Syntax ungeprüft
Lesefassung (Genesis 31)
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Studienfassung (Genesis 31)
1 Und er (Jakob)〈a〉 hörte die Reden (Worte) der Söhne Labans{, die besagten}: „Jakob hat alles genommen, was unserem Vater〈b〉 [gehört (gehörte)]; aus [dem], was unserem Vater [gehört (gehörte)], machte er all diesen Besitz (all diese Pracht)!“〈c〉 2 Und Jakob sah das Gesicht Labans{und siehe}: Es (Er?)〈d〉 war nicht [mehr] mit ihm wie (gestern vorgestern=) früher.〈e〉
3 {Und} JHWH sprach zu Jakob: „Kehr zurück ins Land deiner Väter (deines Vaters)〈f〉 und zu deiner Verwandtschaft (und an deinen Geburtsort) – ich werde mit dir sein (dann werde ich mit dir sein)!“ ℘ ℘
4 Da sandte Jakob〈g〉 und rief Rahel und Lea aufs Feld zu seiner Herde
5 und sagte zu ihnen: „Ich sehe das Gesicht eures Vaters(, dass=): Es (Er?)〈d〉 ist nicht [mehr] zu mir wie (gestern vorgestern=) früher. Aber der Gott meines Vaters[, der] ist mit mir (aber der Gott meines Vaters war mit mir).〈h〉
6 Ihr, ihr wisst [darum], dass ich eurem Vater gedient habe – mit all meiner Kraft.
7 Aber euer Vater hat mich betrogen und (immer wieder) meinen Lohn zehn Male (von zehn Anteilen? von zehn Lämmern?)〈i〉 geändert.〈j〉 Aber Gott hat nicht (ihm gegeben, böse/übel mit mir zu handeln=) zugelassen, dass er böse (übel) mit mir verfuhr.
8 Wenn er jeweils so sprach: ‚Gesprenkelte sollen dein Lohn sein!‘ – dann gebar alles Kleinvieh jeweils Gesprenkelte. Und wenn er jeweils so sprach: ‚Gestreifte sollen dein Lohn sein!‘ – dann gebar alles Kleinvieh jeweils Gestreifte.〈k〉
9 {Und} Gott hat das Vieh eures Vaters [diesem] entzogen (das Vieh eures Vaters gerettet)〈l〉 und mir gegeben:
10 {Es geschah} Zur Zeit, als das Kleinvieh brünstig war, hob ich (meine Augen=) meinen Blick und sah im Traum{, siehe}: Die das Kleinvieh besteigenden〈m〉 (sich dem Kleinvieh gegenüber aufbäumenden) Böcke [waren] gestreift, gesprenkelt und gescheckt.
11 Ein Bote Gottes sagte nämlich (Und ein Bote Gottes sagte) zu mir im Traum: ‚Jakob!‘, und ich (sagte=) antwortete: ‚Hier bin ich!‘,〈n〉
12 und er sagte: ‚Hebe {doch} (deine Augen=) deinen Blick und sieh: All die das Kleinvieh besteigenden Böcke [sind] gestreift, gesprenkelt und gescheckt, weil ich〈o〉 alles gesehen habe, was Laban dir getan hat.
13 Ich〈o〉 [bin] der Gott [von] Bet-El,〈p〉 wo du eine Mazzebe (gesalbt=) geweiht hast und wo (hast, wo)〈q〉 du mir ein Gelübde gelobt hast. Jetzt mach dich auf! Zieh fort aus diesem Land und kehr zurück in das Land deiner Verwandtschaft (deines Geburtsortes)!‘“
14 Da (antwortete[n]=) erwiderten〈r〉 ihm Rahel und Lea {und sagten}: „Haben wir etwa noch Anteil und Erbe in unserem Vaterhaus?〈s〉 15 Gelten wir ihm nicht [nur so viel wie] Ausländerinnen, da er uns [ja] verkauft hat!? (Er hat fressend gefressen=) Wirklich, er unser Geld gefressen (da er uns ja verkauft hat und wirklich unser Geld gefressen hat?),〈t〉 16 denn all der Reichtum, den Gott unserem Vater entzogen (gerettet)〈l〉 hat – uns [gehört] der, und unseren Söhnen! (Und nun=) Darum: Alles, was dir Gott gesagt hat, das tue!“〈u〉
17 Da machte sich Jakob auf und hob seine Söhne und seine Frauen (seine Frauen und seine Söhne)〈v〉 auf die Kamele
18 und trieb all sein Vieh und all seinen Erwerb, den er gewonnen hatte; das Vieh[, das sein] Erwerb [war], ({den er gewonnen hatte; das Vieh[, das sein] Erwerb [war],})〈w〉 den er gewonnen hatte in Paddan-Aram,〈x〉 ([und alles, was ihm gehörte])〈w〉 um zu seinem Vater Isaak ins Land Kanaan zu kommen.
19 Laban indes war losgegangen ([Als] Laban losgegangen war), um sein Kleinvieh zu scheren. Da hatte Rahel die Terafim〈y〉 gestohlen, die ihrem Vater [gehörten]. 20 Und Jakob hatte das Herz von Laban dem Aramäer gestohlen,〈z〉 indem er ihm nicht erzählt hatte, dass er fliehen würde. 21 So floh er – er und alles, was ihm [gehörte]. Er machte sich auf, überquerte den (Fluss=) Euphrat und (setzte=) wandte sein Gesicht nach dem Gebirge von Gilead. ℘
22 Laban wurde am dritten Tag〈aa〉 erzählt, dass Jakob geflohen war.
23 Da nahm er seine Brüder mit sich, verfolgte ihn (einen Weg von sieben Tagen=) sieben Tage lang und heftete sich an ihn im Gilead-Gebirge (auf dem Berg von Gilead).〈ab〉
24 Da kam im nächtlichen Traum Gott zu Laban dem Aramäer und sagte zu ihm: „Hüte dich, mit Jakob zu sprechen von Gut bis Böse (Übel)!“〈ac〉
25 Dann erreichte Laban den Jakob. Jakob hatte sein Zelt im Gebirge (auf dem Berg) aufgeschlagen und Laban hatte [seines] bei seinen Brüdern im Gilead-Gebirge (auf dem Berg von Gilead)〈ab〉 aufgeschlagen.〈ad〉 ℘ ℘
26 Laban sagte zu Jakob: „Was hast du getan〈ae〉 – hast mein Herz gestohlen〈z〉 und meine Töchter [fort]getrieben wie (Schwert-Gefangene=) Kriegsgefangene!?
27 Warum〈ae〉 hast du (dich versteckt, um zu fliehen=) verborgen, dass du fliehen willst, und mich bestohlen, und mir['s] nicht erzählt, so dass ich dich mit Gesang und Liedern und Tamburin und Leier (fortsenden=) auf die Reise schicken können hätte,
28 und mir nicht ermöglicht (mich nicht [so] verlassen, dass...?),〈af〉 meine (Söhne=) Enkel und meine Töchter zu küssen!? (Nun hast=) Also, da hast du dich töricht verhalten, [so] zu handeln!
29 Es (wäre=) läge in der Macht meiner Hand (?),〈ag〉 mit euch böse (übel) zu handeln. Aber der Gott eurer Väter hat gestern zu mir gesprochen {wie folgt}: ‚Hüte dich, zu sprechen mit Jakob von Gut bis Böse (Übel)!‘〈ac〉
30 Nun also: (Du bist gehend gegangen weil du verlangend verlangtest nach deinem Vaterhaus=) Ich versteh' schon, du musstest gehen! Du hattest Heimweh nach deinem Vaterhaus, na klar! [Aber] warum〈ae〉 hast du meine Götter gestohlen!?“
31 Jakob antwortete: „Weil ich mich fürchtete. Weil ich [mir] sagte: Dass du mir [nur] nicht deine Töchter raubst!“
Anmerkungen
In Gen 31-32,1 stammen wahrscheinlich nur Vv. 1-3.17f.45-32,1 vom selben Autor wie Gen 30. Aus den restlichen, offenkundig zutiefst ideologischen Versen spricht vor allem ein gänzlich anderes Verhältnis von Israeliten und Aramäern als aus dem vorigen, älteren Kapitel. Am wahrscheinlichsten müssen einige Inkohärenzen zwischen Kapitel 31 und Kapitel 30 so erklärt werden.
In Vv. 3-17.20f.36-43 wird dazu neu interpretiert, wie Jakob seinen Besitz von „Laban dem Aramäer“ in „Paddan-Aram“ erworben hat: Jakob hat nicht etwa Laban durch genetische Trickserei übervorteilt, vielmehr ist es so, dass Laban Jakob gleich mehrfach getäuscht hat, und nur Gott ist es zu verdanken, dass Jakob dennoch als reicher Mann aus ihrem unfairen Arbeitsverhältnis herausgehen konnte, obgleich ihm Laban bis zum Ende (V. 43) weder Frauen noch Nachkommen noch Besitz gönnt und zugestehen will (vgl. dazu bes. Rom-Shiloni 2012). Nebenbei werden auch Labans Söhne und Töchter als geldgeil und sogar diebisch hingestellt, so dass dies geradezu zum Charakterzug von Aramäern zu werden scheint. In Vv. 19.22-35 werden außerdem noch die aramäischen Götter lächerlich gemacht: Sie sind nur verabscheuungswürdige Terafim („Kotzbrocken“, s. zu V. 19), die man einfach rauben kann, die in die Satteltasche des unreinen Kamels gepackt werden können und auf die die gerade unreine Rahel sich einfach setzen kann. In Gen 35 werden sie zu allem Überfluss auch noch schlicht entsorgt werden. In Vv. 45-54 dagegen spricht Laban in V. 53 wieder vom „Gott Abrahams und Gott Nahors, dem Gott ihres Vaters“. Dafür spricht auch Hos 12: Hosea kennt nach V. 12 die Erzählung vom Steinhaufen in Gilead in unseren Vv. 46-53, aber nach Vv. 8f. weiß er nur davon, dass Jakob unrechtmäßig an seinen Reichtum gekommen ist, kennt also offenbar nicht die Variante der Geschichte in Vv. 1-21.36-43.
Hier soll das Kapitel dennoch so erklärt werden, wie es uns heute überliefert wurde.
Vv. 1-2 schließen noch Kapitel 30 ab und schildern die Reaktion von Labans Familie auf Jakobs Erfolge (und Labans Misserfolg): Labans Söhne und auch Laban selbst missgönnen sie ihm. Als in V. 3 dann auch noch Gott ihn auffordert, es sei jetzt Zeit aufzubrechen und er werde dabei anders als Laban auch „mit ihm sein“, schreitet Jakob sofort zur Tat und bestellt in V. 4 seine Frauen zu sich.
V. 3 spielt dabei offensichtlich auf Gen 12,1 an – doch während Abram „aus seinem Land und von seiner Verwandtschaft“ nach Kanaan aufbrechen soll, ist zwei Generationen später für Jakob bereits Kanaan das „Land seiner Väter und seiner Verwandtschaft“. Hier wird ausgelotet, was „Heimat“ ist: Abrahams Geburtsort Ur ist es für Jakob, diesen Migranten der zweiten Generation, schon nicht mehr, und das Land Labans, wo er nun schon 20 Jahre gelebt hat, ist es immer noch nicht – „Heimat“, das ist in der Vorstellung des Autors erstens das Land, in dem bereits jemandes Eltern gelebt haben, und zweitens das Land, in dem entweder noch weitere Verwandte wohnen oder wo man selbst geboren wurde.
An beide Frauen richtet Jakob in Vv. 5-13 eine lange Rede. In dieser wird in Vv. 5-9 drei Mal Laban mit Gott kontrastiert:
- „Laban ist nicht mehr ‚zu‘ Jakob“. Aber „Gott ist mit Jakob“ (Vv. 5a.5b). Dies wird nun konkretisiert:
- Laban hat Jakob betrogen und mehrfach seinen Lohn geändert, obwohl Jakob ihm mit all seiner Kraft gedient hat. Aber Gott ließ nicht zu, dass er dabei Schaden nahm (Vv. 6-7a.7b). Dies wird nun noch einmal konkretisiert:
- Laban hat unfairerweise mehrfach an ihren Vertragskonditionen geschraubt. Aber Gott hat Jakob zum Ausgleich Labans Tiere geschenkt (Vv. 8.9)
Kurz: Jakob hat seinen Besitz verdient. Laban dagegen ist ein Betrüger und hat daher seine Verluste verdient. Und wenn euch das noch nicht genügt, liebe Ehefrauen: Das hat sich zwar auch so entwickelt, weil ich mit aller Kraft gearbeitet habe (V. 6). Aber letztlich war es außerdem und ohnehin Gottes Wille, dass es sich so fügte (V. 9).
Dies kann Jakob dann in Vv. 10-13 auch noch mit einem Traum belegen. Für diesen Beleg zäumt Jakob das Pferd auffällig von hinten auf: Die Aussage in 9 wird zunächst allgemein mit einer Traumvision in V. 10 begründet. Diese Traumvision wiederum wird in Vv. 11f. gleichzeitig erst mit dem Auftrag eines Engels ermöglicht und im selben Zug begründet: Dass das Kleinvieh je mit Jungen der benötigten Färbung trächtig wurde, geschah deshalb, weil Gott alles wahrgenommen hat, was Laban Jakob angetan hatte.
Gottes Hinweis in V. 13 auf Jakobs Gelübde in Bet-El (Gen 28,20f.) ist einesteils dann wiederum hierfür Begründung – dort nämlich hatte Jakob versprochen, JHWH werde „sein Gott sein“, wenn dieser ihn behütet und mit Brot und Kleidung versorgt; darum ist es überhaupt erst so, dass Gott es so wichtig nimmt, wie Laban mit Jakob verfährt –, andernteils begründet der Verweis auf dieses Gelübde gleichzeitig den Auftrag zum Aufbruch in V. 3, der nun noch einmal ausführlicher wiedergegeben wird. „Dieses Behüten und Versorgen“, sagt Gott mit seinem Hinweis, „ist nun geschehen. Kommen wir zum zweiten Teil deines Gelübdes: Ich soll dein Gott sein, ‚wenn ich mit dir bin und du in Frieden zurückkehrst ins Haus eines Vaters‘? Dann mach das mal!“ Die Septuaginta hat diesen Bezug zu V. 3 und zu Gen 28,20f. sogar noch stärker gemacht, indem sie auch ans Ende von V. 13 einfügt: „Und ich will mit dir sein“.〈ai〉
Nach dieser langen Rede erscheint Jakobs moralisch so fragwürdiges Handeln in Gen 30 in ganz neuem Licht: Dass er mit seinen Zuchtmethoden Laban geradezu enteignet hat, war nicht etwa unfair, sondern Laban hat es sich durch sein eigenes unfaires Verhalten selbst zuzuschreiben. Und dass Jakob sich im selben Zuge gewaltig bereicherte, war mitnichten eigennützig: Er hat nur „hart gearbeitet“; dass dies gefruchtet hat, ist Gott zuzuschreiben. Was in Gen 30 geschah, erscheint nun gut und rechtens.
Aber die lange Rede Jakobs wäre offenbar gar nicht nötig gewesen: Ohne zu zögern sagen sich Labans Töchter in V. 14 von Vater und Vaterhaus los und begründen diese Lossagung in V. 15 damit, dass Laban sich auch an ihnen vergangen hat, indem er sich auch ihr Geld angeeignet hat, und ihre Parteinahme für Jakob in V. 16 damit, dass demnach der Reichtum, den Gott von Laban an Jakob übertragen hat, ohnehin eigentlich ihr Reichtum sein müssen hätte. Auch für die Lossagung in V. 14 verwenden sie dabei eine geprägte Wendung, die vordergründig von Besitz und Eigentum spricht (s. zum Vers), so dass sich vier von ihren fünf Sätzen um Finanzen zu drehen scheinen. Das passt; der Apfel fällt hier offenbar nicht weit vom Stamm. Auch Jakob hatte zwar drei Mal von seinem „Lohn“ gesprochen – jedesmal ging es dabei aber um etwas, was Laban mit seinem Lohn gemacht hat: Dieser hat „Jakobs Lohn“ geändert (V. 7) und mal gesprenkelte Tiere als seinen „Lohn“ bestimmt, mal gestreifte Tiere (Vv. 8a.b). Jakob selbst dagegen spricht von „Vieh“: „Gott hat das Vieh eures Vaters diesem entzogen und mir gegeben.“ Dagegen war schon Ausgangspunkt für Gen 31 die Behauptung der Söhne Labans, Jakob habe sich „alles“ angeeignet, „was unserem Vater gehört“, und sich so unrechtmäßig „Besitz“ erworben; nun offenbaren die Töchter Labans ihre finanziellen Interessen: „All der Reichtum, den Gott unserem Vater entzogen hat – uns [gehört] der, und unseren Söhnen!“ Die ganze Familie Labans offenbart sich hier als geldgeil, während Jakob nur Instrument Gottes war (ähnlich gut Fuchs 1988, S. 72).
Nachdem Jakob und seine Frauen sich also derart einig sind, gehen sie ohne Umschweife ihren Aufbruch an. Vv. 17f. schildern den Aufbruch selbst. Vv. 19f. gehen noch einmal einen Schritt zurück und ergänzen den Aufbruch um drei Zusatzinformationen: (1) Sie wählen zum Aufbruch die Zeit der Schafschur. Das ist geschickt, weil dies eine arbeitsame Zeit war, zu deren Abschluss wohl auch ein großes Fest gefeiert wurde (s. 1 Sam 25,5-7.36; 2 Sam 13,23f.), und daher eine unübersichtliche Zeit. (2) Kurz zuvor hatte Rahel die Terafim ihres Vaters gestohlen. Diese werden gleich noch eine größere Rolle spielen. Rahels Handlung selbst, die gar nicht kommentiert wird, müssen wir uns wahrscheinlich so erklären, dass diese Götzenfiguren Laban zum Wahrsagen dienten (s. zum Wort und vgl. Gen 30,27) und Rahel mit ihrem Diebstahl daher verhindern wollte, dass er sie mit ihrer Hilfe aufspüren kann. (3) Jakob hat ihm keine Terafim gestohlen, sondern „das Herz“. Danach ist Laban gleich dreifach der Gelackmeierte: Nun steht er da ohne den Gewinn, den ihm Jakob die Jahre zuvor erarbeitet hatte, in den letzten sechs Jahren aber wieder „weggearbeitet“ hat, ohne Terafim, und auch seine Pläne wurden zunichte gemacht. Nach diesen drei Anmerkungen fasst V. 21 abschließend noch einmal die Flucht Jakobs zusammen: Die sich gleich anschließende Szene spielt danach bereits in Gilead, dem östlichsten Ausläufer des geloben Landes.
Die Zeit der Schafschur ist dabei vielleicht auch noch symbolisch: Das Schafschur-Fest ist wahrscheinlich einer der Ursprünge des später ungefähr zur selben Zeit stattfindenden Pesach-Fests. Damit wäre zu erklären, warum beim Pesach nicht nur zur Feier der Ernte Brot, sondern auch Lämmer verzehrt wurden (vgl. mit 1 Sam 25,11). Geoghegan 2008 ist nun aufgefallen: An Pesach wird die Befreiung Israels aus der Sklaverei gefeiert; Jakob befreit sich hier von seinem Dienstherr Laban, und Nabal spricht zur Zeit der Schafschur: „Heute gibt es viele Sklaven, die von ihren Herren davonlaufen“ (1 Sam 25,10). Danach nimmt er an, dass das Fest der Schafschur traditionell ein Fest war, bei dem Schuldsklaven ihre Freiheit wiedererlangten. Das ließe sich leicht erklären: Fast sicher wurde nämlich zur Schafschur die Jahresabrechnung bei Hirten gemacht und der Lohn ausgezahlt. Schuldknechte hätten danach regelmäßig an diesem Tag ihre Freiheit wiedererlangt, weil sich hier das Hirtenjahr wendete, und Lohnknechte hätten sich bei gutem Lohn zu diesem Zeitpunkt selbständig machen können. Ist das wahr, wäre der Zeitpunkt von Jakobs Flucht hochsymbolisch: Er wäre zur selben Zeit vor Laban geflohen, zu der man später auch an die Flucht der Israeliten aus Ägypten zurückdachte und zu der regulär Knechte ihre Freiheit erlangten.
...
Ziel von Vv. 45-54 ist es, die geographische Grenze zwischen Israel und Aram zu definieren: Zu Israel gehört nach diesen Versen angeblich auch Gilead, das de facto nur im 9. und kurzzeitig im 8. Jhd. v. Chr. unter israelitischer Herrschaft gestanden hatte, während tatsächlich vor allem Nord-Gilead stets mindestens unter aramäischem Einfluss gestanden war (vgl. Sergi 2016, S. 333-336). ...
a | Nach MT, SamP, VUL und den Targumim steht hier kein Subjekt. Schon das legt nahe, dass mindestens V. 1 noch zu Kapitel 30 gehören soll (die moderne Einteilung der Bibel in Kapitel stammt erst aus dem 13. Jhd.). Masoretische, samaritanische und syrische Handschriften haben ein Abschnittszeichen sogar erst nach V. 2. Ziehen wir Vv. 1-2 zu Kapitel 30 (so auch Goldingay 2020; häufiger wird nur V. 1 noch zu Kapitel 30 gezogen, z.B. von Wenham 1994; Seebass 1999; Taschner 2000, S. 108), schildern diese Verse die direkte Reaktion der Familie Labans auf Jakobs Gewinne und fügen sich so glatt in dieses Kapitel ein. Kapitel 31 beginnt mit V. 3 dann genau so wie Gen 12, was ebenfalls für diese Aufteilung spricht. Textkritik: LXX und Syr allerdings ergänzen das Subjekt Jakob. Wahrscheinlich haben beide wegen dem Wechsel der handelnden Figuren schon hier den Beginn einer neuen Szene gesehen und daher unnötigerweise das Subjekt ergänzt. (Zurück zu v.1) |
b | unser Vater - Wortspiel: In la`abinu klingt Laban an, was noch stärker macht, dass Labans Söhne Jakobs Besitz als Eigentum ihres Vaters Laban betrachten. Man beachte auch, wie das „all“ von Satz 1 zu Satz 2 von Laban zu Jakob transferiert wird: „Er hat genommen alles, was unserem Vater gehörte“ – „Aus dem, was unserem Vater gehörte, machte er all diesen Besitz.“ (Zurück zu v.1) |
c | Offensichtlich eine Übertreibung, s. V. 19. (Zurück zu v.1) |
d | Es - also das Gesicht, nicht Laban selbst. „Das Gesicht war nicht mit ihm“ ist dann vermutlich ein etwas merkwürdiger Ausdruck für „es bezeigte sich nicht mehr gegen ihn wie früher“ (TEX), blickte also unfreundlicher. Gut BigS in V. 5: „Er sah am Gesicht Labans, dass er [nicht mehr mit ihm war wie früher]“. Aber s. noch zu V. 5; die Verse sind eine Herausforderung für Übersetzende. Der Ausdruck wurde wahrscheinlich für zwei weitere Wortspiele gewählt: Erstens kann Jakob so sowohl die Reden von Labans Söhnen (bane Laban) hören als auch Labans Gesicht (pane Laban) sehen und nimmt so gleich auf zwei Weisen wahr, dass nun nun wirklich die Zeit zum Aufbruch gekommen ist, weil sonst die Stimmung endgültig kippt (gut Sarna 2001; Vrolijk 2011, S. 185f.). Und zweitens kann so in Vv. 3.5 Gott, der „mit Jakob war“, mit Laban kontrastiert werden, dessen Gesicht in Vv. 2.5 „nicht mehr mit Jakob ist“ (gut z.B. Fokkelman 1975, S. 152; Frisch 2003, S. 286). Textkritik: Nach MT sieht Jakob in Vv. 2.5 allerdings Laban, nicht sein Gesicht: `enennu („er war“) statt `enam („es war“). SamP, Syr und die Targumim dagegen bezeugen alle `enam. MT ist idiomatischer, lässt sich leicht als Assimilation von Vv. 2.5 an V. 3 erklären und ein Lesefehler von -am zu -ennu konnte leicht geschehen (vgl. Weiss 1963, S. 190); fast sicher ist daher MT sekundär und der etwas sperrige Text von SamP & Co. der ursprüngliche (so schon erwogen von Ball 1896; gegen BHQ). (Zurück zu v.2 / zu v.5) |
e | Entweder sagen Vv. 1-2, dass Jakob sowohl Labans Söhne hört als auch Labans Gesicht sieht, oder V. 2 besagt, dass Laban sich von seinen Söhnen aufstacheln lässt und ist so Folgesatz auf V. 1 (so Radak; Sforno; Frisch 2003, S. 286). Dass Jakob sich in V. 5 nur auf V. 2 zurückbezieht, spricht leicht für Letzteres (richtig Frisch). Ähnlich VUL, wo Hieronymus mit Nebensatz – Hauptsatz übersetzt: „Nachdem er die Worte der Söhne Labans gehört hatte ..., bemerkte er auch das Gesicht Labans.“ (Zurück zu v.2) |
f | Textkritik: Die Variante nur nach LXX (+ VL). BHQ denkt, dies sei spätere Angleichung an das „Haus deines Vaters“ in Gen 12,1, Wevers 1993, S. 498 besser, es sei Angleichung an den „Gott meines Vaters“ in Gen 31,5. Dass LXX die spätere Variante ist, ist angesichts der schwachen Bezeugung jedenfalls sehr wahrscheinlich. (Zurück zu v.3) |
g | sandte - seine Söhne, dass sie seine Frauen holen sollten. (Zurück zu v.4) |
h | der ist mit mir (er war mit mir) - Wichtig zunächst: Die Rede ist nun nicht mehr davon, dass Labans Gesicht „mit“ Jakob ist: Labans Gesicht ist nun „zu“ ihm, stattdessen ist Gott „mit“ ihm. Vv. 2.3.5.6 schildern also eine Entwicklung: „Labans Gesicht ist nicht mehr ‚mit‘ Jakob“ – „Gott wird ‚mit‘ Jakob sein“ – „Labans Gesicht ist nicht mehr ‚zu‘ Jakob, aber Gott ist / war ‚mit‘ Jakob.“ – „Darum lässt er nicht zu, dass Laban ‚mit‘ Jakob böse verfuhr“ (gut wieder Fokkelman 1975, S. 152). Das wird zusätzlich dadurch hervorgehoben, dass bei den letzten beiden Vorkommen nicht die Kurzform ´immi („mit mir“) verwendet wird, sondern die längere und wahrscheinlich etwas emphatischere ´immadi. Zweitens zu einer etwas schwierigen Übersetzungsfrage: Das Wort „sein“ muss im Heb. nicht ausgedrückt werden; soll nur „X ist Y“ (z.B.: „Gott ist mit mir“) gesagt werden, wird üblicherweise ein verbloser Satz „X Y“ verwendet. Heb. hajah kann sowohl „er ist“ als auch „er war“ bedeuten. Dass es hier eigens steht, kann daher (1) entweder signalisieren, dass von der Vergangenheit die Rede ist („Gott war mit mir“), (2) oder die Tatsache, dass Gott mit ihm ist, soll hervorgehoben werden („Labans Gesicht ist nicht mehr mit mir, aber Gott, der ist mit mir“). Der weitere Verlauf der Rede wird zeigen, dass Jakob hier vor allem (1) anzielt; zu Beginn seiner Rede werden seine Frauen aber zunächst (2) verstanden haben. BigS, HfA, R-S und SLT 51 übersetzen präsentisch, alle anderen dt. Üss. aber mit Vergangenheit. Am besten übersetzt man mit einem Kompromiss: „Aber der Gott meines Vaters, der war mit mir:...“ (Zurück zu v.5) |
i | Textkritik: Zu „meinen Lohn von zehn Lämmern“ in LXX s. Walters 1973, S. 193f. TgJ allerdings effektiv ebenso: „Meinen Lohn [von] zehn Anteilen“. TgJ deutet das Wort monim also offenbar als mask. Plural von manah („Anteil“; richtig Maher 1992, S. 108; BHQ 155*). LXX könnte ebenso gedeutet haben und hätte dann nur das „zehn Anteile“ zu „zehn Lämmer“ konkretisiert. So und so ist MT sicher ursprünglich; der Text wird gestützt durch SamP, Aq, Sym, VUL, Syr und den anderen Targumim. (Zurück zu v.7) |
j | zehn Male geändert ist zunächst ein Wortspiel: ´aßar heißt „zehn“, ´ašar (wie in V. 16) „reich werden“. Laban hat den Lohn also nicht nur „zehn Male geändert“, sondern hat ihn auch geändert, „um sich zu bereichern“. Die Zahl zehn könnte konkret nur Übertreibung sein (dies glauben alle neueren Ausleger:innen. Im Midrasch würde dann noch stärker übertrieben: „Hundertmal“). Radak und schon Hieronymus in seinen Hebraicae Quaestiones rekonstruieren aber ein Szenario, wie dies in sechs Jahren wirklich zehnmal geschehen sein könnte: Schafe können pro Jahr zweimal werfen (s. zum vorigen Kapitel; Hieronymus zitiert als Beleg Vergils Georgica II 150: „Zweimal ist Vieh trächtig, zweimal trägt der Baum Früchte“). Laban hätte also nach jedem Wurf gesehen: „Oh, nur gestreifte Tiere! Dann sollen beim nächsten Wurf nur noch die gepunkteten Tiere dein Lohn sein“, beim Wurf darauf: „Oh, nur gepunktete Tiere! Dann seien beim nächsten Wurf nur noch die gesprenkelten Tiere dein Lohn“ usw., so dass spätestens Mitte des sechsten Jahres zehn Mal der Lohn verändert worden wäre. tFN + Textkritik: und (immer wieder) geändert - Das Wort könnte (1) entweder Waw-Qatal sein und dann einfach von der Vergangenheit sprechen (so Driver 1892, S. 159; Joosten 2012, S. 49) oder (2) Weqatal und dann betonen, dass dies immer wieder geschah (so Hamilton 1995). SamP ändert zu Wayyiqtol und vereindeutigt so zu (1). Wieder (s. zu Gen 30,41) ist das nicht mit BHQ als „Harmonisierung mit V. 41“ zu erklären, sondern nur als eindeutigere Formulierung. (Zurück zu v.7) |
k | Gestreifte - Klangspiel: Jakob greift deshalb aus Gen 30 die „Gesprenkelten und Gestreiften“ heraus, weil beide Wörter im Hebräischen sich nur durch im ersten Buchstaben unterscheiden: naqudim und ´aqudim. Laban ist also nicht nur Winkeladvokat (s. zu Gen 30,32), sondern dabei auch noch Korinthenkacker. (Zurück zu v.8) |
l | tFN: entzogen (gerettet) - W. „weggeschnappt, weggerissen“. Wohl nicht: gerettet (so Wenham 1994; Goldingay 2020), obwohl dies im Heb. häufig die Bed. des Wortes wäre und zu V. 9 auch gut passte („Vieh wird vor Laban ‚gerettet‘“). Zu V. 16 aber weniger („Reichtum wird vor Laban ‚gerettet‘“?). Im Aramäischen heißt das Wort oft auch nur „wegnehmen, entziehen“ (vgl. Labuschagne 1974, S. 180; Greenfield 2001, S. 215; Rendsburg 2006, S. 166; Bompiani 2014, S. 46); wegen V. 16 müssen wir diese Bed. wohl auch hier voraussetzen (so z.B. auch Hamilton 1995; Sarna 2001; Waltke/Fredricks 2001). (Zurück zu v.9 / zu v.16) |
m | besteigenden - W. „hinaufsteigend“. Nicht das übliche Wort für sich paarende Tiere. Wortspiel: Jakob sieht in diesem Traum „hinaufsteigende“ Böcke, wie er in seinem ersten Traum in Gen 28,12 „hinaufsteigende“ Gottesboten gesehen hat (gut Tröndle 2023, S. 199). Wahrscheinlich deshalb sind die Böcke in diesem Traum auch „gescheckt“, was in Gen 30 gar nicht erwähnt wurde: In barudim klingt joridim („hinabsteigend“, wie von den „hinabsteigenden Gottesboten“ in Gen 28,12) an. (Zurück zu v.10) |
n | Jakob! + Hier bin ich! - Übliche Gesprächseröffnungen; s. z.B. ebenso Gen 27,1. Besonders bei Gesprächen zwischen Menschen und Gott/einem Gottesboten wird ein Mensch dabei nicht wie an dieser Stelle mit einer Verwandtschafts- oder Berufsbezeichnung angesprochen (zu dieser häufigsten Gesprächseröffnung s. Lande 1949, S. 21-36), sondern mit dem Eigennamen: Gen 22,11; 46,2; Ex 3,4; 1 Sam 3,4.6.8.10. Die Antwort „Hier bin ich“ ist aber wohl nicht mit ebd., S. 37f. so zu erklären, dass sie nur für das „Ja“ eines Menschen steht, der sich selbst unsichtbar glaubt (s. dagegen 2 Sam 1,7), sondern grundsätzlich als unterwürfige Antwort, wie Landes es auch bei 1 Sam 22,12 und Gen 37,13 annimmt: „Stehe zu Diensten!“ (vgl. Jes 6,8). Am besten übersetzt man vielleicht wie NL: „Ja, ich höre!“ (Zurück zu v.11) |
o | ich - Der „Bote“ spricht wie häufig im Namen Gottes (zu diesem häufigen Zug der Botschaften von Gottesboten vgl. z.B. Lipton 1999, S. 118); „ich“ bezieht sich daher nicht auf ihn, sd. auf Gott. (Zurück zu v.12 / zu v.13) |
p | tFN + Textkritik: Constructusverbindung, bei der das Nomen im Status Constructus („der Gott“) untypischerweise Artikel trägt (vgl. z.B. GKC §127f). S. ebenso z.B. 2 Kön 23,17: „der Altar [von] Bet-El“. Das „Ich bin der Gott, der dir in Bet-El erschienen ist“ in LXX, TgO und TgJ setzt wahrscheinlich keine andere Textvorlage voraus, sondern ist theologische Korrektur: JHWH ist „Gott der ganzen Erde“ und daher „Gott von Bet-El“ eben nur insofern, als er dort erschienen ist. (Zurück zu v.13) |
q | Textkritik: MT, TgJ und TgN wie in der Alternative. Einige MSS, SamP, TgO und TgG bezeugen aber „und wo“; LXX, VUL und Syr sparen das zweite „wo“ (`ašer) aus, bezeugen aber ebenfalls ein „und“. Man könnte beides mit BHQ als syntaktische Erleichterung werten und danach MT für ursprünglich halten, aber angesichts dieser Masse an Textzeugen ist der Wortlaut von MT wahrscheinlicher nur versehentliche Angleichung des zweiten Nebensatzes an den ersten (so noch Ball 1896, BHK, BHS). (Zurück zu v.13) |
r | (antworten=) erwidern - W. „antworten“, hier aber wie häufig in der Bibel (s. z.B. Kleist 1936, S. 163) nicht als Antwort auf eine Frage, die Jakob ja gar nicht gestellt hat, sondern zur Bezeichnung z.B. der Reaktion auf eine vorangegangene Rede wie eben hier die des Jakob. Besser übersetzt man daher wie HfA: „Rahel und Lea erwiderten“. Das Wort mit zwei Subjekten („Rahel und Lea“) steht hier wie noch häufiger im Sg., um hervorzuheben, dass beide gemeinsam das Gleiche tun. (Zurück zu v.14) |
s | Haben wir etwa noch Anteil und Erbe in unserem Vaterhaus ist nicht wörtlich zu verstehen; allein schon, weil verheiratete Töchter zur Abfassungszeit ohnehin nicht erbberechtigt waren, wenn es gleichzeitig Söhne in diesem Vaterhaus gab. Wie 2 Sam 20,1 und 1 Kön 12,16 = 2 Chr 10,16 deutlich zeigen, ist die Frage stattdessen eine geprägte Wendung mit der Bed. „Hier gibt es ja ohnehin nichts mehr für uns!“ (gut Shectman 2011, S. 216). Warum das so ist, zeigen die folgenden Sätze. (Zurück zu v.14) |
t | V. 15 wird fast stets so aufgelöst, dass sowohl der Satz vom „Verkaufen“ als auch der vom „Fressen“ sich auf die Frage in 15a beziehen (entweder wie z.B. Seebass 1999: „Hat er uns bei sich nicht als Fremde geachtet, dass er uns verkauft und also noch unser Geld verbraucht hat?“, oder wie z.B. Westermann 1981: „Gelten wir ihm nicht als Fremde? Denn er hat uns verkauft und längst unser Geld dafür aufgebraucht!“). Nach dem masoretischen Akzenten sind diese beiden Sätze aber klar nicht einander beigeordnet. Anscheinend muss man den Vers also entweder so auflösen, dass nur der „Verkaufs-Satz“ gemeinsam mit der Frage in 15a den V. 14 begründet, und der „Fress-Satz“ separat zu nehmen ist, oder so, dass dieser mit dem nächsten Vers zu verbinden ist. So übersetzt merkwürdigerweise nur van Ess: „Wurden wir nicht von ihm als Fremde geachtet, weil er uns verkauft hat? Ja, hat er nicht auch unser Geld verzehrt?“ Nach den Akzenten zu urteilen ist das aber gewiss richtig. Der letzte Satz ist dann etwas schwierig zu verstehen, weil „Geld fressen“ ebenfalls eine geprägte Wendung zu sein scheint (s. bei „Genauer“). Diese Wendung machte hier aber wenig Sinn. Besser betont man daher: „Wirklich, er hat unser Geld gefressen“. „Fressen“ nimmt man dann entweder im Sinn von „rauben“ (wie bes. bekannt in Lk 20,47: „Sie fressen die Häuser der Witwen“), so dass der Satz bedeutet: „Indem er dich ausgenommen hat, hat er uns ausgenommen!“ (so Wenham 1994). Oder man nimmt es i.S.v. „verbrennen, vernichten“ (wie V. 40), so dass der Satz bedeutet: „Das Geld, das er mit seiner Gier verspielt hat, war ohnehin unser Geld“. Die Logik von Vv. 14-16 ist dann: „Hier gibt es ja ohnehin nichts mehr für uns: Unser Vater hat [für uns keinen Brautpreis genommen, hat also] uns wie Ausländerinnen [in einem Kaufehevertrag] an dich verkauft. [Das war nicht rechtens.] Wirklich, das Geld, das er (gefressen=) dir geraubt / mit seiner Gier verspielt hat, hätte unser Geld sein müssen. Ergo ist auch alles, was Gott ihm entzogen und dir übereignet hat, eigentlich unser Geld. Gut so, dass er's dir übereignet hat!“ Genauer: Der Vers ist deshalb so kompliziert, weil Geld fressen in Texten aus Nuzi und Emar eine geprägte Wendung dafür ist, dass ein Vater oder ein der Familie vorstehender Bruder den von einem Bräutigam gezahlten Brautpreis aufgezehrt hatte (vgl. z.B. Burrows 1937, S. 265f.; Selman 1976, S. 132; Vita 2008, S. 235f.). Granqvist 1931, S. 128 zitiert auch eine Braut aus dem zeitgenössischen Palästina, die den Ausdruck im selben Sinn gebraucht; auf den ersten Blick scheint man den Ausdruck also auch hier in diesem Sinn nehmen zu müssen. Nur: Einen Brautpreis, der aufgebraucht hätte werden können, hat Jakob ja eben nicht gezahlt, sondern stattdessen 14 Jahre umsonst für Laban gearbeitet. Gerade dies werfen Labans Töchter ihm wohl auch mit dem ersten Satz vor: Im Alten Orient gab es wahrscheinlich die „gemeine“ Ehe, bei der ein Brautpreis gezahlt wurde, der (oft im Alten Orient und daher wahrscheinlich auch im Alten Israel) auch dazu diente, Frauen im Falle des kinderlosen Todes ihres Ehemannes wieder im Vaterhaus zu versorgen (s. Ehe (AT)/1.3.3. Brautgelt (Mohar) (WiBiLex)), und die „Kaufehe“, bei der die Frau gänzlich ihrem Ehemann übereignet wurde, so dass das Geld vom Brautvater „aufgezehrt“ werden konnte (vgl. z.B. van Seters 1969, S. 393f.; von Bresinsky 2018). Dass Rahel und Lea ihrem Vater vorwerfen, dass sie „ihm als Ausländerinnen gelten, weil er sie verkauft hat“ legt sehr nahe, dass sie ihm ebendies vorwerfen: Dass er insofern über sie einen Kaufehevertrag mit Jakob geschlossen hat, bei dem er keinen Brautpreis für seine Töchter vorhalten muss, als Jakob ihm ja nur Gewinn in Naturalien erarbeitet, statt einen Brautpreis zu entrichten. In dieser Hinsicht gleichen sie „Ausländerinnen“, also „verkauften Sklavinnen“. Aber wie gesagt: Das passt dann eben schlecht zum zweiten Vorwurf, dass er „ihr Geld gefressen“ habe: Gerade deswegen ist solches Geld ja eben gar nicht vorhanden. (Zurück zu v.15) |
u | Klangspiel: In diesem letzten Satz beginnen von den sieben heb. Wörtern sechs mit einem Guttural: wa-´attah („Darum:“) kol („alles“) `ašer („was“) `amar' („gesagt hat“) `elohim („Gott“) `eleka („zu dir“) ´aßeh („tue“)! (Zurück zu v.16) |
v | Textkritik: Die Variante nach SamP, LXX und Jub 29,4. Welche der beiden Varianten ursprünglich ist, lässt sich nicht entscheiden. (Zurück zu v.17) |
w | Textkritik: Die in der Alternative gestrichene Passage, die z.B. in NVul und traditionell in LUT nicht übersetzt wird, steht so nur in MT und SamP. Ganz fehlt sie in LXX, VUL und Syr (LXX hat zwar dafür nach „Paddan-Aram“ ein zusätzliches „alles, was ihm gehörte“. Wenham 1994 will nach Gispen hierin noch einen Überrest der ausgefallenen Passage erkennen, aber weit wahrscheinlicher hat LXX die Phrase aus V. 21 hier ebenso ergänzt wie in V. 31 und wie sie auch in V. 13 noch einmal das „Und ich will mit dir sein“ aus V. 3 eingefügt hat). TgO, TgJ und TgN haben alle jeweils leicht unterschiedliche Varianten dieser Passage, TgG eine Zwischenstufe zwischen diesen Targumim und MT. Ganz grob können wir also die vier Gruppen (1) LXX, VUL, Syr; (2) MT, SamP; (3) TgG; (4) TgO.J.N unterscheiden, und der größte Unterschied ist, ob die Textzeugen grundsätzlich eine solche Passage bezeugen (Gruppe 2+3+4) oder nicht (Gruppe 1). Theoretisch ließe sich diese Differenz entweder als Augensprung erklären; wegen der identischen hier gefetteten Phrasen hätte der Schreiber der Vorlage von Gruppe 1 also die hier gestrichene Passage übersehen: all seinen Gewinn, |
x | Paddan-Aram - gut modernisiert in BigS: „im aramäischen Mesopotamien“. (Zurück zu v.18) |
y |
Was genau die Terafim sind, ist ungewiss. Laban bezeichnet sie in diesem Kapitel als „seine `elohim“ und Rahel stiehlt sie und versteckt sie in ihrer Satteltasche. Aus Ez 21,26; Sach 10,2 und wahrscheinlich 1 Sam 15,23 und 2 Kön 23,24 lässt sich außerdem herauslesen, dass sie besonders häufig zur Wahrsagerei verwendet wurden. Danach handelt es sich um kleine Kultobjekte, durch die sich entweder mit den Göttern oder mit den Geistern von Toten u.a. zur Wahrsagerei kommunizieren lässt (`elohim meint meistens Götter, in 1 Sam 28,13 und vielleicht Jes 8,19 aber auch Totengeister, die man sich danach wohl als eine Art Zwischenwesen zwischen Mensch und Gottheit vorstellte). In der Regel hält man sie daher entweder für Masken (Bild 1+2) oder für kleine Figurinen (Bild 3), die übernatürliche Wesen repräsentierten. Die Figurinen-Deutung wird weit häufiger vertreten, weil man 1 Sam 19,13-16 meist so versteht, dass Michal Terafim so in ein Bett legt, dass man sie für einen kranken Menschen halten kann, und daraus ableitet, dass diese Figurinen also auch lebensgroß sein konnten – aber die Erzählung ist damit fast sicher missverstanden, s. dort. Das biblische Wort ist sehr wahrscheinlich ein Dysphemismus mit der Bed. „Verrottetes, Verdautes“; tarapim sind also „Kotz-Brocken“ (richtig z.B. Rouillard / Tropper 1987, S. 359; Loretz 1992, S. 141; Sarna 2001; vgl. den ähnlichen Dysphemismus gillulim [„Kot-Batzen“] für Götzen). Von solchen Dysphemismen gibt es grob zwei Varianten: Bei Variante 1 hat der Dysphemismus nichts mehr mit dem entstellten Wort zu tun (wie bei bošet [„Schande“] für Ba´al), bei Variante 2 werden nur die Vokale des entstellten Wortes mit denen eines Schimpfwortes ausgetauscht (wie bei molek mit den selben Vokalen wie bošet für malk „König“). Da neben t-r-p („weich/verdaut sein“) keine weitere hebräische Wurzel t-r-p bekannt ist, gehört Terafim wohl zu Variante 1, so dass sich aus ihrer Bezeichnung nichts herleiten lässt (von rapa` [„heilen“ > „Heil-Götter“] abzuleiten, wie Rouillard / Tropper vorschlagen, geht nicht an, da man hier tarpa`im mit Alef erwarten würde. Die Belege für Ausfall von Alef, die die beiden bringen, sind sämtlich nur Beispiele für die Schreibung von Endungs-` als Endungs-h und damit ohne Erklärwert). Das stärkste Indiz ist, dass Jub 29,9 die Terafim gar nicht erwähnt, aber unerwartet einen Exkurs nach Dtn 3,13 darüber einschaltet, dass Gilead das „Land der Refaim“ war. Könnte Terafim Verballhornung von Refaim sein (so schon Albright 1968, S. 168; Loretz 1992, S. 141f.) und unsere Erzählung auch Ätiologie, wonach Gilead deshalb das „Land der Refaim“ war, weil Rahel die Terafim (lies: Refaim) hierher gebracht hat? Aber das ist nicht mehr als educated speculation. Auch ihre Funktion in unserem Kapitel ist umstritten. Überwiegend sind drei Deutungen im Umlauf: (1) Josephus berichtet in JosAnt 18.9.5 von einer Partherin: „Da sie nach dem Tod ihres ersten Mannes in Gefangenschaft geriet, verbarg sie die Bildnisse der Götter, die sie mit jenem Manne verehrt hatte, und nahm sie nach dem Brauch ihres Landes mit sich. In jenen Gegenden ist es nämlich allgemein Sitte, Götterbilder zu Hause zu haben und dieselben auf Reisen mitzunehmen.“ (Üs. nach Clementz). Greenberg 1962 und z.B. van Seters 1975, S. 93f.; Thompson 2002, S. 278 und Utzschneider 2019, S. 34 haben danach angenommen, Rahel habe die Götzen schlicht aus religiösen Gründen mitgenommen, da sie sich ja nun auch auf eine Reise begibt. Hinzudenken muss man sich bei dieser Deutung wohl, dass sie sie dabei untypischerweise ihrem Vater raubt, weil sie ja soeben ihren Bruch mit ihm verkündet hat. Aber zu dieser Deutung passt sehr schlecht, dass sie sich im Folgenden auf die Terafim setzen wird, woraus gewiss keine religiöse Achtung spricht. (2) In altorientalischen Testamenten ist häufig die Rede von „Göttern und Toten einer Familie“, die Erben „erhalten“ oder „verehren“ sollen. In der Regel sind diese Erben die ältesten Söhne eines Vaters, die also nach seinem Tod zum pater familias werden werden. (2a) Gordon 1958, S. 129 und z.B. Taschner 2000, S. 121f. und Galambush 2018 denken daher klug, Rahel habe mit dem Diebstahl Jakob symbolisch ähnlich das Erstgeburtsrecht in der Familie Labans ergaunern wollen wie Jakob dies zuvor in der Familie Isaaks getan hat, (2b) ähnlich glauben Draffkorn 1957, S. 219f.; Pardes 1992, S. 70f.; Spanier 1992 und Fischer 1995, S. 116, Rahel habe sich nach dem Geburtswettstreit in Gen 30 mit diesen Terafim das Erstgeburtsrecht für ihre statt für Leas Söhne ergaunern wollen. Aber es ist gar nicht wahr, dass diese „Götter und Toten“ nur an die Erstgeborenen vererbt wurden: Heltzer 1998, S. 359 verweist auf das Nuzi-Testament HSS 19,5 (zum Text vgl. Deller 1981, bes. S. 48-57), in dem der Erstgeborene nur die „großköpfigen Götter“ und der Zweitgeborene die „kleinköpfigen“ erhalten soll, Sigrist 1982, S. 242-46 übersetzt einen wahrscheinlich in Emar entstandenen Text, in dem ähnlich die Götter von beiden erbenden Söhnen verehrt werden sollen. Es ist daher nicht wahrscheinlich, dass die Terafim wirklich das Erstgeburtsrecht signalisieren; noch weniger, dass sie es „sichern“. (3) Am wahrscheinlichsten ist daher die schon bei den alten Auslegern (z.B. PRE 36.4; Midrasch BerR, Midrasch Tanchuma; auch bei Raschbam, ibn Ezra, Radak, Ramban) verbreitete Deutung, Rahel habe ihrem Vater mit dem Raub der Terafim hauptsächlich seine Wahrsage-Instrumente stehlen wollen, damit er sie nicht verfolgen konnte (so z.B. Sarna 2001; Krauss / Küchler 2004; Plangger 2018, S. 70f.). (Zurück zu v.19) |
z | das Herz stehlen - unklarer Ausdruck. Sonst nur noch in 2 Sam 15,6. An unserer Stelle deutet man es stets mit „täuschen / überlisten“, weil das Herz in der Vorstellung der alten Israeliten Sitz des logischen Denkens war, aber das passt nicht in 2 Sam. Soll der Ausdruck an beiden Stellen passen, müsste man eine Bed. annehmen wie „er hatte er ihm den Kopf verdreht“, und dies wäre dann hier zu konkretisieren z.B. zu „er hatte ihn ins Leere planen lassen“ > „er hatte seine Pläne durchkreuzt“. Ähnlich Baumgarten 1843 nach Luther: „Er hat ihm Rat und Anschlag zunichte gemacht“. Gewählt wurde der seltene Ausdruck natürlich, weil Jakob und Rahel so zu Bonnie und Clyde des Alten Testaments werden: Rahel stiehlt die Terafim, und Jakob stiehlt das Herz. (Zurück zu v.20 / zu v.26) |
aa | am dritten Tag ist vielleicht dramatische Ironie: In Gen 30,36 hat Laban 3 Tagesmärsche Abstand zwischen sich und Jakob gebracht. Das rächt sich jetzt; erst nach drei Tagen fällt Jakobs Flucht auf (gut Krauss / Küchler 2004; Turner 2000, S. 136). S. zum „dritten Tag“ und zu den „sieben Tagen“ noch die nächste FN. (Zurück zu v.22) |
ab | Das Gilead-Gebirge ist ein recht großflächiges Gebiet. Dass das „Gebirge“ / der „Berg“ in V. 25 doppelt genannt wird, legt nahe, dass wie in einer Kriegsszenerie beide ihre Lager auf benachbarten Hügeln aufschlagen (so z.B. Westermann 1981; Taschner 2000, S. 123; Sarna 2001. VUL und TgJ wollten das offenbar in ihrer Üs. explizit ausschließen: „auf dem selben Berg Gilead“ [fehlt in BHQ]). Wo genau, lässt sich wegen der groben Ortsangabe nicht sagen. Ich (S.W.) stelle mir vor – aber das ist wieder nur educated speculation –, dass sie auf den Plateaus an der heutigen syrisch-jordanischen Grenze am Fluss Jarmuk lagerten, also am nördlichen Ausläufer des Gilead-Gebirges (rechts: „Zeltlager 1“). 20 km nordöstlich liegt Karnajim, das wohl die längste Zeit der biblischen Frühgeschichte unter aramäischer Herrschaft stand, im 8. Jhd. kurz von den Israeliten erobert und dann wieder an die Aramäer verloren wurde (s. Am 1,3; 6,13); hier also lag eines der Grenzgebiete zwischen Israel und Aram. Vgl. auch Ez 47,16.18, wonach die Grenze Israels bei vollster Ausdehnung bis zum Hauran-Gebiet reicht, also wieder bis zum Jarmuk. Dann hätte Laban aus Haran die Grenze zwischen Israel und Aram am Rand des Hauran-Gebiets gezogen, und Jakob hätte bei seiner Flucht zu Beginn den Euphrat überqueren müssen, wäre am Jarmuk noch einmal mit Laban aneinandergeraten und dann am Jabbok dem Engel begegnet. Fußläufig ist diese Gegend etwa 640 km von Haran entfernt. In der aktuellen Forschung wird der Ort stattdessen manchmal deshalb, weil in Vv. 48f. von gal´ed und miṣpah die Rede ist, mit Khirbet Gel´ad identifiziert (rechts: „Zeltlager 2“), so dass wir schon hier in der Gegend bei Mahanajim am Jabbok wären, wo das nächste Kapitel spielt. Dann müssten wir noch einmal mit 120 km mehr rechnen (vgl. z.B. Gal-Ed (odb)). Aber zu Vv. 48f. s. dort. Zu Pferd wären beide Strecken in sieben Tagen gut machbar, eine Kleinviehherde hätte man aber keinesfalls in zehn Tagen so weit treiben können. Üblicherweise erklärt man daher die Zahlen als runde Zahlen: nach „wenigen“ Tagen wird Jakobs Flucht gemeldet, nach „einigen“ Tagen hat Laban ihn eingeholt. Die alternative Erklärung von Steinmann 2019, Laban sei erst nach dem Ende der Schafschur aufgebrochen, hilft nichts: Nach altorientalischen Quellen wird diese inklusive Fest im Schnitt sieben Tage oder weniger gedauert haben; auch 17 Tage sind aber weit zu wenig für die Reise Jakobs. Am besten erklärt man sich daher den „dritten Tag“ wirklich als Anspielung auf Gen 30,36 (s. vorige FN) und die „sieben Tage“ i.S.v. „nach einem mehrtägigen Gewaltritt“. Gut zusammenpassen tun beide Zeitangaben dennoch nicht. (Zurück zu v.23 / zu v.25) |
ac | sprechen von Gut bis Böse - unklarer Ausdruck. Üblicherweise bezeichnet eine Angabe à la „von X bis Y“ alles, also „sprich kein Wort mit Jakob!“ (vgl. bes. Honeyman 1952, S. 11f.). Das tut Laban dann aber doch, und das ganz schön ausführlich – und glaubt in V. 29 aber gleichzeitig, damit Gottes Verbot zu entsprechen. Es gibt zwei sehr nahe Parallelen: In 2 Sam 13,22, nachdem Amnon seine Schwester Tamar vergewaltigt hat, heißt es: „Absalom sprach nicht mit Amnon von Böse und bis Gut, denn Absalom hasste Amnon.“ Kurze Zeit später lädt er ihn zu sich ein, um ihn auf einem Fest zu ermorden. Die zweite Parallele ist Gen 24,50: Als Abrahams Knecht für Isaak um die Hand von Labans Schwester anhält und darum bittet, ihm dies entweder zu gewähren oder auszuschlagen, sagt Laban ähnlich: „Der Spruch ging von JHWH aus; wir können nicht zu dir sprechen Böses oder Gutes“, und hat dem Knecht damit die Bitte gewährt. Darf man die drei Stellen zusammenlesen – und das muss man wohl sogar –, scheint der Ausdruck also ungefähr zu bedeuten: „sich eines Urteils enthalten(, da Gott bereits geurteilt hat)“. Dies hieße bei 2 Sam 13 genauer: „Absalom vermied, öffentlich ein Urteil auszusprechen, denn er hasste ihn [und hatte vor, einen auf gut Freund mit ihm zu machen, um ihn dann töten zu können]“, und an unserer Stelle beschränkt sich Laban daher auf vorwurfsvolle Fragen, weshalb auch erst Jakob eine gerichtliche Untersuchung einleiten muss. Alternativ haben Clark 1969, S. 269 und nach ihm z.B. Sherwood 1990, S. 315 und Hamilton 1995 vermutet, der Ausdruck bedeute „rechtliche Schritte unternehmen“, was an unserer Stelle und in 2 Sam 13 ebenfalls gut passte, an der in Gen 24 aber weniger, und neuerdings hat Steinmann 2019 angenommen, „von gut bis böse sprechen“ bedeute, Gutes zu sprechen und dies dann zum Bösen zu pervertieren, was zu keiner der beiden anderen Stellen gut passt. Die alten jüd. Ausleger schließlich haben „von gut bis schlecht“ i.S.v. „weder Gutes noch Schlechtes“ genommen und dann das Verbot, Gutes zu sprechen, entweder so erklärt, dass Laban Jakob auch nicht zureden dürfe, wieder zurückzukommen (ibn Ezra, Ramban, Sforno; daher noch Michaelis 1775: „Hüte dich, weder in Gutem noch Bösen mit Jacob von der Rückreise zu reden“), oder so, dass auch das Gute, das böse Menschen sprechen, vergiftet ist (Raschi, Tur, Midrasch BerR). (Zurück zu v.24 / zu v.29) |
ad | Witzig: Wörtlich auf den ersten Blick: „Jakob hatte sein Zelt aufgeschlagen und Laban hatte seine Brüder aufgeschlagen.“ Vielleicht ein Textfehler, bei dem אהלו („sein Zelt“) zu אחיו („seine Brüder“) verlesen wurde (so BHS), aber alle Textzeugen stützen MT. Vielleicht wurde der Wortlaut auch bewusst gewählt: „Jakob schlug sein Zelt auf und Laban wild um sich.“ (Zurück zu v.25) |
ae | Was hast du getan!? + Warum - hochironisch: In Gen 29,25 hatte Jakob Laban mit diesen Worten dafür angeklagt, dass er ihm seine Tochter Lea gegeben hatte. Nun klagt ihn Laban mit den selben Worten dafür an, dass dieser ihm seine Töchter genommen hat. Was hast du getan ist wie auch die beiden folgenden Warum-Fragen rhetorische Fragen, mit denen im Heb. standardmäßig Anklagen formuliert werden (vgl. Boecker 1970, S. 31.42; Mabee 1980, S. 196). Treffender daher etwas wie: „Wie konntest du nur!?“ (Zurück zu v.26 / zu v.27 / zu v.30) |
af | tFN: mir nicht ermöglicht (mich nicht [so] verlassen, dass...) - seltsam. Heb. naṭaštani. naṭaš heißt sonst nur „verlassen, zurücklassen“, auch im Aramäischen. „Erlauben“, wie auch VUL übersetzt, wäre heb. natan. Greenfield 1981, S. 129; Hamilton 1995 und Bompiani 2014, S. 46 erklären als Aramäismus: Aram. šebaq heißt sowohl „verlassen“ als auch „zulassen“. Aber anders als in TgO.N.G und Syr steht hier ja gar nicht šabaq? LXX („ich war nicht würdig“) und TgJ („du hast nicht gewartet“) legen nahe, dass auch die alten Übesetzer das Wort schwierig fanden. Vielleicht richtiger: „Und hast mich nicht [so] verlassen, dass ich meine Enkel und Töchter küssen können hätte?“, und Tg, Syr und danach VUL wären dann als bloße Übersetzungs-Aramäismen zu beurteilen. So deutet aber niemand. (Zurück zu v.28) |
ag | Es läge in der Macht meiner Hand - etwas unklarer Ausdruck. Was er ungefähr bedeutet, ist klar, da er auch in Dtn 28,32; Neh 5,5; Spr 3,27 und Mi 2,1 in diesem Sinn verwendet wird. S. genauer zu Mi 2,1: Am ehesten ist wörtlich aufzulösen: „Meine Hand (ist=) wirkt für die Gottheit“. Mitzuhören ist dann: „darum führt diese Gottheit meine Hand auch“. Zur Idee vgl. z.B. Jes 45,1: Gott spricht zu seinem Gesalbten, „den ich an der rechten Hand genommen habe, um Nationen vor ihm niederzuwerfen“. Dass Laban sich gerade dieses Ausdrucks bedient, ist dann hochironisch: Gerade das gilt ja nicht, wie der Rest des Verses zeigt. Dass der Ausdruck stets in Rechtskontexten vorkomme und daher soviel bedeute wie „ich bin befugt, X zu tun“ (Fokkelman 1975, S. 169; ähnlich Mabee 1980, S. 198 FN 15) ist schlicht falsch; ein solcher Kontext ist außer an unserer Stelle sogar nie zu erkennen. (Zurück zu v.29) |
ah |
Historisch voraussetzen müssen wir beim Kamel-Sattel entweder den südarabischen Sattel oder den Kissensattel, vgl. Bulliet 1975, bes. Kapitel 3. Dass Rahel die Terafim im Sattel verstauen und sich danach auf sie setzen kann, macht sehr wahrscheinlich, dass ein Kissensattel gemeint ist, wie er rechts auf Bild 1 abgebildet ist: eine dicke Matte und darauf ein Kissen, die mit Seilen o.Ä. an das Kamel gezurrt wurden. Transportgüter wurden dann wiederum z.B. in Satteltaschen an diesem Konstrukt befestigt (s. Bild 2). Ein solcher Kissensattel ist auch auf dem Relief aus Tell Halav abgebildet (Bild 3, vgl. ebd., S. 80); der Reiter sitzt dort also nicht auf einer „Box“ (so Sarna 2001 und Waltke/Fredricks 2001), so schön das auch zu unserer Erzählung passen würde. Der nordarabische Sattel, an den z.B. Galambush 2018 zu denken scheint, wenn sie darauf hinweist, Kamelsattel hätten Füße (gleich Stühlen), kam erst ab dem 5. Jhd. v. Chr. auf (vgl. ebd., S. 87). Im Alten Israel schlief man für gewöhnlich auf dem bloßen Boden und deckte sich mit seinem Mantel zu, zumal auf Reisen. Ein Kissensattel war also im Verhältnis dazu sehr bequem und wirklich eine gute Sitz- oder Liegegelegenheit für eine Frau mit Menstruationsbeschwerden. (Zurück zu v.34) |
ai | So ausgelegt ist dieser Traum also (1) wirklich geschehen, (2) war ein Traum (3) und war identisch mit dem Auftrag, der in V. 3 knapp zusammenfasst wurde und der nun noch einmal ausführlicher erzählt wird. Das ist nicht die üblichste Auslegung: Zu (2) glauben viele, dass Kapitel 31 mindestens zwei, vielleicht sogar drei Visionen voraussetzt: Vision 1 wäre der Auftrag zum Aufbruch in V. 3, Vision 2 der geträumte Auftrag zum Aufbruch in V. 13, Vision 3 die Traum-Schau der farbigen Tiere in Vv. 10-12. Und bei (3) gehen die meisten davon aus, dass mindestens ein Teil von Vv. 10-13 schon vor sechs Jahren geträumt worden sein muss. Cotter 2003 und Fokkelman 1975, S. 155 etwa denken, der gesamte in Vv. 10-13 geschilderte Traum sei schon sechs Jahre alt und nach V. 3 sei dann später noch einmal der Auftrag zum Aufbruch erfolgt. Die meisten denken stattdessen, nur Vv. 10-12 seien vor sechs Jahren geträumt worden, während V. 13 identisch ist mit V. 3, und Jakob habe beide Träume hier nur aus Pragmatik „zusammen-erzählt“ (z.B. Sarna 2001; Waltke/Fredricks 2001; Krauss / Küchler 2004). Zu (1) schließlich denken wiederum nicht wenige, dass Jakob tatsächlich überhaupt keinen Traum gehabt habe, sondern ihn nur erfindet, um seine Frauen besser zum Aufbruch überreden zu können (z.B. Pardes 1992, S. 70; Brett 2000; Galambush 2018). Ich (S.W.) halte die Auslegung oben für einfacher und runder. (Zurück zu ) |