?, Wolke?) + Rut (Sättigung?, Freundin?) (V. 4) - Namen sind in der Bibel oft sog. „descriptive names“, d.h. sie sind sprechende Namen, die eine Bedeutung in der Erzählung haben. Weil Noomi in V. 21 selbst mit ihrem Namen spielt (der also klar ein solcher „descriptive name“ ist) und auch der Name von „Herr Irgendwer“ in Kap. 4 fast stets als sprechender Name gedeutet wird, gehen viele davon aus, dass auch obige vier Namen solche descriptive names sein müssten. Ihre Bedeutungen sind aber unklar:
  • Die Deutung von Machlon und Kiljon als „krank“ und „schwindend“ wäre sprachlich möglich und würde im Rahmen des Rutbuches auch Sinn machen, da sie ja tatsächlich innerhalb von nur vier Versen wieder aus der Geschichte wegsterben. Allerdings gab es diese Namen recht sicher tatsächlich, so dass schwer vorstellbar ist, dass dies wirklich die hinter diesen Namen stehende Bedeutung war (wenn man den namensgebenden Eltern nicht stets einen „grausamen Humor“ (Holmstedt 2010, S. 60) zusprechen will). Rudolph 1962, S. 38 etwa verbindet daher die Namen stattdessen mit „süß/reizend sein“ (Machlon = „der Süße/Reizende“) oder „listig sein“ (Machlon = „der Listige“) und „vollendet sein“ (Kiljon = „der Vollendete“; so auch schon König 1893, S. 287). Wahrschenlich sollte man sich besser mit dem Eingeständnis bescheiden, dass nicht gewiss ist, was die Namen bedeuten (so z.B. Campbell 1975, S. 52f).
  • Orpa wurde schon von den alten jüdischen Exegeten mit orep („Rücken, Nacken“) in Zusammenhang gebracht und dann so erklärt, dass sie so als die „Widerspenstige“ oder „die den Rücken Kehrende“ dargestellt werden solle,was aber recht „gekünstelt“ (Gerleman 1965) ist. Glanzmann 1959, S. 206 und Dahood 1962, S. 224 leiten außerdem ab vom Ugaritischen `rpt („Wolke“), was sprachlich wohl möglich wäre, erstens aber keine Anerkennung in der Exegese gefunden hat und zweitens in diesem Falle kein descriptive name wäre, so dass es irrelevant für die Übersetzung wäre.
  • Rut wurde früher meist abgeleitet von rä`ut („Freundin, Gefährtin“ - so schon Syr), was aber etymologisch nur schwer möglich ist. Seit Bruppacher 1966 wird er außerdem wieder häufiger nach der Wurzel rwy (sich sattdrinken) als „Sättigung“, „Erfrischung“ gedeutet (so schon b. Berachoth 7b; Bertholet 1898, S. 57f), was sprachlich zwar möglich wäre, aber in der Exegese dennoch keine allgemeine Anerkennung gefunden hat.
Einige gehen außerdem wegen dieser Ungewissheiten davon aus, dass wir es hier mit echt moabitischen Namen zu tun haben, deren Bedeutung sich von uns daher nicht mehr erschließen lässt. (zu v.2 / zu v.4)
lEfratiter - Bedeutung unklar; vermutlich handelt es sich (1) entweder um eine Sippe, die v.a. in der Gegend in und um Betlehem siedelte, oder (2) Efrata ist eine Region, in der u.a. auch Betlehem lag, oder (3) eine alternative Bezeichnung für Betlehem selbst.
Dass die Bedeutung unklar ist, ist aber nicht sehr problematisch, da der Begriff hier ohnehin mehr einem Wortspiel als der Information dient: Sowohl „Efratiter“ als auch „Betlehem“ sind sprechende Namen: „Efrata“ ist das „fruchtbare Land“ (Meister 1991, S 115) und „Betlehem“ bedeutet bekanntlich „Haus des Brotes“, „Brothausen“ (schon Luther 1535, S. 193b: „Denn Bethlehem heisst ein brod haus / und Ephrata fruchtbar / das ein fruchtbar land und gute narung darinnen gewesen ist.“). In den Ohren hebräischer Hörer musste der Satz also klingen wie „[Wegen einer Hungersnot] emigrierten sie nach Moab - obwohl sie Brothäusener aus der Fruchtgegend waren! - und blieben dort.“ (Zurück zu v.2)
mstarb (V. 3) + starben (V. 5) - In der alten jüd. Exegese ist öfter der Tod Elimelechs, Machlons und Kiljons als die Strafe Gottes für ihre Sünden gedeutet worden: Elimelech wird für seine Emigration bestraft, Machlon und Kiljon für ihr Fernbleiben von Israel und ihre Mischehen. In der neueren Exegese findet sich diese Deutung nur noch selten (z.B. bei Berman 2007, S. 27-29), aber es ist doch auffällig, dass die beiden Auskünfte über das Sterben der Familienmitglieder jeweils direkt auf die Auskunft über das „Bleiben“ in Moab folgt und dass nur die ersten fünf Verse, die in Moab spielen, eine Unheilsgeschichte schildern, dagegen von V. 6 an mit Noomis Entscheidung, nach Israel zurückzukehren, eine Heilsgeschichte erzählt wird. Auf jeden Fall sollte, wenn möglich, so übersetzt werden, dass diese Bedeutungsnuance auch in der Übersetzung mitgehört werden kann - ein Leser zur mutmaßlichen Abfassungszeit jedenfalls hätte sie vermutlich mindestens mitgehört. (Zurück zu v.3 / zu v.5)
nnahmen (gingen Mischehen ein) - ungewöhnlicher Begriff im Heb.: „Heiraten“ heißt dort gewöhnlich laqach ischah; hier aber - wie nur noch 2Chr 11,21; 13,21; Esr 9,2.12; Neh 13,25 - naßah ischah. Fischer 2001, S. 127 macht darauf aufmerksam, dass die drei letzten Stellen ebenfalls von Mischehen von Judäern mit Moabiterinnen handeln; es könnte sich hier also um einen terminus technicus handeln. (Zurück zu v.4)
oOrpa und Rut - Chiasmus: V. 2: „Machlon und Kiljon“, V. 4: „Orpa und Rut“; dabei ist Orpa die Frau von Kiljon und Rut die von Machlon (s. Rut 4,10). Eine solche chiastische Anordnung von Namen ist ein häufigeres Stilmittel im Hebräischen (vgl. Campbell 1975, S. 151) und kann in der dt. Üs. ohne Bedeutungsverlust übergangen werden. (Zurück zu v.4)
pKinder - Machlon und Kiljon werden hier - im Gegensatz zum vorherigen „Söhne“ - mit jeled („Kind“) bezeichnet, das sonst nie für Erwachsene verwendet wird. Vermutlich soll diese Wortwahl das Unglück der Frau unterstreichen, die nun nach ihrem Mann auch noch ihre beiden Kinder zu Grabe tragen muss (so auch Zakovitch 1999, S. 82). Zudem wird so bereits vorverwiesen auf Rut 4,16, wo Ruts „Kind“ Obed als Naomis Ersatz für ihre beiden gestorbenen „Kinder“ dargestellt wird. (Zurück zu v.5)
qtFN: begann, zurückzukehren - W. „Da stand sie auf, sie und ihre Schwiegertöchter, um zurückzukehren...“; ein solches vorgeschaltetes „aufstehen“ hat aber häufig nur die Bedeutung „mit etwas beginnen“ (vgl. de Waard/Nida 1992, S. 9; Dobbs-Allsopp 1995, S. 47). Übersetze besser: „Und sie machte sich auf den Rückweg“. (Zurück zu v.6)
rsie und ihre Schwiegertöchter - die selbe Konstruktion wie in FN h beschrieben; normalerweise würde man auch hier übersetzen: „Da machten sie und ihre Schwiegertöchter sich auf den Rückweg“. In unserem Falle spielt es aber zusammen mit den obigen Versen: Nach Noomis Verlust von Ehemann und Söhnen eröffnet der zweite Erzählabschnitt von Kap. 1 mit der neuen Personenkonstellation Noomi + Rut und Orpa; beinahe wie ein „Neue Runde, neues Glück!“: Ihre ersten drei Begleiter hat Noomi verloren - was wird mit den beiden neuen Begleiterinnen geschehen? (Zurück zu v.6)
stFN: gehört hatte - Nach sog. „gespaltenen Koordinationen“ wie sie - sie und ihre Schwiegertöchter wird im Heb. meist mit Pluralverben angeschlossen (hier also: „sie hatten gehört“); hier aber steht ein Sg.-verb. Diese Konstruktion mit Sg. findet sich noch häufiger (vgl. z.B. Revell 1993, S. 76f.) und soll das Singularsubjekt (hier also Noomi) statt beiden koordinierten Subjekten ins Zentrum der Leseraufmerksamkeit stellen: Handelnde ist hier zuvorderst Noomi; erst ab V. 8 treten auch die beiden Schwiegertöchter als handelnde Subjekte in Aktion (ähnlich Campbell 1975, S. 63). (Zurück zu v.6)
tbesucht - Heb. Idiom für „sich um etwas kümmern“ (so z.B. Loretz 1963, S. 44). Gut daher EEB, EVD, GN, T4T: „dass er seinem Volk geholfen hatte“; HfA: „dass er sich über sein Volk erbarmt hatte“; NL: „dass er sich seinem Volk wieder gnädig zugewandt hatte“. „Sein Volk“ = Israel; übersetze daher vielleicht: „dass er seinem Volk Israel geholfen hatte und...“ (Zurück zu v.6)
uihm Brot - Klangspiel: lahem lachem. „Brot“ steht im Heb. fast stets pars pro toto für Nahrung im Allgemeinen (vgl. z.B. de Waard/Nida 1992, S. 9; Zakovitch 1999, S. 83); übersetze daher besser „Nahrung“. (Zurück zu v.6)
vstanden unter ihrer Aufsicht - so kürzlich Schipper 2013. Doch das ist wahrscheinlich falsch; Schwiegertöchter waren im hebräischen Haushalt zwar hierarchisch ihren Schwiegermüttern untergeordnet, doch hatten diese keine Autorität über sie (um mit Exum 1997 zu sprechen: Ganz allgemein hatten Frauen im Alten Israel zwar - im familiären Rahmen des Haushalts - „Macht“, aber keine „Autorität“ (vgl. S. 136f)).
Vielleicht auch: wo sie gewesen war, und [wo auch] ihre beiden Schwiegertöchter bei ihr [gewesen waren]. (Zurück zu v.7)
wGeht!, kehrt zurück - Oder: „Los, kehrt zurück“ (Geht gelesen als sog. „Vorbereitungs-Imperativ“; vgl. z.B. Jenni 2005, S. 242f.; ad loc. ähnlich Zakovitch 1999, S. 89). Geht! Kehrt zurück... bildet aber einen Chiasmus mit Kehrt zurück! Geht... in V. 12, die man nicht so deuten kann; daher sollte man besser auch hier nicht als Vorbereitungsimperativ deuten. (Zurück zu v.8)
xihrer (V. 8) + euch (V. 8.9) + eure (V. 11) + euretwillen (V. 13) + beiden (V. 19) + Diese [beiden] (V. 22) - Das Hebräische kennt neben dem Singular und dem Plural auch einen „Dual“ - eine Form, mit der exakt zwei Referenten bezeichnet werden. Z.B. würde entsprechend im Deutschen Apfel in „Ein Apfel“ im Singular, „zwei Äpfel“ im Dual und „drei Äpfel“ im Plural stehen. Diese Form ist sehr selten und findet sich hier so häufig wie fast nirgends sonst; dahinter steckt wohl der bewusste Gestaltungswille des Autors, s. die Anmerkungen.
tFN: Genauer: Im Rutbuch findet sich mehrere Male das Phänomen, dass statt den weiblichen - auf -n endenden - Plural-pronomina scheinbar männliche - auf -m endende - Pronomina verwendet werden. Der Grund dafür ist stark umstritten. Vorgeschlagen wurde, dass es sich hier (1) um eine besonders alte hebräische Konstruktion (eine archaische „Dual-Form“; vgl. bes. Campbell 1975, S. 25.65; auch Lim 2011, S. 110f; Michel 2004, S. 86f; Rendsburg 2013, S. 635; Sasson 1979, S. 23; Tropper 1992, S. 208; zu hemma in Rut 1,22 Bush 1996, S. S. 94f; Christian 1953, S. 39; Couprie 1952, S. 153; Rendsburg 1982, S. 40; NET; noch Fontinoy 1969, S. 59f.), (2) um eine Ausprägung eines regionalen Dialekts (ein „Betlehemismus“; vgl. Gow 1992, S. 195; Young 1997, S. 10f) oder (3) um gewöhnliche hebräische Genus-Inkongruenzen (vgl. Holmstedt 2010, S. 24; offenbar auch schon Levi 1987) handle. Möglich wäre wohl außerdem, (4) es als gewöhnliches Merkmal des postexilischen Hebräisch zu erklären: Die Verwechslung von -m und -n findet sich häufiger im späten Hebräisch und nimmt spätestens von der Zeit des zweiten Tempels an immer mehr zu (vgl. z.B. HDSS § 200.142; zu hemma in Rut 1,22 noch Schattner-Rieser 1994, S. 196f; ad loc. ähnlich Bar-Asher 2008; Bar-Asher 2009, S. 44).
Das Phänomen findet sich hier aber so gehäuft, dass man es wohl auf den bewussten Gestaltungswillen des Autors zurückführen muss (gegen (4)), und da sich keine Motivierung für etwaige Genus-inkongruenzen finden lassen (gegen (3)) und die Deutung als Dialekt ausscheidet, da sich das Phänomen in 1,19 auch im Mund des Autors findet (gegen (2)), sollte man recht sicher doch Deutung (1) den Vorzug geben. (zu v.8 / zu v.9 / zu v.11 / zu v.13 / zu v.19 / zu v.22)
yHaus ihrer Mutter - ungewöhnlicher Ausdruck; für gewöhnlich spricht man im Hebräischen vom „Haus des Vaters“. Campbell 1975, S. 64; Hajek 1962, S. 28f.; Zakovitch 1999, S. 89 haben erwägenswert vorgeschlagen, dass man vom „Haus der Mutter“ regelmäßig dann gesprochen habe, wenn persönliche Angelegenheiten wie etwa die nächste Heirat besprochen werden sollten. Dann wäre die Stelle so zu verstehen: Das Rutbuch ist deutlich in Anlehnung an Gen 38 verfasst (dazu bes. van Wolde 1997; s. auch bes. Rut 4,12). Dort sagt Juda in V. 11 zu Tamar: „Wohne als Witwe im Haus deines Vaters, bis mein Sohn Schela erwachsen ist!“. In unserem Vers wäre also das „Haus des Vaters“ durch „das Haus der Mutter“ - den Ort, wo die nächste Heirat geregelt wird - ausgetauscht und bewusst das „als Witwe“ ausgespart.
Vielleicht aber auch einfach so: Der Ausdruck „Haus des Vaters“ steht in der Bibel selten für das Gebäude, sondern i.S.v. „Haushalt“ für die Familie des Vaters. Das ist wohl auch hier der Sinn: „Kehrt zurück zu den Familien eurer Mütter, statt als meine Angehörigen mit mir - eurer Schwiegermutter - nach Juda zurückzukehren.“ (vgl. ähnlich Levine 1983, S. 98f, FN 7).
So und so wäre die Intention hinter Noomis Aufforderung die selbe: Sie löst die Familienbande, die Rut und Orpa noch mit ihr verbinden, und gibt sie so frei zu einer neuerlichen Heirat. (Zurück zu v.8)
zWahrscheinlich durfte Noomi ihre Schwiegertöchter rechtlich gesehen gar nicht zurückschicken; s. die Anmerkungen. (Zurück zu v.8)
aaGüte - Heb. chesed, ein Schlüsselwort im Buch. Einige Exegeten gehen sogar - gar nicht unwahrscheinlich - davon aus, dass „um dieses Wort herum“ das ganze Buch gebaut sei und die Gesamtaussage des Buches die sei, dass man weniger „legalistisch“ (d.h. übertrieben ausgerichtet an den vielen Geboten des AT), sondern mehr geleitet von chesed leben solle (vgl. z.B. bes. gut LaCocque 2004, S. 28-32). Die Übersetzung dieses vieldeutigen Wortes ist also so zentral, dass Alfredo 2013 kürzlich ein ganzes Buch zu dieser Frage vefasst hat.
Im Buch Rut findet sich das Wort drei Mal: Hier, in Rut 2,20 und in Rut 3,10; als Ausprägungen von chesed werden oft außerdem Ruts Handlung in Vv. 14-17 und Boaz' Handlungen in Rut 2,8f.15f und in Rut 3,11-15; 4,1-10 gesehen; ich würde außerdem durchaus ergänzen: Noomis Handeln in V. 8 (s. FN y + Anmerkungen). Will man sich auf nur einen Begriff festlegen - was sehr wünschenswert wäre, da es sich eben um das Schlüsselwort des Rutbuches handelt -, muss dieser also beschreiben: (a) Die vorbildliche Gesinnung einer Ehefrau gegenüber ihrem Ehemann und ihrer Schwiegermutter, (b) eine Haltung, die so gut ist, dass sie das gesetzlich und moralisch Gebotene so sehr übertreffen kann, dass sich selbst widervernünftige und sogar illegale Handlungen daraus ergeben können und (c) die Handlungsweise Gottes, wenn er sich dem schweren Geschick von Menschen gnädig erbarmt. Wäre ich (S.W.) LF-Übersetzer, würde ich „Güte“ wählen, da diese Wiedergabe am ehesten zu allen drei Stellen passt. Auch die meisten Üss. haben entweder dies oder „Liebe“. (Zurück zu v.8)
abRuhe - schönes Wort: Heb. mänuchah ist (1) „Ruhe, Erholung“, (2) der Ort, wo man sich zur Erhohlung niederlassen kann, wo „Wohlsein“ ist, und dann (3) allgemein die „Heimstatt“. Hier drückt es also gleichzeitig etwa das selbe wie das folgende im Haus ihres Mannes aus („Jede von euch soll eine Heimstatt im Haus ihres Mannes finden“) als auch einen Gegensatz zur aktuellen leidvollen Situation des verwitwet-Seins und wandern-Müssens: Noomi segnet ihre Schwiegertöchter mit dem Wunsch eines angenehmen Ehelebens. (Zurück zu v.9)
actFN: JHWH vergelte es euch damit, dass (JHWH gebe, dass) ihr Ruhe findet - W.: „JHWH gebe euch, und findet Ruhe!“; mehrdeutige Syntax. Das Wort natan („geben, vergelten“) kann u.a. (1) als zweiwertiges Verb (AGENS vergilt [es] REZIPIENT, s. z.B. Jer 17,10: JHWH vergilt es JEDEM (nach seinen Wegen)) und (2) als dreiwertiges Verb (AGENS vergilt REZIPIENT [etwas mit] PATIENS / AGENS gibt REZIPIENT PATIENS; s. z.B. Jos 15,19: DU gibst MIR DEN NEGEV) verwendet werden. Klar ist, dass in unserem Satz JHWH Agens und euch Rezipient ist; unklar ist, wie hier der folgende Imperativsatz findet Ruhe! hineinpasst. Möglich wäre:
  • (1) konsekutiver Imperativ: JHWH möge es euch vergelten, so dass ihr Ruhe findet...! (z.B. GKC §110i)
  • (2) gewöhnlicher Imperativ; das Waw („und“) ist ein explikatives Waw: JHWH möge es euch vergelten: Ihr sollt Ruhe finden...!
  • (3) Der Imperativsatz übernimmt als Substantivsatz die Rolle des Patiens: JHWH möge euch geben / es euch damit vergelten, dass ihr Ruhe findet...! (z.B. JM §177h; Sasson 1979, S. 22-24)
  • (4) Der erste Satz ist ein Anakoluth: JHWH möge euch geben... - Findet Ruhe...! (z.B. Holmstedt 2010, S. 75; Schipper 2012, S. 645 sogar: JHWH möge euch geben... [Ach, vergesst es!] Findet Ruhe...!)
  • (5) Der erste Satz ist unvollständig und man muss textkritisch ein Patiens ergänzen (so ernsthaft Campbell 1975, S. 66).
Analysiert man nach (1), (2) oder (3), ist diese Strittigkeit unerheblich für die Übersetzung, und ich sehe keinen Anlass, warum man nach (4) oder (5) analysieren sollte. Am wahrscheinlichsten ist Analyse (2), da „JHWH möge geben“ eine häufige Einleitung für Segenssprüche ist (s. auch Rut 4,11; so ad loc. auch Zakovitch 1999, S. 90). Der Imperativ ist gewählt, um den Satz zu parallelisieren mit Geht! Kehrt zurück - jede in das Haus ihrer Mutter!, wo sich ebenfalls zwei Aufforderungen finden. (Zurück zu v.9)
adHaus ihres Mannes - Klangspiel: ´ischah beth ´ischah. Gemeint ist auch hier nicht das Gebäude, sondern die neue Familie, in die die beiden eingegliedert werden sollen (s. FN x). (Zurück zu v.9)
aeDa erhoben sie ihre Stimmen, weinten - =„Da begannen sie zu weinen“. (Zurück zu v.9)
aftFN: Nein! ({Nein!}) - Entweder adversatives ki, mit dem der vorangehenden Aufforderung Noomis emphatisch wiedersprochen werden soll (so z.B. Niccacci 1995, S. 74) oder ki zur Einleitung direkter Rede (weniger wahrscheinlich). Im letzteren Falle müsste man es unübersetzt lassen. (Zurück zu v.10)
ag[die Frau] eines Mannes - W. „um einem Mann zu sein“; Idiom für die Ehe. (zu v.12 / zu v.13)
ahtFN: ja + ja...sogar - potenzierendes gam (vgl. schon Jacob 1912, S. 279; Labuschagne 1966). (zu v.12)
ai[selbst, wenn] - Brachylogie aus dem letzten Satz. (zu v.12)
ajdeshalb (darauf, auf diese) + deshalb (darauf, an diese) - Heb. lahen; ein Aramäismus mit der Bedeutung „deshalb“. Weil der Aramäismus einigen problematisch scheint, deuten sie stattdessen entweder als la („auf“, „an“) + hen („dieses“ - fem. für neutr.) = darauf oder emendieren gar zu lahem („auf diese“ - m.pl). Das ist unnötig; die zweite Lösung hat aber den starken Rückhalt von LXX, Syr, Tg, VL und VUL. (zu v.13)
akgebunden sein wollen - Bed. unsicher (-> Hapax legomenon). Wörtlich wohl „gefangen sein“. Das Wort findet sich erst wieder in den Schriftrollen von Qumran und in der Mischna und bezeichnet dort die rechtliche Situation einer Frau, deren Mann verschollen ist und die deshalb an einen abwesenden Mann gebunden und so nicht heiratsfähig ist - ein komplexes rechtliches Konzept, das man so oder so frei wiedergeben muss. „An sie gebunden sein“ nach Ehrlich 1914, S. 21; andere Wiedergabemöglichkeiten: Brichto 1973, S. 12 sehr gut: „endure hubandlessness“; GN: „allein bleiben“; Würthwein 1969, S. 8: „enthaltsam leben“. Ähnlich OEB „remain single“, doch das würde bei deutschen Lesern die falschen Assoziationen wecken. (Zurück zu v.13)
alNoomis Worte müssen wohl so erklärt werden: Sie hat ihren Schwiegertöchtern in V. 9 eine Wiederheirat gewünscht und diese haben dagegen ihrem Wunsch Ausdruck verliehen, bei Noomi bleiben und zu ihrem Volk gehören zu dürfen. Beides ginge nur ineins, wenn besagte künftige Ehemänner die Söhne Noomis wären - die sie aber ja leider nicht hat.
Die Annahme ist ganz unnötig, aus Noomi Worten spräche hier eine schiefe - oder gar: rechtskritische (Fischer 2001, S. 140f) - Vorstellung der Institution „Schwagerehe“ (zu dieser Institution s. die Erläuterungen zu Kap. 4). (Zurück zu v.13)
amAch, mir ist es um euretwillen sehr bitter, dass - so z.B. Würthwein 1969, S. 8. Oder: Denn für mich ist es bitterer als für euch, dass.../, denn.../. Ach,... (so z.B. Campbell 1975, S. 61; Niccacci 1995, S. 75); oder: Denn meine Bitterkeit ist zu groß für euch (=zu groß, als dass ich sie euch zumuten wollte) (so z.B. Brichto 1973, S. 12; Holmstedt 2010; Loretz 1963, S. 44). (Zurück zu v.13)
andass die Hand JHWHs gegen mich ging - Zum Ausdruck s. ähnlich Ex 9,3; Dtn 2,15; Ri 2,15; 1Sam 5,6.9; 7,13; 12,15; (Jes 19,16; 25,10); der Sinn ist dann wohl etwa: „dass mich JHWH gestraft hat“ (vgl. bes. Huntley 2013, S. 9-11). (Zurück zu v.13)
aoUnd noch einmal erhoben sie ihre Stimme und weinten - =„Und noch einmal begannen sie, zu weinen“. (Zurück zu v.14)
apDann küsste Orpa ihre Schwiegermutter und (aber) Rut hängte sich an sie - Wohl bewusst mehrdeutig formuliert. Die meisten Übersetzungen vereindeutigen, z.B. de Waard/Nida 1992, S. 9: „Dann gab Orpa ihrer Schwiegermutter einen Abschiedskuss und kehrte nach Hause zurück; Rut aber blieb bei ihr“; ähnlich z.B. GN, HfA, NeÜ, NL. Das aber steht hier gerade nicht. Der Satzbau - ein sog. „invertierter Verbalsatz“ (VERB-SUBJEKT - SUBJEKT-VERB: Und-es-küsste Orpa ihre-Schwiegermutter, und-Rut fiel-um-den-Hals ihr), von dem es oft heißt, in ihm komme schon der Kontrast der Reaktionen von Orpa und Rut zum Ausdruck („Orpa tat X, Rut jedoch tat Y“) - kann auch nur ausdrücken, dass Orpa das eine und Rut das andere tut, ohne dass diese Taten notwendig einander gegenübersetehen müssten („Orpa tat X und Rut tat Y“). Und was sie tun, ist naschaq („küssen“) und dabaq (W.: „an etwas kleben“; erst sekundär übertragen „jmdm anhangen“, „jmdn lieben“). Dass der Kuss Orpas als Abschiedskuss verstanden werden muss, wird erst aus dem nächsten Vers klar, und auch dies dabaq könnte nur heißen, dass Rut Noomi umarmte (gut Loretz 1963, S. 44: „Orpa küßte ihre Schwiegermutter, während Rut sich an sie klammerte“; vgl. auch Zenger 1986, S. 40.).
Die Reaktion der Schwiegertöchter in V. 14 auf den zweiten Redegang Noomis in Vv. 11-13 wird ebenso eingeleitet wie ihre Reaktion in V. 10 auf Noomis ersten Redegang in Vv. 8f: „Da erhoben sie ihre Stimmen und weinten“. Darauf folgt in V. 10 die Weigerung, Noomi zu verlassen; gespannt wartet also der Leser darauf, wie sie in V. 14 auf den zweiten Redegang Noomis reagieren werden - und genau das hält der Vers in der Schwebe; es ist hier eben noch nicht sicher, ob das „küssen“ und „sich-anhängen“ die Einleitung für den Abschied der beiden ist, oder Einleitung für eine noch emphatischere Willensbekundung, bei Noomi bleiben zu wollen (à la „Orpa küsste sie, Rut fiel ihr um den Hals, und beide riefen: ‚Nein, keinesfalls wollen wir dich verlassen!‘“). Es wäre sehr schade, wenn das durch eine Vereindeutigung der Übersetzung verloren ginge. (Zurück zu v.14)
aqtFN: {Siehe} + [also] - W. „Siehe“, doch das heb. hinneh signalisiert nur, dass die folgende Aussage direkt relevant ist für die aktuelle Situation oder eine folgende Äußerung. Treffender daher eine Übersetzung mit „also“ o.Ä. (zu v.15)
arkehrt ... zurück + hinter - theoretisch auch möglich: „ist zurückgekehrt“; doch das würde nur Sinn machen, wenn wir zwischen Vv. 14.15 eine längere Zeitspanne vergehen lassen. Dass das so ist, folgt auch nicht aus dem Ausdruck hinter deiner Schwägerin, denn das heb. achar („hinter“) kann auch nur „mit“ bedeuten (vgl. z.B. Scott 1949, S. 178f). Besser als „Deine Schwägerin ist zurückgekehrt... Kehre [auch du] zurück, hinter deiner Schwägerin her“ daher „Deine Schwägerin kehrt zurück ... Kehre [auch du] zusammen mit deiner Schwägerin zurück.“ (zu v.15)
asvom mit-dir-[Sein] - die selbe Präposition wie in V. 15. Noomi fordert Rut auf zum „mit-Orpa-Sein“ und zum Zurückkehren zu deren Volk und deren Gott. Rut stellt dem das „mit-Noomi-Sein“ entgegen und entscheidet sich ineins damit auch für deren Volk und Gott. (Zurück zu v.16)
at[einzig] - Fokuspartikel wie „nur“, „selbst“ etc. werden im Heb. häufig nicht gesetzt, wo das Dt. sie setzen würde; im Dt. muss man sie sich daher dazudenken (ad loc. vgl. z.B. Ehrlich 1914, S. 22). (Zurück zu v.17)
auSolches tue mir JHWH und solches füge er hinzu, wenn nicht [einzig] der Tod uns scheiden wird - Häufige Schwurformel in Form einer Selbstverfluchung (vgl. z.B. Campbell 1975, S. 74; JM §165a; Zakovitch 1999, S. 98): Der erste, stets konstante, Teil dieser Formel ist „Solches tue mir Gott und solches füge er hinzu“. Er entspricht in seiner Funktion etwa dem dem Deutschen „Ich will auf der Stelle tot umfallen, wenn...“; das „solches ... und solches“ ist dabei vermutlich nur ein Ersatz für die eigentliche Selbstverfluchung, die im Bibeltext nicht wörtlich ausgeführt wird. Der zweite Teil wird entweder mit heb. ´im oder mit heb. ´im lo oder - wie hier - ki eingeleitet; im ersteren Fall ist die Bedeutung des Nachsatzes „wenn X geschieht“, im zweiten Fall „wenn nicht X geschieht“ (s. noch 1 Sam 14,44; 20,13; 2 Sam 3,9; 1Kön 2,23; 19,2). Hier würde man also im Dt. etwa formulieren „Nichts als allein der Tod wird mich von dir trennen können; das schwöre ich - und wenn es nicht stimmt, will ich auf der Stelle tot umfallen“. Keinesfalls kann man hier wörtlich übersetzen, da einem deutschen Leser diese wörtliche Übersetzung ganz unverständlich bleiben müsste. de Waard/Nida 1992, S. 18 schlagen daher vor: „May the Lord's worst punishment come upon me“ (so auch GN, HfA, NL, TEV); ähnlich Moffatt.
Ein wichtiger Unterschied zwischen der Standardform dieser Selbstverfluchung und unserer Stelle ist, dass nicht wie sonst die Gottesbezeichnung elohim, sondern der Gottesname JHWH verwendet wird. Wie schon in ihrem Ausspruch „dein Gott sei mein Gott“ kommt hier zum Ausdruck: Rut schließt sich hier nicht nur Noomi, sondern ihrem Volk und damit den Reihen der JHWH-Verehrer an. (Zurück zu v.17)
avtFN: wie entschlossen - gut analysiert von Holmstedt 2010, S. 93: W.: „Und sie sah, dass sie-war-entschlossen sie“. Das zweite „sie“ ist eigentlich unnötig und würde häufiger vor dem „sie-war-entschlossen“ gesetzt werden. Hier ist es dennoch gesetzt und das „sie-war-entschlossen“ vor das „sie“ gezogen, um es besonders zu betonen; besser daher nicht: „Da sah sie, dass sie entschlossen war“, sondern „Da sah sie, wie entschlossen sie war“. (Zurück zu v.18)
awdie beiden [gemeinsam] - Das Dual-pronomen ist auch hier wieder bewusst gewählt (s. Anmerkungen). Im Dt. sollte man das besser durch die Einfügung eines „gemeinsam“ o.Ä. ausdrücklich machen. (Zurück zu v.19)
axsie - ungewöhnlicherweise Femininum; nur die Frauen Betlehems scheinen hier gemeint zu sein. (Zurück zu v.19)
aygeriet außer sich + Doch dann sagten sie (und sie sagten) + Ist das [nicht] ([wirklich]) Noomi? - Warum die ganze Stadt in Aufregung gerät, ist nicht näher ausgeführt. Viele mutmaßen, dass die Frauen der Stadt mitleidig-schockiert seien, weil Noomi so abgehärmt aussehe. In diesem Falle wäre zu übersetzen: „...geriet die ganze Stadt in Aufruhr, und die Frauen riefen aus: ‚Ist das wirklich Noomi!?‘“.
Es heißt aber: Die ganze Stadt gerät in Aufregung „wegen ihnen“; Anlass der Aufregung ist also die ganze Zweiergruppe (so auch Fischer 2001, S. 151). Vielleicht also besser so: Die ganze Stadt gerät in Aufruhr, weil sie zunächst beide Frauen für Moabiterinnen gehalten haben - und dann kommt Erleichterung auf: Die eine Frau ist gar keine Moabiterin, sondern ein bekanntes Gesicht! In diesem Fall wäre zu übersetzen: „...geriet die ganze Stadt in Aufruhr - doch dann riefen die Frauen: ‚Ach, das ist doch Noomi!‘“ (zur Deutung als Ausruf vgl. z.B. Jongeling 1978). Doch natürlich ist auch das nur eine Spekulation; genau so gut könnte etwa Schadenfreude aus dem Ausruf der Frauen sprechen (s. Jes 27,7; Klg 2,15) und Noomi will im Folgenden mit ihrem Schuldeingeständnis und ihrer Leidensschilderung diese Schadenfreude unterlaufen. Der Text bietet hier einfach zu wenig Anhaltspunkte. (Zurück zu v.19)
azSchaddai - Eine alte Bezeichnung für Gott; bes. häufig wird sie verwendet, wenn JHWH als strafender Gott dargestellt werden soll - fast 2/3 der Belegstellen finden sich daher im Buch Ijob. Die wörtliche Bedeutung ist unsicher; recht hoch im Kurs stehen in der Diskussion die beiden Vorschläge „Der vom Berge“ und „Gott der Wildnis“ (vgl. DDD, S. 749f).

Die beiden Gottesnamen bilden einen Chiasmus:

Schaddai hat mich sehr verbittert [...]

Leer lässt mich JHWH zurückkehren. [...]
JHWH hat mich gedemütigt
und Schaddai hat mir Böses angetan. (vgl. Hongisto 1985, S. 21)
JHWH wird durch diese Struktur und durch die Gleichschaltung mit der Bezeichnung „Schaddai“ als strafender Gott vorgestellt. (Zurück zu v.20)
baVoll + leer bezieht sich offensichtlich auf die drei verlorenen Familienmitglieder Noomis (vgl. auch TgRut 1,21: „Ich ging voll weg - mit meinem Mann und meinen Söhnen; und der Herr hat mich zurückgebracht - leer von ihnen“ (Üs. nach Levine 1973, S. 24); RutR 1,21: „‚Voll ging ich von hier‘ d.i. voll mit Söhnen und Töchtern“ (Üs.: Wünsche 1883, S. 30) u.ö.) und ihre Besitzlosigkeit (s. Anmerkungen).
Wörtlich lässt sich das nicht übertragen; ganz gut gelöst bei GN: „Mit meinem Mann und mit zwei Söhnen bin ich von hier weggezogen; arm und ohne Beschützer lässt der Herr mich heimkehren.“ (zu v.21)
bbTextkritik: mich erniedrigt hat (gedemütigt hat, gegen mich Zeugnis abgelegt hat) - Heb. `anah b-. Im Hebräischen gibt es mehrere `anah lautende Wörter mit us. Bedeutung; hier kommen in Frage `anah I („Zeugnis ablegen“) und `anah II („erniedrigen, demütigen“); dies zweite müsste zudem als `innah punktiert werden (=> Textkritik). MT und Tg deuten als `anah I, LXX, Syr, VUL als `anah II.
Beide Wörter sind aber problematisch: `anah I ist semantisch schwierig, da es nie von JHWH ausgesagt wird - vor wem schließlich sollte JHWH als Zeuge auftreten? - und keinen guten Parallelismus mit der folgenden Zeile bildet, `anah II dagegen steht sonst nie mit b-. Die meisten Exegeten gewichten das zweite Problem merkwürdigerweise höher als das erste; dabei handelt es sich hier um ein argumentum ex silentio (so auch Moore 1997, S. 236 - allerdings kein schwaches; `anah II findet sich recht häufig in der Bibel). Dennoch sollte man daher wohl doch besser als `anah II lesen; so z.B. auch Gray 1967, S. 378.389; Hamlin 1996, S. 22 (?); Köhlmoos 2010, S. 24; LaCocque 2004, S. 58; Levine 1973, S. 63; Linafelt 1999, S. 19; Morris 1968, S. 263; Myers 1955, S. 22. (Zurück zu v.21)
bctFN: So also - W. „Und sie kehrte zurück“; einer der seltenen Fälle, in denen die Verbform Wayyiqtol als zusammenfassender Abschluss einer Erzählung verwendet wird („summierendes Wayyiqtol“; vgl. JM §117i). (Zurück zu v.22)
bddie zurückkehrte - theoretisch auch möglich: „Und Rut, die Moabiterin, ihre Schwiegertochter, [war] bei ihr - [sie], die zurückkehrte...“; d.h. „die zurückkehrte“ wäre nicht auf Noomi, sd. auf Rut zu beziehen. So merkwürdigerweise z.B. Holmstedt 2010, S. 95, weil „Relativsätze überwiegend den nächstmöglichen Referenten modifizieren“ - aber das ist doch das ihr (=Noomi) in bei ihr, und nicht Rut?
tFN: zum Artikel als Relativpartikel vgl. IBHS §19.7.d; JM §145e. (Zurück zu v.22)
beDie Töchter sind hier keine Ausnahme, denn auch diesen wird der Erbbesitz entzogen, sobald sie außerhalb ihrer Familie heiraten; s. Num 36 (Zurück zum Text: be)
bfS. V. 24 der Erzählung in Gen 38: Tamar, die Frau des verstorbenen Er und „Schwiegertochter Judas“ ist „schwanger durch Hurerei“ - d.h. hier: Ehebruch - und soll dafür verbrannt werden. (Zurück zum Text: bf)
bgAuch dazu s. Gen 38, wo Juda seiner Schwiegertochter Tamar nach Hause schickt, um so die Schwagerehe zwischen ihr und seinem Sohn Schela zu verhindern. Die Verpflichtung zur Schwagerehe auflösen kann er ganz offensichtlich nicht - dies hätte wohl nur Tamars Schwager Schela tun können (s. Dtn 25,7-10) -, und am Ende des Kapitels gesteht Juda selbst, Unrecht getan zu haben. (Zurück zum Text: bg)
bhGegen diese „Moabiter-problematik“ schreibt aber übrigens schon das erste Kapitel an, indem es „unter der Hand“ ein ganz anderes Moab-Bild aufbaut: Moabiter sind dort keinesfalls Menschen, die unbescholtenen Israeliten ihren Glauben rauben, sondern im Gegenteil hat hier die Mischehe die Wirkung, dass eine Moabiterin zum JHWH-Glauben übertritt. Und Moab ist dort keinesfalls ein Land, das Israel seine Unterstützung versagt: Nicht nur nimmt es israelitische Hungerflüchtlinge auf und verleiht ihnen sogar den Status von gers (V. 1), sondern in Kap. 2 und 3 wird es sogar wieder die Moabiterin sein, die ihre israelitische Schwiegermutter mit Brot versorgt (vgl. Braulik 1996, S. 116; Fischer 1999, S. 110). Schon im ersten Kapitel wird also diese Moabiter-problematik unterminiert und die ersten Rechtsbrüche gleich zu Beginn narrativ rechtfertigt. Doch die endgültige Rechtfertigung finden wir erst in Kapitel 4. (Zurück zum Text: bh)