Syntax ungeprüft
Studienfassung (Genesis 33)
1 {Und} Jakob hob seine Augen, und er sah: (Siehe=) Da kam Esau! Und bei ihm [waren] 400 Mann. Da teilte er die Kinder auf Lea und auf Rahel und auf die beiden Dienerinnen auf 2 und stellte die Dienerinnen und ihre Kinder an den Anfang und Lea und ihre Kinder (nach hinten=) dahinter und Rahel und Josef (nach hinten=) an den Schluss.〈a〉 3 Er jedoch zog [an ihnen] vorbei vor sie. Dann warf er sich siebenmal zur Erde nieder,〈b〉 bis er seinen Bruder erreicht hatte, 4 und Esau (rannte, um ihm zu begegen=) rannte ihm entgegen,〈c〉 umarmte ihn, fiel ihm um seinen Hals,〈d〉 küsste ihn,〈e〉 und sie weinten (und weinte).〈f〉 ℘ ℘ ℘
5 {Und} Esau hob seine Augen, und er sah die Frauen und die Kinder. Und er sagte: „Wer [sind] diese dir?“〈g〉
Er sagte: „Die Kinder, mit welchen Gott deinen Knecht〈h〉 begnadigte.“〈i〉
6 Da kamen die Dienerinnen näher – sie und ihre Kinder – und warfen sich nieder. 7 Auch Lea und ihre Kinder kamen näher und warfen sich nieder. Danach kamen Joseph und Rahel näher und warfen sich nieder.〈j〉
8 Und er sagte: „Wer [ist] dir dieses ganze Lager,〈k〉 dem ich begegnet bin?“
Und jener sagte: „[Es diente,] um Gnade〈k〉 zu finden in den Augen meines Herrn.“〈h〉
9 Da sagte Esau: „Ich hab genug, mein Bruder! Dir soll sein, was dir [gehört]!“
10 Aber Jakob sagte: „Nicht doch!〈h〉 Wenn ich doch〈h〉 Gnade〈k〉 gefunden habe in deinen Augen, so nimm meine Gabe〈k〉 aus meiner Hand, weil ich dein Gesicht gesehen habe, wie man das Gesicht Gottes sieht, und du an mir Wohlgefallen hattest!〈l〉
11 Nimm doch〈h〉 meinen Segen, den ich (gebracht habe=) bringen ließ (der gebracht wurde, den du gebracht hast?),〈m〉 weil Gott mich begnadigt hat〈k〉 und ich alles habe!“ So drängte er ihn. Da nahm er['s].
12 Dann sagte er: „Lass uns aufbrechen und gehen, und ich will dir gegenüber gehen!“〈n〉
13 Aber er sagte zu ihm: „Mein Herr〈h〉 weiß, dass die Kinder [noch] zart sind und dass [noch] säugendes Klein- und Rindvieh (auf mir [ist]=) unter meiner Obhut steht. Wenn ich (man)〈o〉 sie [nur] einen Tag hart antriebe, würde das ganze Kleinvieh sterben!
14 Mein Herr〈h〉 ziehe [an mir] vorbei vor mich,〈p〉 seinen Knecht,〈h〉 und ich will (gemäß meiner Sanftheit=) sanft führen〈q〉 gemäß dem (Schritt=) Tempo des Besitzes (der Arbeit, der Reise?),〈r〉 der vor mir ist, und gemäß dem (Schritt=) Tempo der Kinder, bis ich komme zu meinem Herrn〈h〉 nach Seir.“
15 Da sagte Esau: „Lass mich doch〈h〉 abstellen für dich vom Volk, das bei mir [ist]!“
Er aber sagte: „Warum das? Ich will [nur]〈s〉 Gnade finden in den Augen meines Herrn!“〈h〉
16 So kehrte Esau am selben Tag um auf seinen Weg nach Seir,〈t〉 17 Jakob aber brach auf nach Sukkot und baute sich ein Haus. Und für seine Herde machte er Hütten, weshalb man den Namen des Ortes „Sukkot“ (=Hütten) nennt.
18 Jakob kam wohlbehalten zur ([nach] Schalem, der; [in] Frieden zur?)〈u〉 Stadt Sichems (der Stadt Sichem), die im Land Kanaan [ist], als er aus Paddan Aram kam. Er lagerte vor der Stadt ℘
19 und kaufte ein Grundstück, auf dem er sein Zelt aufschlug (aufgeschlagen hatte), (aus der Hand von=) von den Söhnen Hamors, des Vaters von Sichem, für 100 Qesitah.〈v〉
20 Er richtete dort einen Altar auf〈w〉 und rief den Gott Israels an (rief über ihn [den Namen] „El [ist] der Gott Israels“ aus).〈x〉
Anmerkungen
Gen 33 setzt unvermittelt damit ein, dass Jakob in V. 1a seinen Bruder mit seinem Heer erspäht. So folgt Jakobs Konfrontation mit Esau direkt auf seine Konfrontation mit Gott in Gen 32. Wie in Gen 32,7f. spricht auch hier V. 2 direkt nach der Rede von Esau und seinen 400 Männern in V. 1b von einem „Teilungs-Akt“ Jakobs: Er teilt seine Kinder ihren jeweiligen Mütter zu und stellt sie alle hintereinander auf, vielleicht sogar wieder in zwei Gruppen wie in Gen 32,8 (s.o.). Ob dies grundsätzlich eine Vorsichtsmaßnahme Jakobs ist oder ob er damit seine Familie bereits zum Defilee aufreiht, ist unter Auslegern umstritten; klar ist aber mindestens, dass die beiden Verse nach Gen 32 auf den Leser immerhin zuächst wie eine Vorsichtsmaßnahme wirken sollen.
Wer Jakobs Handeln in Gen 32,4.17.21.22 (Diener und Geschenk ziehen „vor Jakob her“) als Feigheit verstanden hat, interpretiert in V. 3 die Tatsache, dass nun Jakob vor seiner Familie Esau entgegengeht, als Zeichen für den neuen Mut, den Jakob nach seinem Sieg über Gott gewonnen hat (so deutet z.B. sogar Visotzky 1996, S. 189). Aber ob es wirklich von außergewöhnlichem Mut zeugt, sich bei der Begegnung mit dem alten Rivalen nicht hinter den eigenen Frauen und Kindern zu verstecken, darf man sich schon fragen; besser misst man diesem Satz also keine zu große Bedeutung bei. Wichtiger ist klar der krasse Gegensatz zwischen V. 3 und V. 4: Während sich Jakob seinem Bruder auf eine unterwürfige Weise naht, wie man es sonst nur von Begegnungen mit Königen und Göttern kennt, wird Esaus Freude und Rührung über die Begegnung mit seinem Bruder so breit geschildert wie nirgends sonst in der Bibel (vgl. die Parallelstellen zu V. 4). Wie dagegen Jakob empfindet, ist nicht ganz sicher; alles hängt an dem textkritisch unsicheren Wort „er weinte“ / „sie weinten“ in V. 4: Ist der Singular ursprünglich, spricht aus allem Handeln Jakobs in Gen 33,1-17 große Distanziertheit, die man sich dann erklären muss; ist dagegen der Plural ursprünglich, muss man sich ähnlich überlegen, wie Jakobs augenscheinliche Rührung mit seiner folgenden Distanziertheit zusammengelesen werden kann. Dass man Esaus Verhalten im Folgenden jedenfalls nicht als hinterlistiges Duellieren mit Worten verstehen darf (so deutet z.B. bes. stark Petersen 2005, S. 20f.), muss nach V. 4 klar sein: Ganz überraschend freut Esau sich tatsächlich zutiefst, seinen Bruder wiederzusehen. Hinzu kommen weitere Überraschungen: Esau hat ein Heer, ist also offenbar wirklich ein Mann des Schwertes geworden, wie Isaak ihm voraussagte (Gen 27,40). Aber von Aggression – keine Spur! Esau hat es wirklich „weit weg vom Fett der Erde“ nach Edom verschlagen (vgl. Gen 27,39), während Jakob reichlich Habe erlangt hat (vgl. Gen 27,28) – aber trotzdem ist es offensichtlich auch Esau blendend ergangen (V. 9). Und dann die letzte Überraschung: Hatte Isaak seinen Söhnen vorhergesagt, Esau werde sich vor Jakob niederbeugen müssen (vgl. Gen 27,29.37) und für Esau sei kein Segen mehr übrig (vgl. Gen 27,36) – wirft sich nun auf einmal Jakob vor Esau in den Staub und gibt ihm in V. 11 auch noch „seinen Segen“ zurück. Ein weiteres Mal zeigt sich, wie wenig Isaaks Segen, den Jakob ergaunert hat, gefruchtet hat (vgl. Turner 1990, S. 176): Die Lebensgeschichte der beiden selbst hat auf Jakobs krummen Zeilen gerade geschrieben, und mit seinem Verhalten in Gen 33 beseitigt Jakob endlich auch noch die letzten verbliebenen Tintenkleckse. Das ist nun unproblematisch möglich, weil er sich im Kapitel zuvor auf ehrliche Weise seinen eigenen Segen erstritten hat.
Wahrscheinlich muss man Jakobs zunächst etwas merkwürdig erscheinendes Verhalten in den folgenden Versen in diesem Licht sehen: Bis zum Ende bleibt er unterwürfig; auch seine ganze Familie huldigt Esau in Vv. 5-7, und so heben alle gemeinsam die Erhebung Jakobs zum Herrn über Esau zeitweise auf. Die Verhandlung über Jakobs Geschenk in Vv. 8-11 hat zum Ziel, auch bei der Habe, von der Jakob trotz allem mehr hat als Esau (V. 9: „Ich habe genug“ – V. 11: „Ich habe alles“), einen Güterausgleich herbeizuführen und so auch diesen Teil von Isaaks Segen zu neutralisieren. Und mit der Trennung der beiden in Vv. 12-15, die Jakob listig mit seiner Lüge in V. 14 herbeiführt, wird auch für die Zukunft verhindert, dass einer der beiden je über den anderen herrschen muss: In V. 16 bricht so Esau gen Süden nach Edom auf, während Jakob sich in V. 17 wieder nach Nord(west)en wendet und nördlich des Jabbok in Sukkot ansässig wird (zur Lage s. odb: Sukkot, Jordantal).
Also Ende gut, alles gut? Noch nicht ganz: Noch sind zwei Dinge aus Jakobs Gelübde in Gen 28,21f. offen: Er muss noch westlich des Jordan ins „Land seiner Väter“ zurückkehren, und er muss noch den Stein in Bethel zum Gotteshaus ausbauen. Das erste schildern die Vv. 18-19, die gleichzeitig Brücke zur Erzählung in Gen 34 sind: Jakob zieht weiter nach Sichem, einer der mächtigsten Städte des bronzezeitlichen Palästinas, die so zentral im gelobten Land lag, dass man sie ebenso wie Bethel (s. zu Gen 28) für den „Nabel der Welt“ hielt (s. Ri 9,37 und vgl. Wright 1970; Niesiołowski-Spanò 2011, S. 186), und wird dort durch seinen Landkauf sogar „noch ansässiger“ als zuvor in Sukkot. Nun kann er mit dem Altarbau und der Anrufung Gottes in V. 20 daher auch sein Gelübde wahrmachen: Fortan ist Gott wirklich der „Gott Israels“.
a | W. an den Anfang ... nach hinten ... nach hinten. Das kann heißen, dass die beiden Dienerinnen vorne und die beiden Frauen Jakobs in einer zweiten Reihe standen, oder das doppelte „nach hinten“ ist mit Jenni 1997f, S. 204 so zu erklären, dass das Hebräische nicht zwischen Komparativ und Superlativ differenziert und danach „an den Anfang ... nach hinten ... nach hinten“ so viel bedeutet wie „an den Anfang ... dahinter ... an den Schluss“. Blickt man nur auf V. 2, ist liegt die erste Erklärung näher, aber Vv. 6-7 legen nahe, dass die zweite Erklärung richtig ist, wie auch fast alle Ausleger und Üss. deuten. LXX und Syr haben jeweils so übersetzt, als stünde „nach vorne ... hinter sie ... nach [ganz] hinten“. Oder sie bezeugen statt `ḥrnjm („nach hinten“) `ḥrnjhm („hinter sie“), was aber auch nur für die übliche Übersetzung spräche. (Zurück zu v.2) |
b | Das siebenmalige Niederwerfen ist aus Briefen gut bekannt aus dem altorientalischen Hofzeremoniell. Ein Beispiel aus dem Amarnabrief 147: „Meinem König, ... meinem Sonnengott richte aus: Von Abimilki, deinem Diener. Sieben und siebenmal werfe ich mich nieder vor den Füßen des Königs, meines Herrn. Ich bin der Schmutz unter den Füßen des Königs, meines Herrn. Mein Herr ist der Sonnengott, der sich Tag für Tag über die Erde erhebt...“ Jakob naht sich seinem Bruder also mindestens wie einem König, wenn nicht gar wie einem Gott. (Zurück zu v.3) |
c | tFN: (rannte, um ihm zu begegnen=) rannte ihm entgegen - Zur Konstruktion vgl. HKL III § 319s: ihm begegnend ist ein erstarrter Ausdruck, der häufig wie ein Adverb mit der Bed. „entgegen“ verwendet wird, oft sogar ohne verbum movendi. S. z.B. Gen 19,1: „Lot stand auf, ihm begegnend“ = „Lot stand auf [und kam] ihm entgegen“; ähnlich 1 Sam 10,10; 2 Sam 16,1; 1 Kön 2,19; 18,7; 2 Kön 5,21; 10,15; Ps 59,5. Hier dient die Konstruktion dazu, die Zahl der Verben noch zusätzlich zu vermehren. (Zurück zu v.4) |
d | umarmte ihn, fiel um seinen Hals - unlogische Reihenfolge. LXX ist sogar noch unlogischer: „indem er ihn umarmte, küsste er ihn und fiel ihm um den Hals“. Gewiss soll diese unlogische Reihung neben der schieren Zahl an Verben die Emotionalität der Szene noch zusätzlich unterstreichen. (Zurück zu v.4) |
e | Textkritik: Gen 33,4 gehört zu den sehr wenigen Stellen, in denen in hebräischen Handschriften ein Wort mit sog. „Puncta extraordinaria“ versehen wurde, hier nämlich küsste ihn. Diese Punkte kannte laut Midrasch BerR schon Simeon ben Eleasar (2. Jhd.), sie sind also weit älter als z.B. die Vokalzeichen. Was die Punkte bedeuten, ist unklar. In der rabbinischen Auslegung entstand aber vor allem wegen ihnen die Deutung, irgendwas stimme nicht mit Esaus Küssen: Zum Beispiel habe er ihn tatsächlich nicht geküsst, sondern gebissen, oder er habe ihn nur unaufrichtig geküsst. In griechischen Handschriften bedeuten solche Punkte, dass das Wort ein Fehler und zu streichen ist, aber alle Textzeugen bezeugen das Wort. S. näher z.B. bei Lieberman 1962, S. 44f.; ergänzend: In den Schriftrollen von Qumran gibt es ähnlich Punkte. Diese können sowohl anzeigen, dass ein Wort falsch ist, und finden sich dann in Kombination mit einer Korrektur, oder auch, dass an einer Stelle etwas fehlt, und finden sich dann in Kombination mit einer Ergänzung. Da hier gezielt das Wort mit Punkten versehen wurde, ist die Deutung entsprechend dem griechischen und dem zweiten qumranischen Usus durchaus am wahrscheinlichsten. (Zurück zu v.4) |
f | Textkritik: Fast alle Textzeugen wie MT: sie weinten. VUL und TgO dagegen: „er weinte“. Der Plural endet mit dem Buchstaben w, das nächste Wort beginnt mit w; entweder ist also der Singular Haplographie oder der Plural Dittographie. Der Singular ließe sich außerdem als Angleichung an Hos 12,5 verstehen; Subjekt wäre dann Jakob. BHS, Speiser 1964 und Hamilton 1995 halten den Sg. für ursprünglich. Dass in ähnlichen Szenen (s. z.B. Gen 29,11; 45,14; 46,29) aber der Sg. üblich ist, macht eine Dittographie hier weniger wahrscheinlich. (Zurück zu v.4) |
g | Wer [sind] diese für dich - Richtig TUR: „Was sind diese dir“, „in welchem Verhältnis stehen sie zu dir?“ Die Frage hat im Heb. nur vier Silben: mi `elleh lak. Das steht im starken Gegensatz zur umständlichen Antwort, die Jakob gleich gibt. VUL hat sogar noch zusätzlich verkürzt, in dem sie lak als eigenen Satz nimmt: „Wer sind diese? Deine?“ Stilecht daher vielleicht: „Wer's'n des?“ (Zurück zu v.5) |
h | Von sich selbst in der 3. Person als jmds. Knecht zu sprechen und den anderen in der 3. Person als Herrn anzusprechen, sind im Heb. übliche und sehr häufige Höflichkeitsstrategien. Auch zu Gott spricht man so, s. z.B. Lk 1,46-48. Auch die heb. Partikel na`, die hier jeweils wie üblich mit „doch“ übertragen wurde, hat im Heb. hauptsächlich die Funktion, Äußerungen höflicher zu machen: Fast stets wird die Partikel verwendet, wenn niedriger Stehende sich an Höherstehende wenden; fast nie umgekehrt (vgl. bes. Wilt 1996). Es ist bedeutsam, dass Jakob hier extrem gehäuft solche Höflichkeitsstrategien anwendet, Esau dagegen nur in seinem letzten Satz: Erst hier stehen beide nun wieder auf einer Augenhöhe. Im Deutschen wäre nichts davon idiomatisch, besser formuliert man daher jeweils um zu einer besonders höflichen Äußerung. (Zurück zu v.5 / zu v.8 / zu v.10 / zu v.11 / zu v.13 / zu v.14 / zu v.15) |
i | begnadigte - nicht das übliche Wort in diesem Kontext; erwartet hätte man „segnete“. Entweder will Jakob Esau schon hier darauf einschwingen, gnädig zu sein, oder er will das belastete Wort „segnen“ vermeiden (gut z.B. Wenham 1994; Hamilton 1995; Waltke/Fredricks 2001). S. aber zum Wort näher noch mal in V. 8 zu „Lager“. (Zurück zu v.5) |
j | Strukturspiel: Man beachte, wie von Satz zu Satz die Kinder weiter an die Satzspitze rücken: „Es kamen näher die Dienerinnen – sie und ihre Kinder“ – „Auch Lea und ihre Kinder“ – „Joseph und Rahel“. Hervorgehoben wird dadurch nicht Rahel, sondern Joseph, der ja auch als einziges der Kinder namentlich genannt wird. Der letzte Satz fällt außerdem aus dem Rahmen, weil hier näherkommen im Nifal statt im Qal steht. Hamilton 1995 vermutet daher, dass zu übersetzen wäre: „Die Dienerinnen kamen näher mit ihren Kindern, Lea und ihre Kinder kamen näher, Josef und Rahel wurden nähergebracht“, und dass damit gesagt werden solle, dass Jakob diese beiden anders als die anderen zu Esau eskortierte. Aber nagaš gehört zu jenen Worten, die im Nifal ebenfalls aktive Bed. haben und gleichbedeutend sind mit Qal. Richtiger deutet daher wahrscheinlich Goldingay 2020 die drei Verben als bedeutungsgleich und die Verbfolge dient wirklich nur zusätzlich dazu, den dritten Satz herauszuheben aus seiner Reihe. Dazu dient schließlich auch das Gegeneinander von „auch“ vs. „danach“: Lea und ihre Kinder „gehören“ auch zu der Gruppe von Dienerinnen und deren Kindern; nur Josef und Rahel, die danach kommen, bilden eine Klasse für sich. (Zurück zu v.7) |
k | Klangspiel: Nachdem Jakob in V. 5 davon sprach, „begnadigt“ (ḥnn) worden zu sein, fragt Esau in V. 8 nach dem ganzen „Lager“ (mḥnh). Darauf antwortet Jakob zwei Mal, er wolle „Gnade“ (ḥn) in Esaus Augen finden (Vv. 8.10), das Lager solle daher „Gabe“ (mnḥh) für Esau sein (V. 10), weil ja Gott ihm „begnadigt“ (ḥnn) habe (V. 11; gut Taschner 2000, S. 164; Vrolijk 2011, S. 247; ähnlich Hamilton 1995). Zwei Male wird hier also Esaus „Gnade“ mit Gottes bereits erwiesener „Begnadigung“ verbunden, und die Brücke bilden „Lager“ und „Gabe“, die Geschenk für Esau sein sollen. (zu v.8 / zu v.10 / zu v.11) |
l | Überraschend schwieriger Satz. Dabei wirkt er auf den ersten Blick recht einfach: Mit dem „Sehen von Gottes Gesicht“ wird auf Gen 32 angespielt, wonach die Logik zu sein scheint: „(Dein Gesicht hat sich=) Du hast dich als mir wohlgefällig erwiesen, wie sich auch Gott(es Gesicht) jemandem wohlgefällig erweist. Dafür will ich dir danken. Wenn du mir also auch noch diesen Gefallen tun willst, so nimm mein Geschenk an.“ Jakob würde also Esau damit schmeicheln, dass er ihn mit Gott vergleicht (so schon b.Sot 41b), ohne dass Esau weiß, dass Jakob wirklich direkt zuvor Gottes Gesicht gesehen hat. Aber minḥah („Gabe“) ist häufig Fachbegriff aus dem Opferwesen und steht für ein Opfer, das man Gott darbringt. Zum Wohlgefallen haben vgl. richtig und wichtig Wenham 1994: Auch raṣah ist ein Begriff, der vor allem im Opferwesen dafür verwendet wird, dass Gott ein Opfer annimmt oder dafür, dass er noch zuvor den Opfernden akzeptiert und deshalb sein Opfer annimmt (s. z.B. Jer 14,10.12; Hos 8,13; Mal 1,13; zur Idee s. auch Ps 24,3-4; Hos 9,4; Am 5,22; Spr 21,27) – an wem Gott „Wohlgefallen hat“, an dessen Opfer hat er dann auch „Wohlgefallen“. Dass die Wörter „Gabe“ und „wohlgefällig sein“ zusammen in einem Satz fallen, macht sehr wahrscheinlich, dass sie so verstanden werden wollen. Dann ist die Logik umgekehrt: Nicht „(Du hattest an mir Wohlgefallen=) du warst gut zu mir, nimm also als Dank mein Opfer an“, sondern: „Weil du an mir Wohlgefallen hattest, musst du konsequenterweise auch mein Opfer annehmen.“ (Das Gesicht) Gott(es) sehen schließlich ist nicht nur in der Jakoberzählung ein Bild dafür, dass Gott Jakob überraschend nicht getötet hat. Sondern erstens ist es allgemein ein Bild dafür, dass Gott sich jemandes erbarmt und ihm seine Gnade erweist; s. v.a. Ijob 33,26; auch Ps 17,15; ähnlich Ps 16,11. Ein sehr häufiger Gegenausdruck ist „Gott verbirgt sein Gesicht vor jemandem“, schaut ihn also nicht an und lässt so zu, dass Unheil über ihn hereinbricht. Und zweitens ist „jemandes Gesicht sehen“ Ausdruck dafür, dass man vor dieser Person erscheinen darf (s. z.B. Gen 43,3.5; 44,23.26; Ex 10,28; 2 Sam 14,28), bei Gott also: an einen Kultort wie einen Tempel o.Ä. kommen darf, um ihm dann ein Opfer darzubringen. Letzteres lässt sich am hebräischen Bibeltext nicht direkt erkennen, ist aber ein bekannter sog. „Tiqqun sopherim“, also eine theologische Korrektur von späteren Schreibern: An mehreren Stellen (Ex 23,15.17; 34,20.23.24; Dtn 16,16; 31,11; Ps 42,3; Jes 1,12; umstrittener ist Ps 84,8; wohl nicht dazu gehört 1 Sam 1,22) wurde ein ursprüngliches „Gott sehen“ zu „von Gott gesehen werden“ umvokalisiert, die ursprüngliche Vokalisierung lässt sich aber dank der Konsonanten, Partikeln und auch alter jüd. Kommentare meist noch recht sicher erschließen (vgl. z.B. ThWAT VII, Sp. 251; McCarthy 1981, S. 197-204). In Ps 42,3 etwa bezeugen noch Tg und Syr das aktive Verb; auch Pesikta Rabbati 1 hat „zu den Wallfahrtsfesten ziehen und das Gesicht (der Schechina=) Gottes sehen“. Entweder setzt also der Vers die Abfolge „Wohlgefallen“ => „Opfer“ => „Gottes Gesicht sehen = von ihm begünstigt werden“ voraus und sagt: „Du hattest an mir Wohlgefallen und ich durfte dein Gesicht sehen. Dazwischen fehlt nun noch das Opfer; lass es mich dir darbringen!“ Oder vorausgesetzt ist die Abfolge „Gottes Gesicht sehen = vor dir erscheinen dürfen“ => „Wohlgefallen“ => „Opfer“ (ähnlich z.B. Knafl 2011, S. 142 FN 145) und die Aussage ist: „Ich durfte ja dein Gesicht sehen und du hattest ja an mir Wohlgefallen. Wenn du mir also auch noch diesen Gefallen tun willst: Konsequenterweise müsstest du nun also auch noch mein Opfer annehmen“. Alternativ wird nach dieser Auflösung der Satz in der jüd. Tradition verbunden mit Ex 23,15 („Man (wird gesehen=) sieht das Gesicht Gottes nicht mit leeren Händen“) und dann ähnlich erklärt: „Ich durfte ja dein Gesicht sehen und du hattest ja an mir Wohlgefallen, und wenn man derart jemandes Gesicht sieht, muss man ein Opfer dabei haben, daher nimm bitte mein Opfer an“ (so z.B. Sforno; auch Seebass 1999; Sarna 2001). So und so wird damit nun endgültig Esau nicht nur als König vorgestellt, sondern geradezu als gottgleiches Wesen (gut Fokkelman 1975). Was wir gewiss außerdem noch mithören können: Es ist nicht nur so, dass Jakob Gottes Gesicht in Esaus Gesicht wiedererkennt, sondern fortan lässt sich in Gesichtern wie dem Esaus auch Gottes Gesicht schauen: „So wandelt Gott die Geschichte einer Schuld in eine Segensgeschichte. Deswegen kann Jakob bekennen, dass er im Angesicht Esaus das Angesicht Gottes wiedererkannt hat. Der Bruder, der Versöhnung gewährt, vergibt, rettet und den schuldig gewordenen Menschenbruder nicht tötet, sondern am Leben lässt, verwirklicht Gottes Willen auf Erden [und macht so Gott sichtbar].“ (Lux 2009, S. 95). (Zurück zu v.10) |
m | Textkritik: Heb. hb`t. Die Konsonanten lassen sich (1) entweder als ungewöhnliches Passsiv („der gebracht wurde“) vokalisieren (zur Form vgl. GKC §74g) oder (2) als defektiv geschriebene 1. Pers. Aktiv oder (3) theoretisch auch und von den Konsonanten her eigentlich am nächsten liegend als 2. Pers. Aktiv. MT und die Targumim deuten nach (1), SamP, LXX, VUL und Syr nach (2), der Midrasch BerR erklärt als eine Art Wortspiel mit (1) und (3): „‚Schau, welche Mühe ich mir gegeben habe, bis die Gabe in deine Hand gekommen ist: Sie wurde dir gebracht! Darum soll sie in deinen Augen nicht gering scheinen.‘ Darum heißt es nicht hb`t (‚du hast gebracht‘), sondern hwb`t (‚es wurde gebracht‘): Sie wurde dir [ohne dein Zutun] gebracht.“ Die Parallelität von „nimm meine Gabe aus meiner Hand“ und „Nimm meinen Segen, der/den...“ macht sehr wahrscheinlich, dass ursprünglich (2) angezielt war (richtig BHS, gegen BHQ). (Zurück zu v.11) |
n | Hebräische Stileigentümlichkeit: Spricht man von längeren Reisen, können diese im Hebräischen aufgesplittet werden in die bis zu drei „Reiseabschnitte“ Losgehen, Reisen und Ankommen. S. für diese Konstruktion mit den selben Worten „losziehen und gehen“ z.B. 2 Kön 19,36 = Jes 37,37; zur Konstruktion allgemein vgl. zu Rut 2,3 zur häufigeren Fügung „gehen und kommen“. Diese Eigentümlichkeit dient dann häufig dazu, nähere Angaben zur Reise machen zu können. In Dtn 1,19 („Wir brachen auf vom Horeb und gingen durch die große und schreckliche Wüste“) etwa kann so sowohl der Startort als auch die anstrengende Reiseroute genannt werden (weitere Bspp. bei Rut 2,3). Hier dient sie dazu, mit und ich will dir gegenüber gehen nähere Angabe zu den Reiseumständen machen zu können. Idiomatischer daher im Deutschen: „Lass uns aufbrechen; ich will bei der Reise dir gegenüber gehen!“ Mit dir gegenüber wird das eigentlich zu erwartende „vor dir“ vermieden, das im Heb. w. „vor deinem Gesicht“ lauten würde: „Jakob dagegen bedient sich immer der Wendung [‚vor deinem Gesicht‘]. Er ist es auch, der die [‚Gesicht‘]-Erfahrungen, sowohl mit Gott als auch mit Esau, gemacht hat. Esau fehlt diese Erfahrung. Das wäre ein möglicher Grund dafür, warum [‚dir gegenüber‘] und nicht etwa [‚vor deinem Gesicht‘] in seiner Rede benutzt wird.“ (gut Klein 2002, S. 144). Ins Deutsche kann dann aber unproblematisch mit „vor dir gehen“ übersetzt werden. (Zurück zu v.12) |
o | Textkritik: Im MT wdpqwm („man treibt sie an“). Das stützt nur TgN; alle anderen Versionen und mehrere hebräische Handschriften setzen stattdessen wdpqtm („ich treibe sie an“) voraus, was auch in TgN am Rand vermerkt ist. Angesichts dieser schieren Zahl an Textzeugen ist sicher MT als Schreibfehler und die 1. Pers. als ursprünglich zu betrachten (richtig BHS, gegen BHQ). (Zurück zu v.13) |
p | [an mir] vorbei vor mich ziehen - fast exakt die selbe Formulierung wie in V. 3. Nicht nur Esau, auch der Leser denkt so zunächst, Jakob fordere Esau wirklich nur dazu auf, doch schon mal vorzugehen, er werde dann langsamer folgen. (Zurück zu v.14) |
q | führen - W. „wässern“, Begriff aus der Hirtensprache für das gemächliche Ziehen von Wasserplatz zu Wasserplatz. Gemeint ist also: „Ich werde so langsam nachkommen, wie mein empfindliches Vieh und das geringe Tempo meiner kleinen Kinder das erforderlich machen, die ich nur sanft führen kann.“ (Zurück zu v.14) |
r | Besitz (Arbeit, Reise?) - mindestens ein Wortspiel: mala`ka klingt wie ein unbelegtes Wort *mahalaka und damit so, als sei es von halak („gehen“) abgeleitet: Die Arbeit, die vor Jakob liegt, ist das Umherziehen mit seiner Herde. LXX hat das Wort auch wirklich von diesem Wort abgeleitet („meine Reise“, vgl. Wevers 1993, S. 553), ebenso SamP und TgSam (vgl. BHQ 160*; Schorch 2021, S. 175). Vielleicht setzen diese drei Textzeugen also statt den Konsonanten hml`kh die Konsonanten hmhlkh voraus. Die Targumim und Syr allerdings stützen MT: TgO.N und Syr nehmen das Wort hml`kh in seiner üblichsten Bedeutung „Arbeit“, TgJ übersetzt es entweder gar nicht oder nimmt „Empfindliches“ und hml`kh beides zusammen in der Bed. „Vieh“ („gemäß dem Tempo des Viehs, das vor mir ist“). Auch TgJ wäre berechtigt: In Ex 22,7.10; 2 Chr 17,13 bedeutet das Wort auch „Besitz“, in 1 Sam 15,9 konkreter Viehbesitz. Die meisten Ausleger und Üss. nehmen es daher auch hier in diesem letzten Sinn. Dem wird man sich anschließen müssen, weil ein Wort mahalaka („Reise“) nur mit dieser Stelle indirekt im samaritanischen Hebräisch nachweisbar ist und weil die Parallelität „gemäß dem Tempo meines X ..., gemäß dem Tempo der Kinder“ wahrscheinlich macht, dass auch X ein Lebewesen ist. Theoretisch möglich wäre aber alles: „gemäß dem Tempo meines Viehbesitzes, der bei der Reise vor mir ist“ (TgJ), „gemäß dem Tempo der Arbeit, die vor mir liegt“ (so Tröndle 2023) und „gemäß dem Tempo der Reise, die vor mir liegt“ (LXX, SamP, TgSam). (Zurück zu v.14) |
s | Oder: „Warum (ist dies=) gilt, [dass] ich [solche] Gnade in deinen Augen gefunden habe?“. Aber das wäre als Ablehung kaum verständlich. (Zurück zu v.15) |
t | Nicht: „Er kehrte auf seinem Weg nach Seir zurück“. Richtig Levin 1993, S. 258: „Die Wendung ist eigentümlich verquer: Man geht seines Weges (hlk ldrkw) oder kehrt an seinen Ort zurück (šwb lmqmw, vgl. 32,1b-2a), aber man kehrt nicht seines Weges zurück.“ Soll vielleicht hiermit und mit der Gegenüberstellung „sein Weg“ vs. „ein Haus für sich“ angedeutet werden, dass Esau nach wie vor „ein (umherziehender) Mann des Feldes“ (Gen 25,27) ist, während Jakob von nun an nicht einmal mehr „Mann, der in Zelten blieb“ ist, sondern sogar Hausbewohner? (Zurück zu v.16) |
u | Textkritik: Die Konsonanten šlm ließen sich deuten als šalom („[in] Frieden“, so SamP) oder als šalem (so MT), was entweder der Stadtname „Schalem“ (so LXX, VUL, Syr; ein Ort dieses Namens ist auch erwähnt in Jdt 4,4; Joh 3,23) oder ein Adverb (TgJ, TgO: „sicher“; TgN: „makellos“) sein könnte. Jub 30,1 kombiniert die erste und zweite Deutung: „in Frieden nach Schalem“. Gen 33,18-20 sind fast sicher ein redaktionelles Stück, das Gen 33,1-17 mit Gen 34 verbinden sollte. Dort ist von einem Ort „Schalem“ nicht die Rede; dass LXX, VUL und Syr (und z.B. Westermann 1981; Wenham 1994; Goldingay 2020) richtig deuten, ist also unwahrscheinlich (richtig Ball 1896). In der Bed. „wohlbehalten“ wird šalom (nicht šalem) in Gen 28,21 verwendet, von der „Friedlichkeit“ des Jakobclans spricht Gen 34,21. Nach dem Kontext wäre also beides gut möglich, entweder als Vor- oder als Rückverweis (richtig Ruppert 2005). Dass der Abschnitt, auf den Vv. 18-20 hinschreiben, vom šalom Jakobs sprechen, spricht für die erste Deutung (so daher z.B. Jacob 1934; Boecker 1992, ALTER); aber ohne Präp. wird šalom sonst nie so verwendet (richtig Wenham 1994). Am besten wählt man daher mit der Mehrheit die Deutung „unverletzt, wohlbehalten“. (Zurück zu v.18) |
v | Qesitah - unbekannte Währung; sonst nur noch in Jos 24,32 und Ijob 42,11 belegt. Einige Versionen übersetzen mit „für 100 Lämmer“, woraus manche Ausleger abgeleitet haben, die Qesitah sei entweder ein Geldstück mit aufgeprägtem Lamm (unmöglich zur Zeit Jakobs; die „100 Geldstücke“ in BB, die „100 Taler“ in ZÜR 31, die „100 Goldstücke“ in LUT und die „100 Silberstücke“ in BigS, GN und HfA sind ein krasser Anachronismus) oder eine Währung, bei der eine Einheit dem Gegenwert eines Lamms entsprach (daher B-R: „um hundert Lämmerwert“). Aber es ist gut möglich, dass auch diese Versionen die Währung nicht kannten und daher schlicht das eingesetzt haben, was Jakob im Überfluss besaß: Lämmer. Die meisten deutschen Übersetzungen lassen unübersetzt: „100 Kesita“. (Zurück zu v.19) |
w | Das Wort aufrichten erwartet man eigentlich nicht von Altären, die „gebaut“ wurden. Am besten Becker 2009, S. 177: Sonst hat Jakob Mazzeben „aufgerichtet“ (Gen 28,18; 31,45; 35,7.20); das unerwartete Verb soll wahrscheinlich Kontinuität zwischen diesen Mazzeben und dem Altar stiften, den Jakob hier wie schon sein Großvater Abraham in Gen 12,7 errichtet. Sind Abrahams Altar in Sichem, Jakobs Altar in Sichem und Josuas „Stein“ in Sichem (Jos 24,26) unterschiedliche Monumente oder hat die Bibel hier drei verschiedene Ätiologien des selben Monuments bewahrt? (Zurück zu v.20) |
x | Textkritik: MT, SamP und Syr allerdings jeweils: „Er rief über ihn (=dem Altar) [den Namen] `el `elohe jißra`el“. Der Vers ist damit sehr nah an Gen 35,7: „Er baute dort einen Altar und rief über den Ort [den Namen] `el bet-`el (Gottheit von Bet-El)“. Nach diesem Wortlaut wäre „El“ entweder Eigenname des kanaanitischen Gottes, der nun sozusagen „jüdisch getauft“ und als identisch mit Jakobs Gott erklärt würde (so deuten z.B. Westermann 1981; Boecker 1992; Galambush 2018), oder `el wäre Klassennomen: „die Gottheit“. Letzteres macht nicht viel Sinn, weil damit in diesem Namen ja gerade nicht erklärt würde, welche Gottheit der „Gott Israels“ sei; zudem wäre es nach Gen 28,21 äußerst merkwürdig, dass nun nicht „JHWH der Gott Israels“ sein soll, sondern „die Gottheit“. So aber dennoch z.B. Goldingay 2020: „God is the God of Yiśra'el“. LXX und VUL allerdings hatten lo („über ihn“) nicht vorliegen, nahmen danach `el nicht als Klassennomen „Gottheit“, sondern als Präposition „an“ und übersetzen daher: „Er rief den Gott Israels an“. Zwischen beiden Varianten stehen die Targumim, die einerseits alle `el i.S.v. „Gottheit“ nehmen, von denen aber zweitens ebenfalls keiner lo bezeugt. Die meisten Ausleger (z.B. BHQ) halten den Ausfall von lo für einen Schreibfehler, aber richtig Schenker 2017: Eher werden MT, SamP und Syr den Vers an Gen 35,7 angeglichen haben und stattdessen ist die LXX-Variante ursprünglich. (Zurück zu v.20) |