Klagelieder 2

Aus Die Offene Bibel

Wechseln zu: Navigation, Suche

Syntax OK

SF ungeprüft.png
Status: Studienfassung zu prüfen – Eine erste Übersetzung aus dem Urtext ist komplett, aber noch nicht mit den Übersetzungskriterien abgeglichen und nach den Standards der Qualitätssicherung abgesichert worden und sollte weiter verbessert und geprüft werden. Auf der Diskussionsseite ist Platz für Verbesserungsvorschläge, konstruktive Anmerkungen und zum Dokumentieren der Arbeit am Urtext.
Folgt-später.png
Status: Lesefassung folgt später – Bevor eine Lesefassung erstellt werden kann, muss noch an der Studienfassung gearbeitet werden. Siehe Übersetzungskriterien und Qualitätssicherung Wir bitten um Geduld.

Lesefassung (Klagelieder 2)

(kommt später)

Studienfassung (Klagelieder 2)

1 Wie umwölkt (verachtet)a in seinem Zorn
Der Herr die Tochter Zion,b
Warf aus dem Himmel [auf die] Erde
Die Herrlichkeit (den Ruhm, die Schönheit) Israels
Und gedachte nicht [mehr] des Schemels seiner Füßec
Am Tag seines Zorns.


2 Vernichtet (verschlungen) hat der Herr
Und nicht verschont alle Weiden (Wohnungen)d Jakobs,e
Zerstört (zertrümmert, niedergerissen) hat er in seinem Ärger
die Festungen (befestigten Städte) der Tochter Juda,
Warf zu Boden, entweihte
Königtum(-reich) und seine Obersten (Beamten, Kommandanten, Fürsten).


3 Abgehauen hat er in der Hitze seines Zorns
Jedes Hornf Israels,
Zog zurück seine Rechte
Vor dem Feindg
Und er brannte (wütete) in Jakob wie ein flammendes Feuer,
[Das] rundherum fraß.


4 Er spannte seinen Bogen wie ein Feind
[Ein] Pfeil [war] in seiner Rechtenh
Und wie ein Gegner tötete eri
[Seine] ganze Augenweidej.
Im (ins) Zelt der Tochter Zionk
Goss er seinen Grimm aus wie Feuer.


5 Der Herr ist wie ein Feind geworden,
Hat Israel vernichtet (verschlungen),
Hat all ihrel Paläste vernichtet (verschlungen)
Hat seine Festungen (befestigten Städte) zerstört
Hat in der Tochter Judab vermehrt
Traurigkeit und Trauer.


6 Er hat seine Hüttem wie einen Weinstock (Garten)n preisgegeben (zerstört)o,
Seinen Festort zerstört,
In Vergessenheit geraten ließp JHWH in Zion
Festq und Sabbat,
Und verwarf (verabscheute, verachtete) im Zorn seiner Naser
König und Priester.


7 Verstoßen (verworfen) hat der Herr seinen Altars,
Entweiht (zerbrochen) sein Heiligtum.
Ausgeliefert hat er in die Hand (Gewalt) des Feindes
Die Mauern ihrert Paläste.
Man lärmteu im Haus JHWHs
Wie an einem Festtag.v


8 JHWH plante (ersann) niederzureißen (zu verwüsten)
Die Mauer der Tochter Zion;
Er spannte eine Messschnurw (hatte geplant),
Hat seine Hand nicht zurückgezogen vom Vernichten (Verschlingen),
Ließ trauernx Wally und Mauer,
zusammen waren sie traurigz.


9 Niedergesunken auf die Erde sind ihret Tore
vernichtet und zerbrochen hat er ihre Riegel,
ihr König und ihre Obersten (Beamten, Hauptmänner) [leben] in [fremden] Völkern,
es gibt keine Weisung,
auch ihre Propheten bekommen (finden)
keine Offenbarung (Schauung, Vision) JHWHs.


10 Auf der Erde sitzen (wohnen)aa
verstört (erstarrt, stumm)ab die Alten (Ältesten) der Tochter Zion,
sie haben Staub auf ihr Haupt gestreut,
sich [mit] Sackleinen gegürtetac;
auf die Erde ließen ihr Haupt sinken
die Jungfrauen Jerusalems.


11 Meine Augen sind in Tränen aufgelöst (dahingeschwunden, erschöpft),
mein Inneres (meine Eingeweide) ist aufgewühlt (gärt, schäumt).
Ausgeschüttet auf die Erde ist meine Leberad (mein Leben),
wegen des Untergangs der Tochter meines Volkes,
als Kind und Säugling verreckten
in den Plätzen der Stadt.


12 Sie fragten ihre Mütter:
„Wo sind Getreide und Wein?“,
als sie verreckten wie durchbohrt
in den Plätzen der Stadt,
als sich ihr Leben (ihre Seele) ergoss
in den Schoß ihrer Mütter.


13 Was soll ich dir (als Trost) bezeugen,
was mit dirae vergleichen, Tochter Jerusalem?
Was kann ich dir gleichstellen
um dich zu tröstenaf, Jungfrau, Tochter Zion?
Denn groß (endlos) wie das Meer [ist] dein Untergang (Zusammenbruch):
Wer wird dich heilen?


14 Deine (Heils-)Propheten hatten Visionen für dich:
Lüge (Leeres) und Tüncheag,
aber deckten nicht auf deine Schuldah (Missetat; Strafe),
um abzuwenden dein Schicksal (deine Gefangenschaft).
Sie hattenai für dich Orakel (Sprüche)
aus Lüge (Leerem) und Verführung.aj


15 Es klatschenak über dich [in] die Hände
alle die des Weges ziehen,
sie zischen (pfeifen) und schütteln ihren Kopf
über die Tochter Jerusalem:
Ist dies die Stadt, die sie nennen (man nennt) „vollkommene Schönheit“,
„Freude der ganzen Erde (für die ganze Erde)“?


16 Sie reißen ihr Maul (ihren Mund) auf über dich,
alle deineal Feinde,
sie zischen (pfeifen) und knirschen mit [ihren] Zähnen,
sie sagen: Wir haben [sie] verschlungen;
ja, dies ist der Tag, auf den wir hofften,
wir haben [es] erreichtam, gesehen.


17 Getan hat JHWH, was er ersann,
erfüllt hat er sein Wort,
das er angeordnet hat seit den Tagen der Urzeit:an
er riss ein und hatte kein Mitleid.
Und er ließ sich freuen über dich den Feind,
hat erhöht das Hornao deiner Bedränger.


18 Ihrap Herz schreitaq zum Herrn.
[Du] Stadtmauer der Tochter Zion,ar
lass herabfließen wie einen Bach die Tränen
Tag und Nacht!
Gönne (gib) dir keine Ruhe (Aufhören),
nicht versiege (höre auf) dein Augapfelas!


19 Auf, klage in der Nacht
zu Beginn der Nachtwachen!
Gieße dein Herz aus wie Wasser
vor dem Angesicht des Herrn!
Erhebeat zu ihm deine Hände
für das Leben deiner Kinder,
die vor Hunger schmachten
an jeder Straßenecke!au


20 Sieh, JHWH, und schau doch,
wem du solches angetan hast!
Sollen Frauen ihre Leibesfrucht essen,
[ihre] umsorgtenav Kinder?
Sollen im Heiligtum getötet werden
Priester und Prophet?


21 Auf der Erde in den Straßen liegen
Kind und Greis;
meine jungen Frauen und Männeraw
sind gefallen durch das Schwert,
du hast getötet am Tag deines Zorns,
du hast abgeschlachtet, nicht geschont.


22 Du riefst aus wie einen Tag der Festversammlung
meine Fremdlingschaft ringsumher,ax
und es gab am Tag des Zorns JHWHs keinen
Entronnenen und Entkommenen;
die ich umsorgt und großgezogen habe,
mein Feind hat sie vertilgt.

Anmerkungen

aumwölkt - wie Gott ähnlich in Klg 3,43f sich als Zeichen seines Zorns mit Wolken umgibt und in Ez 32,7f. aus dem selben Grund nicht nur der Himmel bewölkt wird, sondern auch die Erde.
tFN: verachtet nach einigen Exegeten (z.B. McDaniel 1968, S. 35; Hillers 1972, S. 35), die etwas gewagt neben ta`ab („verachten“) ein weiteres Verb wa`ab mit der Bed. „verachten“ ansetzen. (Zurück zu v.1)
bTochter Zion, Tochter Juda - Mit der „Tochter Zion“ ist Jerusalem gemeint („Zion“ ist der Name des Berges in Jerusalem, auf dem der Tempel Gottes gebaut war), mit der „Tochter Juda“ Israel, von dem zur Zeit vor dem Exil schon nur noch der Südstaat Juda selbstständig war. (Zurück zu v.1 / zu v.5)
cSchemel seiner Füße - gemeint ist der Tempel in Jerusalem; s. ähnlich Ps 132,7; Jes 60,13f.: JHWH thront im Himmel, seine Füße ruhen aber auf der Erde (Jes 66,1), und zwar speziell auf dem Jerusalemer Tempel. (Zurück zu v.1)
dWeiden - angespielt wird auf die Vorstellung von Gott als dem Hirten seiner Herde Israel (s. Ps 79,13; 80,1; Ez 34,11f. u.ö.). Ganz im Gegensatz zu einem guten Hirten geht er hier mit der Zerstörung der „Weiden“, mit denen natürlich die Wohnungen der Israeliten gemeint sind, sogar gegen seine Herde vor. (Zurück zu v.2)
eJakobs - Einer der Patriarchen, dessen Geschichte ab Gen 25 erzählt wird. Weil er einer der Stammväter Israels war, ist „Jakob“ ein häufiger Wechselbegriff für Israel selbst. Hier schwingt in der Verwendung des Namens eine besondere Tragik mit: „Jakob“, zu Heb. ja`aqob, bedeutet wörtlich „JHWH schützt“ – doch gerade dies tut JHWH hier nicht. (Zurück zu v.2)
fHorn - häufige Metapher für die Kraft eines Menschen oder einer Institution. Ist Gott daher jemandem zugetan, lässt er „dessen Horn wachsen“ (z.B. Ps 132,17); wer dagegen nicht in Gottes Gunst steht, darf es nicht wagen, „sein Horn zu erheben“ (zB. Ps 75,5f.). Hier schlägt JHWH das Horn gar kurzerhand ab. Sinnvoll HfA: „Der Herr hat Israel aller Macht beraubt“; LUT: „Er hat alle Macht Israels in seinem grimmigen Zorn zerbrochen.“ (Zurück zu v.3)
gD.h., schritt doch nicht ein, als dieser Israel angriff. (Zurück zu v.3)
hTextkritik ― Der masoretische Text ist unverständlich (gegen Kraus, der die Inkongruenz der Genera nicht beachtet): stehend (Mask.) seine Rechte (Fem.). Die Übersetzung folgt dem Vorschlag von BHS, Hobbins 2009, S. 24 u.a. (Zurück zu v.4)
iTextkritik: Der masoretische Text überliefert: wie ein Gegner und er tötete. Die Übersetzung folgt dem Vorschlag der BHK. (Zurück zu v.4)
jganze Augenweide - wörtl.: alle Lust [des] Auges = die Bewohner Jerusalems bzw. Judas. (Zurück zu v.4)
kZelt der Tochter Zion bezeichnet Jerusalem (Zurück zu v.4)
lihre bezieht sich zurück auf die „Tochter Zion“ in 4c, „seine“ in der nächsten Zeile auf „Israel“ in 5b – ein semitisches Stilmittel namens T-Shift. (Zurück zu v.5)
mHütte ― Wie aus 6b hervorgeht (Festort) ist mit Hütte der Tempel gemeint. (Zurück zu v.6)
nwie einen Weinstock (Garten) ― So LXX. Der masoretische Text überliefert wie den Garten (d.h. „wie einen Garten“; Vergleiche haben im Heb. anders als im Dt. häufig Artikel, s. z.B. Ps 33,7; 104,6; Hld 6,5; Klg 2,19). Der LXX hat ein leicht veränderter Text - גפן (géfen) statt גן (gan) - vorgelegen. Zum Bild des Weinstocks vgl. Ps 80,9-17. (Zurück zu v.6)
opreisgeben (zerstört)חמס (ḥāmas) wird meist mit Gewalt antun übersetzt. Stellen wie Hi 15,33; Jer 18,22 - parallel zu גלה (gāla = aufdecken) - und die Übersetzung der LXX mit διαπεταννύναι (ausbreiten, öffnen) legen jedoch entblößen, des Schutzes berauben als Grundbedeutung nahe. Die Zerstörung des Tempels würde dann mit dem Einreißen der Mauer eines Weingartens verglichen. (Zurück zu v.6)
pzerstört, in Vergessenheit geraten ließ - Klangspiel: schichet - schikach. (Zurück zu v.6)
qFest - Wortspiel im Heb.: Antanaklasis. In 6b und 6d steht zweimal das selbe Wort mo`ed, wird einmal aber mit der Bed. „Festort“ und einmal mit der Bed. „Fest“ verwendet. (Zurück zu v.6)
rZorn seiner Nase - d.h. „in seinem Zorn“. Im heb. Sprachgebrauch wird der Zorn häufig an der (schnaubenden) Nase festgemacht; s. ähnlich z.B. Ps 69,24; 78,49; Nah 1,6. (Zurück zu v.6)
sDer Altar steht als pars pro toto für den gesamten Tempel. (Zurück zu v.7)
td.i. Zions (Zurück zu v.7 / zu v.9)
uwörtl. sie ließen ihre Stimme erschallen (Zurück zu v.7)
vIn bitterer Ironie vergleicht der Dichter das Kriegsgeschrei bzw. die Angstrufe bei der Eroberung des Tempels mit den Festtagslärm früherer Tage. (Zurück zu v.7)
wMessschnur spannen ist Synonym zu ersinnen, planen in 8a. Wie ein Architekt planvoll beim Bau eines Gebäudes vorgeht, macht sich JHWH hier sorgfältig einen Bauplan seiner Vernichtung. (Zurück zu v.8)
xNämlich um ihre Mannschaften, die getötet worden sind. (Zurück zu v.8)
yWall ― Gemeint ist die Mauer vor der eigentlichen Stadtmauer. Andere übersetzen Heer in der Annahme, dass es sich bei חֵל (ḥēl) um eine orthographische Variante zu חֵיל (ḥêl = Heer) handelt (Zurück zu v.8)
zwaren sie traurig ― wie in Jer 14,2 neben dem trauernden Juda auch die Mauern „traurig sein“ und „klagend zu Boden sinken“ können oder in Lk 19,40 Steine schreien können. (Zurück zu v.8)
aaAuf der Erde sitzen war ein Zeichen von Trauer (vgl. Jes 29,4). (Zurück zu v.10)
abwörtl. und verstört sind (Zurück zu v.10)
acZeichen von Trauer und Reue. (Zurück zu v.10)
adDas Ausschütten innerer Organe ist in der herbäischen Bibel Ausdruck, dass jmd tödlich getroffen ist (vgl. Hi 16,13). Nach Kraus (S. 40) ist die Leber Sitz der innersten Empfindungen. (Zurück zu v.11)
aeD.h. mit deinem Untergang. (Zurück zu v.13)
afum dich zu trösten ― und dich [damit] trösten. (Zurück zu v.13)
agod.: salzlos, fade (Zurück zu v.14)
ahwörtl.: sie deckten nicht auf [die Hülle] über deiner Schuld. (Zurück zu v.14)
aiwörtl.: schauten (Zurück zu v.14)
ajBei anderer Vokalisation: Orakel, Lüge und Verführung. (Zurück zu v.14)
akklatschen ... zischen: beides Ausdrücke der Schadenfreude. (Zurück zu v.15)
aldeine: im Hebräischen Femininum mit Bezug auf die Stadt Jerusalem (Zurück zu v.16)
amwir haben (es) erreicht: Andere übersetzen „wir haben ihn (d.h. den erhofften Tag) erreicht“ (Zurück zu v.16)
andas er angeordnet hat: Gordis bezieht dies auf den Tempel und nicht auf das Wort. Dann lautet die Übersetzung: Was er angeordnet hat ..., das riss er ein ... (Zurück zu v.17)
aoHorn: ein bildhafter Ausdruck für Macht (Zurück zu v.17)
apihr: im Hebr. Plural; gemeint sind die Bewohner Jerusalems (Zurück zu v.18)
aqschreit: Andere deuten das hebräische Perfekt an dieser Stelle als Vergangenheitstempus: schrie (Zurück zu v.18)
arIhr Herz schreit ... Stadtmauer ...: So der masoretische Text. Zahlreiche Übersetzungen und Kommentatoren halten diese Überlieferung von Vers 18a für korrupt. Unter den verschiedenen Verbesserungsvorschlägen hat die Änderung von צָעַק (schreit/schrie) in צַעֲקִי (schrei!) und die Tilgung von חוֹמַת (Mauer) Eingang in viele Übersetzungen gefunden. Neuere Übersetzungen (z.B. NZB, Lu2017) folgen wieder dem masoretischen Text. (Zurück zu v.18)
asAugapfel: wörtlich die Tochter deines Auges (Zurück zu v.18)
atklage ... gieße ... erhebe: Diese Imperative haben im Hebräischen feminines Geschlecht, so dass auch hier Jerusalem als Subjekt zu denken ist. (Zurück zu v.19)
auAuffälligerweise ist Vers 19 vierzeilig. Da die vierte Zeile jedoch von allen Textzeugen überliefert wird und auch inhaltlich keine Fragen aufwirft, gibt es keinen Grund sie zu tilgen. (Zurück zu v.19)
avumsorgten: andere übersetzen „gesund geborenen“ o.ä. טִפֻּחִים kommt nur hier in der hebräischen Bibel vor. (Zurück zu v.20)
awjunge Frauen ... junge Männer: Im Hebräischen sind damit noch nicht Verheiratete gemeint. (Zurück zu v.21)
axDiese Übersetzung ist der Versuch den masoretischen Text von Vers 22a ohne Eingriffe und Sonderbedeutungen folgendermaßen zu verstehen: Gott hat öffentlich beschlossen, dass die Einwohner Jerusalems in der eigenen Stadt und ringumher Fremdlinge sein sollen. Andere deuten מְגוּרַי (meine Fremdlingschaft) als Plural von מָגוֹר (Grauen, Schrecken). Gordis vermutet ein Wortspiel und übersetzt מְגוּרַי als „neighbors (terrors)“. (Zurück zu v.22)