Genesis 2

Aus Die Offene Bibel

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Lesefassung (Genesis 2)

1 Die Welt und alles darauf war vollendet, 2 und so erklärte Gott am siebten Tag sein Werk als vollbracht. Am siebten Tag ruhte er sich aus von diesem Werk. 3 Und weil er an diesem Tag geruht hatte von dem Werk, an dem er gearbeitet hatte, erklärte er den siebten Tag für heilig.


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Anmerkungen

Studienfassung (Genesis 2)

1 (So)a Vollendet war (wurde) die Welt (Himmel und Erde)b und ihr ganzes Heer (alles darauf und darin),c 2 Darum (und)d erklärte (erachtete) als vollendet (vollendete)eGott am sechsten (siebten) Tagf sein Werk (seine Arbeit), das er gemacht hatte; und er ruhte (hörte auf, feierte, arbeitete nicht)g am siebten Tag von seinem ganzen Werk (seiner ganzen Arbeit), das er gemacht hatte. 3 Gott segnete den siebten Tag und erklärte ihn für heilig (heiligte ihn),h da er an ihm von seinem ganzen Werk (all seiner Arbeit), das er arbeitend (indem er es gemacht hatte)i geschaffen hatte, geruht hatte.j
k


4 {Dies [sind]} Die Nachkommen (Erzeugnisse; [ist] die Geschichte?; [ist] das Buch der Nachkommen?)l von Himmel und Erde (des Landes), als sie geschaffenm wurden:n
(Am Tag, [an dem] =) Als JHWH-Gotto Erde (Land) und Himmel machte,p 5 war(en alle Sträucher=) alles Unkraut des Feldes noch nicht auf der Erde
und wuchsen (alle Kräuter=) alle Nutzpflanzen des Feldes noch nicht (sprossten noch nicht empor),
weil JHWH-Gott es nicht regnen ließ (noch nicht regnen lassen hatte) über (auf) der Erde
und es keinen Erdling (Menschen) gab, um [auf] dem (um dem) Erdbodenq zu dienen (zu arbeiten),r 6 (und=) aber Sturzflut (Grundwasser, Nebel, Gewölk)s aus der Erde emporzusteigen pflegte (indem er das Grundwasser heraufholtet)
und (das ganze Angesicht=) die ganze Oberfläche des Erdbodens zu [er]tränken pflegte (gaben zu trinken).


7 Da formte (bildete, gestaltete) JHWH-Gott den Erdling (Menschen): Staubu vomv Erdboden (formte JHWH-Gott den Erdling [aus] Staub vom Erdboden und...).
Und er blies (atmete) in seine Nase Hauch (Wind) des Lebens,l
und [so] wurde der Erdling (Mensch) [zu] (einer lebendigen Seele =) einem Lebewesen.w 8 Und JHWH-Gott pflanzte einen Garten (Park) in Eden (=Lust, Wonne) im Osten (im [fernen] Osten, in der Urzeit),x
und er setzte dort[hin] den Erdling (Menschen), den er geformt (gebildet, gestaltet) hatte.y 9 Und JHWH-Gott ließ aus dem Erdboden jeglichen Baum sprießen, begehrenswert anzusehen und gut als Essen.
Und der Baum des Lebensz [(war =) wuchs] (er ließ sprießen jeglichen Baum..., auch den Baum des Lebens)aa mitten im Garten
und der Baum der Erkenntnis von Gut und Böse [auch].ab


10 {Und} Ein Strom nun geht aus (würde ausgehen)ac von Eden, um den Garten zu tränken (ertränken),ad und von dort aus teilt er sich (würde er sich teilen) und wird (würde werden)ac zu vier Häuptern (=Fluss-Quellen, Fluss-Anfängen).ae 11 Der Name des ersten [ist] „Pischon“;ae das [ist der,] der das ganze Land Hawila (der das ganze Sandland)ae umfließt, wo es das Goldaf gibt. 12 Und das Gold jenes Landes ist gut. Dort gibt es auch das Bdelliumharz (die Perle?)ag und den Schoham-Stein.ah 13 Und der Name des zweiten Stromes ist „Gihon“;ae das [ist der,] der das ganze Land Kuschae umfließt. 14 Und der Name des dritten Stromes ist „Tigris“;ae das [ist der,] der östlich von Assur (Assyrien)ae fließt. Und der vierte Strom, das [ist] der Eufrat.


15 {Und} JHWH-Gott nahmai [also] den Erdling (Menschen)([, den er geschaffen hatte]aj) und ließ ihn wohnen im (setzte ihn in den)ak Garten Eden, (um zu=) damit er [in] ihmal (damit er ihm) diene (arbeite) und ihn hüte (bewahre, bewache).r 16 Und JHWH-Gott gebotam ({auf} den=) dem Erdling (Menschen) {besagend}: Von jedem Baum darfst (sollst) du (essend=) durchaus essen. 17 Vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse aber: Nicht darfst du essen [etwas] von ihm. Denn am Tag, [an dem] (wenn)an du davon isst, wirst (musst) du (sterbend=) durchaus sterben.an


18 Und JHWH-Gott dachte (sagte): „Es ist nicht gut, dass der Erdling (Menschen) allein ist. Ich werde (will) ihm einen (Lasst uns ihm einen; Ich werde sie ihm alsao) Beistand (eine Hilfe, eine Gehilfin)ap machen als sein Gegenüber.“aq 19 Und JHWH-Gott formte (bildete, gestaltete) ([weiterhin (noch einmal)]ar) aus dem Erdboden jedes (Lebewesen des Feldes=) wilde Tier und jeden Vogel des Himmels, und er brachte [jedes Tier] ([es])as zum Erdling (Menschen), um zu sehen, wie er es nennen würde; und wie immer der Erdling (Mensch) – als (lebendige Seele=) Lebewesen! – es nennen würde (wie immer der Erdling, das Lebewesen, es nenne würde?; wie immer der Erdling es, das Lebewesen, nennen würde?; wie immer der Erdling es als Lebewesen nennen würde? was immer der Erdling „Lebewesen“ nenne würde?; wie immer der Mensch es {ein Lebewesen} nennen würde?),at das sollte sein Name sein. 20 (Und=) Also (rief=) gab der Erdling (Mensch) allem Viehau und den (allen)av Vögeln (des Himmels=) am Himmel und allen (Getier des Feldes=) wilden Tieren Namen. Aber für Adam (für den Erdling, für einen Erdling?)aw fand sich (er)ax kein Beistand (keine Hilfe / Gehilfin)ap als sein Gegenüber.aq 21 (Und=) Da ließ JHWH-Gott einen Tiefschlaf über den Erdling (Menschen) fallen (kommen), so dass er schlief (und er schlief ein). (Und=) Dann nahm eray eine [Rippe (Seite)] von seinen Rippen (Seiten)az und verschloss ihren Ort ([die Stelle] unter ihr)ba [mit] Fleisch. 22 (Und=) Dann bautebb JHWH-Gott die Rippe (Seite), die er vom (aus dem) Erdling (Menschen) genommen hatte (nahm), zu einer Frau und führte siebc zu dem Erdling (Menschen). 23 (Und=) Da (sagte=) rief der Erdling (Mensch):

„Dies (diese, dieses Mal)bd endlich [ist('s)] Gebein von meinem Gebein
Und Fleisch von meinem Fleisch!be
(Zu dieser wird ‚Frau‘ gesagt=) Diese wird ‚Frau‘bf genannt werden,
Denn vom Mannbf wurde genommen diese (wurde sie genommen).“bg

24 (Darum=) Daher [kommt es, dass]bh verlässt (lässt zurück; wird verlassen) ein Mann seinen Vater und seine Mutter und hängt sich an seine Frau, und (so dass, dann) sie (die beiden)bi werden (werden sein) zu einem Fleisch.bj


25 {und} Beide (waren nackt=) hatten kein Gewand,bk der Erdling (Mensch) und seine Frau, aber (und) sie mussten sich nicht voreinander schämen (pflegten nicht, einander zu beschämen).bl

Anmerkungen

Mit Gen 2,2-3 endet der Schöpfungsbericht; mit Gen 2,4 beginnt ein neuer Abschnitt. Das zeigt schon ein kurzer Blick auf die Struktur: Der Abschluss in Gen 2,2-3 ist offensichtlich:

(a) Gott erklärte als vollendet am sechsten Tag (b1) sein Werk, (b2) das er gemacht hatte,
(a') und ruhte sich am siebten Tag aus (b1') von seinem ganzen Werk, (b2') das er gemacht hatte.
(a'') Gott segnete den siebten Tag und erklärte ihn für heilig, da er an ihm ausgeruht hatte (b1'') von seinem ganzen Werk, (b2'') das Gott machend geschaffen hatte.

Gen 2,2-3 wird von manchen Ausleger:innen für einen Bericht über den „siebten Schöpfungstag“, an dem Gott nach dem Menschen nicht den Menschen, sondern den Sabbat als die „Krone der Schöpfung“ geschaffen habe. Dass hier nebenbei erklärt wird, woher der Sabbat kommt, ist offensichtlich. Dass dieser Sabbat das siebte Schöpfungswerk wäre, liegt aber nicht sehr nahe, weil V. 7 auch unabhängig davon, dass die üblichen Strukturelemente der ersten sechs Schöpfungstage in Gen 1 fehlen und dass in Gen 2,1 explizit gesagt wird, dass mit Gen 1,31 die Welt „vollendet“ ist, die Rede vom sechsten und vom siebten Tag jeweils nur Einleitung dieses Sprachspiels ist, auf dem hier klar der Fokus liegt: Gott hat sein Werk getan, getan, getan – und ist nun fertig.
Mit „das Gott machend geschaffen hatte“, heb. `ašer-bara` `elohim la´aßot wird noch einmal die Brücke geschlagen zu Gen 1,1: Das zweitletzte und drittletzte Wort ist das selbe wie das zweite und dritte dort: berešit bara` `elohim.

Dass mit Gen 2,4 ein neuer Abschnitt beginnt, kann man nach diesen beiden Struktur-Spielen also kaum bezweifeln, und Gen 2,4 legt mit einem deutlichen Chiasmus sogar noch ein drittes dazu:

Dies sind die Nachkommen von (a) Himmel und (b) Erde, als sie (c) geschaffen wurden:
Als JHWH-Gott (c') machte (b') Erde und (a') Himmel,

Damit beginnt der Abschnitt Gen 2,4-3,24, den man oft einen „zweiten Schöpfungsbericht“ nach Gen 1,1-2,3 nennt. Dass es zwei Schöpfungserzählungen gegeben haben soll, wäre auch gar nicht verwunderlich: Uns sind auch jeweils mehrere sumerische, babylonische und akkadische Schöpfungserzählungen überliefert und tatsächlich finden sich auch in der Bibel noch eine Reihe weiterer Schöpfungsberichte: Ps 104 besingt in Lied-Form die Schöpfung der Welt, in Spr 8,22-31 schildert die Weisheit die Weltschöpfung aus ihrer Perspektive und in Sir 42,15-43,33 buchstabiert Jesus Sirach preisend die einzelnen Schöpfungswerke durch. Entsprechend ist häufig und viel darüber nachgedacht worden, worin diese beiden Schöpfungsberichte sich entsprechen und worin sie sich unterscheiden.
Tatsächlich liegt der Fokus von Gen 2-3 aber gar nicht auf der Schöpfung. Nach der Überschrift Gen 2,4a beginnt Gen 2,4-3,24 strukturell sehr ähnlich wie Gen 1,1-2,3:

Gen 1,1-2,3 Gen 2,4b-3,24
Zeitlicher Vordersatz Am Anfang [davon, dass]
Gott schuf Himmel und Erde,
Am Tag, [an dem]
JHWH-Gott machte Erde und Himmel,
Hauptsatz: Überschwemmung statt Erde war die Erde nichts und nichts: Dunkelheit war über der Oberfläche der Tiefe und ein Wind Gottes stürmte über der Oberfläche des Wassers. war alles Unkraut des Feldes noch nicht auf der Erde und wuchsen alle Nutzpflanzen des Feldes noch nicht, weil JHWH-Gott es nicht regnen ließ über der Erde und es keinen Erdling gab, um den Erdboden zu bestellen, aber Sturzflut aus der Erde emporzusteigen pflegte und die ganze Ob{erfläche des Erdbodens zu ertränken pflegte.
Beginn der Schöpfung Da sprach Gott ... Da formte Gott ...

Von dieser Schöpfung selbst wird aber nur in wenigen der darauf folgenden Verse berichtet: (a) Der Mann wird in V. 7 erschaffen, (b) der Garten (in) Eden (c) und die Bäume des Gartens in Vv. 8f., (d) die Tiere in Vv. 18-19 (e) und die Frau in Vv. 21-22. Alles andere, was in den oben erwähnten Schöpfungstexten sonst erwähnt wird, ist hier ausgespart – was hier geschaffen wird, ist nur das „Dramatis Personae“ von Gen 3, wo (d') ein Tier (e') die Frau dazu verführt, (c') von einem Baum des Gartens zu essen, diese wiederum (a') den Mann zum Selben verführt und danach beide (b') aus dem Garten vertrieben werden. Das ist entscheidend für das Verständnis von Gen 2-3: Die beiden Kapitel sind nicht wirklich eine zweite Schöpfungserzählung nach der ersten, sondern hauptsächlich eine Erzählung über die Vertreibung aus dem Garten Gottes. In diesem Licht müssen dann die einzelnen Verse von Gen 2-3 verstanden werden.

Das heißt auch, dass Gen 1-2,3 und Gen 2,4-3,24 einander gar nicht notwendig widersprechen müssen. Dass die beiden Texte von unterschiedlichen Autoren stammen, ist fast sicher. Davon unabhängig ist es aber möglich, die beiden Erzählungen miteinander zu harmonisieren: In der Auslegung der Alten hat man Gen 2 stets so verstanden, dass „der Autor Mose“ nach der Zusammenfassung der ganzen Schöpfung noch einmal spezieller auf den dritten Tag (Schöpfung der Erde und der Pflanzen) und den fünften und sechsten Tag (Schöpfung der Tiere und des Menschen) eingehen wollte. Geht man hiervon aus, ist der einzige große Unterschied noch der Zeitpunkt der Menschen-Schöpfung: Am Ende in Gen 1, am Anfang dagegen in Gen 2. Versteht man die Menschen-Schöpfung in Gen 2 dann aber noch mit Brichto 1998, S. 76 so, dass sie richtig ja erst abgeschlossen sei mit der Schöpfung der Frau, wonach der Mensch auch erst „männlich und weiblich“ (Gen 1,27) geschaffen sei, muss auch dies kein Widerspruch mehr sein. Das eröffnet dann auch die Möglichkeit, dass die eine Erzählung auf die andere hin geschrieben sein könnte und beide sich so gegenseitig erhellen können – in der neuesten Bibelauslegung beginnt man aber gerade erst wieder, diese Möglichkeit auszuforschen.

2,4b-6 schildern dabei zunächst eine defiziente Schöpfung: Himmel und Erde gibt es bereits; auf der Erde wachsen aber noch keine Pflanzen: Dafür braucht es den Erdling (heb. `adam), der den Erdboden (`adamah) bestellt (Vv. 5), und den Gott daher in V. 7 auch „aus Staub vom Erdboden“ herstellt. Mensch und Erde danach also Symbionten; der eine braucht den anderen, um seinen Zweck zu erfüllen.
Die Verse greifen dabei ein häufiges Motiv aus altorientalischen Mythen auf: Der Mensch ist das Arbeitstier von Göttern, das sich an ihrer Statt um die Erde zu sorgen hat (s. zu V. 6). Entgegen einer verbreiteten Vorstellung ist der Garten in Eden auch nicht ein Schlaraffenland, in dem der Mensch nicht zu arbeiten braucht, weil Gott bereits alle Bäume wachsen lassen hat, die dem Menschen Nahrung spenden (V. 9), sondern V. 15 sagt es explizit: Der Garten Eden ist natürlich ein Lustgarten (´eden: „Lust, Luxus“) – aber ein Lustgarten Gottes. Dem Menschen bestimmt Gott den Garten zur Wohnung, damit dieser dort als Feldarbeiter tätig wird und „im Garten dient“ oder gar „dem Garten dient“. Wenn Gott den Menschen in Gen 3,23 aus dem Garten verbannt, damit er „den Erdboden bestellt, von dem er genommen worden war“, ist dies also keine Strafe, sondern nur Fortsetzung dessen, was der Mensch von Anfang an tun sollte und tat. Verflucht wird dort ja ohnehin nicht der Mann zur Arbeit, sondern der Erdboden; nämlich dergestalt, dass diese Arbeit fortan mühseliger vonstatten gehen werde (Gen 3,17f.). Insgesamt also: „Die Erde wird nicht zum Nutzen des Menschen geschaffen: Menschen werden geschaffen zum Nutzen der Erde...“ (Habel 2011, S. 49).
Das ist wichtig: Sieht man das nicht, hat man keine Wahl, als den Abschnitt Vv. 18-25 so zu verstehen, dass „das helfende Gegenüber“ des Mannes ihm dabei helfen soll, „nicht allein zu sein“ – ein anderer Mangel, dem mit einem „helfenden Gegenüber“ Abhilfe geschaffen werden soll, würde dann ja nicht erwähnt. Wonach die Frau wesensmäßig „Gespielin“ des Mannes wäre (Luther: „eine Gehilfin, die um ihn sei“). Oder – noch unschöner – wie z.B. bei Thomas von Aquin, Summa Theologiae Ia 92 1:

Meine Antwort: Es war notwendig, dass die Frau – wie die Bibel sagt – zur „Hilfe“ für den Mann geschaffen wurde. Nicht zur Hilfe bei irgendwelchen Arbeiten, wie manche sagen, denn dabei können andere Männer dem Mann ja wesentlich effektiver helfen, sondern zur Hilfe bei der Fortpflanzung. [...] Bei perfekten Tieren kommt nämlich dem Mann die aktive Rolle bei der Fortpflanzung zu, der Frau dagegen die passive [und insofern ist sie „Helferin“].

Viel sinnvoller Greenstein 2002, S. 235f.:

Die meisten Ausleger verstehen den Satz „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist“ so, dass er sich auf das menschliche Geschöpf bezieht; das heißt: Es ist nicht gut für den Menschen, dass er allein ist. Das hat man dann entweder so verstanden, dass der Mensch sonst einsam wäre oder dass der Mensch allein bliebe, wenn er keinen Geschlechtspartner hätte, mit dem er sich fortpflanzen könnte. Es bietet sich aber noch eine weitere Auslegung an [...]: Es ist nicht gut für Gott, dass der Mensch allein ist. [...] Der zweite Mensch wurde geschaffen, um dem ersten Menschen dabei zu helfen, Gottes Arbeit zu tun. (Hervorhebung und Übersetzung: OfBi).

Greenstein verweist dann noch auf die tatsächlich offensichtlichen Parallelen zum „es ist nicht gut, dass der Erdling allein ist[, weil er seine Arbeit sonst nicht schafft]“ in Ex 18,17f.; Num 11,14-17; Dtn 1,9.12.
Vorausgesetzt ist hier also die Situation des vorhellenistischen Israel, in der der Mann und die Frau(en) eines Haushalts eine „Werk-Gemeinschaft“ bildeten und Frauen selbstverständlich auch bei der Feldarbeit mitwirkten (vgl. dazu z.B. auch Marsman 2003, S. 160f.; Ebeling 2016). Man denke nur an Rut 2,8f. (s. auch die Anmerkungen dort), wo bei der Ernte Männer als Schnitter und Frauen als Garbenbinderinnen (und Nachleserinnen) arbeiteten, oder an Simsons Mutter in Ri 13,9, die gerade ohne ihren Mann auf dem Feld ist, als ihr der Gottesbote begegnet.
Danach wäre es auch nicht so (wie der Abschnitt z.B. in der traditionellen christlichen Exegese immer noch oft aufgefasst wird), dass hier Frau und Mann zur zweigeschlechtlichen Zwei-Personen-Ehe berufen würden, sondern Vv. 18-25 sind eine Ätiologie (und damit ohnehin keine „Vorschrift“) der Ehe als der für die Gesellschaft des Alten Israel fundamentalen Arbeitsgemeinschaft, die also erklärt, wie es dazu kam, dass Menschen sich überhaupt zusammentun: Weil sie Mitmenschen brauchen, um den Sinn ihres Lebens verwirklichen zu können. Dass mit Gen 2,24 nicht die Zwei-Personen-Ehe in die Schöpfung eingestiftet wird, ist ohnehin klar, weil der kulturelle Kontext, in dem Gen 2-3 geschrieben wurden, die Polygamie ist, die noch bis in die ersten Jahrhunderte nach der Zeitenwende gebräuchlich blieb. Und dass er keine Vorschrift einer Ehe zwischen Mann und Frau ist, ist auch unabhängig von der Gattung des Textes ebenso klar, weil in Gen 2 ja gar nicht Gott die Frau zum „passenden“ Gegenüber des Manns erklärt, sondern der Mensch (V. 23) – nachdem ihm zuvor Gott als potentiellen Partner jegliches Tier vorgestellt hat.
Am Ende hat der Mensch also zwei Gegenüber: Der `adam wurde aus `adamah geschaffen, um dieser `adamah „zu dienen“, und zu diesem Zweck braucht ein `iš eine `iššah.

Vv. 10-14 nennt man die „Paradies-Geographie“. Die meisten Ausleger halten sie für eine spätere Einfügung, mit der ein Schreiber aus irgendeinem Grund gezeigt haben soll, dass er über „Listen-Weisheit“ verfügt. Besser versteht man die Verse von Vv. 8.15 her: Sie sollen erklären, dass und wie die „begehrenswert anzusehenden und gut zu essenden Bäume“ des Gartens (V. 9) dort auch nach der Vertreibung von Gottes Ackerknecht noch wachsen können: Aus dem Garten entspringt nun ein Strom, der so mächtig ist, dass sich aus ihm sogar Euphrat, Tigris und noch weitere Flüsse speisen. Dieser gigantische Strom macht es also entweder überflüssig, dass der Mensch den Garten bewässert, indem er Grundwasser nach oben pumpt, oder er bringt mit sich, dass die Sturzfluten abfließen können, die zuvor den Garten überschwemmt haben (s. zur Übersetzungsproblematik von V. 6).

Schließlich Vv. 9bc.16f. mit ihrer Rede von den beiden besonderen Bäumen in der Mitte des Gartens bereiten wie auch V. 25 hauptsächlich Kapitel 3 vor; s. daher die Anmerkungen dort.


aNach Zenger 1983, S. 67 (der hier Steck folgt) ist V. 1 nicht Einleitung von Gen 2,2-3, sondern rückblickende Unterschrift von Gen 1,1-31. Das ist aber sehr unwahrscheinlich, da V. 1 durch die wiederholte Verwendung des Wortes כלה „vollenden“ viel zu sehr mit den folgenden Versen zusammenhängt, als dass man es ohne schwerwiegende Indizien aus diesem Zusammenhang herausreißen dürfte. (Zurück zu v.1)
bDer Merismus „Himmel und Erde“ ist der im Hebräischen übliche Ausdruck für den Kosmos/das Universum; vgl. Fußnote c zu Gen 1,1. (Zurück zu v.1)
cDas „Heer des Himmels“ sind nach Jes 40,26 die Sterne; entsprechend wird das „Heer von Himmel und Erde“ alles bezeichnen, was sich im Himmel und auf der Erde befindet (vgl. Scharbert 1990, S. 47). Äquivalente Formeln existieren im Assyrischen und Babylonischen, die in etwa das selbe bezeichnen (so z.B. schon Delitzsch 1887, S. 69). (Zurück zu v.1)
dWaw kann auch eine Folgerung einleiten; vgl. Lexikon / Lemma וְ (Zurück zu v.2)
eerklärte als vollendet (vollendete, erachtete als vollendet) - Der folgende Text zeigt deutlich, dass Gott am siebten Tag eben nicht mehr an der Welt arbeitet; das Piel ist daher wohl am besten z.B. mit König und Heidel 1964, S. 127 als deklaratives – vielleicht auch ästimatives – Piel zu deuten. Aber s. noch nächste FN. (Zurück zu v.2)
fTextkritik: sechsten (siebten) - VUL und Tg stützen MT. Sam, LXX, Syr, die gr. Torah v. Ptolemäus Philadelphus, Jub 2,16 und BerR aber lesen „am sechsten Tag“. Meist wird davon ausgegangen, dass es sich hier um eine theologische Korrektur handle, damit nicht der Eindruck entstünde, Gott habe auch am Sabbat noch gearbeitet (so z.B. Westermann, Soggin, s. auch BHQ). Für ursprünglich halten diese sehr stark bezeugte Variante aber z.B. Ball und Hendel 1998, S. 122, und richtig Ball (1896, S. 73): „ויכל [„vollenden“] is not the same as ויכל מן [„aufhören“], but means finished, completed, as is clear from v. 1 [dazu s. aber vorige FN. Richtig dann aber:] Besides, there is an intentional antithesis between ביום הששי [„sechster Tag“] and ביום השביעי [„siebter Tag“]. Else why not וישבת בו [„und er ruhte an ihm“] in the second clause (cf. v. 3)?“ (Zurück zu v.2)
gruhte (hörte auf, feierte, arbeitete - Mit dem Verb שבת (schabat) wird häufig die konstitutive Tätigkeit bezeichnet, die man am Sabbat ausführt, beide Wörter klingen fast identisch, vielleicht hängen sie außerdem etymologisch zusammen. Zusammen mit der Nennung des „siebten Tages“ (יוֹם שְבִיעִי jom schbi´i) muss sich einem hebräischen Hörer ganz notwendig die Assoziation des Sabbats aufdrängen (so z.B. richtig Scharbert). Dennoch wollen neuerdings einige Exegeten merkwürdigerweise den Bezug der Verse 1-3 zum Sabbat in Abrede stellen. Das ist entschieden abzulehnen; hier einen engen Zusammenhang mit dem Sabbat zu verneinen ist, als würde man einem deutschen Text, in dem es heißt, jemand würde „am siebten Tag der Woche sonntagen“ den Bezug zum Sonntag absprechen. Dass gerade dem Gott JHWH, der nach dem Talmud (b.Ber 6a.7a) Sabbats sogar Tephilin trägt, der Sabbat verwehrt sein sollte, ist durchaus nicht einzusehen. Vgl. ebenso Cole 2003.
Jede der obigen Übersetzungsalternativen ist in der Forschung mehrfach vertreten worden; wir haben uns nur deshalb für „ruhen“ entschieden, da das Ruhen des Schöpfergottes nach Vollendung der Schöpfung ein verbreitetes Motiv in altorientalischen Schöpfungsmythen ist (vgl. z.B. Atwell 2000, S. 445). (Zurück zu v.2)
herklärte ihn für heilig (heiligte ihn) - Auch hier ist entweder die faktitive oder die deklarative Piel-Deutung möglich. Da hier aber offensichtlich eine Ätiologie (=Ursprungsmythos) des Sabbats vorliegt, der seinen Lesern erklären will, warum der Sabbat heilig ist, liegt vielleicht auch hier die deklarative Deutung näher. (Zurück zu v.3)
iarbeitend (indem er es gemacht hatte) - Auf den Ausdruck אֲשֶׁר-בָּרָא אֱלֹהִים לַעֲשׂוֹת (wörtl.: „[das Werk], das Gott geschaffen hatte, indem er es gemacht hatte“) wird selten eingegangen; die sehr unterschiedlichen Übersetzungen zeigen aber, wie schwierig er ist (Bspp.: Delitzsch: „das er schöpferisch ausgeführt hatte“, König: „das Gott geschaffen hatte, indem er (es) machte“, Soggin: „das Gott durch sein Wirken geschaffen hatte“. Zenger, BigS und Kirchentagsübersetzung sogar „das Gott geschaffen hat, um zu machen“, was immer das heißen soll). Viele Übersetzungen streichen daher entweder eines der Verben (z.B. ALTER: „that He had done“) oder formulieren komplett um (z.B. : „nachdem er das ganze Werk der Schöpfung vollendet hatte“).
So rätselhaft ist der Versteil aber wohl gar nicht: „denn an ihm hatte er geruht“ berichtet von Gottes Ruhen, „von seinem Werk, dass er geschaffen hatte, indem er es machte“ blickt dagegen zurück auf die diesem Ruhen entgegengesetzte erste Arbeitswoche Gottes. Das „indem er es gemacht hatte“ unterstreicht dabei nur noch zusätzlich diesen Gegensatz, indem sie einen weiteren „Arbeits“-Begriff darauf-häuft. Wir haben versucht, dies durch die Umformulierung „arbeitend geschaffen“ ausdrücklich zu machen. (Zurück zu v.3)
jDer Qatal ist hier wegen des rückblickenden Charakters der Textsorte „Ätiologie“ sehr sicher plusquamperfektisch zu übersetzen. (Zurück zu v.3)
kDie Aufteilung der Bibel in Kapitel wurde erst im 14. Jh. von der Vulgata übernommen und in den hebräischen Text eingefügt. Im Falle von Gen 1-2 ist man sich in der Exegese einig, dass hier die Kapitelaufteilung nicht die Struktur des hebräischen Textes trifft. Uneinigkeit allerdings besteht darin, ob der Text stattdessen richtiger zwischen Gen 2,3 und Gen 2,4, zwischen Gen 2,4a und Gen 2,4b oder zwischen Gen 2,4 und Gen 2,5 (diese letzte Variante haben wir bisher nur bei Collins 1999 und bei Delitzsch 1887 entdeckt) anzusetzen wäre.
Klares Indiz dabei ist der Einsatz von Gen 2,4 mit der sog. Toledot-Formel „Dies ist die Geschichte“, die sonst in der sog. „Priesterschrift“ noch weitere 10 Male vorkommt und bis auf Gen 36,9 stets als Überschrift fungiert. Wenn keine starken Argumente für eine andere Aufteilung vorgebracht werden - und derart schlagende Argumente haben wir bisher nirgends entdecken können - muss daher auch hier Kap. 1 mit Gen 2,3 enden und Gen 2,4 das nächste Kapitel einleiten; so z.B. auch Bandstra 2008; Junker 1953; König 1919; Lode 2002; NET; Wenham 1987. Dafür spricht außerdem, dass der MT nach Gen 2,3 den Sektionsmarker Petucha hat, nach Gen 2,4a und Gen 2,4b dagegen nicht. (Zurück zu v.3)
lNachkommen (V. 4) + Hauch des Lebens (V. 7) - In V. 4 steht die selbe Überschrift wie in Gen 6,9; 10,1; 11,10.27: toledot von X. Weil die meisten neueren Exegeten denken, in Gen 2-3 ginge es hauptsächlich um den Menschen, erwägenswert und sinnvoll Fischer 2018 und Carr 2021: Bei den anderen vier Stellen wird damit die Aufzählung der / Erzählung über die Nachkommen von X eingeleitet; entsprechend erscheint also hier der Mensch als „Nachkomme“ von Himmel und Erde.
Wie der Mensch „Nachkomme“ der Erde sein soll, ist in 7a auch offensichtlich. Wie er gleichzeitig Nachkomme des Himmels sein soll, allerdings weniger. Möglich wäre dies: In Pred 12,7 zerfällt der Mensch wieder in seine Bestandteile: Es wird „zurückkehren der Staub zur Erde, wie er gewesen ist / und der Atem/Hauch/Wind wird zurückkehren zu Gott, der ihn gegeben hat.“ Damit wird ein in hellenistischen Texten häufiges Motiv verdichtet; vgl. Sir 40,11: „Alles, was von der Erde kam, kehrt zur Erde zurück, und was aus der Höhe kam, in die Höhe“; Epicharmus: „[Der Mensch] löste sich wieder auf: Die Erde zur Erde, der Geist nach oben“; Lukrez: „So steigt alles auf, so kehrt alles zurück: Erde nimmt, was Erde gab, und zurück zum Himmel steigt wieder auf der ätherische Himmelstau, der herunterfiel.(gr. Parallelen bei Ginsburg 1861, S. 468). Kann man schon hier erste Spuren der Vorstellung annehmen, der „Atem“/„Hauch“/„Wind“ sei dasjenige, was dem Menschen aus der Höhe zugeeignet wurde? Vgl. noch Ijob 34,14; Ps 104,29; 146,4; Pred 3,21. S. auch im Midrasch: „[Die Stelle] lehrt, dass [der Mensch ursprünglich] als leblose Masse geschaffen wurde, die von der Erde bis in den Himmel ragte, von wo ihm dann der Hauch verliehen wurde.
Alternativ wie z.B. Ramban und Sforno: „Nachkommen von Himmel und Erde“ sind nicht nur die Menschen, sondern alle Lebewesen, die ihr Dasein der Erde und dem Regen verdanken. Auch das ist nicht unproblematisch: der Regen erscheint zwar häufiger als Frucht des Himmels, Gen 2-3 gehen aber ja explizit noch von einer Situation aus, in der es noch nicht regnet (s. V. 5).
Textkritik: Die meisten alten Vrs. wie MT. LXX aber wie in Gen 5,1: „Dies ist das Buch der Nachkommen“. Auch Philo kannte diese Variante. Und auch TgN übersetzt hier wie dort: „Dies ist die Genealogie der Nachkommen“. Zu TgN vgl. aber McNamara 1992, S. 56: TgN hat noch häufiger die Kurzform der Überschrift „Dies sind die Nachkommen“ mit der Langform „Dies ist die Genealogie der Nachkommen“ übersetzt; textkritisch relevant ist das eher nicht; es wäre dann nur ein Zufall, dass TgN hier mit LXX zusammenstimmt. Ball 1896 hielt die Variante von LXX, TgN und Philo noch für ursprünglich, wahrscheinlicher richtig aber Hendel 1998 und BHQ: Assimilation an Gen 5,1, die nächste Stelle, in der diese Überschrift kommt. (Zurück zu v.4 / zu v.7)
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Gen 2,4 in JTS L44a
tFN: geschaffen - Eines von je nach Handschrift etwa 100 Wörtern in der hebräischen Bibel, in denen ein Buchstabe abnorm geschrieben wird. In diesem Fall ist das He in behibbar`am („bei ihrem Geschaffen-werden“) kleiner als die anderen Buchstaben. In vielen der ältesten Handschriften ist das nicht so und auch hier sieht man deutlich, dass das kleiner geschriebene He eine (mit anderer Tinte geschriebene) nachträgliche Korrektur ist. Dennoch hat Ball 1896 auf dieser Basis erwogen, ob statt bhbr`m nicht vielleicht bbr`m („als er sie schuf“) ursprünglich sei; BHK und BHS hielten das sogar für wahrscheinlich. Die Bedeutung dieser kleiner geschriebenen Buchstaben ist aber nicht klar; alternativ denkt z.B. Eisenstein in EncJud XI 411f., mit ihnen solle darauf hingewiesen werden, dass der jeweilige Buchstabe Gegenstand einer Auslegung in Talmud, Midrasch etc. sei. So auch schon Rabbi Culi im Me'am Lo'ez. Hier gibt es in der Tat sogar gleich zwei solcher Auslegungen: Man lese nicht bhbr`m („bei ihrem Geschaffen-werden“), sondern bh br`m („er erschuf sie mit einem He“). Warum wurde die Welt mit einem He geschaffen?. (b.Men 29b). (1) Bei allen Buchstaben macht es Mühe, sie auszusprechen, nur das He macht keine Mühe. Entsprechend schuf der Heilige, gepriesen sei Er, die Welt ohne Mühe und Arbeit. (BerR xii 10). (2) Weil das He unten offen ist – dies ist ein Zeichen dafür, dass alle Kreaturen in die Unterwelt hinabsteigen werden. Weil das He eine Spitze hat – [dies ist ein Zeichen dafür], dass, sobald sie hinabfahren, sie auch aufsteigen. Und weil das He an allen Seiten geöffnet ist – dies ist ein Zeichen dafür, dass Gott allen, die bereuen, eine Tür öffnet. (j.Chag ii 1,15; ähnlich Raschi und Ramban).
Klar ist jedenfalls, dass die abnorme Schreibweise keinesfalls alleinige Basis dafür sein kann, den Text zu ändern. (Zurück zu v.4)
nGen 2,4-6 eignen alle typischen Merkmale biblischer Poesie. Sachsse 1921; Ouro 2002, S. 225 und Polak 2002, S. 22 haben daher in der Tat 2,5-6 als Lyrik analysiert; Sievers 1907b, S. 6; Procksch 1913, S. 20; Gray 1915, S. 220-222 und Walsh 1977, S. 162 sogar 2,4b-6. Die meisten tun das nicht, und das Gesamt von 2,4a-6 hat m.W. (S.W.) bisher niemand als einheitliches Gedicht interpretiert. Das sollte daher auch OfBi besser nicht tun; um die poetische Struktur erkenntlich zu machen, habe ich die Verse immerhin in die poetischen Zeilen gegliedert. Poetisch analysiert wäre zu formatieren:
Dies sind die Nachkommen von Himmel und Erde, als sie geschaffen wurden
Am Tag, als JHWH-Gott Erde und Himmel machte:

Alle Sträucher der Steppe waren noch nicht auf der Erde

und alle Kräuter des Feldes wuchsen noch nicht,

weil JHWH-Gott es nicht regnen ließ über der Erde

und es keinen Erdling gab, um den Erdboden zu bestellen,

aber Flut emporstieg aus der Erde,

und das Angesicht des Erdbodens tränkte. (Zurück zu v.4)
oJHWH-Gott - sehr seltene Gottesbezeichnung, die sich fast nur in den Büchern der Chroniken und in Gen 2-3 findet (im Gegensatz zu „Gott“ in Gen 1 und „JHWH“ in Gen 4). Die traditionelle Erklärung ist die z.B. von Collins 2006 und Gertz 2018: Ursprünglich sei in Gen 2-3 „JHWH“ gewesen sein; dies wäre dann spät mit dem „Gott“ aus Gen 1 kombiniert worden, um Kontinuität zwischen Gen 1 und Gen 2-3 zu stiften und um zu signalisieren, dass Gen 1 und Gen 2-3 komplementär als „zwei Seiten einer Medaille“ zu lesen seien, die vom selben „Gott“ sprechen.
Liest man dagegen Gen 2-3 mit Gen 1 und Gen 4 zusammen, lässt sich eine schrittweise Transformation Gottes erkennen: Von `elohim in Gen 1 über JHWH-`elohim in Gen 2-3 bis zu JHWH im Kapitel Gen 4, das passend in Gen 4,26 schließt mit: „Damals begann man, den Namen JHWHs anzurufen“. (Zurück zu v.4)
ptFN: Die Syntax von Gen 2,4 ist umstritten. Geht man davon aus, dass mit Gen 2,4a (und nicht Gen 2,4b) das nächste Kapitel beginnt (s.o.), sind immer noch mehrere Auflösungen möglich. Prominentere Auflösungen in neueren Kommentaren sind folgende:
(1) Gen 2,4a = Überschrift; Gen 2,4b = Nebensatz, Gen 2,5-6 = Parenthese, Gen 2,7 = Hauptsatz (z.B. Arneth 2007b, S. 24.129; Arnold 2009; Fischer 2018; Gertz 2018; Carr 2021; auch B-R, BigS, MEN, TEX)
(2) 2,4a = Überschrift; 2,4b = NS, 2,5 = HS (z.B. Soggin 1997; auch , HER05, H-R, NeÜ, NL, R-S, TUR u.a.)
(3) Gen 2,4a = Überschrift; Gen 2,4b-6 = Nebensätze zum Hauptsatz Gen 2,7 (Bandstra 2008; auch ZÜR; ähnlich z.B. Steck 1970; Goldingay 2020)
(4) Gen 2,4a = HS, Gen 2,4b = NS; Gen 2,5a = NS, Gen 2,6b-6 = Parenthese, Gen 2,7=HS (Collins 2006; auch SLT).
Klar ist im Kontext von Gen 1-11, dass Gen 2,4 (Teil einer) Überschrift ist; s. Gen 6,9; 10,1; 11,10; 11,27. Das ist aber noch nicht sehr hilfreich: Entweder ist diese Überschrift hier bei ihrem ersten Vorkommen um 2,4b erweitert, oder sie ist nur um 2,4aB („als sie geschaffen wurden“) erweitert und 2,4b beginnt den eigentlichen Text – zwischen (1) - (3) vs. (4) lässt sich auf dieser Basis noch nicht entscheiden.
Für (4) spricht zunächst, dass Gen 2,4a und Gen 2,4b offensichtlich bewusst chiastisch formuliert sind: „Dies sind die Nachkommen (a) von Himmel (b) und Erde, (c) als sie geschaffen wurden, (c') als Gott-JHWH machte (b') Erde (a') und Himmel.“ Dagegen und für (1) - (3) aber spricht, dass in 2,4a „Himmel und Erde“ im Heb. Artikel haben, in 2,4b aber nicht, was bei einem NS-HS-Gefüge so nicht zu erwarten wäre, und dass nach den anderen Überschriften in Gen 1-11 asyndetisch (d.h. ohne „und“) fortgefahren wird, Gen 2,5 dagegen mit „und“ beginnt (richtig Carr 2021). Für (2) spricht außerdem: Viele entscheiden sich hauptsächlich deshalb für (1), weil dann Gen 2,4-7 syntaktisch ihrer Deutung der Syntax von Gen 1,1-3 entsprechen würde. OfBi hat dort anders aufgelöst; orientieren wir uns an diesem häufigsten Argument, wäre in OfBi hier (2) vorzuziehen: Sowohl Gen 1,1-3 als auch Gen 2,4b-7 hätten dann die Abfolge [temporaler Nebensatz] - [X existiert noch nicht] - [Schöpfungstätigkeit Gottes]. Und für (3) spricht zusätzlich, dass Gen 2,4-7 dann einem häufigen Sprachmuster von Schöpfungserzählungen mit vielen Nebensätzen vor dem ersten Hauptsatz entsprechen würde. Vgl. z.B. Enuma Elisch I 1-9: Als in der Höhe dem Himmel noch kein Name gegeben war, und in der Tiefe der Unterwelt noch nicht mit Namen genannt wurde, ... als noch keine Götter gezeugt worden waren, (und) keiner mit Namen genannt war, als noch kein Schicksal zugeteilt war – da bildeten sich in die[sen beiden] die Götter. (nach COS 1.111).
Insgesamt sprechen die meisten Argumente also für (2) oder (3); eine sichere Entscheidung ist hier aber nicht möglich. Wir haben uns daher am häufigsten Argument, das hier für (2) spricht, orientiert. (Zurück zu v.4)
qErdling (Mensch) + Erdboden' - Hier wird mit der Verwandtschaft der Wörter „Mensch“ (`adam) und „Erdboden“ (`adamah) gespielt: Der Mensch ist erstens aus Erde – ist ein „Erdenkloß“ (Luther) und daher „Sohn der Erde“ – und dient zweitens der Erde – ist also ein „Erdling“, ist wesensmäßig „Ackerknecht“. Die Üs. „Erdling“ folgt dem guten Vorschlag von Meyers 1988, S. 81f.; Scoralick 2018, S. 72.
Hyperbaton: Unkraut wuchs nicht (5a), weil es nicht regnete (5c), und Nutzpflanzen gab es nicht (5b), weil kein Mensch den Erdboden bestellte (5d; gut Futato 1998, S. 5). (Zurück zu v.5)
rdienen (arbeiten) (Vv. 5.15) + hüte (bewahre, bewachen) (V. 15) - dt. Üss. manchmal: „bebaue und pflege“ (so H-R, R-S, ähnlich PAT: „bebaue und erhalte“), was kontextuell natürlich stimmig ist, aber verschleiert, welch auffällige Verben im Heb. verwendet werden. ´abad heißt manchmal in der Tat schlechthin „arbeiten“ (Ex 20,9 = Dtn 5,13; (Pred 5,11?)) und dann auch „an etw. arbeiten, etw. bearbeiten“ (s. bes. Spr 12,11 = Spr 28,19; auch Dtn 15,19; 28,39; Jes 19,9); primär heißt es aber „dienen, für jmdn einen Dienst verrichten“ (dies auch in 2 Sam 9,10; Sach 13,5). Davon abgeleitet ist ´ebed („Diener, Sklave“). Vor dem Hintergrund verwandter altorientalischer Mythen, in denen der Mensch geschaffen wird, um für die Götter die Feldarbeit zu verrichten (s. zu V. 6), ist daher fast sicher, dass der Mensch mit diesem Wort zu Gottes Förster des Gartens bestimmt wird: Er soll „im Garten Dienst tun“ oder sogar „dem Garten dienen“. Vgl. z.B. Good 2009, S. 26; Habel 2011, S. 52; Tsukimoto 2014, S. 333-335.
šamar heißt „bewachen, bewahren“ und wird sonst nicht von landwirtschaftlicher Tätigkeit im engeren Sinn verwendet (aber s. gleich); im gewöhnlichen Sinn z.B. sicher bewusst in Gen 3,24; ähnlich von Nabals Ländereien in 1 Sam 25,21. Die meisten dt. Üss. frei: „bearbeiten und bewahren“, als würde der Mensch mit dem zweiten Verb zum Naturschützer bestimmt (was im weiteren Sinn in Gen 2 natürlich wirklich geschieht). So auch wirklich Habel 2011: „Moreover, the coupling of abad with shamar (keep/preserve) in Gen. 2.15 suggests that this combination of verbs means something like ‚serve and preserve‘ or ‚care for and conserve‘.“ (S. 49).
(1) Das auch in Hld 1,6 verwendete sinnverwandte naṭar (aram. für naṣar „beschützen“, falls es nicht von *naṣar „blühen, sprießen“ abgeleitet ist, vgl. neṣar „Spross, Schössling“) in Hld 8,11f. könnte nahelegen, dass „einen Garten/ein Feld hüten“ doch auch für landwirtschaftliche Subunternehmer-Tätigkeiten verwendet werden kann. Danach hätte šamar fast die selbe Bed. wie ´abad: „Feldknecht und Reisiger sein“.
(2) Chizkuni konkretisiert das „bewachen“: „um ihn vor Tieren zu schützen, die [Pflanzen] niedertrampeln könnten.“ Ähnlich Radak; ähnlich etwas allgemeiner Chaim ben Attar im Or haChajim, einem Torah-Kommentar aus dem 18. Jhd.: „vor schädlichen Dingen, die die Pflanzen verderben könnten“. Diese Aufgabe gab es im Ackerbau des Alten Orients wohl wirklich, manchmal mussten daher Mädchen Weingärten „behüten“ (s. Hld 1,6 und vgl. dazu erstens P.Anastasi I 24.2 [Du wirst ein kleines Mädchen finden, das den Garten bewacht.] und zweitens Hld 2,15; Ps 80,14; Jes 5,5; Hos 2,15).
(3) Am wahrscheinlichsten aber wird das Wort hier v.a. verwendet, um Gen 3,24 vorzubereiten: Obwohl nicht klar ist, vor wem der Mensch den Garten „bewachen“ soll, soll hier er ihn vor Eindringlingen bewachen – wohingegen in Gen 3,24 der Garten vor ihm und seinem Eindringen bewacht werden soll. So schon Gregor von Nyssa, In Cant Hom 2 zum „Weingarten“ in Hld 1,6: „Man muss aber unter dem ‚Weinberg‘ dasselbe verstehen wie das Paradies. Denn auch dort wurde der Mensch beauftragt, das Paradies zu bewachen [wie in Hld 1,6 das Mädchen den Weinberg ‚hüten‘ – nach Gregor: ‚gegen Feinde beschützen‘ – soll]. Die Nachlässigkeit in der Bewachung aber vertreibt den Menschen aus dem Paradies und macht ihn zum Bewohner des Westens, nachdem sie ihn vom Osten entfernt hat.
(4) Weil šamar mit Tieren / Herden als Objekt auch „Hirte sein“ bedeutet, denkt Goldingay 2020, mit dem Wort sei neben der Feldarbeit auch die Arbeit an Tieren („caring for animals“, S. 60) gemeint. Das liegt sehr fern, ähnlich aber schon ApkMos (1. Jhd. n. Chr.?), wo die Deutungen (3)-(4) miteinander kombiniert sind: In ApkMos 15 hütet Adam die männlichen Tiere im Norden und Osten Edens, Eva dagegen die weiblichen im Süden und Westen (wie im Koran wird das Paradies also vorgestellt als geviertelter Garten). Sodann verführt die Schlange Eva „von der Paradiesmauer“ herab (ApkMos 17), woraufhin ihr Eva in ApkMos 18 das Paradies „öffnet“.
Auslegungsgeschichte: Die Fügung „dienen und bewahren“ wird in der hebräischen Bibel sonst v.a. in zwei Kontexten verwendet:
(5) „Gott dienen und seine Gebote bewahren=halten“ (Dtn 13,5; Jos 22,5; Mal 3,14). Die alten jüdischen Ausleger haben hieran gedacht: TgJ und TgN übersetzen „am Gebot arbeiten und Gottes Gebote halten“; so deuten auch der Midrasch, Sifre zu Dtn 41,24 und PRE 12; ebenso der christliche Ausleger Severian von Gabala in Über die Erschaffung der Welt 5.5 (vgl. ACC, S. 60): „Gottes Gebote zu halten und diesen Geboten zu folgen war der Gottes-‚Dienst‘. ... Ebenso, wie es ‚Arbeit‘ ist, an Christus zu glauben, galt das für Adams treues Wahren des Gebotes Gottes.
(6) Der liturgische Dienst im Tempel hieß „Dienst und Wacht“; im Tempel tätig zu sein daher „den Dienst dienen und die Wacht wachen“ (Num 3,7; 8,26; ähnlich Num 3,8; 18,7). Einige neuere Exegeten denken daher, mit diesem Ausdruck solle der Mensch als Urbild des Priesters dargestellt werden, der mit seiner Arbeit im Garten den Vorläufer des Tempeldienstes tut (so z.B. Wenham 1987; Witte 1998, S. 270; Beale 2018). Das ist eine schöne Deutung, man wird sie aber eher als modernen Midrasch werten müssen. (Zurück zu v.5 / zu v.15)
sSturzflut (Grundwasser, Nebel, Gewölk) - Entweder wird hier die notwendige Vorbedingung dafür geschildert, dass der Mensch trotz Abwesenheit von Regenwasser etwas an der Trockenheit des Erdbodens ändern kann (heraufzuholendes [s. die nächste FN] „Grundwasser“) oder neben dem mangelnden Regen und dem mangelnden Menschen wird ein weiterer Grund genannt, warum aktuell noch keine Pflanzen wachsen: Weil in regelmäßigen Abständen Sturzfluten die Erde überschwemmen (so Kidner 1966; Tsumura 1989 S. 119). Nach dieser zweiten Alternative gemeint sind wahrscheinlich artesische Quellen. Das lehrt eine nahe Parallele: Das sumerische Paradies Dilmun, wo auch der Lebensbaum des Gilgamesch-Epos stand, ist fast sicher identisch mit der Insel Bahrain (zur Lage s. die Karten unten). Die „Quellen“, von denen dort die Rede ist, sind dann sehr wahrscheinlich die artesischen Quellen, für die Bahrain einst bekannt war, die heute aber leider versiegt sind. Vgl. dazu Rausch u.a. 2014.
Genauer: Heb. ´ed, unsicheres Wort: neben Gen 2,6 nur noch in Ijob 36,27.
(1) Die meisten leiten ab von einem akkadischen Kognat edû mit der Bed. Wasserflut, Sturzflut, daher z.B. LUT: „ein Strom“, ZÜR: „ein Wasserschwall“. So aber keine der alten Üss.
(2) Mankowski 2000 und Arnold 2009 leiten ab vom sumerischen adea („Grundwasser, Bewässerung“; die Ableitung von einem sumerischen id „Fluss“ dagegen hat sich als Fehler erwiesen, vgl. Speiser 1955, S. 9; Tsumura 1989, S. 104. Gegen Tsumuras weiteren sumerischen Alternativvorschlag vgl. Hasel / Hasel 2000, S. 325), daher z.B. BigS: „ein Quell“, NeÜ: „Grundwasser“. So schon LXX, VUL, Syr: „Quelle / Brunnen“.
(3) Yahuda 1933, S. 157; Görg 1986, S. 23f. und Hasel / Hasel 2000 leiten ab von ägyptischen und arabischen Kognaten mit der Bed. „Nebel / Tau“ (dagegen vgl. aber die Einwände von Müller in Witte 1998, S. 84f. FN 30), daher z.B. NL: „Nebel“, SLT: „ein Dunst“. So fast alle alten jüd. Ausleger.
(4) Dahood 1981, S. 535f.; Kline 1996 und Futato 1998, S. 6-9 schließlich leiten ab von einem unsicheren eblaitischen ì-du („Wolke“. Hier sind die Einwände von Hasel / Hasel 2000, S. 330 nicht fair; richtig bleibt aber: Das Kognat ist und bleibt unsicher. Und der Text wäre unsinnig: Welchen Sinn sollen die Wolken haben, wenn es gleichzeitig heißt, dass es noch nicht regnet?). So keine der neueren Üss., aber schon TgO: „Wolke“; ebenso der Midrasch („Wolken haben fünf Namen: ´ab, `ed, ´anan, nasi und ḥaziz.“) und noch Schüle 2006, S. 149: „Da stieg eine Wolke auf von der Erde und tränkte die Oberfläche des Erdbodens.“
(5) Das „Feuchtigkeit“ in und PAT scheint komplett aus dem Kontext abgeleitet zu sein.
Vorzuziehen ist klar (1) oder (2): Gen 2,5-6 schildern ja offensichtlich einen Erde, auf der noch keine Pflanzen wachsen; bei den meisten Vorschlägen allerdings hat man nach Kognaten gesucht, nach denen V. 6 besagt, dass die Erde trotz noch nicht vorhandenem Regen auf alternative Weisen bewässert wird. (Zurück zu v.6)
ttFN: indem er das Grundwasser heraufholte - so Bea 1933, S. 147ff.: Man analysiere ja´aleh nicht als Qal, sondern als das homonyme Hifil, und den Satz nicht als selbstständigen Satz, sondern als durch Wortstellung (Objekt - Verb) markierten modalen Nebensatz. Meines Erachtens (S.W.) ist dies die rundeste Interpretation.
Vor allem spricht dafür, dass sich so interpretiert dann viele Anklänge an verwandte Schöpfungsmythen fänden. Drei Beispiele: (1) Im sumerischen Mythos „Enki und Ninmach“ und im babylonischen Atramchasis-Mythos werden die Menschen deshalb geschaffen, weil die Götter keine Lust mehr haben, selbst Kanäle graben und sie mit ihren Gefäßen mit Wasser füllen zu müssen. Diese beiden Mythen sind sehr bekannt; ähnlich ist es auch im zweisprachigen (sumerischen und akkadischen) Schöpfungsmythos VAT 9307 / KAR 4. Die Aufgabe des Menschen wird dort so bestimmt: „Das Arbeitspensum der Götter sei ihr Arbeitspensum! Auf ewige Tage den Grenzgraben festzusetzen, Hacke und Tragkorb in ihre Hand zu legen, die große Wohnung der Götter für einen erhabenen Hochsitz geeignet zu machen, Flur an Flur (zu planen), auf ewige Tage den Grenzgraben festzusetzen, den Deich herzurichten, den Grenzgraben festzusetzen, das Grundstück zu bewässern, Pflanzen gedeihen zu lassen, Regen in Menge ...(TUAT III/4, S. 607). (2) In einem sumerischen Fragment ist dieses „Wasser-Schöpfen“ paradigmatisch für die Zeit des Menschen; die Zeit vor seiner Erschaffung wird daher beschrieben mit „An, der Herr, erhellte den Himmel, die Erde war dunkel, in die Unterwelt wurde [noch] nicht geschaut, aus der Tiefe wurde (noch) kein Wasser geschöpft, [noch war] nichts geschaffen...(TUAT III/3, S. 353). (3) Vergleichbar ist auch der sumerische Mythos „Enki, Ninsikila und Ninchursaga“. Dort wird von der Entstehung der urzeitlichen Stadt Tilmun (=Dilmun, s.o.) berichtet: Der Gott Enki hat sie seiner Tochter zum Geschenk gemacht. Doch sie spricht: „Tilmun, eine Stadt, hast du gegeben, eine Stadt hast du gegeben, was soll ich mit deiner Schenkung? Eine Stadt, die in den Kanälen kein Wasser hat! Tilmun, eine Stadt hast du gegeben, eine Stadt hast du gegeben, was soll ich mit deiner Schenkung?“ Anders als in den ersten vier Beispielen ist das Wasser-Schöpfen hier aber nicht Aufgabe des Menschen; stattdessen spricht Enki: „Möge Utu, der am Himmel steht, ... aus dem Munde des Wassers, das in der Erde strömt, dir süßes Wasser aus der Erde kommen lassen, daraus das Wasser in deine großen Becken aufsteigen lassen, möge er dir deine Stadt Wasser des Überflusses trinken lassen, Tilmun dir Wasser des Überflusses trinken lassen, ... möge deine Stadt das Haus des Ertrages des Kais des Landes Sumer sein...!(ebd., S. 367f.).
Dafür spricht auch, dass dann erklärlich würde, warum `adam nicht nur ein Wortspiel bildet mit `adamah, sondern auch mit `ed (אדאדםאדמה; vgl. gut Jacob 1934, S. 82f.): Des Menschen Auftrag wäre es dann eben, `ed auf die `adamah zu bringen.
Mir (S.W.) ist die Interpretation Beas daher ausgesprochen sympathisch; weil er mit dieser Interpretation bisher aber m.W. allein steht, sollte auch OfBi nicht dieser Interpretation folgen.
Erwägenswert ist außerdem noch der Vorschlag von Bandstra 2008, S. 123, das „noch nicht“ aus 5ab tue double duty, und der ähnliche und bessere Vorschlag von Saadia (erwogen auch von Radak), Calmet 1730, S. 16f. und Sachsse 1921, S. 279f., das „es gab kein“ aus 5c tue double duty: „Unkraut und Nutzpflanzen wuchsen noch nicht, weil es keinen Erdling gab, der den Erdboden bestellte, und [noch nicht] Grundwasser aufzusteigen pflegte / und [weil] es [kein] Grundwasser [gab], [das] aufzusteigen pflegte...“. Dagegen aber richtig McClellan 1939, S. 110 (vgl. auch Houbigant 1777b, S. 4f.): Das „noch nicht“ ist zu weit entfernt, um double duty zu tun, und „kein“ kann nicht double duty tun, weil 6a im Heb. stattdessen „nicht“ (lo`) erforderte. (Zurück zu v.6)
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Ägyptisches Relief in Dendera: Der Gott Khnum töpfert ein Kind, die Göttin Isis verleiht ihm Leben. (c) Didia via Wikimedia Commons
Staub - nicht „Lehm“ o.ä., woraus man gut etwas formen könnte und woraus nach Ijob 10,9; 33,6; Jes 29,16; 45,9; 64,8 wirklich auch der Mensch geformt ist. Auch das macht in V. 6 die Bed. „Grundwasser heraufholen“ noch mal wahrscheinlicher; der Grund für die Wortwahl wäre dann, dass die Erde eben noch nicht durch „einen Strom“, „Feuchtigkeit“, „Wolken“ oder „Tau“ befeuchtet wurde, so dass es noch gar keinen „Lehm“ gab. Alternativ muss man annehmen, mit „Staub“ solle bereits hier auf die Sterblichkeit des Menschen hingewiesen werden. Aber ob der Mensch zu diesem Zeitpunkt bereits als sterblich gedacht sein soll, ist ganz ungewiss.
Die Schöpfung des Menschen aus Erde ist ein Urmythos und findet sich nicht nur in mehreren altorientalischen Mythen, sondern auch in der griechischen Mythologie, in afrikanischen Volksmärchen etc. (vgl. Becking 2011, S. 6f.). (Zurück zu v.7)
vDie Präp. vom kommt im Hebräischen überraschend; erwartet hätte man eine Genitivkonstruktion „Staub des Erdbodens“. Sicher soll damit V. 23 vorbereitet werden: Wie der Rohstoff für die Frau „vom Menschen“ genommen werden wird, so hier der Rohstoff für den Menschen „vom Erdboden“.
Auslegungsgeschichte: In der jüdischen Antike wurde dies Basis einer schönen Auslegung: Mit „Staub vom Erdboden“ solle gesagt sein, dass Gott Erde aus allen vier Himmelsrichtungen zusammensammelte, um den Menschen zu formen, damit der Mensch bei seinem Tod auch in allen vier Himmelsrichtungen von der Erde wieder aufgenommen werde (so Midrasch Tanchuma, Pekudei 3; auch Raschi u.a.). Nach Gen 2,7 wäre der Mensch so selbst noch im Tod „Weltbürger:in“. Ähnlich auch schon TgJ, der bei dieser Gelegenheit auch noch wundervoll betont, dass bereits zu dieser Zeit der Mensch mit all seinen Hautfarben geschaffen worden sei: „Er nahm Staub vom Ort des Tempels und aus allen vier Himmelsrichtungen der Welt, außerdem ein Gemisch aus allen Wassern der Welt und schuf ihn rot (=braun), schwarz und weiß. (Zurück zu v.7)
wAuslegungsgeschichte: Gen 2,7b wurde von den alten jüdischen und christlichen Auslegern sehr häufig als Beleg dafür genommen, dass der Mensch seine Seele von Gott empfangen hatte, und dies werde hier gesagt (Radak, Sforno; Tertullian, Basilius, Chrysostomus u.a. Zwei Beispiele: [1] Ramban: „Der Vers sagt, dass er den Hauch des Lebens in seine Nase geblasen habe, um uns darüber in Kenntnis zu setzen, dass die Seele nicht aus den Elementen besteht ..., sondern vom Geist Gottes herrührt.“; [2] Gregor von Nazianz, Dogmatischer Hymnus 7: „Die Seele ist der Atem Gottes, ist himmlisch' Ding vermischt mit tiefster Erde, ist Licht, gesperrt in eine Höhle – und doch ganz göttlich, unzerstörbar...). Gesagt wird das hier nicht: nešamah ist nicht die „Seele“, sondern der „Atem“, der jedem Lebewesen eignet und der es erst zu einer nefeš ḥajah („einer lebendigen Seele“ = „einem Lebewesen“) macht, was gleichfalls kein Alleinstellungsmerkmal des Menschen ist: Auch die Tiere werden in Gen 1,20 als „lebendige Seelen“ bezeichnet, auch sie haben in Gen 7,21f „Atem (statt: Hauch) des Lebens“ in ihrer Nase. Ganz prosaisch und richtiger daher ibn Ezra: „Die Bedeutung von ‚er blies in seine Nase Hauch des Lebens‘ ist: Der Mensch lebt vermöge seiner Nasenlöcher. Durch sie entweicht die vom Herzen erhitzte Luft und wird durch frische Luft ersetzt.“ Alleinstellungsmerkmal könnte hier allenfalls sein, dass nur vom Menschen explizit gesagt wird, dass ihm sein Atem von Gott eingehaucht wurde. So Chizkuni: „‚Er blies in seine Nase den Hauch des Lebens‘ – Gott höchstselbst behauchte den Menschen mit dem Hauch des Lebens; etwas, was er für kein anderes seiner Geschöpfe getan hatte. Warum war dies nötig? Damit der Mensch Weisheit haben könne, d.h. heiligen Geist.(ähnlich Haag 1970, S. 46; Sarna 2001, S. 17). (Zurück zu v.7)
xim Osten (im [fernen] Osten, in der Urzeit) - (1) Ob miqqedem (mit der Präp. mi(n)- statt be- wie in be´eden „in Eden“) wirklich eine zweite Ortsangabe ist, ist umstritten. Dafür z.B. Bührer 2014, S. 212 und Carr 2021 mit dem sehr richtigen Hinweis auf Gen 2,14; 3,24. So auch LXX und z.B. auch schon Basilius der Große in Über den Heiligen Geist 27.66: „Aus diesem Grund blicken wir beim Beten nach Osten. Nur wenige wissen, dass der Grund dafür ist, dass wir damit in Richtung unseres einstigen Heimatlands blicken, das Gott in Eden gen Osten gepflanzt hatte.
(2) miqqedem hat häufiger auch zeitliche Bed.: „zur Urzeit“. So daher fast alle alten Vrs.: Aq, Sym, Theod, VUL, Syr, TgJ. Nur TgO und TgN verwenden das selbe Wort wie MT und sind daher nicht eindeutig. Auch der Midrasch kennt diese Deutung: „Du glaubst vielleicht, miqqedem bedeute ‚vor der Schöpfung der Welt‘, aber das ist nicht der Fall. Vielmehr bedeutet es: ‚vor der Schöpfung Adams‘, denn Adam wurde am sechsten Tag geschaffen, der Garten in Eden dagegen am dritten.“ Vgl. auch 4 Esra 3,6: Dann führtest du [den Menschen] ins Paradies, das deine Hand gepflanzt hatte, ehe die Erde entstand.. So bes. Stordalen 2000, S. 261-270; z.B. auch Jericke 2013, S. 26.
(3) Gertz 2018 schließlich übersetzt mit „in der Urzeit im fernen Osten“, um offenzuhalten, ob der Ausdruck lokal oder temporal gemeint sei, und gleichzeitig klarzumachen, dass hier von keinem konkreten Ort die Rede sei. Ich (S.W.) halte das für klug und für die LF für erwägenswert.
Ausnahmslos alle dt. Üss. wählen wie die meisten Kommentare etwas wie „im Osten“ und verfremden höchstens ein wenig mit der Üs. „gegen Morgen“ (LUT 84, SLT 51). Wegen Gen 3,24 ist das auch in der Tat am wahrscheinlichsten, gemeint ist aber wohl wirklich etwas wie Gertz' „ferner Osten“: „Der Osten, wo die Sonne aufgeht, ist ein symbolischer Ort, der Zwischen-Raum an der Grenze von Himmel und Erde, der Ort, zu dem Gilgamesch reisen musste, um Unsterblichkeit zu erlangen“ (Goldingay 2020, S. 58). (Zurück zu v.8)
yden Erdling (Menschen), den er gebildet hatte - Wiederaufnahme von V. 7: er bildete den Erdling... den Erdling, den er gebildet hatte (gut Walsh 1977, S. 162). Geht man nicht davon aus, dass Gen 2 ein echtes Gedicht ist, liegt es daher eher fern, dass Vv. 7.8 zu unterschiedlichen Abschnitten gehören (wie oft gegliedert wird). In einem Gedicht dagegen könnte dies das Stilmittel der „Concatenatio“ sein, das gerade signalisieren würde, dass die Verse mit den einander entsprechenden Zeilen zu unterschiedlichen Strophen gehören. (Zurück zu v.8)
zBaum des Lebens - ein weiterer Urmythos: Erzählungen von Bäumen, die ewiges Leben schenken, gab es im ganzen Alten Orient und auch vielfach in der skandinavisch-germanischen Welt. Viele Beispiele hat Wünsche 1905 zusammengetragen. In den meisten dieser Mythen dienen die Früchte dieses Baums als Speise für die Götter; wahrscheinlich ist daher, dass dieser Baum in der ursprünglichen Sage nicht etwa als „Test“ für den Menschen o.Ä. in den Garten gepflanzt wurde, sondern dass er zum gewöhnlichen Ensemble eines „Gottes-Gartens“ gehörte. (Zurück zu v.9)
aatFN: Die meisten dt. Üss. wie in der Alternativübersetzung. Nach den hebräischen Akzenten ist 9b aber offensichtlich ein zweiter Hauptsatz und liefert nicht ein zweites und drittes Subjekt im selben Hauptsatz nach. (Zurück zu v.9)
abZum Baum der Erkenntnis von Gut und Böse s. die Anmerkungen zu Gen 3.
tFN: [auch] - Auch der zweite Baum wuchs in der Mitte des Gartens. Syntaktisch ist Gen 2,9b eine sogenannte „gespaltene Koordination“ (vgl. bes. Michel 1997b, S. 1-22; z.B. auch Carr 2021; Mettinger 2007, S. 22; Bauks 2012, S. 268; Bührer 2014, S. 213f.): Im Hebräischen kann eine Aussage a sowohl über Subjekt A als auch über Subjekt B ausgesagt werden, indem man einen Satz bildet mit dem Muster A a und B, hier also etwa: „Baum 1 war X und Baum 2“ = „Baum 1 und 2 waren X“. Das wussten schon die alten jüd. Exegeten, die daher gar nicht über die grammatische Konstruktion nachdachten, sondern gleich darüber, wie es denn möglich sei, dass zwei Bäume exakt in der Mitte des Gartens wachsen könnten (z.B.: Sie teilten sich einen Stamm, oder: Baum 2 wuchs um Baum 1 herum etc.). Dass mit „Mitte“ nicht die exakte Mitte gemeint sein muss, ist aber ja klar. (Zurück zu v.9)
actFN: geht aus + teilt sich + und wird - Das erste Vb. ist Partizip; i.d.R. wird es daher präsentisch gedeutet: Der Fluss tut dies immer noch; für den Verfasser befände sich der Garten also immer noch irgendwo. Das zweite ist ein Yiqtol- und das dritte ein Weqatal-Verb. Beide Vb.-Formen werden i.d.R. zum Ausdruck von Zukünftigkeit oder Modalität verwendet. Daher etwa Bandstra 2008: „A river exits. ... From there it will divide. And it will become four heads.“
(1) Das Partizip allerdings ist im klassischen Bibelhebräisch zeitlos; seine Temporalität muss aus dem Kontext erschlossen werden und kann dann ebenfalls Zukunft sein (Bsp.: Jon 1,3: „Er fand ein Schiff, das nach Tarschisch fahren würde“; vgl. z.B. GKC §116d). Der Nahkontext mit dem Yiqtol- und Weqatal-Verb spricht dann eigentlich dafür, dass auch das Ptz. zukünftig zu deuten ist: Aktuell hat der Garten noch keine Wasserquelle, weshalb es den Menschen braucht. Später allerdings – nach der Verbannung des Menschen – würde ein Strom von Eden ausgehen, um den Garten zu bewässern, und würde sich dann wieder in vier Flüsse teilen. So aber niemand.
(2) JM §119u denkt an durative Vergangenheit: „Er teilte sich dauerhaft und wurde dauerhaft zu vier Häuptern“. Aber wie soll „teilen“ und „zu etwas werden“ anders durativ sein als „ausgehen“?
(3) An Joüons „duratives Yiqtol der Vergangenheit“ glauben ohnehin nicht viele hebraistische Grammatiker. GKC §107d etwa daher dagegen: iterative Vergangenheit: „... Gn 2:10 represents the river as going out of Eden in a continuous, uninterrupted stream, but יִפָּרֵר, which immediately follows, describes how the parting of its waters is always taking place afresh.“; ebenso Dav §54b; Nic 40; Bartelmus 1982, S. 201. Idem; und: der Fluss wird doch gerade nicht wiederholt zu mehreren Flüssen, sondern konkret zu den genannten vier? Dagegen vgl. auch HKL III §160.
(4) Vielleicht auch nur durch Wortstellung (Waw-X-Yiqtol) markierter temporaler Nebensatz: „... wonach er sich von dort aus teilt und zu vier Flusshäuptern wird“?
Aber alle dt. Üss. übergehen das und übersetzen schlicht gleichzeitig mit dem Partizip in 10a; das sollte dann besser auch OfBi tun. (zu v.10)
advon Eden, um den Garten zu tränken legt wie „ein Garten in Eden“ nahe, dass der Garten und Eden nicht identisch sind. V. 15 dagegen „der Garten Eden“; offenbar sind der Eden und der Garten in Eden koextensiv. Dann entspringt der Fluss im Garten selbst. (Zurück zu v.10)
ae
Lage des Paradieses, Variante 1
Die Lage der vier Flüsse und damit auch die Lage Edens und des Gottesgartens ist umstritten. Klar identifizierbar sind Tigris und Euphrat, und damit auch „Assur“, das dann nicht Assyrien, sondern seine gleichnamige Hauptstadt Aššur meinen muss (die anders als das Gros Assyriens westlich des Tigris lag). Umstritten sind der Pischon (vgl. Pischon (odb)) und das Land Hawila (vgl. Hawila (odb)) in V. 11 und der Gihon (vgl. Gihon, Strom (odb)) und das Land Kusch (vgl. Kusch (odb)) in V. 13. Besonders sechs Deutungsvarianten sind im Umlauf, keine ist wirklich überzeugend:
(1a) Klassisch wird der Giḥon (von gi(a) „hervorbrechen, hervorkommen“ > „der Quell-Fluss“) mit dem Nil identifiziert (so schon Sir 24,27; Jer 2,18 LXX; 1QGenAp 21,15; JosAnt I 39f.), v.a. weil Kusch meist ein Volk im damaligen Südägypten meint. Den Pischon (vielleicht von äg. p3 šnj „der Umgreifende“; eher von heb. puš „springen“ > „rauschender Fluss“) hielten schon Josephus, Eusebius und die Targumim ganz fernliegend für den Ganges in Indien (nicht auf der Karte); wohl, weil damit gleich vier kulturprägende Flüsse auf einmal aus Eden entsprängen.
(1b) Aber der Nil wird häufig in der Bibel erwähnt und heißt nie „Gihon“. Witte 1998, S. 265-267; Gerhards 2013, S. 202; Kang 2020, S. 95f. u.a. halten daher den Pischon für den Nil (wie er ebenfalls nie bezeichnet wird) und den Gihon für das gleichnamige Bächlein, das in Jerusalem entspringt, und das durch die Behauptung, dass es bis zu den Kuschiten fließe und sogar das ganze Land umgebe, aufgewertet werden soll. Ähnlich halten Gertz 2018 und Carr 2021 den Gihon für den Nil, der aber als „Gihon“ bezeichnet werde, um so ebenfalls das Jerusalemer Bächlein aufzuwerten. Hawila und der Pischon müssten dann am besten wie in (3b) erklärt werden, s. gleich.
(1c) Haag 1970, S. 37f., Sarna 2001 und Jericke 2013b dagegen halten den Gihon für den weißen und den Pischon für den blauen Nil, also den südwestlichen und den südöstlichen Quellfluss des ägyptischen Nils. Beide würden mit den Kunstnamen „Quellwasser“ und „Sprudelwasser“ bezeichnet. Hawila wird dann nach den Genealogien in Gen 10,7; 1 Chr 1,9 (neben Saba, Sabta, Ragma, Scheba und Dedan) ans Rote Meer und genauer an die Westküste östlich des Nils verortet, was zum blauen Nil passen würde. Wie aber der weiße Nil ganz Kusch umflossen haben soll, verstehe ich (S.W.) nicht.
Nach (1a-c) wären die Ortsangaben also geographisch nicht logisch: Euphrat und Tigris haben keine gemeinsame Quelle, Nil und Ganges und Gihon sind weder mit diesen beiden noch miteinander verbunden. Die Ortsangabe wäre dann vergleichbar mit dem Ort, da der Regenbogen die Erde berührt, oder mit Coleridges „sacred Alph river“ in Xanadu: ein mythisches Nirgendwo.
(2) Es sei denn, man deutet wie Ephrem der Syrer: „Weil das Paradies sehr hoch liegt, werden die Flüsse wieder verschluckt, fließen dann ... wie durch eine große Wasserleitung durch die Erde unter dem Meer zur Erde. Dann speit die Erde sie alle wieder aus: Als die Donau (!) – das ist der Pischon – im Westen, als den Gihon im Süden, und als Euphrat und Tigris im Norden.“ Ähnlich bar Salibi, Mose bar Kepha und noch Rav Hirsch.
Lage des Paradieses, Variante 2
(3a) Die verbreitetste alternative Deutung ist diese: Man verstehe „Ein Fluss geht aus von Eden und teilt sich dort...“ nicht als Aussage über die Flussrichtung, sondern nur über den von Eden aus gesehenen Verlauf der Flüsse. Mit dem Fluss, der sich dann in Euphrat und Tigris teilt, ist dann der Schatt al-Arab gemeint, in den die beiden kurz vor dem Persischen Golf zusammenfließen. Weiter: Der samaritanische Pentateuch gibt den Gihon mit `Asqop wieder, was Speiser 1967, S. 25 sinnvoll mit dem Karkeh identifiziert, der in den selben Fluss mündet wie Euphrat und Tigris. Zu Kusch vgl. dann am ausführlichsten Burrell 2020, S. 147-167 (und wieder bereits Speiser 1967, S. 25; z.B. auch Harris 1968, S. 179): Mehrere Quellen legen nahe, dass Kusch nicht nur Äthiopien südlich von Ägypten bezeichnen konnte, sondern auch eine mesopotamische Region – was ebenfalls in die entsprechende Gegend weisen würde. Der Pischon schließlich wird d.Ö. mit dem einstigen Pasitigris gleichgesetzt, dem heutigen Karun (so z.B. Hölscher 1949, S. 35-44; Dietrich 2001), der auch in sumerischen und akkadischen Mythen häufig erwähnt wird. Hawila endlich wird man dann am besten nicht als Eigennamen eines Ortes oder Stamms verstehen, sondern – da das Wort im MT und SamP ohnehin einen für Eigennamen unüblichen Artikel trägt – als Klassennomen: „das Sandland“ = „die Wüste“. Nach dieser Variante würden Gen 2,10-14 das Paradies also auf geographisch sinnvolle Weise an den Persischen Golf ins Delta von Euphrat, Tigris, Karkeh und Karun verorten.
(3b) Möglich dann noch: Hawila könnte nach den Genealogien in Gen 10,7; 1 Chr 1,9 auch auf der Ostseite des Roten Meeres auf der Arabischen Halbinsel liegen. Der m.E. beste Vorschlag ist der von Knauf 1985, S. 64, der Ort sei mit Ha'il zu identifizieren. Das passt einigermaßen zu einem neuerdings populären Vorschlag (vgl. z.B. Scolnic 2005, S. 21f.), mit dem vierten Fluss sei der heute ausgetrocknete, früher aber (in der Tat) große „Kuwait-Fluss“ gemeint, der einst durch das Wadi Batin floss. So insgesamt z.B. Collins 2006: Wadi Batin, Karun oder Karkeh, Euphrat, Tigris. Auch nach dieser Deutung läge Eden am Schatt al-Arab im heutigen Irak. Das passt auch gut zu den „ertränkenden Fluten“ in V. 6: In diesem Flussdelta liegt ein (aktuell vom Austrocknen bedrohtes) Marschland, wie es in dieser Wüstenregion so selten ist, dass die UNESCO es 2016 zum Welterbe erklärt hat. (Zurück zu v.10 / zu v.11 / zu v.13 / zu v.14)
afdas Gold - also besonders viel Gold oder, wie V. 12 sagt, Gold von besonders hoher Qualität (so Radak, König 1919; Haag 1970, S. 39). (Zurück zu v.11)
agBdelliumharz (die Perle?) - unsicheres Wort; nur noch in Num 11,7. LXX: „Kohle“ woraus Goldingay 2020 ableiten will, es seien Rubine gemeint. Aq, VUL und der Midrasch (s. gleich) Bdelliumharz, eine Art Weihrauch. Die gr. und lat. Worte sind dem heb. sehr ähnlich; Goldingay glaubt daher, dies sei ein false friend und daher eine Fehlübersetzung von Aq und VUL. Aber s. Rabbi Aibu (4./5. Jhd.) im Midrasch: „Du glaubst jetzt vielleicht, dass das bedolach des Apothekers / Parfum-Herstellers gemeint sei. [...] Aber wie das folgende Wort ein Edelstein ist, so ist auch dies ein Edelstein.“ – auch das heb. Wort hatte also sicher (auch) diese Bed. So auch alle dt. Üss.
tFN: Saadia, ibn Balaam und Radak dagegen halten es für die „Perle“ (Radak berichtet bei der Gelegenheit faszinierend, wie man sich zu seiner Zeit die Entstehung von Perlen vorstellte: Perlen sind Tautropfen, die in Flüssen versunken waren). Das passte besser als Bdelliumharz, da es sich hier neben dem Gold und dem Schoham-Stein immerhin ebenfalls um einen Bodenschatz im weitesten Sinne handelt, aber für diese Bed. gibt es kein Indiz. Die mutmaßliche Geschichte hinter dieser Deutung ist ein kleines Lehrstück; sie sei daher hier am Anfang der Bibel kurz nacherzählt: TgO übersetzt ins Aramäische: bdwlḥ` (בדולחא) w`bnj bwrl` (בורלא), „Bdellium und Beryl-Stein“. Syr dann ursprünglich wohl fast ebenso: ܒܕܘܠܚܐ ܘܟܐ̈ܦܐ ܕܒܪܘܠܐ bdwlḥ` wk`p` dbrwl`. Unter Einfluss von brwl` verliest ein Schreiber dann aber bdwlḥ` (ܒܕܘܠܚܐ) als brwlḥ` (ܒܪܘܠܚܐ, „Perle“, s. Smith). Vom Syrischen wanderte dies dann zu Saadja ins Arabische; vielleicht wieder vermittelt durch Mose bar Kepha, den Saadja eifrig gelesen zu haben scheint und der nach Syr kommentiert: „Der Hebräer bezeichnet mit brwlḥ` die Perle(fast ebenso bar Salibi). Und von Saadja schließlich wandert es über Radak wieder zurück in die hebräische Auslegung. Was lehrt, mit welcher Vorsicht diese späteren Auslegungen auszuwerten sind: Sie haben eine Jahrhunderte währende Vorgeschichte. Diese Vorgeschichte jedenfalls macht klar, dass „Perle“ fast sicher nicht Bed. des heb. Wortes ist. (Zurück zu v.12)
ahSchoham-Stein - irgendein Edelstein. TgO, TgJ, Syr: „Beryl“; Aq, Sym, Theod, VUL: „Onyx“ (so auch ELB, R-S, SLT). Wegen der Nähe von šoham zu akk. šamtu („rot“) viele neuere auch „Karneol“; z.B. Gertz 2018, S. 114, auch B-R, PAT, , H-R, ZÜR. Die meisten dt. Üss.: „den Schoham-Stein“. (Zurück zu v.12)
aiZum nehmen vgl. bes. gut Haag 1970, S. 40, der auf die Parallelen Ex 6,7; Num 3,12; Dtn 4,20; Jos 24,3-15; 2 Sam 7,8; 1 Kön 11,37; Ps 78,70; Jes 66,21; Am 7,15; Hag 2,23 hinweist: Dass Gott jemanden „nimmt“, ist i.d.R. ein Bild dafür, dass er ihm ein bestimmtes Schicksal zuweist.
Der Midrasch, Raschi und Radak dagegen denken, Gott habe den Menschen an einem bestimmten Ort geschaffen, und von dort werde er tatächlich „genommen“ und dann im Garten wieder abgesetzt. So schon TgJ: „JHWH-Gott nahm Adam vom Berg der Verehrung herunter, dem Ort, wo er geschaffen worden war“. (Zurück zu v.15)
ajTextkritik: So LXX; auch TgJ (s.o.) stützt dies. Aber sicher Assimilation an V. 8; so richtig Hendel 1998, S. 124; BHQ. (Zurück zu v.15)
akTextkritik: ließ ihn wohnen im (setzte ihn in den) - nuḥ hat zwei unterschiedliche Hifil-Formen: (1) heniaḥ und (2) hinniaḥ. Beide haben us. Bed.: (1) „jmdm Ruhe / einen Wohnort geben“, (2) „etw./jmdn absetzen, liegen lassen, in Ruhe lassen“ (vgl. JM §80p). MT, LXX, Sym und VUL deuten die Konsonanten wie (2); TgO, TgN und Midrasch („er ließ ihn wohnen“) wie (1). Letzteres z.B. auch Witte 1998, S. 269. Das ist sinnvoller. MT, LXX, Sym und VUL haben wahrscheinlich „er nahm den Menschen“ wörtlich verstanden (s. zwei FN zuvor) und daher hier das Vb. in der zweiten Bed. genommen, die auch fast der des Verbs in V. 8 entspricht. Näher liegt aber (1). Will man den Sinn des Heb. wiedergeben, üs. vielleicht: „er bestimmte ihm den Garten zur Wohnung“ o.Ä. Gut : „Er gab ihm seinen Wohnsitz im Garten Eden“ auch aber davor: „Er nahm den Menschen“. Die anderen dt. Üss. alle „nahm und setzte“. (Zurück zu v.15)
altFN: Das im Heb. fem. ihm bezieht sich auf die ganze Fügung „Garten Eden“, in der das mask. „Garten“ wegen dem fem. „Eden“ ebenfalls fem. ist; so richtig BrSynt §16g; Haag 1970, S. 41; Bührer 2014, S. 218. gan („Garten“) ist sicher nicht sowohl mask. als auch fem. (so schon ibn Ezra, Ramban), da neben dem mask. gan ja auch das fem. ganah existiert. (Zurück zu v.15)
amAuslegungsgeschichte: Im Talmud wird in b.San 56 geglaubt, in diesem Vers würden die sieben „noachidischen Gebote“ grundgelegt, also die göttlichen Gebote, die nicht nur für alle Jüd:innen, sondern für alle Menschen gelten: Mit fast jedem Wort würde auf eines dieser Gebote angespielt, die ausführlicher andernorts in der Bibel ausformuliert seien, und zwar dergestalt, dass Worte verwendet werden, die sich auch in den ersten fünf dieser ausführlicheren Formulierungen finden (vgl. auch Chizkuni, Rabbenu Bahja):
(1) Das Gebot der Rechtspflege: es gebot, s. Gen 18,19.
(2) Das Verbot der Gotteslästerung: JHWH, s. Lev 24,16.
(3) Das Verbot des Götzendienstes: Gott, s. Ex 20,3.
(4) Das Verbot des Blutvergießens: dem Erdling , s. Gen 9,6.
(5): Das Verbot der Unzucht: besagend, s. Jer 3,1.
(6) Das Verbot es Raubes: von allen Bäumen des Gartens.
(7) Das Verbot, lebende Tiere zu essen: darfst du essen.
In der Folge entspann sich ein Auslegungsstreit darüber, ob dies wirklich die korrekten sieben noachidischen Gebote seien, die hier gesammelt wurden, ob der Vers vielleicht noch auf weitere Gebote anspiele (Bsp: In b.San 56b selbst glaubt Rabbi Eleazar, auch auf das für jüdische Gesetze so typische Gebot der Kreuzung von Tieren und Pflanzen werde hier angespielt, weil hier mit „von jedem Baum“ nur jene Bäume gemeint sein könnten, die Gott „natürlich“ erschaffen hatte und nicht solche, die erst vom Menschen gekreuzt wurden.) und ob dies vielleicht gar nicht der Fall sei, sondern Vv. 16f. „einfach nur“ das Verbot wiedergäben, dass Adam nicht von diesem konkreten Baum essen dürfe. Diese Diskussion braucht (und kann) hier nicht nachgezeichnet werden; die obigen sieben sind klar die Mehrheitsmeinung in der halachischen Auslegung.
In der protestantischen Theologie werden die beiden Verse aus einem anderen Grund diskutiert: In Hos 6,7 und in Sir 14,17 LXX wird dieses Gebot als ein „Bund“ bezeichnet. Danach wäre dies schon vor dem Bund, den Gott mit Noah schloss, der erste „Bund“, den Gott mit dem Menschen geschlossen hatte. Im Lichte von Gen 9 könnte man ihn etwa so formulieren: „Ich gewähre dir, von allen Pflanzen des Gartens zu essen. Im Gegenzug gebe ich dir ein Gebot – nur eines! –, das du halten musst: Iss nicht vom verbotenen Baum!“. Man nennt diesen Bund daher auch den „Werkbund“ (foedus operum), der aber bereits von Adam und Eva stellvertretend für alle Menschen gebrochen worden sei. Dahinter stecken zwei theologische Ideen: Erstens ist die Theorie vom adamitischen Werkbund an sich nur eine legalistische Umformulierung der Erbsündenlehre; in dieser Umformulierung aber wird besonders betont, dass die Gnade der Sünde vorausging: Zuerst hatte Gott mit dem Menschen einen Bund geschlossen, danach hatte der Mensch das erste Mal gesündigt. Zweitens lässt sich mit dieser Idee genauer formulieren, was Christus geleistet habe: Dieser Werkbund sei es gewesen, den Christus dann wieder aufrichtete (s. Röm 5,12-21), nun aber nicht als „Werkbund“, bei dem der Mensch ein bestimmtes Werk tun müsse, sondern als „Gnaden-Bund“ (foedus gratiae), der den an Christus Glaubenden „einfach so“ geschenkt würde. Die Werkbund-Idee wird noch heute v.a. im reformierten und evangelikalen Christentum diskutiert. (Zurück zu v.16)
anam Tag, [an dem] (wenn) + sterben - die Crux von Gen 2: Offensichtlich stirbt der Mensch in Gen 3 ja nicht, oder jedenfalls nicht schon „am Tag, an dem er vom Baum isst“. Die meisten behelfen sich damit, „am Tag, [an dem]“ mit „wenn“ zu übersetzen, was der Ausdruck wirklich d.Ö. bedeutet (z.B. Mettinger 2007, S. 22. Effektiv ähnlich schon der Midrasch: „ein Tag“ = „ein Gottestag“ wie in Ps 90,4, also 1000 Jahre). Aber richtig Bührer 2014, S. 218:
„Das Problem wird dadurch vergrößert, dass der Vers in 3,4f. in negierter Form wieder aufgenommen wird. Die Schlange spricht zur Frau: ‚Ihr werdet nicht sterben... An dem Tag [...], da ihr von ihm (dem verbotenen Baum) esst, werden eure Augen aufgetan...‘ Tatsächlich werden unmittelbar nach dem Essen der Frucht ihre Augen ‚aufgetan‘. Die Analogie zu 3,5 und den darauf folgenden Ereignissen spricht dafür, auch in 2,17 mit einer Koinzidenz des Essens und der Konsequenz daraus zu rechnen.“
Sollte es eine Lösung geben, liegt sie also entweder im Wort „sterben“ oder in der Konsequenz Gottes: Entweder hat es Gott wirklich so gemeint, wie es hier klingt, wird dann in Gen 3 aber spontan gnädig sein und die Strafe nicht durchsetzen (so schon ibn Ezra; z.B. auch Gertz 2018; Goldingay 2020), oder mit „sterben“ ist etwas anderes gemeint – etwa wie in 1 Kön 2,37 „von diesem Tag an seid ihr zum Tod verurteilt“ (so schon TgJ; auch Saadia, Lekach Tob, Ramban, noch Hirsch), „ihr werdet sterblich werden“ (so schon Aq, Quinta; auch Chizkuni, Rabbenu Bahja; Tur, auch Blum 2010, S. 16; Bührer 2014, S. 218), „ihr werdet früher sterben als geplant“ (Radak), „ihr werdet den spirituellen Tod der Entfremdung von Gott sterben“ (Collins 2006; was auch immer das bedeuten soll) o.ä. Vgl. ebenso vieldeutig Weish 2,23f.; Röm 5,12-14.
Richtig Blum 2010, S. 16: Gen 3,19, wo vom Todes-Geschick des verbannten und verdammten Menschen spricht, macht sehr wahrscheinlich, dass hier wirklich „Sterblichkeit“ gemeint ist, und zwar konkreter in Form des Todesurteils Gottes, dass dem Menschen künftig der Zugang zum Baum des Lebens verwehrt werden wird.
Auslegungsgeschichte: Die christliche Tradition indes hat die Crux anders aufgelöst: Für Christ:innen ist hier vom ewigen Leben die Rede: Nach dem Opfer Christi sterben Christ:innen nicht mehr den „ewigen / finalen Tod“ (Augustinus, Gottesstaat 13.12), sondern Christus hat ihnen stattdessen das „ewige Leben“ wieder-gewonnen (vgl. wieder Röm 5,12-21; z.B. auch die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre 29-30). (zu v.17)
aoTextkritik: Lasst uns ihm einen - so LXX, VUL, Jub 3,4 wie in Gen 1,26. Wahrscheinlich richtig Hendel 1998, S. 124, BHQ: Assimilation an diesen Vers.
ich werde sie machen - So Leningradensis mit Mappiq in `e´eßehh (statt `e´eßeh), daher: „ich will sie machen“. So fast keine andere Handschrift, keine der Vrs. und kein:e Textkritiker:in; sicher nur eine Fehlinterpretation von L. (Zurück zu v.18)
apTraditionell und bis heute übersetzt mit Hilfe oder Gehilfin. Besser Beistand; das heb. ´ezer drückt keine Subordination aus wie das dt. „Hilfe“ und noch mehr „Gehilfin“ (richtig z.B. Gertz 2018, Goldingay 2020, Carr 2021). Was genau mit dieser „Hilfe“ gemeint ist, ist umstritten. Diskutiert wird: „Damit er nicht einsam sei“ (z.B. Bührer 2014, S. 224; Gertz 2018; so schon der Midrasch), „Damit er sich fortpflanzen könne“ (z.B. Clines 1990, S. 32-35; so schon Ambrosius, Augustinus) oder „damit sie sich die Arbeit teilen können“ (z.B. Goldingay 2020; schon Ephrem der Syrer, Sforno). Am wahrscheinlichsten ist hier Letzteres gemeint. S. näher die Anmerkungen. (Zurück zu v.18 / zu v.20)
aqals Gegenüber - also „ihm ganz entsprechend“ (Scharbert 1990, S. 52); anders als die Tiere, die ihm zwar durchaus hätten „helfen“ können (Chizkuni) – ihm aber nicht entsprachen. Nicht wie NL: „ein Wesen, das zu ihm passt“; es geht um wechselseitige Entsprechung. Gut daher LUT: „eine Hilfe, die ihm entspricht“. Am besten vielleicht in Orientierung an BB: „ich will ihm einen Beistand machen – ein Gegenüber, das ihm entspricht.“
Auslegungsgeschichte: Schöner Midrasch: Bei der Auslegung von Gen 1,27 dachten einige Rabbinen an den platonischen Mythos des Kugelmenschen: Der Mensch sei als ein männlich-weibliches Kompositwesen geschaffen (s. z.B. im Talmud, b.Ber 61). Entsprechend dann hier Ramban, Tur, Rabbenu Bahja, Chaim ben Attar: Als Gegenüber bedeute: Als zweites Wesen, das dem Menschen gegenüber stehen kann – wonach Gott den Kugelmenschen teilt.
Ebenso schön Radak: Als Gegenüber, nämlich dann, wenn der Mann droht, auf einen Pfad der Sünde zu geraten – dann soll ihm die Frau in den Weg treten.
Radak leitet dann aus dieser Stelle auch noch ab, dass der Mann höher stehe als die Frau, da sie ja nur eines seiner Körperteile sei, weshalb es ja nur logisch sei, dass Männer stärker und intelligenter seien als Frauen. Dagegen s. zu V. 22. (Zurück zu v.18 / zu v.20)
arTextkritik: [weiterhin (noch einmal)] - so SamP, LXX. Ball 1896, S. 73 hält das für ursprünglich; das „weiterhin“ soll zurückverweisen auf V. 7. Hendel 1998, S. 124 und BHQ dagegen beziehen es (wie schon der Midrasch) als „noch einmal“ zurück auf Gen 1,24f. und erklären es daher zum „explizierenden Plus“. Weil eine spätere Einfügung leichter erklärlich ist als ein späterer Ausfall, sinnvoller wie Hendel und BHQ. (Zurück zu v.19)
asTextkritik - SamP, TgO und TgJ wie MT ohne Objekt: „er brachte zum Menschen“. Dass „jedes wilde Tier und jeder Vogel des Himmels“ Objekt ist, muss man sich dann hinzudenken. LXX, VUL, Syr und TgN dagegen haben alle ein zusätzliches „es“. Sicher richtig BHQ: Dies setzt keinen alternativen Wortlaut voraus, sondern ist explizierende Einfügung. (Zurück zu v.19)
atder Mensch – als Lebewesen! - die anderen grammatischen Auflösungen und textkritischen Lösungen in dt. Üss. sind unmöglich oder zu gewagt, s.u. Nimmt man Gen 2-3 für sich und löst auf wie oben, lässt sich die Stelle kaum anders erklären als mit Hirsch: „Der Mensch gibt den Dingen Namen, nicht als Gott, der dem Wesen der Dinge auf den Grund schaut, sondern von seinem individuellen Standpunkt aus, als [bloßes Lebewesen].“ Ähnlich Chizkuni: „als Lebewesen“ wird präzisiert, um zu betonen, dass nicht Gott die Tiere benennt und sodann nur Gott die Namen der Tiere kennt, sondern eben auch der Mensch, der daher nicht jedes Mal extra Gott befragen muss, wie ein Tier heiße (anders als Hirsch gehen allerdings Chizkuni wie auch der Midrasch und Rabbenu Bahja davon aus, dass der Mensch vermöge seines „von Gott gegebenen Atems“ als Lebewesen eben doch dazu in der Lage war, bei der Benennung der Tiere ihrem Wesen auf den Grund zu sehen, weshalb er z.B. den Esel ḥmwr nannte, da er ja ḥwmr [eine Maßeinheit für Getreide] transportiere). Vgl. auch Tur: „Die Bedeutung von ‚das sollte sein Name sein‘ ist: Gott war mit den Namen einverstanden, die Adam den Tieren gab, und bezeichnete von da an auch selbst die Tiere mit den Namen, die Adam ihnen gegeben hatte.
Vielleicht ist die Stelle allerdings besser textgeschichtlich zu erklären: Die Versteile über die Benennung der Tiere in Vv. 19f. könnten eine aus V. 23 abgeleitete spätere Ergänzung sein, die eine Leerstelle aus Gen 1 füllen soll: Die Namen von Tag, Nacht, Himmel, Erde und Meer kommen von Gott; woher die Namen der Tiere (und Pflanzen) kommen, wird dort aber nicht erwähnt. Das würde dann hier nachgeliefert: Sie kommen von den Lebewesen selbst!
Alternativ nimmmt Schellenberg 2007 mit fast allen neueren Kommentaren an, dass die Namensgabe ein „Herrschaftsakt“ sei, mit dem der Mensch Macht über die Tiere ausübe, so dass gesagt wäre: „Wie immer der Mensch – obwohl auch er ein Lebewesen ist! – es nennen würde, so würde sein Name sein“. Aber das ist sicher unrichtig; gg. die Deutung der Namensgabe als einem Herrschafstakt vgl. Ramsey 1988 und Büsing 1994 und s. nur Gen 16,13, wo Hagar Gott einen Namen gibt, Gen 33,20, wo Jakob einem Altar als Wohnort Gottes den Namen „Gott, Gottheit Israels“ gibt, und Gen 26,17-21, wo Isaak just da, wo er zwei Orte aufgibt, diese benennt.
tFN: Lebewesen steht an einer merkwürdigen Position im Satz. (1) Entweder bezieht es sich auf den Menschen ([a] als Apposition: der Mensch, das Lebewesen, oder [b] als adverbialer Akkusativ: der Mensch als Lebewesen) (2) oder auf lo („es“: [a] als Apposition: wie der Mensch es, das Lebewesen, benennen würde, oder [b] als adverbialer Akkusativ: wie der Mensch es als Lebewesen benennen würde). Für (1a) TAF, für (1b) z.B. Gertz 2018, ZÜR; für (2a) z.B. ibn Ezra; Fischer 2018; auch ELB, , H-R, LUT, PAT; für (2b) B-R. Bei (1a) würde man aber Artikel erwarten (vgl. Schellenberg 2007, S. 301), bei (2a+b) stört die Wortstellung (vgl. HKL III, §333e. Die fehlende Präp. dagegen stört auch bei [2a] nicht, vgl. Holmstedt / Jones 2017, S. 23).
(3) Theoretisch möglich noch wie Ramban, Tur, Speiser 1964 und Bandstra 2008: „Whatever the human being called a living being, it became its name“ (Goldingay 2020), aber das liegt ja völlig fern – was hätte der Mensch denn nicht „Lebewesen“ nennen sollen (so richtig schon Sifte Chakamim)?
(4) Raschi und Radak schließlich halten die Konstruktion für eine Art Casus pendens mit verkehrter Wortfolge: „jedes Lebewesen – wie immer der Mensch es nennen würde, so...“ = „wie immer der Mensch jedes Lebewesen nennen würde, so...“. Aber selbst, wenn es diese Konstruktion gäbe, wäre das unmöglich, da dann mindestens „jedes“ bei „Lebewesen“ stehen müsste.
Textkritik: (5) Ball 1896, S. 73, BHK, BHS und z.B. noch Bührer 2014, S. 222, MEN und HER05 halten die Fügung daher für eine sekundäre Glosse. Als Ausdrucksvariante des zweiten lo wäre es auch wirklich gut erklärlich: „Wie immer der Erdling es [ein Lebewesen] nennen würde, das sollte sein Name sein.“ Aber alle Vrs. stützen MT; Hendel 1998 und BHQ folgen dem daher richtig nicht mehr. (Zurück zu v.19)
auMan beachte, wie die Kategorie des „Viehs(vs. „wilde Tiere“) erst im Zusammenhang mit der Benennung der Tiere durch Adam in Gen 2 eingeführt wird (gut beobachtet Magonet 1992, S. 40), was noch auffälliger ist, da es von dieser Kategorie durch die „Vögel“ getrennt wird. Ist, synchron gelesen, hier schon der Unterwerfungs-Auftrag aus Gen 1 umgesetzt? Ist „Vieh“ vom Menschen unterworfenes und separiertes Wild? (Zurück zu v.20)
avTextkritik - SamP, TgO, TgN wie MT: den Vögeln. LXX, TgJ, Syr und VUL dagegen wie bei „Vieh“ und „wilde Tiere“: allen Vögeln. So auch 4 MSS, wahrscheinlich also nicht nur an den Kontext angleichende Übersetzung (so BHQ, ähnlich schon ibn Ezra). Ball 1896, BHK, BHS und Hendel 1998, S. 124 halten dies für ursprünglich; nach Hendel soll es ein Homoiteleuton gewesen sein (wlkl „und alle“ > wl „und die“). Weit wahrscheinlicher Assimilation an das Vieh und die wilden Tiere. Der Text ist in Ordnung; Aufzählungen in der heb. Bibel müssen nicht symmetrisch sein. (Zurück zu v.20)
awfür Adam (für den Erdling, für einen Erdling?) - ohne Artikel. (1) Auf den ersten Blick daher für Adam, denn Eigennamen weisen keine Artikel auf. So übersetzen daher z.B. Sarna 2001 und Collins 2006. Sonst kaum jemand; unter den dt. Üss. so auch nur ELB. (2) Einige Ausleger (z.B. Goldingay 2020; Arneth 2007b, S. 129; Bührer 2014, S. 189) glauben dagegen, `adam werde hier als Gattungs-Begriff verwendet: „für einen Menschen“. So auch B-R, MEN, R-S, TEX. Aber richtig Ball 1896, S. 73: Gerade auch Nomen, die als Gattungsbegriffe verwendet werden, haben Artikel. (3) Die meisten Ausleger und Üss. halten dies daher für eine Fehl-Vokalisation im MT: Korrekt sei nicht le`adam („für Adam“), sondern la`adam („für den Menschen“). Aber es ist doch sehr auffällig, dass spätestens hier alle alten Vrs. von der selben Vokalisierung ausgehen wie MT. Der Midrasch und Rabbenu Bahja erdichten sogar einen Grund: Offenbar hat der Mensch ineins mit den Tieren hier auch gleich sich selbst den Namen „Adam“ gegeben: „Als Gott Adam fragte, was sein eigener Name sein solle, antwortete dieser: ‚Adam‘. Er erklärte, diesen Namen habe er gewählt, da er ja aus `adamah geschaffen sei.(Bahja). Hier umzuvokalisieren ist also zu gewagt. So daher früher zwar Ball 1896, BHK, BHS, heute richtiger aber nicht mehr Hendel 1998 und BHQ. Die meisten der neuesten Kommentare aber schon, z.B. Fischer 2018, Gertz 2018, Carr 2021.
(4) NeÜ's „für sich“ folgt offenbar der Erklärung von ibn Ezra, Radak und Tur, s. nächste FN. (Zurück zu v.20)
axtFN - auf den ersten Blick fand er; Subjekt könnte (1) Gott sein oder (2) der Mensch, der auch direkt zuvor Subjekt des Verbs war. Wie (2) auch schon TgN, ibn Ezra, Radak und Tur. Die letzten drei weisen klug hin auf Gen 4,23; Ex 24,1 und 1 Sam 12,11, wo jeweils ähnlich Lamech, Gott und Samuel von sich nicht als „ich“, sondern als „Lamech“, „JHWH“ und „Samuel“ sprechen. Vergleichbare Stellen gibt es wirklich häufig, aber mit unserem Vers vergleichbar sind sie nicht sehr gut: Anders als diese ist „[Der Mensch] fand für den Menschen keinen Beistand“ ja keine wörtl. Rede. (3) Die meisten übersetzen daher wahrscheinlich richtig mit LXX, VUL, TgO, TgJ und Syr impersonal: „es fand sich“.
Die Frage ist theologisch nicht ganz unbedeutsam: Klar ist auf jeden Fall, dass auch die Entstehung der Tiere hier so erklärt wird, dass sie ursprünglich als potentielle Partner des Menschen konzipiert waren. Und dann lässt sich der Vers weiter entweder so deuten, (a) dass die Tiere diesem Anspruch aber nicht genügen, (b) oder so, dass sie (nur) in den Augen des Menschen diesem Anspruch nicht genügen. Die alten Rabbinen kombinieren überwiegend beide Deutungen: Gott habe natürlich bereits gewusst, dass die Tiere keine adäquaten Partner des Menschen seien, daher habe er die Tier-Parade aus V. 20 veranstaltet, damit dies auch der Mensch auf ewig einsehe und sodann akzeptiere, dass Gottes Not-OP in V. 21 nötig sei (so Ramban, Chizkuni, Tur). Ähnlich sehr witzig schon der Talmud in b.Jeb 63a: „Rabbi Eleazar [2. Jhd.] sagte: [....Dieser Vers] lehrt, dass Adam mit jedem Vieh und jedem wilden Tier geschlafen hatte. Erst, als er mit Eva geschlafen hatte, war er befriedigt. (Zurück zu v.20)
ayAuslegungsgeschichte: er nahm - Im Talmud ist in b.San 39a eine schöne Tradition überliefert: Der Kaiser sprach zu Rabbi Gamaliel (1. Jhd.): Euer Gott ist ein Dieb, denn es heißt: [... ‚Er nahm eine seiner Rippen und baute daraus eine Frau‘]. Da sagte seine Tochter: ‚Lass nur, ich will ihm antworten.‘ Dann sagte sie zu ihm: ‚Schick mir einen Polizisten!‘ – ‚Wozu?‘ – ‚Heute Nacht haben uns Diebe ausgeraubt; sie haben einen silbernen Pokal gestohlen, aber dafür einen goldenen Pokal zurückgelassen!‘ – ‚Solche Diebe können gerne jeden Tag kommen.‘ – ‚[Nicht wahr?] Muss es nicht [ähnlich] angenehm für Adam gewesen sein, eine Rippe geraubt zu bekommen, dafür aber eine Magd zur Bedienung zu erhalten?‘
Ist „Magd zur Bedienung“ Sarkasmus (was angesichts der Sprecherin recht wahrscheinlich ist), könnte dies die erste feministische Textauslegung überhaupt sein. (Zurück zu v.21)
azRippe (Seite) - Meist „Rippe“. Sonst wird das Wort in der Bibel nur für die „Seite“ oder die „Etage“ eines Gebäudes verwendet; alternativ daher zu verstehen als „eine seiner Seiten“, was die Schöpfung der Frau „aus Knochen und Fleisch“ (V. 23) besser erklärt (so NET; Batto 1992, S. 54; Ebach 2009, S. 7; erwogen auch von Goldingay 2020). Dt. Üss. und neuere Kommentare aber sehr einheitlich und mit allen Vrs. und mit 4 Makk 18,7: „Rippe“ (die Einwände von Kawashima 2006, S. 52 allerdings greifen nicht: Das Verb passt nicht besser zur Rippe als zur Seite, die man sich ja ebenfalls nicht einfach von einem Menschen „nehmen“ kann, auch ein Mensch mit md. zwei Seiten hat mehrere Seiten, „von denen“ eine genommen kann, und dass „der Mann“ als identisch mit „dem Erdling“ gedacht wird, steht ja nicht zur Debatte – die Frage nach „Rippe“ vs. „Seite“ ist eine semantische und text-logische Frage, keine feministische oder antifeministische).
Im Midrasch ist ein Auslegungsstreit darüber überliefert, ob „Rippe“ oder „Seite“ gemeint sei (für Letzteres Rabbi Samuel ben Nachmani [3./4. Jhd.]). Für „Seite“ optieren noch weitere jüd. Ausleger, die hier wieder an den Kugelmenschen denken (s. zu Vv. 18.20) – daher noch genauer eigentlich: „er nahm eine seiner Hälften(z.B. Raschi, ibn Ezra, Abravanel und noch Hirsch). (Zurück zu v.21)
batFN: ihren Ort ([die Stelle] unter ihr) - w. „unter ihr“, was besser zur Bed. „Seite“ als „Rippe“ zu passen scheint. Vgl. aber Ex 16,29; 2 Sam 2,23; Ijob 40,12, wo „unter jmdm“ jeweils bed.: „der Ort, wo jmd war“, entsprechend dann hier: „der Ort, wo sie (die Rippe/Seite) einst saß“. Ähnlich Ps 37,10; 103,16 u.ö. (Zurück zu v.21)
bbbaute ist eigentlich ein Begriff aus der Architektur. Schön ALTER: Wie oben die Erschaffung des Menschen aus Lehm mit einem Wort bezeichnet wurde, das man eher für das Töpfern verwenden würde, so hier bei der Erschaffung der Frau aus Knochen mit einem Wort, das besser zur Konstruktion mit harten Materialien passt.
Auslegungsgeschichte: Im Midrasch leitet Rabbi Jose ben Zimra (2./3. Jhd.) und im Talmud (b.Nid 45b) Rabbi Chisda (3./4. Jhd.) wajjiben nicht von banah („bauen“) ab, sondern von bin („verstehen, verständig sein“), daher: „[...Dieser Vers] lehrt, dass der Heilige – gepriesen sei er! – der Frau mehr Verstand (binah) gegeben hat als dem Mann.“. Diese Auslegung ist vielleicht der Grund, warum die weitergehenden Auslegungen der Rabbinen zur Schöpfung der Frau i.d.R. wertschätzender sind als die der alten christlichen Ausleger. (Zurück zu v.22)
bcAuslegungsgeschichte: Ein Wort, das bei jüd. Hochzeiten auch für die Tätigkeit des Anführers einer Braut-Prozession verwendet wird. Viele alte Ausleger haben daher hier an eine solche Brautprozession, z.B. b.Ber 61a, b.Erub 18b, ARN 4,3, PRE 12 und viele Rabbis im Midrasch. Luther und Goldingay 2020 übertragen das ähnlich auf eine christliche Hochzeit: Gott werde vorgestellt wie der Brautvater, der seine Tochter dem Mann zuführt. (Zurück zu v.22)
bdDies (diese) - Das Pronomen ist zwar feminin, (1) kann sich aber entweder auf „Knochen“ (f) (2) oder die Frau beziehen und muss entsprechend übersetzt werden. (3) Möglich auch: „Dieses Mal“; so Tg, Saadia, Ramban. Die Doppelung „Dieses Mal“ und „endlich“ würde den Satz nur noch stärker machen. Aber neben diese in Zeile c und Zeile d, wo es sich jeweils zweifellos auf die Frau bezieht, liegt ein anderes Verständnis als (2) hier sehr fern. (Zurück zu v.23)
beGebein von meinem Gebein und Fleisch von meinem Fleisch - Abwandlung der heb. Verwandtschaftsformel „Du bist mein Gebein und mein Fleisch“ (Gen 29,14; Ri 9,2; 2 Sam 5,1; 2 Sam 19,13f.; 1 Chr 11,1), die an diesen Kontext angepasst wurde. Sicher verwendet, um die „Familienähnlichkeit“ zu unterstreichen, die Mann und Frau anders als Mensch und Tier eignen. Mensch und Tier haben mit dem „Erdboden“ die selbe Mutter und sind damit mindestens Halbgeschwister, aber Mann und Frau sind im Vergleich dazu geradezu siamesische Zwillinge. (Zurück zu v.23)
bfFrau + Mann - Unübersetzbares Wortspiel im Heb., da das Wort für „Frau“ (אִשָּׁה `iššah) klingt wie das Femininum des Worts für Mann (אִישׁ `iš). Luther versuchte, dies mit der etwas missverständliche Übersetzung „Mann und Männin“ zu übertragen. So heute noch LUT 17; auch ELB, MEN, NL, PAT, SLT, TAF, TEX, ZÜR 31 (nicht mehr ZÜR 07). Besser B-R und ähnlich BigS, NeÜ: „Die sei gerufen Ischa, Weib, denn von Isch, vom Mann, ist die genommen.“
Textkritik: Wie MT auch Sym, Theod, VUL, TgJ, TgN, Syr. Dagegen SamP, LXX, TgO und Jub 3,6 setzen ein anderes Wortspiel voraus: „Diese soll `iššah (‚Frau‘) genannt werden, denn von `iššahh (ihrem Ehemann‘) wurde sie genommen!“ Ball 1896 hielt das für ursprünglich, Hendel 1998 dagegen hielt es für eine Harmonisierung mit Gen 3,6 und BHQ noch sinnvoller für eine Harmonisierung mit V. 24. Das ist wahrscheinlicher: Beide Wortspiele sind stark, aber das in MT ist nicht derart besser als das in SamP, dass Letzteres zu Ersterem korrigiert worden sein sollte. Und natürlich sind „Frau und Mann“ ein viel erwartbareres Paar als „Frau und Ehemann“. (zu v.23)
bgdiese - fein wird das kleine Gedicht gerahmt vom selben Wort (zo`t, „diese“), mit dem Zeile 1 und Zeile 3 beginnen.
Textkritik: Jedenfalls in MT, SamP und den Tgg. LXX, VUL, Syr und einige MT-MSS haben dieses abschließende zo`t nicht. Hendel 1998 und BHQ halten es daher für ein explizierendes Plus, das später eingefügt worden sei. Aber eine solche Explikation wäre nach dem zo`t in Zeile 3 unnötig. Die Frage ist kaum entscheidbar; weder ein Ausfall noch eine Einfügung sind gut erklärlich. (Zurück zu v.23)
bh(Darum=) Daher [kommt es, dass] - W. nur „darum“, hier wie öfter ist dies aber die typische Einleitung einer „ätiologischen Erklärung“, also eines Erzählerkommentars, der aus einer alten Geschichte erklärt, warum heute etwas so ist, wie es ist. Das erklärt auch die Verbform Yiqtol, die hier neben Qatal gebräuchlich ist: W. „Aus diesem Grund würde [später] geschehen“ (s. ähnlich Gen 10,9; Num 21,14.27; 1 Sam 19,24; 2 Sam 5,8). Dass gerade hier die Yiqtol-Variante gewählt wird, ist klar: Adam und Eva haben ja gar keine leiblichen Eltern; die Ätiologie blickt also vollständig in die Zukunft. Gut übersetzt daher Brichto 1998, S. 75: „Hence it is...“ (Zurück zu v.24)
biTextkritik: sie nur im MT. Alle anderen Vrs. dagegen „die beiden“ wie in V. 25. Auch im NT wird der Vers mehrfach so zitiert und auch Philo kannte diese Textvariante. Wegen dieser überwältigenden externen Evidenz hielten dies Ball 1896, S. 73 und BHK für ursprünglich und findet sich diese Variante auch in vielen dt. Üss., aber richtig Hendel 1998, S. 124 und BHQ: Sicher Angleichung an V. 25; ein Ausfall dagegen wäre unerklärlich. – Ein Lehrstück der Textkritik gleich zu Beginn der Bibel: Externe Evidenz heißt sehr wenig für die Wahrscheinlichkeit der Ursprünglichkeit einer Textvariante. (Zurück zu v.24)
bjDass ein Mann seine Eltern verlässt, ist gar nicht der Fall, umgekehrt verlässt im Alten Israel bei einer Heirat die Frau ihre Eltern. Wahrscheinlich ein Bild, das gleichzeitig damit, dass es überhaupt auf die Institution der Ehe anspielt (dazu s. aber die Anmerkungen), spezieller besagt: So eng die Bindung zwischen einem Menschen und seinen Eltern auch ist – das Eheband, das Menschen miteinander zu einer neuen Familie verbindet, bindet noch enger (So Blum 2010, S. 12; Gertz 2018; Goldingay 2020). Ähnlich schon PRE 34: „Bis ein Mann heiratet, richtet seine Liebe sich auf seine Eltern; wenn er heiratet, wird seine Liebe auf seine Ehefrau transferiert.
Mit sich hängen an und ein Fleisch werden ist entgegen den Beteuerungen vieler Kommentatoren kein Sex gemeint. Zum „ein Fleisch werden“ vgl. deutlich 1 Kor 6,16. Besser als die wörtl. Üs. daher BB, GN, HfA: „Sie werden eins mit Leib und Seele“; NL: „sie werden zu einer Einheit“.
„Sich hängen an“ meint in Gen 34,3 zwar in der Tat die Liebe zwischen Mann und Frau, aus der dort sogar auch wirklich Geschlechtsverkehr folgt. Primär meint das Wort aber die Zusammengehörigkeit, s. z.B. Num 36,7.9 (Israeliten sollen „an ihrem Land hängen“ = „es nicht fortgeben“); Dtn 4,4; 10,20; 11,22 u.ö. (die häufigste Verwendung: „an Gott hängen“ = „Gott treu verehren“); Jos 23,12 („Israel soll sich nicht an andere Nationen hängen und sich nicht mit ihnen verschwägern“); Rut 1,14 (Orpa verlässt ihre Schwiegermutter, Rut aber „hängt sich an sie“ = „bleibt bei ihr“; s. dazu noch Rut 1,16) usw. Die meisten dt. Üss. wählen daher „anhangen“, noch treffender aber 80, HER05, NL: „Er bindet sich an seine Frau“.
Insgesamt daher am sinngemäßesten: „Daher kommt es, dass ein Mann sich von seinen Eltern löst, sich stattdessen an seine Frau bindet und die beiden mit Leib und Seele eins werden.“ (Zurück zu v.24)
bkkein Gewand - w. „sie waren nackt“. Komplexes Wortspiel: nackt ist in Gen 2-3 sonst ´erum, hier aber ´arum und damit gleichlautend mit dem ´arum („gewandt“) im folgenden Vers (=> irreguläre Assonanz), aber anders-lautend als das „nackt“ in Gen 3,7. Zu diesem Wortspiel s. die Anmerkungen zu Kap. 3. Gen 2,25 gehört damit auch eher zu Gen 3,1-7 als zu Gen 2,18-24 (so z.B. Sarna 2001; Good 2009; Brichto 1998, S. 79); die meisten halten ihn ähnlich für einen „Brückenvers“. Dagegen Arnold 2009 und Willi-Plein 1995, S. 6 wegen der Syntax von Gen 3,1, aber das Waw-X-Qatal dort markiert nur den Subjektwechsel, nicht einen neuen Abschnitt.
Auslegungsgeschichte: Faustregel: Je jünger eine Auslegung, desto stärker ist diese Nacktheit sexualisiert worden. Bis erstens dahin, dass die witzige Vorstellung der christlichen Philosophie hier eingetragen wird, bei Adam und Eva und bei späteren Menschen nach ihrem Tod sei es so (gewesen), dass sie ihre Sexualorgane willentlich bewegen könnten wie unsereiner die Arme oder Beine (ähnlich schon Augustinus, Gottesstaat 14.17: „Sie wussten natürlich, dass sie nackt waren, aber sie schämten sich nicht, weil noch keine Begierde ihre Sexualorgane gegen ihre willentliche Entscheidung erregte. Die Zeit war noch nicht gekommen, da die Rebellion des Körpers Zeuge von und Vorwurf gegen die Rebellion des Menschen wider seinen Schöpfer sein würde.), und bis zweitens dahin, dass gesagt werden konnte, Sünde „konzentriere sich in den Sexualorganen“, was der Grund dafür sei, dass Juden beschnitten werden (Or haChaim). Dass mit der Sünde auch die Sexualität in die Welt gekommen sei, sehe man dann daran, dass Adam und Eva sich ab Gen 3,7 eben doch schämen.
Neuere Ausleger weisen demgegenüber regelmäßig darauf hin, dass Nacktheit in der Bibel nie sexuell konnotiert sei, sondern ein Zeichen der Schande: Arme waren nackt, Kriegsgefangene waren nackt etc., aber die Nacktheit von Mann und Frau würde nie problematisiert. Das stimmt so auch nicht; s. 2 Sam 6,20, wo Michal die leichte Bekleidung Davids explizit kritisiert, weil er sich mit ihr „vor den Frauen seiner Untergebenen“ entblößt habe; richtig ist aber dennoch, dass Nacktheit in der Bibel primär Ausdruck der Statuslosigkeit und nicht sexuell aufgeladen war. Das wäre angesichts der Kleidungsnormen im Alten Orient auch merkwürdig, s. zu Gen 3,7. Ohnehin kann man sich fragen, ob es denn eigentlich wirklich der Fall ist, dass gerade Ehemann und Ehefrau sich in ihrer Nacktheit voreinander schämen und deshalb ihre Scham voreinander verbergen wollen, und dass deshalb dieser Zustand hier ätiologisch erklärt werden müsste. Aus b.Schab 9b geht hervor, dass man im Alten Israel sogar das Abendessen ohne Gürtel – d.h.: komplett unbekleidet – einnehmen konnte (Rabbi Chaninah [4. Jhd.]: „Wann beginnt das Abendessen? Wenn man seinen Gürtel geöffnet hat.“); hier gilt dies also sogar noch weniger als in unserer Kultur. Den Sinn erfasst daher wohl richtiger Philo in Fragen und Antworten zur Genesis: „Sie schämten sich zweitens nicht wegen ihrer Arglosigkeit und der Schlichtheit ihrer Sitten und wegen ihrer natürlichen Disposition, zu der noch keinen Hauch von Stolz gehörte.“: Kleidung ist im Alten Orient ein Status-Symbol, Kleidungslosigkeit heißt Statuslosigkeit, heißt: „Ich stehe niedrig“ – was nach dem Vergehen Adams und Evas ja auch wirklich der Fall war. (Zurück zu v.25)
bltFN: sich voreinander schämen müssen (einander zu beschämen pflegen) - Hitpolel. Hitpolel als Variante des Hitpael macht i.d.R. ein Verb reflexiv (sich schämen“) oder reziprok (einander beschämen“). Bei boš ist schon der Qal reflexiv; Funktion kann daher hier nur Reziprozität sein. Basis der Verb-Transformation könnte sowohl das Qal („sich schämen“) als auch ein in dieser Bed. nicht belegter Polel („jmdn beschämen“) sein, daher die beiden Übersetzungsalternativen. Letztere halten Gertz 2018; Sasson 1985 und Hartenstein 2005, S. 286 für richtig. Grammatisch ist das gut möglich, aber idiomatisch für „jmdn beschämen“ ist das häufige kalam Hifil (z.B. Spr 28,7), weshalb ja auch der Polel von boš in dieser Bed. gar nicht belegt ist, der stattdessen die Sonder-Bed. „sich verzögern“ angenommen hat. (Zurück zu v.25)